Folgen des Klimawandels für die menschliche Gesellschaft

Verlierer Mensch?

Verlierer Mensch? Klimafolgen betreffen alle © SXC

Der Klimawandel ist längst da – und mit ihm auch die ersten Klimafolgen. Sie betreffen längst nicht mehr nur Klima und Natur, sondern auch die menschliche Gesellschaft. Kaum eine Region oder ein System wird sich den kommenden Veränderungen entziehen können – auch wir nicht.

Hunger, Wassermangel, Krankheiten und Armut werden sich verschärfen – und dies besonders dort, wo die Menschen ohnehin am Existenzminimum leben. Wirtschaftliche und politische Konflikte sind da geradezu vorprogrammiert und wirken sich nicht nur lokal, sonern auch global aus.

„Die Klimaänderung ist nicht nur, wie zu viele Menschen noch glauben, ein Umweltthema. Sie ist eine allumfassende Bedrohung. Sie ist eine Bedrohung für die Gesundheit (…). Sie könnte die Welternährung gefährden (…). Sie könnte die Grundlagen gefährden, von denen fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt“, das erklärte auch der damalige Generalsekretär der UNO, Kofi Annan , im Rahmen des Klimagipfels in Nairobi im November 2006.

Nadja Podbregar
Stand: 24.10.2008

Entwicklungsländer tragen die Hauptlast der Folgen

Die Ärmsten zuerst

Die Auswirkungen der Klimawandels sind alles andere als gerecht verteilt: Hunger, Wasserknappheit oder Krankheiten treffen die ärmsten Länder und Völker als erste und am stärksten – obwohl diese am wenigsten zur globalen Erwärmung beigetragen haben. Die Hauptlast tragen damit zum größten Teil Menschen, die ohnehin bereits am oder unterhalb des Existenzminimums leben. Aber warum?

Eine drei Jahre anhaltende Dürre verwandelte dieses Weideland in Australien in Wüste. Künftig könnte ein solches Schicksal noch mehr Menschen ihrer Lebensgrundlage berauben. © SXC

Anfällige Wirtschaft

Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Zum einen sind viele Entwicklungsländer abhängig von Wirtschaftszweigen, die ganz besonders für Klimafolgen anfällig sind, wie zum Beispiel die Landwirtschaft. Fällt dann der Hauptmotor der Wirtschaft wegen Missernten aus, gibt es kaum Puffer und die Bevölkerung ist der Armut und dem Hunger nahezu hilflos ausgeliefert. „Wir stehen in der realen Gefahr, dass die jüngsten Errungenschaften in der Armutsbekämpfung in den kommenden Dekaden wieder verloren gehen, vor allem für die ärmsten Gesellschaften auf dem afrikanischen Kontinent“, warnte daher auch Kivutha Kibwana, der kenianische Umweltminister auf der Welt-Klimakonferenz 2007 in Nairobi.

Regenzeit adé?

Zum anderen aber haben diese Länder auch geographisch oft die schlechteren Karten: Sie liegen in unfruchtbaren, von Trockenheit gefährdeten und der Hitze ausgesetzten Gebieten. Häufig schwanken hier die Niederschläge ohenhin sehr stark und trockene Perioden mit Dürren und Wassermangel sind keine Ausnahme. Bisher jedoch reichten die Regenzeiten oder der zumindest ab und zu fallende Niederschlag gerade noch aus, um das prekäre Gleichgewicht zu halten und den Menschen und ihren Tieren und Feldern ein – wenn auch karges – Überleben zu ermöglichen.

Flüchtlinge in Kenia auf dem Weg zu einem Hilfslager © UNHCR

Doch mit der Verschiebung der Klimazonen und Niederschlagsmuster gerät dieses gerade noch funktionierende System aus dem Gleichgewicht. Was dies bedeutet, zeigte sich Anfang 2007, als in Ostafrika die Regenzeit ausblieb: Ernten fielen aus, Vieh verdurstete und drei Millionen Menschen hungerten. In Zukunft werden die Bewohner Kenias einer solchen Situation wohl häufiger ausgesetzt sein: Das IPCC prognostiziert für viele ohnehin trockene Gebiete der Tropen und der mittleren Breiten eine Abnahme der Niederschläge und der Wasserverfügbarkeit um zehn bis 30 Prozent.

