Einschlag oder knapp daneben? 2029 entscheidet

Apophis: Asteroid auf Erdkurs

Asteroid 2004 MN4 (Apophis): Wird er 2036 die Erde treffen? © NASA / Podbregar

Benannt ist er nach dem ägyptischen Gott der Zerstörung und des Bösen, der Asteroid Apophis. Er wird in den nächsten Jahrzehnten gleich zwei Mal haarscharf an der Erde vorbeischrammen und könnte uns im Jahr 2036 sogar treffen. Noch ist die Wahrscheinlichkeit dafür gering – doch der 13. April 2029 könnte alles noch einmal dramatisch ändern.

Als der Asteroid Apophis im Jahr 2004 entdeckt wurde, war er nur einer von vielen. Denn gut 900 Gesteinsbrocken im Weltall könnten theoretisch irgendwann auf Kollisionskurs mit der Erde gehen, weil ihre Flugbahn die der Erde kreuzt. Doch der 300-Meter-Brocken Apophis hat es in sich: Denn er passiert die Erde in Zukunft gleich mehrmals extrem nah. Für einige Zeit galt ein Impakt im Jahr 2029 sogar als ziemlich wahrscheinlich. Inzwischen gibt es – zumindest für den 13. April 2029 – Entwarnung: Apophis wird nicht einschlagen, sondern die Erdoberfläche in nur knapp 30.000 Kilometern Höhe passieren – das ist niedriger als die Umlaufbahnen der geostationären Satelliten.

Doch es gibt einen Haken: Durchfliegt er dabei einen nur 600 Meter großen Bereich des Weltraums in der Nähe der Erde, verändert sich sein Kurs auf fatale Weise. Denn dann ist ein Einschlag genau sieben Jahre später, am 13. April 2036, vorprogrammiert.

Noch können die Astronomen das Risiko für ein solches Ereignis nur schätzen, zu ungenau sind die Daten bisher. Möglicherweise muss schon in den nächsten Jahren eine Satellitenmission zum Asteroiden starten, um endgültige Sicherheit zu erlangen. Sogar eine Abwehrmaßnahme ist nicht auszuschließen. Die Entscheidung darüber fällt vermutlich 2013 – wenn Apophis wieder in Reichweite irdischer Teleskope und Radarmessungen kommt.

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

Größte Annäherungen von Asteroiden bisher und in Zukunft

„Highscore“

1989: Um nur sechs Stunden verfehlt

Am 22. Mai 1989 flog der Asteroid 4581 Asclepius (1989 FC) im Abstand von nur 700.000 Kilometern an der Erde vorbei. Dabei passierte der 300-Meter-Brocken genau die Stelle im All, an der sich die Erde nur sechs Stunden zuvor befunden hatte.

2002: Entdeckung erst drei Tage später

Am 14. Juni 2002 verfehlte der zwischen 50 und 120 Meter große Asteroid 2002 MN die Erde um 120.700 Kilometer. Entdeckt wurde dies allerdings erst drei Tage nach dem nahen Vorbeiflug.

2004: Gleich drei größte Annäherungen

Am 31. März 2004 passierte der nur sechs Meter kleine Brocken 2004FU162 die Erde in nur 6.500 Kilometern Abstand – der bisher größten Annäherung. Bei einem Treffer wären die Folgen wegen seiner geringen Größe aber nur minimal gewesen. Wenige Tage zuvor, am 18. März, war der mit 30 Metern schon etwas größere Asteroid 2004 FH, der Erde immerhin 43.000 Kilometer nahe gekommen. Er raste deutlich sichtbar über den südlichen Atlantik hinweg. Am 19. Dezember 2004 schließlich erfolgte die zweitgrößte Annäherung an die Erde durch den fünf Meter kleinen Brocken 2004 YD5. Er hatte einen Abstand von 35.000 Kilometern.

2006: Im Fokus der Radarmessungen

Einen optimalen Blick für die Erfassung und Messung per Radar bot der Asteroid 2004 XP14, als er nach zwei Jahren Unsichtbarkeit am 3. Juli 2006 über die Westküste Nordamerikas hinweg raste. Der zwischen 300 und 900 Meter große Asteroid passierte die Erde im Abstand von 432.000 Kilometern, das entspricht dem 1,1-fachen Mondabstand und einer relativen Geschwindigkeit von 17 Kilometern pro Sekunde.

2008: Erste Vorhersage eines Einschlags

Der zwei bis fünf Meter kleine Asteroid 2008 TC3 wurde am 6. Oktober 2008 rund 20 Stunden vor seinem voraussichtlichen Einschlag entdeckt. Damit war es möglich, an ihm den Prozess des Verfolgens und Messens eines potenziellen Meteoriten zu erproben. Am Minor Planet Center liefen innerhalb weniger Stunden insgesamt mehr als tausend Beobachtungsdaten von 27 professionellen und Amateurastronomen ein. Zum ersten Mal konnten damit Zeit und Ort eines Einschlags vor dem Ereignis genau vorhergesagt werden. In der Nacht zum 7. Oktober trat der Gesteinsbrocken dann wie prognostiziert in die Erdatmosphäre ein und explodierte über der Nubischen Wüste im Sudan mit der Energie von rund zwei Kilotonnen TNT. Spätere Suchexpeditionen fanden mehr als 280 Fragmente des Asteroiden.

2009: Tunguska-Brocken knapp vorbei

Im März 2009 rasten gleich zwei Asteroiden in relativ geringer Entfernung zwischen Mond und Erde hindurch. Beide wurden ersten einen Tag zuvor entdeckt. Einer von ihnen, 2009 DD45, hatte mit einer Größe von 21 bis 47 Metern ungefähr das Maß des vermutlichen Auslösers der Explosion im sibirischen Tunguska am 30. Juni 1908.

