Wie das Erdsystem erneuerbare Energien erzeugt und Grenzen der Nutzung setzt

Kraftwerk Erde

Kraftwerk Erde © NASA

Die Erde ist im Prinzip eine riesige Wärmekraftmaschine. Die Energie des Sonnenlichts wandelt sie um in den Antrieb für Winde, Wellen und unzählige Stoffkreisläufe. Und auch die für uns nutzbaren erneuerbaren Energien stellt sie bereit. Aber wie viel Energie ist das? Und wie hoch ist der Wirkungsgrad des Kraftwerks Erde?

Die Erde arbeitet wie ein Kraftwerk, das aus Solarstrahlung andere Formen von Energie erzeugt. Diese Energie erhält die Winde in der Atmosphäre, die Strömungen im Ozean, und die globalen biogeochemischen Kreisläufe wie den Wasserkreislauf. Begrenzt wird das Ganze jedoch durch die Gesetze der Thermodynamik. Sie setzt auch die natürlichen Grenzen für die mögliche Nutzung als erneuerbare Energie.

Axel Kleidon vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena beschäftigt sich mit den Bilanzen im Erdsystem. Er hat ermittelt, wie viel Energie unser Planet in den für uns nutzbaren Formen -Wind, Wasserkraft oder Solarenergie – zur Verfügung stellt.

Axel Kleidon, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena / MPG Jahrbuch
Stand: 31.10.2013

Das Sonnenlicht macht den Anfang

Die Erde als Kraftwerk

Das Licht der Sonne ist der Haupt-Energielieferant © gemeinfrei

Im Prinzip funktioniert das Erdsystem wie ein Kraftwerk: Es operiert nach den gleichen physikalischen Gesetzen und Grenzen wie Generatoren, Dampfmaschinen oder, allgemeiner, Wärmekraftmaschinen. Den „Brennstoff“ erhält das Kraftwerk Erde dabei vor allem aus dem eingestrahlten Sonnenlicht: Die Solarstrahlung liefert mit etwa 175.000 Terawatt (TW) den mit Abstand größten Antrieb. Zum Vergleich: Die gesamte Menschheit hat im Jahr 2011 gerade einmal rund 17 Terawatt Energie verbraucht. Und ein typisches Kohlekraftwerk erzeugt etwa 1.000 Megawatt – 0,001 TW.

Hilfe durch Erdwärme und Gezeiten

Aber die Sonne ist nicht der einzige Energielieferat für das Kraftwerk Erde: Ein kleinerer Teil stammt auch aus dem Inneren unseres Planeten – aus der Erdwärme. Sie ist ein Relikt der glutflüssigen Geburt der Erde, wird aber auch durch zerfallende radioaktive Elemente auf Temperatur gehalten. Das heiße und teilweise schmelzflüssige Innere der Erde lässt nicht nur Vulkane ausbrechen oder heizt Geysire auf. Die heißen Strömungen im Erdmantel sorgen auch dafür, dass die Oberfläche des Planeten sich ständig wandelt – Kontinente wandern, zerbrechen und kollidieren. Diese Energie der Erdwärme entspricht immerhin noch knapp 50 Terawatt.

Lava: das heiße Erdinnere trägt ebenfalls zur Energiebilanz bei © USGS

Den geringsten „Treibstoff“ für das Kraftwerk Erde liefern die Gezeiten. Der stete Wechsel von Ebbe und Flut- angetrieben von den Schwerkrafteinflüssen des Mondes und der Sonne – bringt immerhin fünf Terawatt in die große „Haben“-Gleichung der Erde ein. Sowohl Gezeiten als auch Erdwärme haben allerdings im Vergleich zur Sonneneinstrahlung einen so kleinen Anteil, dass sie für den Antrieb des Kraftwerks Erde nur eine untergeordnete, fast vernachlässigbare Rolle spielen.

Energiefluss im Erdsystem

Soweit der Einstrom an Energie. Dabei bleibt es aber nicht. Denn das, was als Sonnenlicht auf den Planeten trifft, wird nun durch die miteinander wechselwirkenden Prozesse im Erdsystem umgewandelt. Pflanzen nutzen das Licht um energiereiche chemische Verbindungen zu produzieren, im Wasserkreislauf treibt diese Energie die Verdunstung an und Strömungen. In der Atmosphäre entstehen Winde.

Blick auf die auffallend geschichtete Eiskappe des Mars-Nordpols. © ESA/DLR/ FU-Berlin/Ralf Jaumann

Diesen verschiedenen, natürlichen Energieformen des Erdsystems nutzen auch wir Menschen als erneuerbare Energien, um daraus Strom, Wärme und andere nutzbare Energieformen zu gewinnen. So nutzen zum Beispiel Solarzellen die Energie des Sonnenlichts, Windturbinen die Bewegungsenergie des Windes und Staudämme die Lageenergie des Flusswassers, und wandeln diese Energieformen in elektrische Energie um.