Der Indus bezieht sein Wasser hauptsächlich aus dem Himalaya. Schmelzen dort die Gletscher, wird auch er weniger Wasser führen. © NASA GSFC

Wassermangel durch Gletscherschmelze

Aber auch Regionen, die im Schatten der Hochgebirge liegen und einen Großteil ihres Wassers aus dem Abfluss der Gebirgsgletscher bekommen, sind akut gefährdet: Zehn der größten Ströme Asiens, darunter Ganges, Indus, Brahmaputra und Yangtze, werden beispielsweise vom Schmelzwasser des Himalaya gespeist. Mehr als 1,3 Milliarden Menschen – ein Fünftel der Weltbevölkerung – leben im Einzugsgebiet dieser Flüsse. Aber ausgerechnet in den Gebirgen macht sich die globale Erwärmung besonders stark bemerkbar. Dadurch schmelzen die Gletscher immer schneller und der Ausgleich in Form von Schnee fehlt, da es in der Höhe immer häufiger regnet statt zu schneien.

Beides beginnt sich schon jetzt auf die Wasserversorgung der Flussanrainer auszuwirken. Statt wie früher kontinuierlich das gesamte Jahr hindurch ausreichend Wasser zu führen, fehlt es nun vor allem in der Trockenzeit machmal an Schmelzwassernachschub. Im niederschlagsreichen Frühjahr dagegen rauscht das Wasser in großen Mengen auf einmal zu Tal und löst Überschwemmungen aus.


Stand: 24.10.2008

Konfliktpotenzial durch Ressourcenknappheit

Flucht und Krieg

Einige Regionen haben zwar genügend Wasser, sind dafür aber vom steigenden Meeresspiegel und zunehmenden Stürmen bedroht, wie die Menschen in den Küstengebieten Bangladeschs, aber auch auf vielen kleineren Inseln. Der britische Wirtschaftswissenschaftler Sir Nicholas Stern errechnete 2007, dass schon bei einem Meeresspiegelanstieg von „nur“ 20 bis 80 Zentimetern bis zum Jahr 2100 zwischen 20 und 300 Milionen Menschen ihre Heimat verlieren könnten.

Die Bewohner der Carteret-Insel wurden evakuiert, weil ihr Atoll vom Untergang bedroht ist. © NASA GSFC

Carteret: Eine Insel wird evakuiert

Was dies bedeuten könnte, zeigte sich am 24.November 2005: An diesem Tag entschied sich die Regierung von Paupa Neuguinea dafür, die rund tausend Bewohner der Carteret-Inseln im Südpazifik komplett zu evakuieren. Der Grund: Ihr hufeisenförmiges Eiland drohte in den Fluten des Pazifik zu versinken. Wiederholt waren Stürme und Überschwemmungen über das flache Atoll gefegt und hatten die Böden und Süßwasserquellen versalzen und den Pflanzenanbau nahezu unmöglich gemacht.

Dass der Untergang einer solchen Insel eine realistische Möglichkeit war, hatte sich bereits 1999 gezeigt, als zwei – allerdings unbewohnte – Inseln des Kiribati-Inselreichs im Meer versanken. Noch ist zwar strittig, ob im Falle Carteret allein der Meeresspiegelanstieg der Auslöser für die Überflutungen und die notwendig werdende Evakuierung gewesen ist, doch die knapp tausend ihrer Heimat beraubten Insulaner gelten heute vielfach als die ersten Klimaflüchtlinge.

Bald 50 Millionen Umweltflüchtlinge?

Ein Einzelfall sind sie damit jedoch schon lange nicht mehr. Nach Schätzungen von Wissenschaftlern der Universität Hamburg sind bereits heute mehr als 20 Millionen Menschen auf der Flucht vor den direkten oder indirekten Auswirkungen des Klimawandels. Das entspricht mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit. Zwar ist der Begriff des „Klimaflüchtlings“ bisher umstritten, da nicht immer genau festgestellt werden kann, ob wirklich Klimafolgen allein die Menschen zur Migration bewegen, dennoch scheinen sich die Experten zumindest dahingehend einig, dass Umweltflüchtlinge künftig mehr werden. Und ein Großteil der auslösenden Umweltveränderungen wird klimabedingt sein.

