20 Jahre Wiederansiedlung der Przewalski-Pferde

Zurück in die Steppe

Przewalski-Pferde auf der Hochebene Causse Méjean in Südfrankreich. Die Pferde werden hier gezüchtet, gehalten und seit 2004 in der Mongolei ausgewildert. © Ancalagon / CC-by-sa 3.0

Sie gelten als die letzten Wildpferde Asiens und als Paradebeispiel für eine in letzter Sekunde gerettete Art: die Przewalski-Pferde. In der freien Wildbahn bereits ausgestorben, wurden sie nur durch Zuchtprogramme und Wiederansiedlungsprojekte vor dem sicheren Ende bewahrt. 20 Jahre ist es inzwischen her, seit die ersten in Gefangenschaft gezüchteten Przewalski-Pferde wieder einen Huf in ihre alte Heimat setzten.

Heute, nach einer langen Geschichte von Erfolgen, aber auch Rückschlägen, leben wieder 306 Wildpferde in Zentralasien. Das Przewalski-Pferd gilt nun nicht mehr als in freier Wildbahn ausgestorben, sondern nur noch als gefährdet. Das aber bedeutet noch keine Entwarnung. Denn ohne kontinuierlichen Schutz könnte die kleine Population der neuen alten Wildpferde schnell wieder verschwinden…

Nadja Podbregar
Stand: 28.09.2012

Die Przewalski-Pferde und ihr Niedergang

Heilige Pferde

Bei uns sind sie als Urwildpferde oder auch Przewalski-Pferde bekannt – benannt nach dem russischen Entdecker Nikolai Przewalski, der 1878 von einer Reise nach Zentralasien Schädel und Haut dieser Pferdeart nach St. Petersburg brachte und die Art erstmals genauer beschrieb. Die Mongolen nennen diese Wildpferde ihrer Heimat allerdings Takhi, was soviel heißt wie heilig. Das gelblich- bis rötlich-braune, gedrungene Pferd mit der Stehmähne war Jahrtausende lang ein typischer Bewohner der Steppen und Wüstensteppen Asiens.

Als Heinrich Harder 1912 dieses Bild malte, standen die Przewalski-Pferden schon kurz vor dem Aussterben. © Heinrich Harder

Schon Dschingis-Khan soll auf seinen Eroberungszügen diesen Wildpferden in der Steppe begegnet sein. Im Jahr 1226 soll, so sagt es die Überlieferung, das Reitpferd des Mongolenherrschers gescheut haben, als sie einer Herde Przewalski-Pferde begegneten. Trotz seiner überragenden Reitkünste soll Dschingis Khan dabei sogar vom Pferd gestürzt sein. Dass die Przewalskis eher als Wildtiere denn als zähmbare Reittiere galten, zeigt auch der Bericht über einen Mandschurenkaiser, der 1750 eine große Jagdexpedition ausrichtete und dabei 200 bis 300 Wildpferde erbeutet haben soll.

Verdrängt in karge Halbwüste

Der natürliche Lebensraum der Przewalski-Pferde waren einst die gesamten Steppen Zentralasiens. Doch schon zur Zeit von Nikolai Przewalski hatte der Mensch die Wildpferde aus den fruchtbareren Gebieten verdrängt. Sie kamen bereits Ende des 18. Jahrhunderts vor allem in der Dschungarei vor, einem in der Mongolei liegenden Grenzgebiet zur Wüste Gobi. Dort ist es alles andere als üppig und mild. Stattdessen wird es in den eher kargen, windigen Ebenen im Sommer bis zu 40 Grad heiß, im Winter herrschen frostige minus 15 Grad und weniger. Regen fällt – wenn überhaupt, dann nur im Sommer, entsprechend dünn ist der Pflanzenwuchs. Nur einige Gräser, eine Wermutart und der Saxaulstrauch trotzen den widrigen Bedingungen. Für die Pferde heißt dies: Dem kargen Bewuchs hinterher wandern oder verhungern.

