Kann sich die Katastrophe wiederholen?

Die große Flut – Hamburg 1962

Sturmflut 1962 in Hamburg © Gerhard Pietsch / GFDL

Vor genau 50 Jahren brach eine verheerende Naturkatastrophe über Hamburg und die gesamte Nordseeküste herein: Eine Sturmflut ungeahnten Ausmaßes ließ ein Sechstel der Stadt in Wassermassen versinken. Mehr als 300 Menschen starben am 16. und 17. Februar 1962 in den Fluten, 30.000 wurden obdachlos.

Eine Ausnahme? Ein Extremfall? Oder jederzeit wieder möglich? Immerhin war der Sturm Vincinette, der die Katastrophe auslöste, noch nicht einmal der stärkste Vertreter seiner Art. Fatal war damals allerdings das Zusammentreffen von unzureichendem Deichschutz, zu später Reaktion der Verantwortlichen und die enorme Dauer des unerbittlich gegen die Küste drückenden Windes.

Seither sind die Deiche längst erheblich gewachsen, der Küstenschutz wurde ausgebaut. Aber reicht dies angesichts von Klimawandel und steigenden Meeresspiegeln noch aus? Müssen wir schon bald mit stärkeren Stürmen und gefährlicheren Sturmfluten rechnen?

Diese und viele andere Fragen stellen sich heute Klimaforscher, Meteorologen und Küstenschutz-Experten. Ihre bisherige Bilanz: Keine Panik, zurzeit ist der Küstenschutz durchaus ausreichend, die Deiche halten noch. Für die Zukunft allerdings sind die Aussichten offenbar weitaus weniger rosig…

Nadja Podbregar, Jens Oppermann, Dieter Lohmann
Stand: 16.02.2012

Die Nacht der Flut

„Land unter“ in Hamburg

Es ist der Nachmittag des 16. Februar 1962. Über der Nordsee tobt seit Stunden ein heftiger Sturm mit Orkanböen, in immer mehr Orten entlang der schleswig-holsteinischen Küste wird Katastrophenalarm ausgelöst.

Hamburg liegt rund 80 Kilometer von der Elbmündung entfernt. © USGS/Landsat 7

Doch Hamburg, die Metropole an der Elbe, wähnt sich zunächst noch in Sicherheit – liegt die Stadt doch immerhin 80 Kilometer von der Elbmündung entfernt landeinwärts. Warum sollte hier Gefahr herrschen? Die letzte große Sturmflut liegt schließlich mehr als 130 Jahre zurück und damals war auch nur ein Außenbezirk der Stadt betroffen. Wasserstände von mehr als fünf Metern über Normalnull hat es seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr gegeben.

Das Wasser steigt

Doch der Sturm nimmt darauf keine Rücksicht: Unerbittlich drückt der Wind die Wassermassen der Nordsee die Elbe hinauf. Mit anschwellender Flut verschärft sich die Lage dramatisch. In Cuxhaven, an der Elbemündung fällt der Pegel aus, der Wasserstand kann nur noch geschätzt werden. Auch Hamburg ist jetzt nicht mehr sicher. Das Wasser steigt mit rasender Geschwindigkeit: Um 22.30 Uhr erreicht der Pegel der Elbe 2,60 über Normalnull, nur 15 Minuten später zeigen die Messungen schon 2,85.

DIe während der Sturmflut am 16./17. Februar 1962 überluteten Gebiete Hamburgs lagen vor allem südlich der Elbe und zwischen den Elbarmen. © MMCD

Um 23.00 Uhr wird der Ausnahmezustand verhängt, verzweifelt versuchen Hilfskräfte, sich mit Sandsäcken gegen die Fluten zu stemmen. Durch Fehlinformationen oder mangelnde Anweisungen allerdings leider oft an genau den falschen Stellen. Doch alle Bemühungen nutzen ohnehin nichts mehr: Jahrelange Vernachlässigung des Hochwasserschutzes und die trügerische Sicherheit rächen sich jetzt: Die Deiche geben nach. Um 00.40 Uhr bricht der Deich an der alten Süderelbe bei Neuenfelde, das Wasser strömt in die ersten Vororte. Im Katastrophenstab jagt jetzt eine Deichbruch-Meldung die nächste – Moorfleet, Stillhorn, Wilhelmsburg – für das Wasser gibt es kein Halten mehr.

Hamburger werden im Schlaf überrascht

Die meisten Hamburger werden im Schlaf von der Flut überrascht. Viele haben die Sturmflutwarnungen zwar registriert, ignorieren sie aber zunächst. Schließlich ist in ihnen ja immer von der Nordseeküste die Rede ist, nicht aber explizit von Hamburg. Doch das Wasser steigt dort immer höher.

Um 02.00 Uhr bricht der nördliche Deich des Stadtteils Wilhelmsburg – in rasender Geschwindigkeit überfluten die Wassermassen die Elbinsel. Die Bewohner haben kaum eine Chance zu entkommen – innerhalb kürzester Zeit sterben allein hier 200 Menschen. Auch andere Stadtteile, darunter Georgswerder, Stillhorn, Waltershof und die Marschlande melden Land unter. Weite Teile der Stadt sind von der Außenwelt abgeschnitten, Straßen, Bahnstrecken sind überspült, Strom- und Telefonleitungen tot.