Flüchtlingslager in Bangladesch: Das Elend fördert Konflikte. © UNHCR

Schon heute sind nach Schätzungen von Forschern der Universität der Vereinten Nationen (UNU) zwei Milliarden Menschen und damit ein Drittel der gesamten Menschheit potenzielle Opfer der Desertifikation. Ohne Gegenmaßnahmen könnten in den nächsten zehn Jahren mehr als 50 Millionen Menschen heimatlos und zu Umweltflüchtlingen werden, so eine 2007 veröffentlichte Studie. Die Anzahl dieser Flüchtlinge überträfe die gesamte Bevölkerung von Südafrika oder Südkorea – und sie wären erst der Beginn. Die meisten von ihnen werden durch die fortschreitende Desertifikation ihre Lebensgrundlage verlieren und daher ihre Heimat verlassen müssen. Was solche Flüchtlingsströme für die Ursprungsländer, aber auch für die Zielgebiete bedeutet, weiß heute noch niemand so genau.

Krieg durch Klimawandel?

Allerdings befürchten viele Wissenschaftler, aber auch Politiker, schwerwiegende soziale wie wirtschaftliche Probleme. Eine Studie der britischen Intitiative „International Alert“ sorgte Ende 2007 für Aufsehen. In ihr stellten Wissenschaftler die These auf, dass fast vier Milliarden Menschen von gewalttätigen Konflikten als Folge des Klimawandels bedroht seien. Für 46 Staaten prognostizierten sie ein hohes Risiko bewaffneter Auseinandersetzungen, verursacht durch wirtschaftliche, soziale oder politische Probleme, in weiteren 56 Ländern seien politische Konflikte, ausgelöst durch den Klimawandel, wahrscheinlich. Als Schlüsselproblem sehen die Forscher dabei die durch den Klimawandel hervorgerufene Ressourcenknappheit, sei es in Bezug auf Trinkwasser, Nahrung oder Energierohstoffe.

Dass solche Prognosen kein reines Horror-Szenario sind, bestätigt auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). In seinem Gutachten vom November 2007 bezeichnet der Beirat den Klimawandel als „neue sicherheitspolitische Herausforderung.“ Viele Gesellschaften seien mit der nötigen Anpassung an den Klimawandel überfordert und „daraus könnten Gewalt und Destabilisierung erwachsen, die die nationale und internationale Sicherheit in einem bisher unbekannten Ausmaß bedrohen.“ Die regionalen Brennpunkte sieht die WBGU-Studie in Nordafrika, in der Sahelzone und im südlichen Afrika, in Zentralasien, Indien, Pakistan und Bangladesch, in China, in der Karibik und im Golf von Mexiko sowie in der Andenregion und in Amazonien.


Stand: 24.10.2008

Landwirtschaft als Klimaopfer

Wenn die Nahrung knapp wird…

„Viele Menschen glauben, dass wir global gesehen nie ein Problem mit der Nahrungsproduktion haben werden“, erklärt Francesco Tubiele, Physiker und Landwirtschaftsexperte am NASA Goddard Institute of Space Studies und gleichzeitig Professor für Geowissenschaften an der Columbia Universität. „Aber es gibt ein großes Potenzial für negative Überraschungen.“

Tubiele ist der Autor einer von drei im Jahr 2007 erschienenen Studien, die belegen, dass insbesondere die Landwirtschaft, und damit auch die Nahrungsversorgung, vom Klimawandel stärker betroffen sein könnte als bisher angenommen. In den bisherigen Prognosen seien saisonale Extreme durch Hitze, Dürre oder Starkregen aber auch sekundäre ökologische Folgen nur ungenügend erfasst und daher seien sie zu positiv ausgefallen.