Sand, Steine und Saxaulsträucher - karge Landschaft in der Dschungarei © He-ba-mue / CC-by-sa 2.5 us

Und selbst in diesem ohnehin schon kargen Gebiet wurde der Mensch immer mehr zur Bedrohung für das letzte asiatische Wildpferd. „Die Przewalski-Pferde wurden als Fleischlieferanten gejagt und ihr natürlicher Lebensraum, die Steppen, wurden mehr und mehr in Weideland für Rinder und Schafe umgewandelt – den Pferden blieb dadurch im Prinzip kein Raum mehr, um zu leben und sich zu vermehren“, erklärt Kateryna Makova von der Penn State University, die die Herkunft dieser Wildpferde erforscht. 1948 und 1956 trugen zwei extrem harte Winter vermutlich dazu bei, die Bestände dieser Wildpferde noch weiter zu reduzieren.

„In den späten 1950er Jahren waren nur noch zwölf einzelne Przewalski-Pferde übrig geblieben“, berichtet Makova. Das allerletzte freilebende Wildpferd wurde 1968 in der Mongolei gesichtet – im Gebiet des strengen Naturreservats Great Gobi B. Seit dieser Zeit galt das Przewalski-Pferd als in der freien Natur ausgestorben.

Nadja Podbregar
Stand: 27.09.2012

Von Zuchtbemühungen bis zur ersten Auswilderung

Zurück in die Wildnis

In den Zoos und Tierparks weltweit lebten in den 1960er Jahren nur noch ein paar Handvoll Przewalski-Pferde. Mit nur zwölf Wildpferd-Hengsten und -Stuten und einer mongolischen Hauspferdstute, die von einem Przewalski-Hengst gedeckt worden war, begann man, das Wildpferd nun systematisch in der Gefangenschaft zu züchten. Zentren der Zucht waren unter anderem die Zoos in Prag und Köln, sowie ein Zusammenschluss nordamerikanischer Pferdezüchter.

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„Bis Mitte der 1980er Jahre war die Population der Przewalski-Pferde dadurch wieder auf rund 1.000 Tiere angewachsen“, erklärt Chris Walzer, Wildtierarzt am Institut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Er und sein Team begleiten eines der Projekte zur Wiederansiedelung der Przewalskis, geleitet von der International Takhi Group, bereits von Anfang an.

Ende der 1980er Jahre kamen die Kapazitäten der Zoos und Zuchtstationen allmählich an ihre Grenzen. Zudem war klar, dass die Haltung in Gefangenschaft langfristig nicht ausreicht, um die Art zu erhalten. Mehrere Gruppen weltweit suchten daher nach Möglichkeiten, die Przewalski-Pferde wieder in Asien auszuwildern. Erste Versuche gab es dazu in China, Kasachstan, der Ukraine und der Mongolei. Aus einer sorgfältigen Evaluation der möglichen Lebensräume gingen dann Anfang der 1990er Jahre zunächst das Reservat Gobi B und der Nationalpark Hustai Nuuru in der Mongolei als die geeignetsten hervor.

2004: Przewalski-Pferde werden in ihrer neuen Heimat, der Wüste Gobi, freigelassen © Vetmeduni Vienna / Petra Kaczensky

Der lange Weg zurück

Nach langen Vorbereitungsarbeiten wurde 1992 die erste Gruppe von in Gefangenschaft geborenen Wildpferden aus europäischen Zoos ausgewählt und zunächst per Flugzeug ins Takhin-Tal am Rand des Gobi B Reservats gebracht. „Die Logistik dafür war ein Alptraum und die Reise für die Pferde lang und erschöpfend“, erzählt Walzer. Einmal in der Mongolei angekommen, war das Ganze aber noch lange nicht abgeschlossen. Denn um sich vom umsorgten Zooleben an die Wildnis zu gewöhnen, wurden die Pferde zunächst fünf Jahre lang in einem größeren umzäunten Gebiet akklimatisiert.