Axel Kleidon, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena / MPG Jahrbuch
Stand: 31.10.2013

Energieumwandlungen und Wärmeabgabe im Erdsystem

Die Sache mit der Thermodynamik

Damit ist klar: Es steht nur so viel erneuerbare Energie zur Verfügung, wie uns die Erde und ihre natürlichen Umwandlungsprozesse liefern. Diese Prozesse sind es auch, die bestimmen, wie viel dieser Energien maximal genutzt werden können. Begrenzt wird dieses Energieangebot zudem durch die Gesetze der Physik, insbesondere durch die beiden Hauptsätze der Thermodynamik.

Kohlekraftwerk © BMU

Der erste Hauptsatz ist der Energieerhaltungssatz. Er beschreibt die Tatsache, dass in einem System Energie nicht vernichtet werden kann oder verschwindet. Stattdessen kann sie nur von einer Form in eine andere umgewandelt werden. Ein Kohlekraftwerk wandelt beispielsweise die Wärme der Verbrennung in Bewegungsenergie der Turbinen und Generatoren um, und diese dann in elektrischen Strom plus Abwärme. Auch das System Erde gehorcht diesem Hauptsatz: Die Energie, die durch das Sonnenlicht eingestrahlt wird, wird nur umgewandelt und letztlich als Wärmestrahlung wieder von der Erde ans Weltall abgegeben.

Zunehmende Entropie

Dann gibt es aber noch den zweiten Hauptsatz. Dieser gibt den Energie-Umwandlungen eine Richtung, eine Art Hierarchie. Demnach nimmt im Laufe der Zeit die Entropie zu – alles strebt vom geordneten zum ungeordneteren Zustand. In Energieformen ausgedrückt bedeutet dies, dass einzelne Prozesse, wie beispielsweise die Photosynthese der Pflanzen, zwar durchaus eine höhere Ordnung in Form von komplexen Molekülen erzeugen können. Sie, wie auch alle anderen lebenden Organismen stemmen sich quasi kurzzeitig gegen den Strom zunehmender Entropie.

Ein Großteil der vom Sonnenlicht eingestrahlen Energie geht als ungerichtete Wärmestrahlung wieder ins All zurück © MMCD

Insgesamt aber muss das System Erde aber dem zweiten Hauptsatz gehorchen. Es muss am Ende daher eine ungeordnetere Energieform abgeben als es aufgenommen hat. Und das passiert auch – in Form der Abwärme. Denn die ins All abgegebene Wärmestrahlung ist langwelliger und energieärmer – ihre Entropie ist damit im Vergleich zu dem konzentrierten, energiereicheren Sonnenlicht höher.

Damit setzt der zweite Hauptsatz der maximalen Leistung unseres Planeten eine feste Grenze: Seine Abwärme muss mindestens so viel Entropie exportieren muss wie durch das Einbringen von Wärme dem System hinzugefügt wird.

Axel Kleidon, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena / MPG Jahrbuch
Stand: 31.10.2013

Wie hoch ist die maximale Leistung aus erneuerbaren Energien?

Wirkungsgrad zwei Prozent

Bei jedem Kraftwerk ist eine der wichtigsten Fragen der Wirkungsgrad: Wie viel der Energie, die reingeht, wird auch in die gewünschte Energieform – Strom oder Wärme – umgesetzt? Bei der Erde muss dafür betrachtet werden, wie aus dem einfallenden Sonnenlicht für uns konkrete nutzbare Energieformen werden. Der maximale Wirkungsgrad in der Umsetzung von Wärme in Leistung ist bekannt als der Carnot-Wirkungsgrad.

Unterschiede in solarer Einstrahlung zwischen Tropen und Polargebieten erzeugen Temperaturunterschiede (hier dargestellt durch die zwei Temperaturen, Th (warm) und Tc (kalt)), die von der Atmosphäre in kinetische Energie umgesetzt werden können. © Axel Kleidon, MPI für Biogeochemie

Aus Wärme wird Wind

Im Erdsystem entsteht der Antrieb für verschiedene nutzbare erneuerbare Energien nicht durch Verbrennung, sondern durch unterschiedlich starke Erwärmung der Erdoberfläche. Sie entsteht durch die unterschiedlichen Neigungen der Erdoberfläche zum einfallenden Sonnenlicht. In den Tropen fällt das Licht dadurch steiler ein als beispielsweise in den Polargebieten, und die Oberflächen dieser Regionen werden unterschiedlich stark erwärmt. Dieser Unterschied in der Erwärmung ist es auch, der den Antrieb für die Windenergie liefert. Denn er erzeugt die großskalige atmosphärische Zirkulation.