Schon heute gehört die Bewässerungslandwirtschaft zu den größten „Wasserschluckern“ weltweit. In einigen Regionen wird dies zukünftig mehr werden. © USDA

Mehr und weniger Ertrag zugleich

Tatsächlich deuteten Studien der letzten zehn Jahre darauf hin, dass steigende Kohlendioxidgehalte der Luft anfangs sogar die Photosyntheserate vieler Pflanzen ankurbeln und zunächst auch höhere Erträge bringen könnten. Zusätzlich dehnt sich durch das Schmelzen der Permafrostböden im hohen Norden die Fläche des bebaubaren Landes aus und erhöht dadurch ebenfalls die Produktivität.

Doch diese Gewinne werden gleichzeitig wieder aufgefressen durch die sinkenden Erträge in den Tropen, wo bereits bescheidene ein bis zwei Grad Temperaturanstieg die Trockenheit verstärken und bestimmte Pflanzen über ihre Toleranzgrenzen belasten könnten. Wissenschaftler schätzen, dass die Entwicklungsländer 135 Millionen Hektar Ackerland in den nächsten 50 Jahren verlieren werden. Hält der Temperaturanstieg an, wären nach 2050 auch die gemäßigteren Zonen betroffen.

Schnelle Umbrüche statt sanfter Wandel?

Aber all das wird nun noch verschärft: „Die bisherige Projektionen zeigen immer sanfte Kurven, aber eine solche sanfte Kurve hat es auch in der Geschichte der Menschheit nie gegeben“, so Tubiele. „Dinge passieren plötzlich und dann kann man nicht darauf reagieren.“ So können Extremwetter wie Hitzewellen oder plötzliche starke Stürme ganze Ernten in großem Maßstab vernichten, wenn sie sich zu kritischen Zeiten wie der Keimung oder der Blüte der Pflanzen ereignen.

In kleinerem Maßstab ist dies längst Realität: Während einer Hitzewelle im Sommer 2003 stiegen beispielsweise die Temperaturen in Italien sechs Grad über ihr langjähriges Mittel und die Erträge der Getreideernte in der fruchtbaren Poebene fielen um 36 Prozent. Genau solche und ähnliche Ereignisse werden sich in der Zukunft häufen und verstärken – mit entsprechenden Folgen, so die Wissenschaftler.

Und auch indirekte Auswirkungen werden sich in Zukunft stärker bemerkbar machen als bisher kalkuliert: So fördert die steigende Temperatur beispielsweise Viehkrankheiten und Pflanzenschädlinge, da sie die milderen Winter besser überleben. Auch schwächt sie Physiologie und Abwehrkräfte von Tieren und Pflanzen. Andere Studien deuten darauf hin, dass auch Langlebigkeit und Milcherträge sinken könnten.


Stand: 24.10.2008

Allergien und Infekte auf dem Vormarsch

Die Menschheit wird kränker

Der Klimawandel schwächt jedoch nicht nur die Gesundheit von Tieren und Pflanzen, auch der Mensch muss sich in Zukunft auf mehr Probleme gefasst machen. Schon jetzt zeigen die vom IPCC gesammelten Daten, dass Allergien durch Pollen, einige Infektionskrankheiten, aber auch Krankheits- und Todesfälle durch Hitzewellen zugenommen haben. Durch die steigenden Temperaturen und Polwärtsverlagerung der Klimazonen beginnt die Pollensaison immer früher und hält länger an.

Mehr Allergien

Gleichzeitig haben sich nuch die Verbreitungsgebiete einiger Allergie auslösender Pflanzen verschoben. So breitet sich die ursprünglich aus Nordamerika stammende Beifuß-Ambrosie, Ambrosia artemisiifolia, immer weiter in Deutschland aus. Ihre Pollen gehören zu den stärksten bekannten Allergieauslösern, empfindliche Personen reagieren schon, wenn sich nur sechs Pollen in einem Kubikmeter Luft befinden. Es gibt einige Hinweise darauf, dass die steigenden Temperaturen und der erhöhte CO2-Gehalt der Atmosphäre die Pollenproduktion der Pflanzen anregen, so das die Allergenbelastung zusätzlich steigt. Als Folge nehmen Allergien und Asthma zu und werden, so die Prognosen der IPCC-Forscher, auch in Zukunft weiter ansteigen.