1997 dann war es soweit: Die erste Pferdegruppe, ein Hengst mit mehreren Stuten, wurde in die Freiheit der mongolischen Steppe entlassen. „1999 dann wurden die ersten Przewalski-Fohlen in freier Wildbahn geboren“, berichtet Walzer. 56 Przewalski-Pferde lebten zu dieser Zeit wieder im Takhin-Tal. In den Folgejahren brachten Lufttransporte weitere 88 Wildpferde aus verschiedenen europäischen Zoos in das Gobi B Reservat. Während sich die Herden anfangs nur in der nordöstlichen Ecke des Gobi B-Schutzgebiets konzentrierten, dehnte sich ihr Verbreitungsgebiet allmählich aus.

Nadja Podbregar
Stand: 27.09.2012

…und weitere Ansiedlungsprojekte

Rätselhafte Todesfälle…

Zunächst lief die Wiederansiedelung der Urwildpferde nur schleppend an. Denn vor allem im Schutzgebiet Gobi B war die Todesrate unter den freigesetzten Pferden extrem hoch. Obwohl über 100 Pferde freigelassen worden waren, zählten die Forscher 2003 nur noch 63 Tiere im Schutzgebiet. Aber warum? Waren Raubtiere schuld? Oder eine Krankheit? Um das herauszufinden, sammelten die Wissenschaftler die Kadaver der gestorbenen Przewalski ein und unterzogen diese einer gründlichen Untersuchung.

Die farbigen Flecken zeigen Babesien, parastische Einzeller, in Roten Blutkörperchen © CDC

Parasit schwächte Wildpferde

„Nach Untersuchungen der verendeten Tiere stellte sich heraus, dass viele Tiere an Piroplasmose, einer von Zecken übertragenen Infektionskrankheit starben“, erklärt Wildtierarzt Walzer. Der Biss der Zecke überträgt einzellige Parasiten, sogenannte Babesien, in den Körper der Pferde. Diese vermehren sich in den Roten Blutkörperchen und zerstören diese dabei. Ist das Tier geschwächt – beispielsweise durch Kälte oder Hunger – bekommen die Babesien die Überhand und die Krankheit bricht aus. Die betroffenen Pferde leiden an Fieber, sind schwach und blutarm und fressen kaum mehr. Im Extremfall können sie an einem Lungenödem oder tödlichen Schock sterben. „Diese Erkrankung konnten wir aber mit einer vorbeugenden Behandlung unter Kontrolle bringen“, sagt Walzer. Eine Impfung schwächt den Verlauf der Infektion ab und verhindert den Ausbruch der Krankheit.

Weite Ebene im ungarischen Hortobágy-Nationalpark - mit einer Schafherde im Vordergrund © gemeinfrei

Vielversprechende Anfänge in Hustai Nuuru und Ungarn

Deutlich weniger Startschwierigkeiten hatte ein zweites Projekt, das Przewalski-Pferde im Nationalpark Hustai Nuuru, 100 Kilometer südwestlich von Ulan-Bator, auswilderte. Zwischen 1992 und 200 wurden hier 84 Wildpferde angesiedelt, 2005 hatte sich ihre Zahl bereits auf mehr als 200 Tiere vermehrt.

Auch in Europa leben mittlerweile wieder Przewalski-Pferde nahezu frei in der Steppe: Im ungarischen Nationalpark Hortobagy läuft ebenfalls seit einigen Jahren ein Wideransiedlungs-Projekt, unterstützt vom Kölner Zoo. Angefangen mit einem Hengst und drei Stuten, trafen auch dort nach und nach weitere Tiere aus europäischen Zoos ein und wurden in der ungarischen Puszta eingewöhnt. Obwohl die an das Leben im Zoo gewöhnten Tiere zunächst Schwierigkeiten hatten, vermehrten sie sich und inzwischen lebt hier mit mehr als 200 Tieren die größte Herde von Przewalski-Pferden in Mitteleuropa.