2029: Apophis zum ersten

Am Freitag, den 13. April wird der 270 Meter große Asteroid Apophis (2004 NM4) in einer Entfernung von rund 30.000 Kilometern an der Erde vorbei fliegen. Ein Einschlag ist für diese Begegnung extrem unwahrscheinlich. Nicht jedoch für die nächste Annäherung dieses Asteroiden:

2036: …und zum zweiten

Fliegt Apophis bei seiner Erdpassage im April 2029 durch eine bestimmte, nur 600 Meter große Himmelsregion, das so genannte „Schlüsselloch“, könnte die Erdschwerkraft seine Flugbahn so beeinflussen, dass er am 13. April 2036 auf der Erde einschlägt. Bisher sprechen jedoch alle Messungen seiner Flugbahn gegen ein solches Schlüsselloch-Szenario.

2048: Torino-Skala 1

Der Asteroid 2007 VK184 ist eines der wenigen erdnahen Objekte, die auf der Torino-Skala der Einschlagswahrscheinlichkeit den Wert 1 tragen. Die Chance, dass er im Juni 2048 die Erde trifft liegt bei 1 zu 3.000. Der rund 130 Meter große Gesteinsbrocken wird bereits am 22. Mai 2014 einmal nahe an der Erde vorbeifliegen – für die Astronomen eine gute Chance, ihre Daten und Prognosen zu verfeinern.

2068: Apophis zum Dritten

2068 wird der Asteroid Apophis erneut die Erde passieren. Ob ein Einschlag droht und wie nah der Vorbeiflug werden könnte, ist aber noch unbekannt.

2880: Einschlagswahrscheinlichkeit 1:300

Wenn der gut einen Kilometer große Asteroid (29075) 1950 DA seine bisherige Bahn beibehält, könnte er sich der Erde am 16. März 2880 sehr stark nähern. Doch das ist nicht sicher, da seine heftige Rotation die Flugbahn in der Zwischenzeit verändern könnte. Das ermittelten Radarmessungen beim letzten nahen Vorbeiflug im März 2007. Heute existieren zwei mögliche Szenarien für 2880: Eine, nach der der Asteroid Millionen von Kilometer an der Erde vorbeifliegt, und eine zweite, nach der es mit der Wahrscheinlichkeit von 1 zu 300 zu einem Einschlag kommt. Wäre dies der Fall, hätte der Impakt globale Folgen.

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

Der Asteroid wird entdeckt

Rasender Lichtpunkt

18. Juni 2004, Kitt Peak Teleskop Arizona: Es ist Nacht. Der Astronom Roy Tucker durchmustert schon seit Stunden Aufnahmen des 0,9 Meter Teleskops hier auf dem Kitt Peak. Für ihn ein reiner Routinejob. Denn er ist Teil eines Teams von Astronomen, die im Auftrag der NASA und der Universität Hawaii bei der Kartierung von erdnahen Asteroiden, den so genannten NEAs, helfen.

Observatorium Kitt Peak in Arizona © gemeinfrei

Das Prinzip bei dieser Suche ist immer das gleiche: Das Teleskop fährt systematisch eine Himmelsregion ab und schießt eine Aufnahme nach der anderen. Dann geht es zurück auf die Ausgangsposition und die gleiche Region wird noch einmal abgefahren und fotografiert. Tuckers Job ist es nun, in den zeitversetzten Aufnahmen nach Diskrepanzen zu suchen. Nach Lichtpunkten, die dort nicht sein dürften. Und noch wichtiger: Nach Lichtpunkten, die in der kurzen Zeit zwischen den beiden Aufnahmen ihre Position verändert haben. Denn so schnell bewegt sich kein Stern oder Planet, so schnell sind nur Asteroiden oder Kometen.

Wandernder Lichtpunkt am Himmel

Tatsächlich stößt Tucker in zwei Aufnahmen auf genau so einen Lichtpunkt. Auch das ist erstmal noch reine Routine, nichts Ungewöhnliches. Schon unzählige Asteroiden hat er auf diese Weise entdeckt und kartiert. Wie vorgesehen steuert er deshalb das Teleskop noch einmal auf diese Himmelsstelle und macht eine weitere Aufnahmen. Er notiert die Beobachtung und macht dann Feierabend. Am nächsten Abend beobachtet Tucker den Lichtpunkt weiter und bestätigt seine erste Diagnose: Er hat mal wieder einen Asteroiden aufgespürt.

Asteroid 2004 MN4 in der entscheidenden Teleskop-Aufnahme. Entdeckt wurde er, weil sein Lichtpunkt zwischen zeitlich versetzten Aufnahmen sprang. © UH/IA

Den Fund meldet er wie üblich dem „Minor Planet Center“ der Internationalen Astronomischen Union (IAU) an der Harvard Universität. Hier befindet sich eine der beiden großen zentralen Datenbanken für die Erfassung von Asteroiden und anderen kleinen Himmelskörpern. Die andere ist das System „NEODys“ in Italien. Das Objekt, das zeitgleich von zwei weiteren Astrononen, David Tholen und Fabrizio Bernardi, entdeckt wird, erhält den Namen 2004 MN4. Danach gerät 2004 MN4 erst einmal wieder in Vergessenheit. Zu wenig ist über ihn bekannt – und schon gar nichts Ungewöhnliches. Er ist einfach ein Asteroid unter vielen Tausenden.

Doch am 18. Dezember 2004 ändert sich dies radikal. Gordon Garradd vom Siding Spring Observatorium in New South Wales stößt erneut auf 2004 MN4. Auch er meldet seinen Fund an das Minor Planet Center – und löst damit eine Kette dramatischer Ereignisse aus. Denn die neue Position des Asteroiden, kombiniert mit der aus den ersten Beobachtungen, ergibt eine Flugbahn, die genau auf die Erde deutet…

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

Gibt es 2029 eine fatale Kollision?