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Höhepunkt der Flut um 03.30 Uhr

Um 03.30 Uhr ist der Höhepunkt der Flut erreicht. Danach beginnt das Wasser langsam wieder zu fallen – doch zu spät für Hamburg und seine Bewohner: 60 Deiche sind von den Fluten weggerissen oder überströmt worden. Ein Sechstel des Stadtgebiets steht unter Wasser. Mehr als 30.000 Hamburger haben ihre Wohnung verloren und müssen in Schulturnhallen und anderen Notunterkünften Unterschlupf suchen. 100.000 sind vom Wasser eingeschlossen und harren auf Hausdächern, Anhöhen oder den oberen Stockwerken ihrer Häuser aus – ohne Trinkwasser, Nahrung oder wärmende Decken, mit durchnässten Kleidern bei eisiger Kälte. Für 317 Menschen kommt jede Hilfe zu spät – sie überleben die Sturmflut nicht.

Nadja Podbregar, Jens Oppermann, Dieter Lohmann
Stand: 16.02.2006

Der historisch-meteorologische Hintergrund

Was machte diese Flut so verheerend?

Es beginnt weitab von Hamburg und der Deutschen Bucht, weit draußen auf dem Atlantik: Am 14. Februar 1962 strömt kalte Luft aus Grönland auf ein Tief nahe Island zu und spaltet von diesem ein kleines Teiltief ab. Noch scheinbar harmlos ist damit das so folgenreiche Sturmtief geboren.

Die eigentliche Geburt des für die Küsten der Deutschen Bucht und für Hamburg und Nordwestdeutschland so folgenreichen Orkantiefs begann etwa am 14. Februar 1962. Grönlandkaltluft spaltete von einem Tief nahe Island ein kleines Teiltief ab, das sich danach verstärkte und als „Schnellläufer“ mit einem breiten Niederschlagsband aus gewittrigen Regenschauern, Schneeregen und Graupel südostwärts zog. Am Morgen des 16. erreichte es mit einem Kerndruck von nur 950 hPa (damals noch Millibar) Südskandinavien. In der nachfolgenden Nordmeerkaltluft steigerte sich über der Nordsee der Nordwest-Sturm allmählich zum Orkan. © DWD

Ein „Schnellläufer“ auf dem Vormarsch

Es rast als „Schnellläufer“ südostwärts und verstärkt sich dabei immer mehr. Mit ihm bewegt sich ein breites Niederschlagsband aus gewittrigen Regenschauern, Schneeregen und Graupeln Richtung Festland. Bereits gegen Mittag des 15. Februar lässt das Seewetteramt des Deutschen Wetterdienstes (DWD) entlang der deutschen Nordseeküste Sturmsignale setzen. Beim für den Sturmflutwarndienst zuständigen Deutschen Hydrographischen Institut laufen nahezu kontinuierlich die Sturm- und Orkanwarnungen der Meteorologen ein.

Am Morgen des 16. Februar erreicht das Tief „Vincinette (die Siegreiche)“ mit einem Kerndruck von nur 950 Hektopascal Südskandinavien. Die in seinem Gefolge einströmende Nordmeer-Kaltluft steigert den Nordwest-Sturm über der Nordsee allmählich zum Orkan.

Ebbe fällt aus

Gegen 13.00 Uhr meldet das Fischereischutzboot „Meerkatze“, das sich mitten in der Nordsee aufhält, bereits Windstärke 11. Nur sechs Stunden später, um 19.00 Uhr, kämpft die Schiffsbesatzung schon mit einem ausgewachsenen Orkan der Windstärke 12. Das norwegische Wetterschiff „Eger“ gerät sogar in Seenot.

Ist die Orkanstärke allein schon bedrohlich, sollte sich noch ein anderer Faktor als fatal erweisen: Obwohl das eigentliche Sturmtief weiter nördlich an der Deutschen Bucht vorbeizieht, halten die massiven Nordwestwinde des Orkans über Stunden bis in die Nacht des 16. Februar an. Der Sturm schiebt das Wasser der Nordsee in die Deutsche Bucht, die Wassermassen türmen sich immer höher. Die Folge: Die Nachmittags-Ebbe findet nur rudimentär statt, das Wasser kann nicht seewärts ablaufen. Auch das Wasser der Elbe ist blockiert und staut sich immer stärker auf. Die eiskalten Nordwestwinde drücken in die wie einen Trichter wirkende Elbmündung.