Die Wildpferde von Tschernobyl

Eher kurios mutet eine weitere Auswilderung von Przewalskis an: 1998 wurden in der radioaktiv verseuchten Sperrzone von Tschernobyl 31 Wildpferde freigelassen. Weil diese Region für Menschen noch immer gesperrt ist, hat die Natur hier weite, einst landwirtschaftlich genutzte Gebiete zurückerobert. Für die Pferde entstand so ein idealer Lebensraum. 2003 hatten sich die Pferde von Tschernobyl bereits auf 65 Tiere vermehrt.

Przewalski-Pferde wie diese leben heute selbst in der Sperrzone von Tschernobyl © gemeinfrei

2011 allerdings schlugen ukrainische Forscher Alarm. Denn der Bestand war auf nur noch 30 bis 40 Tiere zurückgegangen. Schuld daran ist aber nicht etwa die radioaktive Strahlung der Sperrzone, wie die Wissenschaftler berichten, sondern wieder einmal der Mensch: Wilderer sollen die Pferde abgeschossen haben, um zu Fleisch zu kommen. „Die Menschen in dieser Region der Ukraine sind sehr arm”, erklärte Tim Mousseau von der University of South Carolina gegenüber der BBC Nature. „Der Zugang zu billigem Pferdefleisch ist für viele sehr verlockend.”

Tatsächlich haben ukrainische Forscher bereits mehrere Pferdekadaver mit Schusswunden in der Sperrzone gefunden. Ändert sich nichts, könnte die Ära der Wildpferde von Tschernobyl daher schon bald wieder zu Ende sein.

Nadja Podbregar
Stand: 27.09.2012

Kälte droht ausgewilderte Urwildpferde zu vernichten

Rückschlag in der Gobi

Im Winter 2099/2012 drohte dem gerade gut angelaufenen Wiedereinbürgerungs-Projekt in der Gobi ein jähes Ende. Denn dem extrem trockenen Sommer des Jahres 2009 folgte ein ungewöhnlich langer und kalter Winter. Er raffte mehr als die Hälfte der bis dahin mühsam aufgebauten Urwildpferd-Population in der Gobi dahin.

Dieses Kamel starb im Kältewinter 2009/2010 in der Gobi © gemeinfrei

In der Mongolei treten extreme Wetterbedingungen in Form von Dürren und von kalten und schneereichen Wintern in unregelmäßigen Abständen immer wieder auf. Allerdings führte das von der lokalen Bevölkerung Dzud genannte Wetterphänomen 2009/10 zum extremsten Winter, den die Mongolei in den vergangenen 50 Jahren erlebt hat. Fünfzehn der einundzwanzig Provinzen wurden zum Katastrophengebiet erklärt, und über 7,8 Millionen Tiere, 17 Prozent des nationalen Bestandes, kamen aller Wahrscheinlichkeit nach zu Tode.

Zu viel Schnee

Aufgrund der besonderen Lage am Rande des Dsungarischen Beckens, das von hohen Bergen umgeben ist, fiel im Great Gobi B Schutzgebiet in diesem Winter besonders viel Schnee. Das Gros der Schneestürme kam von Westen, und die Schneewolken luden große Mengen von Schnee ab, als sie am östlichen Rand des Great Gobi B Schutzgebiet auf das Altai Gebirge trafen. So kam es zu einem starken Ost-West-Gefälle in der Schneehöhe. Der hohe und fest gepackte Schnee machte es den dort lebenden Wild- und Haustieren schwer, an die Vegetation unter dem Schnee zu kommen.