Kurs Erde

Dezember 2004: Die ersten Berechnungen der Flugbahn von 2004 MN4 lösen hektische Aktivität im Minor Planet Center und bei Astronomen weltweit aus. Denn sie zeigen eine „Ellipse der Trefferwahrscheinlichkeit“, die die Erde einschließt. Am Freitag, den 13. April 2029, so die Kalkulationen, könnte eine der vielen innerhalb der Fehlergrenzen liegenden Flugbahnmöglichkeiten des Asteroiden die Erdbahn kreuzen und dabei die Erde treffen. Noch allerdings sind die Daten zu dünn, die Beobachtungen zu ungenau, um die Fehlerspanne weiter einzuengen. Die mögliche Flugbahn gleicht eher einem dicken, sich verbreiternden Schlauch als einer Linie.

Asteroid und Erde mit Ellipsen der Trefferwahrscheinlichkeit. Sie werden im Verlauf der Beobachtungen immer kleiner und damit genauer. © Podbregar

Das Risiko steigt

Jetzt gilt es, Gewissheit zu schaffen. Überall auf der Erde richten sich Teleskope von Observatorien, aber auch von Amateurastrononen auf die Himmelsregion, in der der Asteroid seine Bahn zieht. Immer mehr Informationen werden in die Datenbanken und automatischen Berechnungssysteme des italienischen NEODyS und des SENTRY-Programms der NASA eingespielt. Normalerweise sorgt diese Datenflut schon nach wenigen Stunden dafür, dass Entwarnung gegeben werden kann. Denn mit steigender Genauigkeit der Berechnungen sinkt die Fehlerspanne. Die Ellipse der Trefferwahrscheinlichkeit verkleinert sich allmählich. Und in den meisten Fällen landet dabei die Erde irgendwann außerhalb des Risikogebiets.

Anders bei 2004 MN4. Immer genauer werden die Berechnungen und noch immer liegt die Erde mitten im potenziellen Zielgebiet. Der immer dünner werdende „Schlauch“ der Asteroiden-Flugbahn will einfach nicht zur Seite abwandern, er bleibt beharrlich auf Erdkurs. Als Folge steigt auch die Einschlagswahrscheinlichkeit an. Am 24. Dezember 2004 liegt sie schon bei 1:300, in den folgenden Tagen steigt sie dann sogar immer weiter. Am 27. Dezember schließlich erreicht sie 1:37 – ein bisher nie dagewesener Wert.

Rekordwert in Torino-Skala

Inzwischen gibt es auch erste Angaben über die Größe des Objekts: rund 300 Meter misst 2004 MN4. Würde er die Erde treffen, wäre ein Gebiet der Größe von Texas verwüstet. Eine Energie von 880 Megatonnen TNT, so errechnen NASA-Forscher, könnte dieser Impakt freisetzen. Eine Megatonne TNT entspricht der Sprengkraft von 77 Hiroshimabomben.

Schema der Torino-Skala. Je höher der Wert desto höher das Risiko. 2004 MN4 (Apophis) erreichte als erster Asteroid überhaupt den Wert 4. © NASA

Auf der Torino-Skala, einer Art „Richterskala“ für die Einschlagswahrscheinlichkeit und die potenziellen Folgen eines Impakts, klettert 2004 MN4 als erstes Objekt überhaupt auf die Stufe vier. Sie gilt für Objekte, die Trefferwahrscheinlichkeiten von mehr als einem Prozent aufweisen und beim Impakt regional schwere Verwüstungen anrichten würden. Die Nachricht vom „Asteroiden, der Freitag, den 13. die Erde treffen wird“ ist zu diesem Zeitpunkt längst um die Welt gegangen.

Zielgebiet Mitteleuropa?

Clark Chapman, einer der bekanntesten Meteoritenforscher der NASA, erklärt gegenüber der Presse: „Ich habe nicht erwartet, während meiner Lebenszeit eine solche hohe Einschlagswahrscheinlichkeit eines so großen Objekts zu erleben. Auch wenn es immer noch in 39 von 40 Möglichkeiten keinen Impakt geben wird.“

Sogar ein mutmaßliches Zielgebiet für Apophis hat ein NEO-Forscher bereits errechnet: Der Asteroid würde, so seine Kalkulation, irgendwo auf einer Linie von Mitteleuropa, über den Nahen Osten, das Ganges-Gebiet in Indien und die Philippinen niedergehen – damit liegen einige der am dichtesten besiedelten Gebiete unseres Planeten im potenziellen Katastrophengebiet.

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

2029 kommt Apophis uns so nahe wie keiner vor ihm

Kein Einschlag – jedenfalls noch nicht

Anfang Januar 2005: Noch immer spricht alles dafür, dass Asteroid 2004 MN4 auf Erdkurs ist. Doch noch geben die Astronomen nicht auf. Schlüssel zu einer genaueren Bahnberechnung ist jetzt die Zeit: Denn je länger das Intervall zwischen zwei Sichtungen ist, desto besser lässt sich die Flugbahn extrapolieren. Bisher gibt es aber nur die Meldung vom Juni 2004 und die aktuellen Dezemberbeobachtungen. Fieberhaft suchen die Forscher verschiedener Observatorien deshalb in ihren Archiven nach Aufnahmen, die den Asteroiden – von allen unbemerkt – vielleicht schon früher eingefangen hatten.

Entwarnung: die Erde wandert aus den Ellipsen der Trefferwahrscheinlichkeit heraus. Noch immer aber ist die prognostizierte Flugbahn des Asteroiden eher ein Schlauch als eine Linie. © Podbregar

Entwarnung für 2029

Und tatsächlich werden sie fündig – genau dort, woher auch die erste Meldung stammte: Jeff Larsen und Anne Descour entdecken den verräterischen Lichtpunkt von 2004 MN4 in Aufnahmen des Kitt Peak Telekops vom 15. März 2004 und verlängern damit die Spur der registrierten Positionen um drei Monate. Wieder wird fieberhaft gerechnet und modelliert. Dann ist es klar: 2004 MN4 wird die Erde verfehlen.