Überflutete Wohnhäuser in Wilhelmsburg © Gerhard Pietsch / GFDL

Überlastete Deiche

In der Nacht vom 16. zum 17. Februar treten zwar auch hinter der deutschen Küstenlinie und in Hamburg mehrmals Orkanböen auf, doch die eigentlich Gefahr lauert im Wasser: Da das Ebbewasser nicht abgelaufen ist, befürchten die Experten, dass das nächste Hochwasser entsprechend höher ansteigen wird. Und genau so kommt es: Gegen 23.00 Uhr erreicht die nächste Flut ihren Höhepunkt. Das auf die Küste einströmende Wasser türmt sich noch auf die ohnehin schon angeschwollenen Wassermassen – zu hoch für die überlasteten Deiche…

Nadja Podbregar, Jens Oppermann, Dieter Lohmann
Stand: 16.02.2006

Wetter- und Wasser-Experten im Einsatz

Vorhersage einer Sturmflut

Überflute Straße nach der Sturmflut © Gerhard Pietsch / gemeinfrei

Im Gegensatz zu vielen anderen Katastrophen kommen Sturmfluten nicht „aus heiterem Himmel“. Sie sind sogar in den meisten Fällen sehr gut vorherzusagen. Dass es in der Nacht zum 17. Februar 1962 trotzdem zur Katastrophe kam, lag auch nicht an einer schlechten Vorhersage. Ganz im Gegenteil: Die Wissenschaftler des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und der Sturmflutwarndienst am Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sind auch heute noch von der Arbeit der alten Kollegen angetan.

Und dennoch kam es zur Katastrophe. Könnte sich so etwas heute wiederholen? Trotz aller technischen und wissenschaftlichen Fortschritte in der Meteorologie? Was hat sich seit den großen Sturmfluten von 1962 und 1976 verbessert – wie werden wir gewarnt?

Gezeitenwellen nehmen Wasser Huckepack

Sturmfluten sind besondere Fluten. Wenn ein Sturm aus nordwestlichen Richtungen auf der Nordsee weht, werden die Wassermassen förmlich Richtung Küste getrieben, die Gezeitenwellen nehmen das Wasser Huckepack mit und rasen auf die Küste zu. Kommen noch einige andere Faktoren, wie zum Beispiel eine Fernwelle aus dem Atlantik hinzu, ist die Sturmflut schon fast perfekt. Wichtigster Faktor bleibt aber immer der Wind.

Dr. Sylvin Müller-Navarra in seinem Element – Sturmflutwarndienst © Jens Oppermann

Und so beginnt die Sturmflutvorhersage auch genau bei den Wissenschaftlern, die sich bestens mit Wind und Stürmen auskennen – beim DWD. Der nationale Wetterdienst arbeitet eng mit dem BSH zusammen. Nur eine Stahltür trennt die beiden Gebäude. Eine Stahltür durch die auch die Wissenschaftler in den Sturmfluttagen von 1962 ständig hindurcheilten, um wichtige Daten und Informationen auszutauschen.

Mehrmals am Tag nimmt der Dienst habende Wissenschaftler des BSH mit den Seemeteorologen des DWD persönlich Kontakt auf. Im Gepäck hat er dann hoch aufgelöste Windvorhersagen für die Zeiten von Hoch- und Niedrigwasser, die in die Berechnungen der Wasserstände zusammen mit aktuellen Pegelständen einbezogen werden. Parallel dazu werden die Computermodelle des BSH ständig mit Wetterdaten aus der DWD-Zentrale in Offenbach „gefüttert“.

Faktor Mensch

Würde diese Leitung gekappt, wären die Hamburger Wissenschaftler auf sich allein gestellt Sie müssten sich dann auf ihre Erfahrung und die unvollständigen Daten verlassen, die aus anderen Quellen stammen: So wie im Jahr 1962.

Bei einer Pressekonferenz im Seewetteramt in Hamburg im Februar 2006 wurden die Vertreter von DWD und BSH dementsprechend auch nicht müde, den Faktor Mensch bei der Sturmflutvorhersage hervorzuheben. Der Experte Sylvin Müller-Navarra von der BSH weiß, wie gut die mathematischen Modelle sind und er weiß auch, wo die Schwächen liegen. Denn diese gibt es trotz enormer Entwicklungen der Modelle immer noch: „Eine vollkommen automatisierte Sturmflutwarnung kann und darf es nicht geben“, so Müller-Navarra.

Zusammenarbeit ist Trumpf

Denn besonders knifflig wird es, wenn so genannte „Schnellläufer“, schnell ziehende Stürme, auf der Nordsee toben. Dann kommt es fast auf minutengenaue Vorhersagen der Windrichtung und Windstärke der Meteorologen an. Trifft die Gezeitenwelle mit dem schiebenden Wind zusammen oder nicht? Liegen die Meteorologen mit ihren Prognosen daneben, können die Sturmfluthöhen nicht mehr genau berechnet werden. Es muss nachgebessert werden. Und dann ist es gut, dass die erfahrenen Seewettermeteorologen so eng mit den Wissenschaftlern des BSH zusammenarbeiten.