El Dorado für Krankheitserreger und -überträger

Deutliche Auswirkungen hat die globale Erwärmung vor allem auf Infektionskrankheiten. Zum einen sagen die IPCC-Wissenschaftler steigende Seuchengefahr nach Überschwemmungen und anderen Wetterkatastrophen voraus. Die Wärme begünstigt unter anderem das Bakterienwachstum in verseuchtem Wasser und in Lebensmitteln, als Folge häufen sich Durchfallerkrankungen. Zum anderen verschieben und vergrößern sich die Verbreitungsgebiete von potenziell krankheitsübertragenden Insekten und Zecken.

Zecken und die von ihnen übertragenen Krankheiten sind bereits jetzt auf dem Vormarsch: die milderen Winter ermöglichen ihnen die Ausbrietung nach Norden. Ixodes pacificus gilt in den USA als einer der Hauptüberträger von Lyme-Borreliose und Ehrlichiose. © CDC

Schon jetzt wurden in Schweden, Kanada und Tschechien Zecken in Gebieten entdeckt, die dort zuvor nicht heimisch waren. In Dänemark und auch Deutschland haben sich die Risikogebiete für eine Infektion mit einer durch Zeckenbiss übertragenen Hirnhautentzündung nach Norden verschoben und vergrößert. Je nach Szenario könnte die Nordwanderung der Zecken bis Ende des Jahrhunderts 200 bis 1.000 Kilometer weit reichen.

Malaria und Co rücken näher

Im Mittelmeerraum verändert sich die Ausbreitung der Leishmaniose-übertragenden Sandmücken, in einigen Regionen Asiens und Nordamerikas tritt die Pest in zuvor nicht betroffenen Gebieten auf. Auch das Denguefieber, eine der gravierendsten Infektionskrankheiten weltweit, profitiert vom Klimawandel: Schon jetzt lebt ein Drittel der Weltbevölkerung in Regionen, in denen die Überträgermücke Stegomya aegypti beste Bedingungen vorfindet, zukünftig könnten noch mehr gefährdet sein.

Die Stechmücke Aedes (Stegomya) aegypti ist eine der Hauptüberträgerinnen des Denguefiebers. Sie kommt in feucht-warmen tropischen Regionen vor und könnte sich dank des Klimawandels zukünftig weiter ausbreiten. © CDC

Für Malaria zeichnet sich ein zweigeteiltes Bild ab: Während die Verbreitung der Krankheit in Afrika zunimmt, lässt zunehmende Trockenheit in Südamerika die Risikogebiete schrumpfen. Auch in Europa ermöglichen mildere Winter theoretisch ein Vorrücken der Malariamücken, da diese überall dort vorkommen, wo die Temperaturen nicht unter zehn Grad sinken. Bisher allerdings scheinen die Tiere diese „Chance“ noch nicht in größeren Mengen wahrgenommen zu haben.

Blei im Fisch

Der Klimawandel fördert nicht nur viele Infektionskrankheiten, auch andere Gesundheitsgefahren beispielsweise durch Umweltschadstoffe, könnten den Prognosen nach zunehmen. So führen die steigenden Meerestemperaturen im Nordatlantik dazu, dass das von Fischen aus dem Wasser aufgenommene Schwermetall Quecksilber vermehrt in die extrem giftige Form Methylquecksilber umgewandelt wird und damit in die Nahrungskette gelangt. An Land begünstigen höhere Lufttemperaturen die Entstehung von bodennahem Ozon aus Vorläufersubstanzen. Für die großen Städte der USA prognostiziert eine Studie daher eine Zunahme von Atemwegserkrankungen und sogar Todesfällen.

Das IPCC warnt in seinem jüngsten Bericht, dass die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels jetzt zwar noch relativ wenig spürbar seien, sich aber in Zukunft in allen Ländern und Regionen verstärken werde. Besonders betroffen, so die Wissenschaftler, sind dabei die armen Länder, aber auch, in allen Ländern, ältere Menschen und Kinder, die arme Stadtbevölkerung, Landwirte und die Bewohner der dicht besiedelten Küstenregionen.