Wie viel Windenergie die Erde bereitstellt, ist daher nicht unbegrenzt. Die Grenzen der natürlichen Erzeugung von kinetischer Energie lassen sich dabei mithilfe eines einfachen Modells bestimmen. Das Modell beschreibt die Energiebilanz der Tropen und der Polargebiete sowie eine Wärmekraftmaschine, die durch den Temperaturunterschied angetrieben wird und Windenergie erzeugt. Je mehr Wärme diese Maschine nutzt und dabei von den Tropen in die Polargebiete transportiert, desto mehr Leistung kann diese Maschine erzeugen. Allerdings wird mit zunehmendem Wärmetransport der Temperaturunterschied ausgeglichen, was die Leistung vermindert.

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Globale Leistung von 1.000 Terawatt

Dies führt zu einem maximalen Wirkungsgrad von lediglich zwei Prozent, oder zu einer maximalen globalen Leistung von etwa 1.000 Terawatt. Das Erstaunliche hierbei ist nicht, dass es diese Grenze gibt, sondern dass die aus Beobachtungen ermittelte Leistung der Atmosphäre tatsächlich in dieser Größenordnung liegt. Die Atmosphäre operiert demnach nahe an ihrer theoretisch maximalen Leistung. Diese Feststellung wurde mit detaillierten Modellsimulationen der atmosphärischen Zirkulation bestätigt.

Und auch diese zwei Prozent nicht komplett für die Gewinnung von Strom nutzbar. Die Bewegungsenergie des Windes wird über die gesamte Atmosphäre verteilt und durch Reibung an der Oberfläche wieder in Wärme umgewandelt. Ein Teil der Bewegungsenergie der Atmosphäre verrichtet weitere Arbeit: Über dem Ozean treibt Wind die Wellenbildung an, wobei ein Teil der Bewegungsenergie des Windes in Wellenenergie umgewandelt wird.

Ein Teil der Wellenenergie geht schließlich in der Bewegungsenergie der Ozeanströmungen auf. Ebenso treibt Luftbewegung die Verdunstung an der Oberfläche sowie die Kondensation von Wasserdampf in der Atmosphäre an, und damit den globalen Wasserkreislauf. Regnet das Wasser über Land ab, so erreicht es höhergelegene Oberflächen über dem Meeresspiegel. Die damit verbundene potenzielle Energie wird genutzt für den Wassertransport in Flusssystemen.

Axel Kleidon, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena / MPG Jahrbuch
Stand: 31.10.2013

Solar- und Windenergie bringen am meisten

Wie viel bleibt übrig?

Die zahlreichen Energieumwandlungen zeigen auf, wie stark sie innerhalb des Gesamtsystems Erde miteinander verknüpft sind. Ferner wird bei jeder Energieumwandlung ein Teil in Wärme zurückverwandelt, um dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zu genügen. Dies bedeutet, dass jede weitere Umwandlung mit weniger Leistung verbunden ist.

Überblick von Energieumsatzraten im Erdsystem. Aus den drei Antrieben, solare Einstrahlung (175.000 TW = 175 x 1015 W), Erdwärme (< 50 TW) und Gezeitenkräften (5 TW) erzeugen Erdsystemprozesse verschiedene Energieformen, die als erneuerbare Energien genutzt werden könnten. © Axel Kleidon, MPI für Biogeochemie

So wird aus der einstrahlenden Solarstrahlung von 175.000 Terawatt nur etwa 1.000 TW Leistung in den großskaligen Winden der Atmosphäre. Weitere Umwandlungen in andere Energieformen, wie Wellenenergie oder Wasserkraft, sind noch geringer, und nur ein Terawatt Leistung sind letztendlich verbunden mit der windgetriebene Zirkulation des Ozeans.

Vernetztes System

Dieser Überblick zeigt, wie verschiedene Energieformen, die als erneuerbare Energien genutzt werden könnten, in die Funktionen des Erdsystems integriert sind. Die Abschätzung der verfügbaren Energiepotentiale zeigt, dass der Energieverbrauch durch die Menschen von 17 Terawatt in der gleichen Größenordnung liegt wie die Leistung, die mit vielen Erdsystemprozessen verbunden ist.

Dabei haben nur die direkte Nutzung der Solarenergie, z. B. durch Photovoltaik oder Solarthermie, und die Windenergie ein deutlich größeres Potential als der gegenwärtige Energieverbrauch durch den Menschen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die anderen Formen erneuerbarer Energie entweder aus sehr viel schwächeren Antrieben gebildet werden wie bei den Gezeiten oder der Erdwärme der Fall. Oder sie stellen bereits mehrfach umgewandelte Solarenergie dar wie beispielsweise Wasserkraft und Wellenkraft. Die direkte Nutzung der Sonnenenergie ist mit den geringsten Umwandlungsverlusten verbunden und stellt daher mit Abstand das größte Potential für erneuerbare Energie dar.

Axel Kleidon, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena / MPG Jahrbuch
Stand: 31.10.2013