Nadja Podbregar, Jens Oppermann, Dieter Lohmann
Stand: 16.02.2006

„Uns geht kein Sturm mehr durch die Lappen“

Sturmflutwarnung

Im einem Raum im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) laufen alle Daten der Sturmflutvorhersage zusammen, „Wasserstandvorhersage“ steht an der Tür. Hier werden, sollte es notwendig sein, die Sturmflutwarnungen verfasst und veröffentlicht. Die Telefone stehen an solchen Tagen nicht still, denn die Wissenschaftler beraten die verzweifelten Anrufer auch persönlich. Die gewonnenen Informationen der Augenzeugen werden wiederum in die Sturmflutvorhersagen mit aufgenommen und so verfeinern sich die Prognosen immer mehr.

Liegen die Prognosen 1,5 bis 2,5 Meter höher als das mittlere Hochwasser (mHW) wird eine Sturmflutwarnung ausgegeben. Eine schwere Sturmflut liegt zwischen 2,5 und 3,5 Metern und sollten die Wasserstände diese Marke noch überschreiten, muss vor einer „sehr schweren Sturmflut“ gewarnt werden.

Der Sturmflutwarndienst in Aktion © Jens Oppermann

Fernsehsender verweigert Sturmflutwarnung

Während es heute kein Problem ist, die Sturmflutwarnungen (dank der zahlreichen Medien) an die Öffentlichkeit weiterzugeben, gestaltete es sich 1962 noch ganz anders. So weigerte sich zum Beispiel ein Fernsehsender, sein Programm zu unterbrechen. Und noch ein Detail zur 1962er Sturmflut: In den Sturmflutwarnungen wurde immer nur von der „Küste“ gesprochen. Vor allem die Hamburger, die es in der Nacht am härtesten treffen sollte, fühlten sich überhaupt nicht angesprochen.

Aber die Beteiligten haben aus den Fehlern gelernt. Die Sturmflutwarnungen klingen heute zum Beispiel so:

„Sturmflutwarnung des BSH. Für die Deutsche Nordseeküste besteht die Gefahr einer schweren Sturmflut. In der Nacht von Freitag zu Sonnabend wird das Hochwasser an der Deutschen Nordseeküste, in Emden, Bremen und Hamburg 2,5 bis 3 Meter über mittlerem Hochwasser eintreten.“

Höhere Deiche und klare Zuständigkeiten

Gerade in Hamburg hat sich seit 1962 und 1976 so einiges geändert. Nicht nur, dass die Deiche deutlich erhöht wurden, sondern auch vermeintliche Kleinigkeiten. Wie zum Beispiel die Frage, wer denn nun eigentlich eine Sturmflutwarnung ausspricht. Nach den chaotischen Verhältnisse in der Vergangenheit werden nun Sturmflutwarnungen ausschließlich vom Hamburger Sturmflutschutz WADI ausgegeben. Und auch die Einsatzorganisation hat sich extrem verbessert. Bei der Warnstufe vier sind zum Beispiel tausende Menschen im Katastropheneinsatz – und zwar an den Stellen, an denen die Hilfe wirklich gebraucht wird.

Und könnte sich eine Sturmflutkatastrophe wie 1962 noch einmal wiederholen? Wahrscheinlich nicht. Die Sturmflutwarnungen des BSH wären und sind heute weitaus schneller als es noch 1962 der Fall war und der Vertreter des DWD sagt selbstbewusst: „Uns geht kein Sturm mehr durch die Lappen“.

Nadja Podbregar, Jens Oppermann, Dieter Lohmann
Stand: 16.02.2006

„Das physikalisch mögliche ist noch nicht eingetreten!“

MUSE erforscht Extremsturmfluten

16.02.1962, 21.00 Uhr. Rote Flächen = Windgeschwindigkeiten > 100km/h © DWD

Am 3. Januar 1976 wurde mit 5,10 Meter über Normalnull in Cuxhaven der bislang höchste Sturmflutwasserstand gemessen. Weder die katastrophale Flut von 1825 noch die von 1962, in der Hamburg „Land unter“ melden musste, haben diese Höhe erreicht. Doch ist damit schon des Ende der Fahnenstange oder besser der Pegelstände erreicht? „Nein“, sagen die Forscher, die im Projekt MUSE (Modellgestützte Untersuchungen zu Sturmfluten mit sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeiten) bisher nie da gewesene, aber mögliche, Nordsee-Sturmfluten simulierten. Müssen nun die Deiche erhöht werden oder sind die Küsten- und Tidenflussbewohner noch auf der sicheren Seite? Der Abschlussbericht der Wissenwschaftler gibt Antworten.

Extremsturmfluten auf der Spur

In dem Forschungsprojekt MUSE haben das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), der Deutsche Wetterdienst (DWD) und die Universität Siegen im Zeitraum von 2002 bis zum Sommer 2005 zusammengearbeitet. Ziel war es, Methoden zur statistischen Einordnung von Extremsturmfluten an der Deutschen Nordseeküste zu entwickeln.