„Einen Einschlag auf der Erde am 13. April 2029 können wir ausschließen“, verkünden NASA-Astronomen Don Yeomans, Steve Chesley und Paul Chodas am 9. Januar 2005 der erleichterten Weltöffentlichkeit. Dafür allerdings wird der Asteroid 2029 so nah an der Erde vorbeifliegen, wie kaum ein Objekt vor ihm.

Knappster Vorbeiflug seit Menschengedenken

Das enthüllen im Januar 2005 Radarmessungen des Radioteleskops von Arecibo in Puerto Rico. Astronomen um Lance Brenner und Jon Giorgini vom Jet Propulsion Laboratorium der NASA schicken dafür Radarsignale in Richtung des Asteroiden und fangen die von ihm reflektierten Signale mithilfe der „Riesenschüssel“ von Arecibo wieder auf. Aus der Zeit bis zum Wiedereintreffen der Wellen und Änderungen der Frequenz erhalten die Forscher wertvolle Hinweise auf Fluggeschwindigkeit und Eigenschaften des Objekts.

Das Radioteleskop von Arecibo nimmt Radarmessungen vor. Sie tragen dazu bei, das Impaktrisiko auf nahe Null zu senken. © NAIC - Arecibo Observatory / NSF

Das Ergebnis: Am Freitag, den 13. April 2029 wird 2004 MN4 unseren Planeten nur knapp 30.000 Kilometer über der Erdoberfläche passieren. Damit rast er noch innerhalb der Bahn der geostationären Satelliten über den Himmel. „Der Asteroid wird wie ein Stern von 3 Magnituden Helligkeit erscheinen, sichtbar mit bloßem Auge in den meisten Regionen Europas, Afrikas und Asiens“, erklärt Giorgini. „So nahe Annäherungen durch Objekte so groß wie 2004 MN4 ereignen sich im Durchschnitt nur alle Tausend Jahre.“

Apophis – Gott der Zerstörung

Obwohl jetzt erstmal Entwarnung gegeben wird, legen die Astronomen den Asteroid nicht zu den Akten. Er steht weiter unter strengster Beobachtung. Inzwischen hat er auch einen echten Namen erhalten – eine Ehre, die nur wenigen Asteroiden zuteil wird. Statt 2004 MN4 heißt er nun Apophis. „Apophis ist der griechische Name für den ägyptischen Gott Apep, den Gott der Zerstörung und des Bösen“, erklärt Dave Tholen, einer der Mitentdecker des Asteroiden. „Allerdings wurden Apeps destruktive Pläne meist durchkreuzt. Auch Apophis wird uns nicht kriegen, nicht dieses Mal jedenfalls.“

Umnlaufbahnen von Apophis vor und nach 2029: Durch die ablenkende Schwerkraft der Erde wird er vom Asteroiden des Aten-Typs zum Apollo-Typ. © NASA/JPL

Er kommt wieder

Tholens Einschränkung kommt nicht von ungefähr. Denn die Entwarnung hat einen Haken: Die nahe Passage im Jahr 2029 wird die Flugbahn des Asteroiden verändern – möglicherweise auf fatale Weise. Die Schwerkraft der Erde lenkt den Boliden um 28 Grad von seinem bisherigen Weg ab. Mit diesem gewaltigen Kurswechsel wird der bisher zum „Aten“-Typ gehörende Asteroid zum „Apollo“-Typ und ändert damit sein gesamtes Verhalten. Bis 2029 liegt sein Orbit komplett innerhalb der Erdbahn. Einen Großteil seines Weges legt er dabei von uns aus gesehen hinter der Sonne zurück – und ist in dieser Zeit für irdische Astronomen unsichtbar und nicht zu beobachten.

Doch nach der Begegnung mit der Erde wird seine Umlaufbahn exzentrischer. Sie reicht jetzt von innerhalb der Venusbahn bis über den Orbit des Mars hinaus nach außen. Mehrfache Kreuzungen der Erdbahn sind bei diesem Kurs vorprogrammiert.

Und genau das ist das eigentliche Problem: Denn 2004 MN4 kommt zurück. Wieder an einem Freitag den 13., und wieder im April. 2036, so errechnen die Astronomen, ist das nächste Rendezvous fällig…

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

Warum wenige Meter entscheiden

Das fatale Schlüsselloch

Es ist ein leerer Fleck im Nirgendwo. Ein winziger, nur 600 Meter großer Ausschnitt des gewaltigen Weltraums irgendwo in der Nähe der Erde. Doch dieses „Schlüsselloch“ könnte über das Schicksal der Erde oder zumindest eines Teils seiner Bewohner entscheiden. Denn wenn der Asteroid Apophis am 13. April 2029 dort hindurch fliegt, könnte er doch noch auf der Erde einschlagen. Genau sieben Jahre später, am 13. April 2036.

Am 13. April 2029 kommt Apophis der Erde so nahe wie kaum einer vor ihm. Ob er dabei das Schlüsselloch durchfliegt, ist nicht 100prozentig geklärt. © NASA/JPL

Nur 600 Meter breit

30.405,3 Kilometer – das ist der kritische Abstand zur Erde. Hier liegt das Schlüsselloch, der Raumbereich, den Apophis besser nicht treffen sollte. „Passiert das Zentrum von Apophis die der Erde nähere Grenze dieses Gebiets, wird er 2036 gerade noch den Hinterrand der Erde streifen“, schreibt ein NASA-Team um NEA-Experte Clark Chapman und Ex-Apollo Astronaut Russel Schweickert in einem „White Paper“ für die amerikanische Regierung. „Passiert er das äußere Ende des Schlüssellochs, kehrt er nach sieben Jahren wieder und streift den Vorderrand der Erde. Eine Passage irgendwo zwischen diesen beiden Grenzen aber resultiert in einem direkten Treffer im Jahr 2036.“

Wird Apophis treffen oder nicht?