Eine Przewalski-Stute mit ihrem Fohlen im Schnee © Vetmeduni Vienna / Chris Walzer

Die Przewalski-Pferde nutzten drei verschiedene Winterweiden, zwei im Osten und eine im Westen des Schutzgebietes, wie Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien berichten. Die Verluste unter den Wildpferden seien hoch gewesen, im Durchschnitt starben 60 Prozent der Tiere. Allerdings waren praktisch nur die zwei Gruppen im Ostteil des Schutzgebietes betroffen, während die westliche Gruppe fast keine Todesfälle zu verzeichnen hatte. Die Wildpferde nutzen ihren Lebensraum sehr konservativ, und selbst unter den Extrembedingungen des Dzuds wagten sich die Wildpferde nicht über die Grenzen der ihnen vertrauten Streifgebiete hinaus. So blieb der Großteil der Population im am stärksten vom Dzud betroffenen Gebiet.

Zu wenig und zu unflexibel

Dass die Przewalski-Pferde in der Wüste Gobi von der lokal recht unterschiedlichen Wetterkatastrophe so stark betroffen waren, lag nach Ansicht der Forscher vor allem an der geringen Populationsgröße und dem kleinen Verbreitungsgebiet dieser wiedereingebürgerten Population. Eine zahlenmäßig starke und weit verbreitete Population wäre viel besser in der Lage gewesen, einen lokalen Einbruch der Population auszugleichen. Der Dzud des Winters 2009/2010 sei letztlich ein Beispiel dafür, wie verletzlich kleine und räumlich beschränkt Populationen in Gebieten mit großen klimatischen Schwankungen seien, sagen die Wissenschaftler.

Przewalski-Pferd im Hustain Nuuru-Nationalpark, die dortigen Herden waren weniger stark vom Kältewinter 2009/2010 betroffen © Alancordova / CC-by-sa 3.0

Solange Populationen klein und räumlich beschränkt bleiben, ist der Erfolg einer Wiedereinbürgerung nicht garantiert, wie die Wissenschaftler betonen. Es brauche daher ein langfristig angelegtes Projektengagement. „Der Katastrophenwinter hat wirklich hervorgehoben, wie gefährlich es ist, quasi alle Pferde auf einer Weide zu haben“, sagt Petra Kaczensky von der Vetmeduni Wien. Denn gäbe es nicht ein zweites Wiedereinbürgerungsprojekt in der Waldsteppe der Zentralmongolei, wäre es jetzt wieder schlecht um den Status der Urwildpferde in ihrer neuen alten Heimat bestellt.

Auch die Przewalski-Pferde im 1.000 Kilometer entfernten Hustain Nuuru litten unter dem Katastrophenwinter, aber längst nicht so stark. Ein üppiges Frühjahr nach dem strengen Winter, ein regenreicher Sommer 2010 und ein darauf folgender milder Winter 2010/2011 sorgten dafür, dass die Zahl der Tiere auch in der Gobi wieder anwächst. „Für 2012 erwarten wir überdurchschnittlich viele Fohlen“, freut sich Thomas Pfisterer, Präsident der International Takhi Group.

Nadja Podbregar
Stand: 27.09.2012

Hirten, Goldsucher und Wilderer bedrohen die letzten Wildpferde noch immer

Konkurrenz um Lebensraum

Heute leben nach letzter Zählung wieder 306 Przewalski-Pferde in freier Wildnis. Die internationale Artenschutz-Union IUCN hat die Wildpferde bereits 1996 auf ihrer offiziellen Roten Liste von „in der Wildnis ausgestorben“ auf „kritisch bedroht“ herabgestuft. Inzwischen gelten sie nur noch als „bedroht“. „Aber dennoch ist das Überleben des Przewalski-Pferdes in freier Wildbahn noch nicht gesichert“, mahnt sie jedoch erst im September 2012. Es erfordere noch immer einiges an Schutz und auch das Zuchtprogramm müsse weitergeführt werden, um den dauerhaften Erhalt dieser Art zu gewährleisten.