Der Deutsche Wetterdienst lieferte in dem Projekt die Daten zu „geeigneten Wetterlagen“, um Extremsturmfluten überhaupt simulieren zu können. Im Gegensatz zu früheren Simulations-Versuchen ist die Datenbasis heute sehr viel genauer und damit sind auch die Ergebnisse besser abgesichert. Erstmals ist es damit möglich, in sich konsistente und mögliche atmosphärische Entwicklungen dazustellen, auch wenn sie noch nicht so eingetreten sind. Die Wissenschaftler erstellten so unzählige Vorhersage-Serien und lieferten damit die Grundlage für die Wasserstands-Modelle am BSH.

„Das physikalisch Mögliche ist noch nicht eingetreten“

Am BSH starteten die Wissenschaftler um Sylvin Müller-Navarra nun so genannte Reanalysen und rechneten unter anderem die Sturmfluten von 1962 und 1976 nach. Es zeigte sich, dass die neuen Simulationen die vergangenen Ereignisse mit großer Übereinstimmung abbildeten – das neue Simulationsverfahren war damit als physikalisch korrekt bewiesen.

Was aber ergaben die Modelle für die Gegenwart und Zukunft? Wir hoch kann das Wasser steigen? Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass im extremen Fall die höchste bislang aufgetretene Sturmflut, bei der 1976 5,10 m über NN in Cuxhaven erreicht wurden, um maximal 1,5 Meter überschritten werden kann. Noch kam keine Sturmflut in die Nähe dieses Wertes, aber: „Das physikalisch Mögliche ist noch nicht eingetreten!“, gaben die Forscher auf einer Pressekonferenz zu Protokoll. Grund zur Panik bestehe allerdings nicht: Denn die Eintrittswahrscheinlichkeiten solcher Extreme seien nicht gerade hoch.

Mit genau diesen Wahrscheinlichkeitsberechnungen waren die Forscher an der Universität in Siegen am Forschungsinstitut Wasser und Umwelt (fwu) betraut. Ihr Ergebnis für die Extremsturmfluten liegt bei 1:10.000 – also recht unwahrscheinlich. Das Küsteningenieurswesen hat mit diesen Daten eine wissenschaftlich abgesicherte Basis für den Küstenschutz in der Zukunft. Was aber folgt für sie daraus? Müssen die Deiche verstärkt werden? Die Antwort ist nein: Nach Meinung des BSH und anderer Experten sind für diese Wasserstände keine zusätzlichen Küstenschutzmaßnahmen erforderlich.

Nadja Podbregar, Jens Oppermann, Dieter Lohmann
Stand: 16.02.2006

Klimawandel lässt Sturmfluthöhen um bis zu 110 Zentimeter ansteigen

Wie lange reichen die Deiche noch?

77,5 Kilometer neue und verbesserte Deichanlagen, 22,5 Kilometer Schutzwände, sechs Sperrwerke: Die Stadt Hamburg hat ihre Lektion aus der Sturmflut von 1962 gelernt. In den Jahren und Jahrzehnten nach der Katastrophe wurden 500 Millionen Euro ausgegeben, um die Vorkehrungen gegen Sturmfluten auf den neuesten technischen Stand zu bringen.

Aber wird das auch angesichts Klimawandel und steigender Meeresspiegel ausreichen? Schon jetzt steigen die Sturmflutpegel der Hansestadt deutlich höher als noch in den 1960er Jahren und die Wassermassen brauchen eine Stunde weniger um sich elbaufwärts von Cuxhaven nach Hamburg zu schieben.

Sturmwarnungssirene © Innenbehörde Hamburg

Kein Problem beim Küstenschutz?

Noch allerdings sind die Experten nur wenig besorgt: „Das haben die Küstenschutzingenieure im Griff. Was den Küstenschutz angeht, sehe ich da kein Problem“, so Sylvin Müller-Navarra vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Hauptursache des bisher beobachteten regionalen Anstiegs der Sturmfluthöhen sind nach Angaben der Experten vom BSH und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht noch nicht der Klimawandel, sondern eher Faktoren wie Vertiefungen von Fahrrinnen und Landsenkungen. Sie lassen die Fluten insbesondere in der inneren Deutschen Bucht höher auflaufen.

70 Zentimeter mehr in St.Pauli

Für die Zukunft allerdings sehen die Experten weniger rosig: Im November 2005 sorgte eine neue Studie der Geesthachter Wissenschaftler für Aufsehen. Sie hatten mit mathematischen Modellen die zukünftige Entwicklung von Stürmen und Sturmfluten berechnet. Ihr Ergebnis: Durch den Menschen verursachte Klimaveränderungen werden noch in diesem Jahrhundert zu höheren Sturmflutwasserständen führen.

Erwartete Änderung in den jährlichen maximalen windbedingten Wasserständen zwischen 2071 bis 2100 bei relativ starkem Treibhausgasanstieg, Einheit: Meter. (Datenbasis: Woth, 2005) © GKSS Forschungszentrum

Für den Zeitraum zwischen 2070 und 2100 ergaben die Simulationen eine Erhöhung der maximalen Sturmwasserstände in der Größenordnung von 20 bis 40 Zentimetern entlang der gesamten Deutschen Nordseeküste. Zusätzlich zu diesem sturmbedingten Anstieg der Wasserstände führt der globale Temperaturanstieg aufgrund der thermischen Ausdehnung der Wassermassen sowie des möglichen Abschmelzens der grönländischen und antarktischen Eiskappen an der Nordseeküste in Zukunft vermutlich zu einer Erhöhung des mittleren Meeresspiegels um 30 bis 40 Zentimeter.