Welcher Fall aber wird am 13. April 2029 eintreten? Eine endgültige Antwort darauf ist alles andere als einfach. Immerhin muss in die Berechnungen nicht nur die Eigenbewegung des Asteroiden einbezogen werden, auch die Schwerkrafteinflüsse von Sonne und Planeten und deren Bewegung spielen eine Rolle. Allein die Erde rast mit rund 30 Kilometern pro Sekunde ihre Bahn entlang. Innerhalb von nur sieben Minuten bewegt sie sich so um einen ganzen Erddurchmesser weiter. Für die Astronomen bedeutet dies: Ihre Kalkulation von Bahn und Geschwindigkeit umfasst Millionen von Kilometern und mehrere Jahre – und muss doch auf wenige Meter und Sekunden genau sein.

Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Noch im Mai 2005, immerhin schon nach den ersten Radarmessungen, erklärt Jon Giorgini vom Jet Propulsion Laboratorium der NASA: „Unsere Fähigkeit zu ‚sehen‘, wohin 2004 MN4 fliegen wird, ist durch die Erdbegegnung 2029 so verschwommen, dass wir nicht einmal sagen können, auf welcher Seit der Sonne der Asteroid 2036 sein wird.“

Apophis' Flugbahn liegt knapp 30.000 Kilometer von der Erde entfernt. Die mögliche Fehlerspanne (weiß) liegt bei 3.200 Kilometern. Das in 30.405,3 Kilometer Entfernung liegende Schlüsselloch liegt also noch im Bereich der möglichen Flugbahn. © NASA/JPL

1:250.000 – theoretisch

Glücklicherweise kommt aber Apophis selbst den Astronomen zu Hilfe: Im Sommer 2006 fliegt er 27 Millionen Kilometer an der Erde vorbei, nah genug, um genauere Radarmessungen mit dem Arecibo-Teleskop und weitere Beobachtungen mit optischen Teleskopen machen zu können. Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass Apophis das Schlüsselloch durchfliegt und 2036 unseren Planeten trifft, sinkt auf 1:45.000. Höchstwahrscheinlich wird er die Erde in 29.933,7 Kilometern Abstand passieren – und damit gut 500 Kilometer vom Schlüsselloch entfernt. Dummerweise ist die Fehlerspanne dieser Kalkulation aber deutlich größer als dieser Sicherheitsabstand: Sie liegt bei 3.200 Kilometern.

Die Tücken des Jarkowski-Effekts

Und dann gibt es da noch etwas: Den Jarkowski-Effekt, entdeckt um 1900 von einem polnischen Ingenieur gleichen Namens. Von der Sonne einseitig angestrahlt, heizt sich die Oberfläche eines Asteroiden ungleichmäßig auf. Die jeweils wärmere Seite gibt mehr Wärmestrahlung ab und sorgt damit für einen sehr geringen, aber stetigen Schub. Dieser „Wärmeantrieb“ reichte immerhin aus, um den Asteroiden 6489 Golevka, einen Brocken immerhin doppelt so groß wie Apophis, in den letzten 15 Jahren um mehr als 15 Kilometer aus seiner Bahn zu lenken.

Jarkowski-Effekt: einseitige Erwärmung durch die Sonneneinstrahlung beeinflusst die Flugbahn © nach Rainer Bielefeld / GFDL

So weit, so berechenbar, scheint es. Dummerweise aber spielt für die Ermittlung des Jarkowski-Effekts ausgerechnet die Eigenrotation eine entscheidende Rolle. Genau die ist aber für Apophis nicht bekannt. Das bedeutet: Dreht sich der Asteroid in Bezug auf seine Flugrichtung vorwärts, beschleunigt der Effekt ihn ein wenig. Seine für 2029 vorhergesagte Ellipse der Durchflugswahrscheinlichkeit rückt dann gegenüber der Erde ein bisschen weiter nach vorne und er verfehlt das Schlüsselloch sogar noch deutlicher als vorhergesagt. Anders aber, wenn sich Apophis gegen die Flugrichtung dreht. Denn so genannte retrograde Asteroiden werden durch den Jarkowski-Effekt ein wenig gebremst. Als Folge wandert die „Treffer-Ellipse“ für 2029 ein winziges Stück nach hinten – und ein Einschlag wird wahrscheinlicher.

Die Astronomen sind sich dieser Schwierigkeiten durchaus bewusst. Ändern können sie daran jedoch im Moment gar nichts. Frühestens im nächsten Jahr haben sie die Chance, neue Beobachtungsdaten zu sammeln. Denn bis dahin ist Apophis der Sonne zu nahe, um ihn mit optischen Teleskopen verfolgen und noch zu weit von der Erde entfernt, um Radarmessungen anstellen zu können.

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

Die Geschichte mit der Satelliten-Kollision

Schüler blamiert NASA – oder doch nicht?

April 2008 in Deutschland: „Ich hab den Weltuntergang ausgerechnet!“ Dieser Titel springt den Lesern der deutschen Bildzeitung am Morgen des 13. April in die Augen. „…Und die NASA hat gesagt ich habe recht“, legt das nur bedingt für wissenschaftliche Publikationen bekannte Blatt in der Unterzeile nach. Worum geht es? Wieder einmal um den „Killerasteroid“ Apophis.

Die „sensationelle“ Story…

Der 13jährige Schüler Nico Marquardt, so berichtet die Zeitung, habe die Einschlagswahrscheinlichkeit des Asteroiden neu berechnet. Demnach könnte dieser bei seinem Vorbeiflug im April 2029 mit einem der rund 40.000 Satelliten in der Erdumlaufbahn zusammenstoßen. Abgelenkt durch diese Kollision, hätte Apophis im Jahr 2036 ein Trefferrisiko von 1:450 – und damit deutlich höher als bisher von der NASA errechnet.