Auch in der Gobi sind die neuen alten Wildpferde nicht konkurrenzlos © Ancalagon / CC-by-sa 3.0

Denn noch immer stehen die Urwildpferde einer harten Konkurrenz gegenüber. Auch in der Wüste Gobi sind die Takhis nicht in eine menschenleere Wildnis zurückgekehrt, sondern in eine seit Jahrhunderten auch von Menschen genutzten Kulturlandschaft. Die Halbnomaden der dortigen Steppe und die von ihnen gehaltenen Weidetiere sind seit dem Verschwinden der Urwildpferde alles andere als weniger geworden. Die Probleme sind damit vorprogrammiert. Denn die Neuankömmlinge leben nicht mehr isoliert, sondern inmitten ihrer domestizierten Verwandten und anderer Nutztiere des Menschen.

„Eine der vielen Herausforderungen ist es beispielsweise, Kreuzungen von Urwildpferden mit Hauspferden der lokalen Bevölkerung zu vermeiden, denn das Urwildpferd ist nicht etwa die wilde Version der Hauspferdes, sondern tatsächlich eine andere Art“, erklärt Petra Kaczensky vom Institut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna. „Trotzdem können sich die Tiere verpaaren und fruchtbare Nachkommen zeugen.“ Würde man dies aber zulassen, würde der einmalige Genpool der wenigen noch erhaltenen Przewalski-Pferde sich mit dem der Hauspferde vermischen und damit verloren gehen.

Hauspferde in der Gobi - da sie einer anderen Art angehören, sind Kreuzungen mit Przewalski-Pferden nicht erwünscht © Aineias (Wikipedia.de) / CC-by-sa 3.0

Mit Wildhütern und Satellitenhalsbändern

Ein anderes Problem ist die trotz strengen Schutzes anhaltende Zerstörung ihres Lebensraums. Die Gobi ist reich an Bodenschätzen, deren Ausbeute in vielen Gebieten großräumige Landschaftsveränderungen nach sich zieht. Im Verbreitungsgebiet der Takhis sind es im Moment vor allem illegale Goldgräber, die mancherorts die Weiden mechanisch zerstören. Um die wertvollen Bestände der Takhis zu schützen, betreuen vom mongolischen Staat eingesetzte Wildhüter die eingebürgerten Herden. Gemeinsam mit Forschenden der Universität Wien überwachen sie die Bestände. „Heute kontrollieren die Ranger die Herden ein- bis zweimal die Woche“, erklärt Walzer. „In der Vergangenheit haben wir zudem 15 Tiere mit Satellitenhalsbändern überwacht, um eine bessere Vorstellung von den Streifgebieten und Wanderbewegungen zu bekommen und auch den Wildhütern das Suchen zu erleichtern.“

Inzwischen haben Forscher und Behörden zudem erkannt, dass es nicht reicht, nur die Pferde zu schützen. Stattdessen müsse man auch die weitereichenden ökologischen Beziehung im neuen Lebensraum der Tiere und die wirtschaftlichen Bedingungen der dort lebenden Menschen berücksichtigen. „Das Urwildpferd ist ein ideales Vehikel um den Schutz des gesamten Ökosystems der Dschungarischen Gobi populär zu machen“, erklärt Thomas Pfisterer, Präsident der International Takhi Group. Schlecht planbare Finanzierung, rechtliche Schwierigkeiten und wachsende Armut der Bevölkerung würden jedoch weiterhin für Konflikte um die Nutzung der Ressourcen vor Ort sorgen. „Nur in offener Zusammenarbeit mit den örtlichen Weidetierhaltern, Behörden, Gouverneuren und Ministerien der Mongolei können wir letztlich erfolgreich sein“, so Pfisterer.

Nadja Podbregar
Stand: 27.09.2012

Wie ist das Przewalski-Pferd mit dem Hauspferd verwandt?

Echtes Urpferd oder Seitenast?