„Für den Hamburger Pegel von St. Pauli errechneten wir so einen Anstieg der Sturmwasserstände für 2030 von etwa 20 Zentimetern und für das Jahr 2085 von bis zu 70 Zentimetern“, so die Geesthachter Geografin Katja Woth damals.

Mittlerweile haben die Forscher um Professor Hans von Storch vom Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht ihre Prognosen jedoch noch weiter verbessert und präzisiert. Durch Änderung des Windklimas und einem weiter ansteigenden Meeresspiegel könnten Sturmfluten an der Nordseeküste bis zum Ende des Jahrhunderts demnach sogar um 30 bis 110 Zentimeter höher auflaufen als heute.

Schutz reicht bis 2030

„Der Blick in die stürmische Vergangenheit lehrt uns zwei Dinge: Starke Stürme gab es schon immer und seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts haben uns die Küsteningenieure wirksam vor den Sturmfluten geschützt. In der ferneren Zukunft zum Ende dieses Jahrhunderts wird der Einfluss des Menschen auf das Klima wahrscheinlich auch auf die Sturmfluten Norddeutschlands durchschlagen. Bis 2030 aber wird der derzeitige und jetzt geplante Küstenschutz ausreichend sein; danach muss die Situation von den Küsteningenieuren neu bewertet werden; langfristig kann sich dabei die Notwendigkeit auch neuer Schutzstrategien ergeben“, so von Storchs Fazit.

Nadja Podbregar, Jens Oppermann, Dieter Lohmann
Stand: 16.02.2012

Sensibilität für Klimawandel nimmt ab

Sturmfluten: Fühlen sich die Hamburger zu sicher?

Wie sicher fühlen sich die Hamburger hinter den Deichen? Dies untersuchen Geesthachter Forscher seit dem Jahr 2008 regelmäßig. Ein Ergebnis aktueller Bürger-Befragungen zum Klimawandel und den möglichen Folgen ist: Nur jeder Zweite fühlt sich persönlich bedroht.

Nordsee mitten in Hamburg

Bei der Sturmflut in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 befand sich die Nordsee mitten in Hamburg. Gefühlt ist das Meer für die Hanseaten sonst weit entfernt. Allerdings: Mit schlimmen Sturmflutereignissen wandelte sich nach Angaben von Wissenschaftlern das Bewusstsein der Hamburger. War man in den Jahren vor 1962 über die Gefahren durch Sturmfluten nur informiert, so wurde nach der Katastrophe großflächig in den Hochwasserschutz investiert. Das Leben hinter den Deichen erschien wieder sicher.

Heute wird im Hochwasserschutz auch ein möglicher Anstieg der Sturmfluten durch den Klimawandel berücksichtigt. Und trotzdem: Sehr schwere Sturmfluten wie 1962 können sich wiederholen. Nach derzeitigem Kenntnisstand der Experten wird der Hochwasserschutz zwar noch bis etwa 2030 so wirksam sein wie heute, danach jedoch muss die Situation neu bewertet werden. Menschen die in möglichen Überschwemmungsgebieten leben, sollten sensibel für die Gefahr sein und auf das Eintreffen des eigentlich Undenkbaren, zumindest gedanklich, vorbereitet sein.

Im November 2007 fegt Sturmtief Tilo über die Nordsee und führte in Hamburg zu den höchsten Pegelständen seit acht Jahren. Der Hamburger Fischmarkt und tief liegende Hafengebiete wurden überschwemmt. © Christian Meyer

Wissenschaftler erforschen Gefahreneinschätzung

Professorin Beate Ratter vom Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht fragt Menschen in Hamburg schon seit Jahren nach ihrer Einschätzung zum Klimawandel und den möglichen Risiken für die Stadt. „Das Wissen um das Risikobewusstsein der Bevölkerung ist wichtig für das Katastrophenmanagement“, erläutert Ratter. „Das seit der Sturmflut von 1962 geschaffene Sicherheitsgefühl kann im Ernstfall schwere Folgen haben“, sagt Ratter.

Denn das öffentliche und persönliche Handeln während einer Katastrophe funktioniert nur dann gut, wenn das Risiko richtig eingeschätzt wird. Seit 2008 untersucht das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Instituts für Küstenforschung diese Risikoeinschätzung jährlich bei 500 Hamburger Bürgern in einer Telefonumfrage.

Sturmflut als größte Gefahr für Hamburg

Welche Naturkatastrophe hätte die schwersten Folgen? Etwa 80 Prozent der Befragten, die den Klimawandel als große oder sehr große Bedrohung für Hamburg betrachten, sehen in Sturmfluten und Überschwemmungen aktuell das größte Risiko für die Stadt. Diese Zahl ist seit 2008 konstant.