Ist ein Einschlag doch wahrscheinlicher als gedacht? © NASA / Don Davis

Zustande gekommen seien die Berechnungen mit Hilfe sowohl von einem Astronomen der Universität Potsdam als auch von einem Satellitenexperten der ESA. Die NASA habe über den Umweg der ESA ausrichten lassen, er habe recht. Dem Wettbewerb „Jugend forscht“ ist das Projekt des Schülers einen Sonderpreis wert. Und für die Medien ist es ein gefundenes Fressen. „Schüler blamiert NASA“ – mit diesem Tenor machen der Berliner Tagesspiegel und die Fernsehsender N24 und Sat1 mit der Geschichte groß auf. Die Bildzeitung zitiert den Siebtklässler „Der Asteroid hat mir keine Ruhe gelassen. Ich wollte wissen, wie es wirklich ist.“

…und die Wirklichkeit

Wirklich ist an dieser Geschichte allerdings kaum etwas. Außer vielleicht der Tatsache, dass Apophis am 13. April 2029 der Erde so nahe kommt, dass er dabei noch unterhalb der Bahnen der geostationären Satelliten fliegt. Damit hat es sich dann aber auch schon. Denn weder sind die Berechnungen des Schülers korrekt wiedergegeben, noch stimmt das angebliche „Düpieren“ der NASA durch Marquardt.

Erde und geostationärer Satellit © NOAA

Die meisten geostationären Satelliten umkreisen die Erde in einem Bereich zwischen dem Äquator und den mittleren Breiten. Der Asteroid wird 2029 diese Zone rund 90 Minuten vor seiner größten Annäherung erreichen. Er ist dann noch 52.000 Kilometer entfernt und damit rund 10.000 Kilometer höher als die Umlaufbahnen der Satelliten. In einem Winkel von 40 Grad fliegt er dann weiter Richtung hohe Breiten und erreicht erst dort seine Minimalentfernung von der Erde von rund 30.000 Kilometern. Hier allerdings gibt es nur wenige Satelliten, die ihm in die Quere kommen könnten.

„Nicht mehr als eine Fliege auf der Windschutzscheibe“

„Die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Kollision mit einem künstlichen Satelliten im Jahr 2029 ist verschwindend gering“, kommentiert daher die NASA am16. April 2008 das Medienspektakel. „Vanishingly unlikely“, wie Apophis-Experte Jon Giorgini es in einem Statement ausdrückt. Tatsächlich war der Potsdamer Schüler in seinen Berechnungen zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Wie er gegenüber scinexx erklärt, kam er auf eine Wahrscheinlichkeit von eins zu drei oder vier Millionen. Das allerdings war der Bilduzeitung vermutlich nicht sensationell genug, weswegen es prompt unterschlagen wurde.

Und auch auf ihr Eingeständnis eines Fehlers reagieren die NASA-Forscher eher verständnislos: „Diese Geschichte ist absurd, eine Falschmeldung oder beides“, so Don Yeomans, Leiter des Near Earth Object-Programms der NASA. „Entgegen den Presseberichten wurden wir weder kontaktiert, noch haben wir mit dem deutschen Schüler korrespondiert.“

Und selbst wenn eine Kollision mit einem Satelliten doch eintreten sollte: „Im Extremfall könnte ein großer Satellit die Position von Apophis sieben Jahre später gerade mal um 100 Kilometer verändern“, so Giorgini. „Zu diesem Zeitpunkt [2029] wäre eine Kollision mit einem Satelliten für Apophis wie eine Fliege auf der Windschutzscheibe.“ Die maximale Auslenkung entspräche nicht einmal einem Zehntel der Fehlerspanne, die ohnehin in die Berechnungen einkalkuliert sind.


Stand: 29.01.2010

Wie dringend ist eine Abwehrmission?

Russland und die Angst vor dem „Killerasteroid“

Oktober 2009. Die NASA veröffentlicht wieder einmal ein Update ihrer Risikokalkulation für 2036. Wieder sind es gute Nachrichten: Die Wahrscheinlichkeit für einen Einschlag von Apophis im Jahr 2036 ist auf 1:250.000 gesunken. Alles soweit prima, könnte man meinen. Doch die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos sieht dies anders.

Das mögliche Zielgebiet von Apophis bildet einen Pfad, der vor allem durch Russland geht. Auch der Pazifik - und damit ein Tsunami - sind im Rahmen des Möglichen. © NASA/JPL

Einschlagsziel Russland?

Kaum zwei Monate später nimmt sie die gute Nachricht zum Anlass, noch einmal ordentlich Panik zu schüren: „Menschenleben stehen auf dem Spiel“, erklärt Roskosmos-Leiter Anatoly Perminov gegenüber der Presseagentur Interfax im Dezember 2009. Er habe von Wissenschaftlern gehört, dass der Asteroid Apophis „ungefähr 2032“ die Erde treffen könnte, so der Ingenieur. „Wir sollten mehrere Millionen Dollar ausgeben und ein System bauen, das diese Kollision verhindert, statt einfach dazusitzen und darauf zu warten, dass die Katastrophe eintritt und hundertausende von Menschen tötet.“ Perminov kündigt an, ein internationales Treffen von Wissenschaftlern aus Russland, Europa, China und den USA einberufen zu wollen.

Auch wenn es so klingt, als habe der Russe vielleicht einmal zu oft den Film „Armageddon“ gesehen – vielen Asteroiden-Experten und Astronomen spricht Perminov damit aus dem Herzen. Denn sie fordern schon seit Jahren Raumfahrtmissionen zur näheren Überwachung und gegebenenfalls Ablenkung von Erdbahnkreuzern. Und dass ausgerechnet Russland sich in Bezug auf Apophis engagiert, ist auch nur bedingt verwunderlich. Denn sollte Apophis 2036 tatsächlich die Erde treffen, läge Russland genau in seinem möglichen Zielgebiet.