Stand: 24.10.2008

…die Nachteile überwiegen

Es gibt auch Gewinner, aber…

Es gibt nicht nur Verlierer im Klimawandel. Für einige bisher eher benachteiligte Regionen könnte die globale Erwärmung sogar Vorteile bringen. So können sich beispielsweise Sibirien, aber auch Kanada, der Süden Argentiniens und andere Regionen freuen, in denen bisher wegen der Kälte und dem dauerhaft gefrorenen Boden nur wenig Landwirtschaft betrieben werden kann.

Tundrenlandschaft im hohen Norden - auftauender Boden erhöht hier die Fruchtbarkeit © gemeinfrei

Steigen die globalen Temperaturen und der Permafrost taut, dann werden die fruchtbaren Böden frei zur Bewirtschaftung. Zudem fördern steigende Kohlendioxidkonzentrationen das Pflanzenwachstum, sie könnten daher die Erträge steigern. Wärmeliebende Kulturen wie der Weinbau bringen zukünftig auch nördlich der etablierten Weinbauregionen lohnende Erträge – Wein aus Großbritannien oder Dänemark wäre dann möglicherweise eine begehrte Delikatesse.

Nordeuropa als Urlaubsziel

Auch dem Tourismus in den Ländern der nördlichen und gemäßigten Breiten könnte das mildere Klima zugute kommen, das belegte im Mai 2008 eine Studie von Wissenschaftlern des Yale Center for the Study of Globalization. Demnach profitieren in Europa bis 2030 vor allem die Benelux-Staaten, die skandiavischen Länder, Deutschland, Polen, aber auch Großbritannien und Irland. Mehr Sonnenschein und weniger Regen im Sommer sowie mildere Winter machen sie als Reiseziele zukünftig immer attraktiver. Auch Tourismusindustrie in Kanada, den USA und Neuseeland wird wahrscheinlich zu den Gewinnern gehören. Verlierer sind dagegen die Mittelmeerländer sowie Afrika, Südasien und Lateinamerika.

Doch bei aller Freude der „Gewinner“: Die Nachteile und Probleme, die die globale Erwärmung mit sich bringt übertreffen die Vorteile bei weitem. Zwar werden einige wenige Länder profitieren – in der Regel Industrieländer, die allermeisten Regionen jedoch müssen sich auf ernste und teilweise sogar dramatische Folgen einstellen. Für sie ist die dringendste Frage daher: Können wir diese Entwicklung noch aufhalten?


Stand: 24.10.2008

Gleich vierfach getroffen

Beispiel Bangladesch

Bangladesch gilt als Paradebeispiel für einen der großen Verlierer des Klimawandels. Als armes Land mit hoher Bevölkerungsdichte und ungünstigen geographischen Voraussetzungen hast es kaum Chancen, sich an die wechselnden Bedingungen anzupassen. 80 Prozent der rund 140 Millionen Einwohner Bangladeschs leben unterhalb der Armutsgrenze. Ein Großteil von ihnen drängt sich auf den flachen, fruchtbaren Ebenen der Ganges-Brahmaputra-Meghna-Mündung, einem der größten Flussdeltas der Erde zusammen. Diese überschwemmungsgefährdeten Flussebenen machen 65 Prozent der Landfläche aus, durch sie strömt mehr Wasser als durch alle Flüsse Europas zusammen.

Bangladesch liegt zu großen Teilen nur knapp über dem Meeresspiegel. © NASA GSFC

Wasser vom Himalaya…

Gefahr droht den Bewohnern des Landes gleich in mehrfacher Hinsicht: Zum einen verlieren schon jetzt fast in jedem Jahr Menschen durch die über ihre Ufer tretenden Flüsse und Flussarme ihre Ernten und im Extremfall auch ihre Heimat. Allein im Jahr 2004 mussten 30 Millionen Menschen zeitweise vor dem Wasser fliehen und durch Hilfslieferungen versorgt werden. Ein Teil von ihnen verlor dauerhaft die Existenz. Prognosen des IPCC und anderer Klimastudien gehen davon aus, dass sich die Hochwasserhäufigkeit in diesem Gebiet zukünftig noch erhöhen wird. Denn die Gletscherschmelze im Himalaya und eine bis 2030 um rund 15 Prozent ansteigende Niederschlagsmenge lassen die Pegel der Flüsse steigen.