Bisher gab es zwei Theorien darüber, ob und wie die Przewalski-Pferde mit den domestizierten Hauspferden verwandt sind. Der einen nach entstanden die Hauspferde vor 6.000 bis 10.0000 Jahren aus Przewalski-Pferden. Der anderen nach war es jedoch genau umgekehrt: Erst züchtete der Mensch das Hauspferd aus damaligen Wildpferden, dann zweigte das Przewalski-Pferd von der Hauspferdelinie ab. Klare genetische Unterschiede gibt es auf jeden Fall: Im Gegensatz zum domestizierten Hauspferd mit 64 Chromosomen hat das Przewalski-Pferd 66 Chromosomen.

Wann trennten sich Przewalski- Pferde und die Vorfahren unserer Hauspferde? © Ancalagon / CC-by-sa 3.0

Letzter gemeinsamer Vorfahr lebte vor 160.000 Jahren

Im Jahr 2011 machten sich US-amerikanische Forscher auf die Suche nach einer Klärung. Sie analysierten erstmals vier komplette mütterliche Erblinien der Przewalski-Pferde und kamen dabei zu einem völlig anderen Schluss: „Mein Team hat nun entdeckt, dass keines dieser beiden Szenarien wahrscheinlich ist“, sagt Studienleiterin Kateryna Makova von der Penn State University. „Tatsächlich liegt der letzte gemeinsame Vorfahre beider wahrscheinlich sogar 160.000 Jahre zurück, lange vor der Domestizierung der Hauspferde“, so die Forscherin. Das habe sich auch bestätigt, als man zusätzlich auch Teile der Kern-DNA beider Pferdearten verglichen habe. Beide seien deutlich entfernter verwandt als bislang angenommen. Dies werfe ein ganz neues Licht auf die Evolution der Pferde.

Die genetischen Daten könnten aber auch dazu beitragen, das stark bedrohte Przewalski-Pferd vor dem Aussterben zu retten. Nach Angaben der Wissenschaftler leben heute nur noch rund 2.000 Exemplare dieser Wildpferdart frei in China und der Mongolei. „Jetzt, wo wir mehr über die verschiedenen mütterlichen Stammeslinien wissen, können wir den Genpool dieser Art besser ausweiten“, sagt Makova. Durch gezielte Zucht könne man nun Erbkrankheiten besser verhindern und die Przewalski-Pferde robuster machen.

Mitochondrien © Louisa Howard / Dartmouth College

DNA aus den Mitochondrien

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler erstmals das komplette mitochondriale Genom von vier Zuchtlinien der Przewalski-Pferde analysiert. Dieser Teil des Erbguts liegt nicht im Zellkern, sondern in den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle“. Die DNA in diesem Zellbestandteil wird nur von der Mutter über die Eizelle an ihren Nachwuchs weitergegeben. Anhand dieses Erbguts lassen sich daher die Stammbäume der mütterlichen Linie bis weit zurück rekonstruieren.

Die Analyse habe unter anderem ergeben, dass die genetische Vielfalt der heute lebenden Przewalski-Pferde größer sei als bislang angenommen, berichten die Forscher. Das sei überraschend, da die Wildpferde Mitte des letzten Jahrhunderts fast ausgestorben waren. Erst Zucht- und Auswilderungsprogramme ließen die Anzahl der Tiere wieder auf rund 2.000 ansteigen.

Die Forscher wollen als nächstes das Genom weiterer Pferderassen analysieren und langfristig auch das komplette Erbgut des Przewalski-Pferdes. Davon erhoffe man sich nähere Aufschlüsse über die Evolution der Tiere, aber auch über die körperlichen Unterschiede von Przewalski-Pferd und Hauspferden. „Es war schon immer eine interessante Frage, warum das Przewalski-Pferd so viel stämmiger und kleiner ist als das Hauspferd und warum es eine dichtere Mähne hat“, sagt Makova. Weitergehende Analysen könnten enthüllen, welche Gene dafür verantwortlich sind.

Nadja Podbregar
Stand: 27.09.2012