Mission zum Preis von „Armageddon“

Einer der engagiertesten Verfechter einer Überwachungs-Mission ist Rusty Schweickart, ehemaliger Apollo-Astronaut und Mitgründer der B612- Stiftung, die sich der Abwehr von potenziell bedrohlichen Asteroiden verschrieben hat. Schon im Mai 2005 hielt er eine Rede im US-Kongress, in der er für eine Überwachungs-Mission zum Asteroiden Apophis plädierte. Eine solche Mission sei die einzige Möglichkeit, lange vor dem Vorbeiflug 2029 zu erfahren, ob der Asteroid das Schlüsselloch durchfliegen wird oder nicht. Kosten würde das Ganze, so Schweickart, maximal 250 Millionen US-Dollar. Das entspricht ironischerweise ziemlich genau den Produktionskosten des Hollywood-Schockers „Armageddon“.

Der Orbiter "Sancho" der Don Quijote-Mission © ESA - AOES Medialab

„Don Quijote“ auf Asteroidenjagd

Die europäische Raumfahrtbehörde ESA hat dagegen bereits seit 2006 ein Konzept in der Schublade, das Überwachung und Ablenkung kombiniert. „Don Quijote“, so der beziehungsreiche Name der Mission, besteht aus zwei Raumsonden, die zeitversetzt den Asteroiden ansteuern. Der Orbiter „Sancho“ bildet die Vorhut und dient der Beobachtung und Messung der Bahnparameter. „Hidalgo“ dagegen ist auf Selbstmordkurs: Er soll den Asteroiden rammen und so um das entscheidende Bisschen von seinem Kollisionskurs abbringen. Noch allerdings existiert diese Mission nur auf dem Papier. Geld dafür gibt es auch in Europa nicht.

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

Eine Satellitenmission könnte Gewissheit schaffen

Ein „Wachhund“ für Apophis

2008 bringt einen weiteren Vorstoß in Richtung Überwachungsmission. Diesmal von Seiten der Planetary Society, einer unter anderem von Carl Sagan gegründeten internationalen Organisation zur Förderung der Weltraumerkundung. Sie schreibt zusammen mit ESA und NASA einen Wettbewerb für eine „Tagging“-Mission zu Apophis aus. 37 Vorschläge aus 20 Ländern gehen ein, darunter zwei vom europäischen EADS-Astrium-Konsortium, an dem auch Entwickler der Don Quijote-Mission beteiligt sind.

Das Design des Gewinners, die Sonde "Foresight" © SpaceWorks / SpaceDev

Nur ein Radiosender und zwei Messinstrumente

„Keep it simple“ – unter diesem Motto stehen die meisten eingereichten Designs. Denn eine Chance auf Umsetzung hat nur das, was schnell und billig zu realisieren ist. Das ist allen Teilnehmern klar. Der Gewinner, ein Design zweier amerikanischer Raumfahrtunternehmen, nutzt denn auch konsequent bestehende Technologie. Auch das zweitplatzierte Astrium-Konzept, der „A-Track“, setzt auf Standardkomponenten.

Beide Missionen bestehen im Prinzip aus einem einfachen Satelliten, ausgestattet mit Kommunikationstechnik und nur zwei Messinstrumenten. 2012 oder 2014 von einer Trägerrakete ins All transportiert, soll er in eine Umlaufbahn um Apophis einschwenken und regelmäßig sein Signal und weitere Informationen zur Erde funken. Aus der Zeitverzögerung dieser Radiosignale können die Wissenschaftler die Bahn der Asteroiden-Satelliten-Kombi einfach und sehr präzise ermitteln.

Gewissheit schon nach zwei Wochen

So soll das „A-Track“ System von Astrium schon nach zwei Wochen die Flugbahn bis auf 14 Kilometer genau bestimmt haben, nach knapp einem Jahr sogar bis auf 200 Meter genau. Bereits die zwei-Wochen Frist wäre ausreichend, um Klarheit über Schlüsselloch oder nicht zu gewinnen. Aber auch diese „Tagging“-Missionen sind bisher nichts als Konzepte und Planungen.

Was aber, wenn sich herausstellt, dass Apophis tatsächlich 2036 auf der Erde einschlagen wird?


Stand: 29.01.2010

Wie lässt sich ein Einschlag abwenden?

Was wäre wenn?

Der Einschlag von Apophis könnte regional fatale Folgen haben © gemeinfrei

13. April 2036. Es ist kein guter Tag für die Erde. Denn der Asteroid Apophis hat 2029 das fatale „Schlüsselloch“ durchflogen und ist seitdem auf Kollisionskurs. 30 Millionen Tonnen geballte Energie rasen mit 12.500 Meter pro Sekunde auf unseren Planeten zu. Irgendwo in Russland, China oder dem Pazifik droht ein kleiner Weltuntergang. Schlägt Apophis auf dem Festland auf, zerstört die 880 Megatonnen starke Explosion hunderte von Quadratkilometern Land, trifft er das Meer, verwüstet ein Tsunami die Küsten des Pazifik.

Sehr wahrscheinlich ist dieses Szenario nicht, aber auch nicht ausgeschlossen. Was aber, wenn es Wirklichkeit zu werden droht? Welche Möglichkeiten gibt es, die Katastrophe zu verhindern? Bruce Willis anrufen und ihn und seine tapferen „Armageddon“-Mannen zum Asteroiden schicken? Wohl kaum. Brachiale Gewalt im letzten Moment schadet mehr als dass sie nutzt, darin sind sich die Asteroiden-Experten einig. Sie haben schon längst erforscht, geplant und berechnet, was und wann im Ernstfall getan werden müsste.

Nur ein kleiner Schubs…

Am besten ist die sanfte Tour: Winzige Kurskorrekturen des 300-Meter Brockens lange vor dem potenziellen Einschlagstermin, und dies am besten sogar vor dem kritischen 2029-Termin. Dann reicht unter Umständen schon eine Verschiebung der Zielellipse um zehn Kilometer. Die Kosten für eine solche Abwehrmission wären entsprechend niedrig. Gerade mal 400 Millionen US-Dollar würde es kosten, rechnete NASA-Forscher Donald Gennery auf der Planetary Defense Conference im Jahr 2007 vor.