Anders wird die Bedrohung des Klimawandels für die Stadt Hamburg eingeschätzt. Hier ist laut den Forschern ein klarer Abwärtstrend zu erkennen. Im Vergleich: 2008 hielten 61 Prozent der Hamburger den Klimawandel für eine sehr große bis große Bedrohung. 2011 sind es nur noch 44 Prozent. Allerdings erwarten 60 Prozent spürbare Folgen in den nächsten zehn Jahren. Wie in den Jahren zuvor schätzen vor allem Männer und Personen über 60 Jahre die Folgen des Klimawandels als weniger bedrohlich ein, so die Wissenschaftler. Nur neun Prozent der Hamburger sehen im Klimawandel überhaupt keine Bedrohung für die Stadt.

Bei der Frage nach der persönlichen Betroffenheit blieben die Werte in den letzten Jahren weitgehend konstant. Etwa die Hälfte der Befragten fühlt sich von Sturmfluten, Hitzewellen oder Starkregen persönlich bedroht.

Risiken durch den Klimawandel immer geringer eingeschätzt

Die Ergebnisse der Studie zeigen nach Angaben der Forscher: Von Jahr zu Jahr werden die Risiken durch den Klimawandel geringer eingeschätzt. Dieser Trend ist offensichtlich kein auf Hamburg beschränktes Phänomen. Diese Tendenz lässt sich weltweit beobachten. Zumindest in Hamburg spielen laut den Wissenschaftlern andere Probleme eine größere Rolle: Ganz weit vorne liegen Bildungs- und Verkehrspolitik.

Um für Hamburg den Trend zum Risikobewusstsein fortzuschreiben, werden die Umfragen auch in Zukunft weiter gehen. Die nächste Befragung findet den Wissenschaftlern zufolge bereits im März/April 2012 statt.

Zur Studie „Risikobewusstsein der Hamburger Bürger für den Klimawandel“

Helmholtz-Zentrum Geesthacht
Stand: 16.02.2012

Schwere Sturmflutkatastrophen und ihre Folgen

Wenn die Nordsee zum Killer wird…

In den letzten tausend Jahren haben Sturmflutkatastrophen an der Nordseeküste immer wieder viele tausend Tote gefordert und eine Spur der Verwüstung hinterlassen:

17. Februar 1164

Die so genannte Julianenflut, die erste historisch belegte Sturmflut im Bereich der Nordseeküste, sorgte nicht nur in Niedersachsen sondern auch in vielen anderen Regionen für gewaltige Schäden. Mindestens 20.000 Menschen kamen damals vermutlich in den Wassermassen um. Zwischen Wilhelmshaven und der Jademündung leitete die Naturkatastrophe auch die Entstehung des Jadebusens ein.

16. Januar 1219

In Westfriesland auf dem Staatsgebiet der heutigen Niederlande wütete die Erste Marcellusflut am 16. Januar 1219 besonders schlimm. Dort und in anderen Regionen der Nordseeküste waren nach zeitgenössischen Schätzungen mindestens 36.000 Todesopfer zu beklagen.

14. Dezember 1287

Rund 70 Jahre später schlug der Blanke Hans erneut zu. Die so genannte Luciaflut vom 14. Dezember 1287 verwüstete große Teile der deutschen Nordseeküste. Mindestens 50.000 Tote und riesige Landverluste waren die Folge. Deshalb flüchteten viele Überlebende der Katastrophe anschließend aus den extrem gefährdeten Marschen ins sichere Hinterland.

15. bis 17. Januar 1362

Drei Tage lang sorgte die Zweite Marcellusflut (Grote Mandränke) für Angst und Schrecken an der Nordseeküste. Bei der schweren Sturmflut im Jahr 1362 verschwanden beispielsweise an den nur unzureichend geschützten Küsten des heutigen Bundeslandes Schleswig-Holstein ganze Dörfer wie Rungholt von der Landkarte. Als Folge von zahlreichen Deichbrüchen kamen rund 100.000 Menschen ums Leben und vielerorts eroberte das Meer riesige Marschflächen. Die schleswig-holsteinische Küste wurde durch die Sturmflut völlig verändert und erhielt dabei zumindest ansatzweise ihre heutige Form. Unter anderem entstanden damals auch die ersten Halligen. Die Marcellusflut leitete darüberhinaus in Ostfriesland die Bildung des Dollarts ein und war vermutlich auch schuld an der Trennung der Inseln Juist und Borkum.

1. November 1436

Die Allerheiligenflut im Jahr 1436 führte im gesamten Bereich der Deutschen Bucht zu schweren Schäden und auch auf Inseln wie Sylt wurden ganze Orte von den Wassermassen dem Erdboden gleich gemacht. Als Reaktion darauf gründeten die Überlebenden der Katastrophe neue Siedlungen wie beispielsweise Westerland.

1. November 1570

Zahlreiche zerstörte Deiche von den Niederlanden bis Dänemark und mindestens 10.000 Tote allein in Ostfriesland waren die Bilanz der nächsten schweren Allerheiligenflut im Jahr 1570.