…und vom Meer

Doch auch vom Meer her dringt das Wasser immer weiter ins Land vor. Ein Großteil der Landesfläche liegt nur knapp oberhalb des Meeresspiegels – heute. Steigt er jedoch um 95 Zentimeter, wie nach den Prognosen für 2100 im Extremfall durchaus möglich, dann könnte rund 18 Prozent der Landesfläche vom Meer verschlungen werden. Mehr als 38 Millionen Menschen wären dann heimatlos, wie eine Studie der Weltbank ermittelte.

Und als wäre das nicht genug, wird Bangladesch auch noch regelmäßig von tropischen Wirbelstürmen heimgesucht. Sie können wegen der flachen Küsten weit ins Land hinein rasen und richten regelmäßig schwere Verwüstungen an. Erst im November 2007 forderte Zyklon „Sidr“ mehrere tausend Todesopfer und trieb hundertausende Menschen in die Flucht.

Wo kein Wasser da Dürre

Und noch eine vierte Klimafolge bedroht Bangladesch. Sie könnte vor allem dort zuschlagen, wo die Menschen vor den drei anderen relativ sicher sind: Prognosen gehen davon aus, dass das Klima im Nordwesten des Landes zukünftig deutlich trockener sein wird. Einbußen in der Landwirtschaft und Wassermangel wären die Folge.

Ausgehend von diesen Bedrohungsszenarien prognostizieren Forscher, dass im Jahr 2050 möglicherweise 26 Millionen Menschen aus dem gebeutelten Land fliehen und Asyl in sicheren und wohlhabenderen Ländern suchen werden.


Stand: 24.10.2008

Klimaschock im Land der aufgehenden Sonne

Beispiel Japan

Die Kirschbäume blühen in Japan heute vier bis fünf Tage früher als noch vor 50 Jahren. Dieses Phänomen gehört allerdings zu den harmloseren Anzeichen des Klimawandels. Andere Folgen der globalen Erwärmung treffen das Land der aufgehenden Sonne weit härter, das zeigte eine Studie, die die Umweltorganisation WWF im Juli 2008 vorstellte. So stieg die Durchschnittstemperatur in Japan im vergangenen Jahrhundert um ein Grad und liegt damit über dem weltweiten Durchschnitt. In der Folge haben Stürme und Dürren zugenommen. Es regnet inzwischen seltener, aber dafür umso heftiger.

Auch Japan bekommt den Klimawandel zu spüren © NASA GSFC

Küsten in Gefahr

Fast die Hälfte der Bevölkerung Japans lebt in den stark industrialisierten Küstenregionen. Doch genau diese sind besonders stark bedroht: Steigt das Wasser nur um einen Meter, so werden 90 Prozent der Sandstrände Opfer der Fluten. „Dieses Szenario ist keineswegs nur Zukunftsmusik“, so Naoyuki Yamagishi, Leiter des Klimabereichs beim WWF Japan. Immerhin werde seit 1993 ein jährlicher Anstieg des Meeresspiegels um fünf Millimeter beobachtet. Ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren eher beschleunigt habe. „Die beobachteten Phänomene sind nur ein erster Vorgeschmack, was das Land erwartetet, wenn es nicht gelingt, den Klimawandel konsequent zu bekämpfen“, so Yamagishi.

Noch reicht das Geld

Im Gegensatz zu Entwicklungsländern wie Bangladesch hat Japan die finanziellen Mittel, um sich technisch und wirtschaftlich an die kommenden Änderungen anzupassen. Wird allerdings nicht gegen die fortschreitende Erwärmung getan, könnte es ziemlich teuer werden: Umgerechnet 115 Milliarden US-Dollar würde es nach Schätzungen von Forschern kosten, die Infrastruktur des Landes gegen einen Meeresspiegelanstieg von einem Meter zu schützen. Geschieht dies nicht, wären 46 Prozent der Bevölkerung und 47 Prozent von Japans industrieller Produktion in Gefahr.


Stand: 24.10.2008