Würde die Mission schon im Jahr 2021/22 stattfinden, müsste man die Geschwindigkeit des Asteroiden nur um winzige 0,01 Millimeter pro Sekunde ändern. Ein winziger „Schubs“ in die richtige Richtung wäre schon genug. Denn Apophis legt dann bis 2029 noch neun Umläufe um die Sonne zurück, in deren Verlauf sich die Wirkung dieser Änderung potenziert.

Nach dem Einschlag der "Deep-Impact"-Sonde auf dem Kometen Tempel-1 © NASA/JPL

Modell „Deep Impact“

Eine Sonde von 40 Kilogramm – mehr bräuchte es mit der Methode des „kinetischen Impakts“, dem Rammen des Asteroiden, nicht. Umgesetzt hat die NASA eine solche Mission längst, im Sommer 2005. Damals flog die Raumsonde „Deep Impact“ 133 Millionen Kilometer weit zum Kometen Tempel-1 und setzte ein 372 Kilogramm schweres Projektil frei, das auf dem Kometen einschlug. Damals ging es zwar weniger um eine Bahnänderung als vielmehr um die Erforschung der Kometeneigenschaften, aber das technische Prinzip ist das gleiche. Noch bis spätestens 2026, so kalkulierte das „Don Quijote“-Team der ESA, könnte eine solche Ramm-Mission ausreichen.

An der langen Schwerkaft-Leine

Doch es geht auch viel sanfter: Komplett ohne Berührung kommt eine schon im September 2005 in „Nature“ vorgestellte Methode aus, der „Gravitations-Traktor“. NASA-Forscher Edward Lu vom Johnson Space Center erklärt das Vorgehen so: „Unsere Alternative ist ein Raumschiff, das einfach über der Oberfläche von Apophis schwebt. Die Sonde zieht den Asteroiden mit keiner physikalischen Verbindung zwischen ihnen außer der Gravitation als Leine.“

Gravitations-Traktor in Aktion (Illustration). Angetrieben wird das rund 20 tonnen schwere Raumschiff von Ionentriebwerken. Der Asteroide hier im bild soll 200 Meter groß sein. © Dan Durda / B612 Foundation

Das klingt zwar wie Science-Fiction, ist aber solide Wissenschaft. Grundprinzip dieser Technologie ist die gegenseitige Anziehung von Objekten großer Masse. Bleibt eines der Objekte dabei fest in seiner Position, zieht es das andere unmerklich aber stetig zu sich hin. In eine Asteroidenmission übersetzt heißt dies: Eine schwere Raumsonde positioniert sich dicht über der Oberfläche von Apophis, auf der Seite, in die der Asteroid abgelenkt werden soll. Mit Hilfe von Steuerdüsen sorgt die Sonde dann dafür, dass ihr Abstand ständig gleich bleibt. Nach einer gewissen Zeit hat allein ihre Präsenz gereicht, um eine messbare Veränderung von Apophis‘ Flugbahn zu bewirken. Noch vor 2029 durchgeführt, wäre schon ein nur eine Tonne schweres Raumschiff mit konventionellem chemischen Antrieb und rund 0,1 Newton Schub dafür völlig ausreichend. Nur einen Monat bräuchte es dann, um Apophis genügend abzulenken.

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010

Die Abwehrmöglichkeiten nach 2029

Die „Armageddon“-Methode

Deutlich schwieriger wird es aber, wenn die Abwehrmission erst nach 2029 stattfindet. Denn dann muss der Asteroid nicht nur um wenige Kilometer – weg vom Schlüsselloch – vom Kurs abgebracht werden, sondern schlimmstenfalls um rund 10.000 Kilometer. Auf dem Stand der heutigen Technologie scheiden dann der kinetische Impakt oder andere „schonende“ Methoden komplett aus, weil mit ihnen nicht genügend Schub in kurzer Zeit zu erreichen ist.

Bomben auf den Asteroiden? © ESA-AOS Medialabsc

Nach Ansicht der NASA-Forscher um Donald Gennery bleiben dann doch wohl nur noch Bruce Willis und seine „Armageddon“-Methode: eine Atombombe. Rund zehn Kilotonnen TNT müsste sie haben und durch einen Roboter auf dem Asteroiden eingegraben werden. Das wäre zwar aufwändig, aber mit heutiger Technik machbar. Spätester Startzeitpunkt für eine solche Raumsonde nebst Roboterarm wäre April 2034. Das Risiko, den Asteroiden in mehrere Stücke zu zersprengen, ist hierbei allerdings extrem groß.

Alternativ könnte eine Atombombe auch direkt neben dem Asteroiden gezündet werden. Bei 160 Metern Abstand, so kalkulieren Gennery und Co., wäre das Risiko für ein Zersprengen deutlich geringer, wenn auch nicht gleich Null. Und noch einen Haken gibt es: Die Bombe müsste eine Sprengkraft von mindestens elf Megatonnen TNT besitzen – mehr als selbst die größten heute existierenden Atombomben in den Arsenalen der USA.

Auch wenn solche Bombenszenarien im Film viel hermachen, in der Realität sind sie die schlechteste aller Möglichkeiten. Zu teuer, zu aufwändig und innerhalb kurzer Zeitspannen nicht realisierbar, so urteilen die NASA-Forscher.

„Loslegen“ ab 2014

Die amerikanische Raumfahrtbehörde setzt daher auf möglichst rasches Handeln – nach 2013. Sollten die dann möglichen genaueren Radarmessungen noch immer ein potenzielles Durchfliegen des „Schlüssellochs“ ergeben, könnte eine der bisher nur geplanten Überwachungsmissionen akut werden. „Im Moment gibt es keine Eile”, erklärt Steven Chesley vom Near Earth Object-Programm am Jet Propulsion Laboratorium. „Aber wenn das Ganze 2014 noch immer aktuell ist, dann müssen wir loslegen.“

Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010