11. Oktober 1634

Die Zweite Grote Mandränke am 11. Oktober 1634 sorgte im ganzen deutschen Nordseeraum für zahlreiche Todesopfer und gewaltige Schäden. Besonders schlimm betroffen von der auch Burchardiflut genannten Naturkatastrophe war Nordfriesland, wo allein fast 10.000 Menschen in den Wassermassen ums Leben kamen. © IMSI MasterClips

Die Zweite Grote Mandränke am 11. Oktober 1634 sorgte im ganzen deutschen Nordseeraum für zahlreiche Todesopfer und gewaltige Schäden. Besonders schlimm betroffen von der auch Burchardiflut genannten Naturkatastrophe war Nordfriesland, wo allein fast 10.000 Menschen in den Wassermassen ums Leben kamen.

In Schleswig-Holstein wurde die Insel Strand fast vollständig zerstört und es entstanden dabei Nordstrand und Pellworm. Die Halligen Nieland und Nübbel verschwanden im Meer. Im Rahmen des verheerenden Naturereignisses wurden in der Region mehr als 1.000 Häuser und 28 Windmühlen zerstört, 50.000 Tiere starben in den Fluten.

24. und 25. Dezember 1717

Ein schwerer Nordweststurm war die Ursache für die Weihnachtsflut im Jahr 1717, die alle Küsten an der Nordsee zwischen Dänemark und den Niederlanden heimsuchte. Neben katastrophalen Landverlusten in den Küstenmarschen waren auch mindestens 12.000 Tote die Folge. Tausende von Menschen wurden obdachlos und fast 20.000 Tiere kamen allein in Ostfriesland in den Fluten um.

3. und 4. Februar 1825

Bei der so genannten Halligflut im Jahr 1825 wurden an den Pegeln fast überall an der deutschen Nordseeküste die höchsten bis dahin jemals gemessenen Wasserstände registriert. Da die Deiche durch die vorhergehenden Winterstürme stark in Mitleidenschaft gezogen waren, konnten sie der Kraft der Wassermassen nicht standhalten und brachen vielerorts. Rund 800 Küstenbewohner kamen dabei ums Leben. Besonders schlimm betroffen von der Sturmflut waren die Halligen, wo allein 74 Menschen starben. Aber auch in anderen Regionen gab es schwere Schäden. So standen in Hamburg als Folge von Deichbrüchen mindestens 3.000 Häuser unter Wasser und Teile der Insel Sylt verschwanden für immer im Meer.

13. März 1906

Alle bis dahin gültigen Rekordwasserstände übertraf die Sturmflut vom 13. März 1906 in Friesland. In Dangast beispielsweise stiegen die Pegel auf weit über fünf Meter über Normalnull.

1. Februar 1953

Die Sturmflut von 1953, die erstaunlicherweise die deutsche Nordseeküste fast völlig verschonte, sorgte in den Niederlanden für mehr als 1.800 Todesopfer. Der Grund: Ein großer Teil des Staatsgebietes liegt unterhalb des Meeresspiegels und war damals durch Deiche und andere Maßnahmen nur halbherzig geschützt. Als Reaktion darauf wurde im Rahmen des Deltaplan-Projektes in den letzten Jahrzehnten der gesamte Mündungsbereich von Rhein, Maas und Schelde durch Sperrwerke und Dämme von der Nordsee abgeriegelt, um die Sturmflutgefahr weitgehend zu bannen.

16. und 17. Februar 1962

Massive Schäden durch die Sturmflut 1962 in Wilhelmsburg © Günther Hachmeister

200 Millionen Kubikmeter Wasser strömten bei der schweren Hamburger Sturmflut, in die Marschen des Alten Landes oder bei Hamburg-Veddel und in das Stadtgebiet selber, nach dem an 60 Stellen die Deiche brachen. Dabei waren 317 Tote zu beklagen. Die meisten davon auf der Elbinsel Wilhelmsburg, die nach einem Dammbruch von den Wassermassen völlig überflutet worden war. 100.000 Menschen hatten mit den Folgen der Naturkatastrophe direkt zu kämpfen, 30.000 verloren ihre Wohnungen. Die Sachschäden lagen bei einer Milliarde Euro.

3. Januar 1976

Der Orkan Capella war es, der am 3. Januar 1976 in zahlreichen Regionen der Nordseeküste für eine „Jahrhundertflut“ sorgte. Vielerorts wurden neue Rekordwasserstände gemeldet. In St. Pauli beispielsweise lagen die gemessenen Werte mit 6,45 Meter über Normallnull noch 75 Zentimeter höher als 1962. Obwohl fast alle Deiche der Wucht der Wellen standhielten, wurden allein in Deutschland tausende Hektar Land überschwemmt. In Hamburg meldeten zahlreiche Industrie- und Lagerhallen „Land unter“. Auch Dänemark hatte unter dem Orkan und der Flut zu leiden. So mussten beispielsweise die Städte Tonder und Ribe evakuiert werden.

Nadja Podbregar, Jens Oppermann, Dieter Lohmann
Stand: 16.02.2012