Umstrittene Erdgasförderung in Deutschland

Fracking: Vollgas oder voll auf die Bremse?

Erdgas ist ein wertvoller Rohstoff, doch die Vorräte sind begrenzt. Hydraulic Fracturing, kurz „Fracking“, ist eine Fördermethode, mit der zuvor unerreichbare Gasvorkommen erschlossen werden können. Die verfügbaren Gasreserven wachsen damit um ein Vielfaches – auch im deutschen Untergrund. Löst das unsere Energie- und Rohstoffprobleme?

Auf den Schiefergas-Rausch in den USA folgte schnell die Ernüchterung: Fracking bringt mehr und mehr Umweltprobleme mit sich. Das billige Gas aus eigenem Boden kommt zu einem hohen Preis: Giftige Chemikalien bedrohen das Grundwasser, bei der Gasförderung treten klimaschädliche Gase aus. Die Risse im Gestein lassen sich nur schwer kontrollieren und könnten sogar Erdbeben auslösen. Die entstehende Belastung für Mensch und Umwelt ist viel größer, als zu Beginn des Gas-Booms angenommen.

In Deutschland ist die Zukunft des Frackings darum ein Streitthema: Befürworter sehen ein Ende der Abhängigkeit von teuren Rohstoff-Importen und fallende Strompreise. Gegnern sind die Risiken für Umwelt und Gesundheit zu groß und zu schwierig abzuschätzen. Lassen sich diese Probleme kontrollieren oder vermeiden? Kommt Fracking auch in Deutschland zum Einsatz? Falls ja, welche Sicherheitsauflagen sind gefordert?

Ansgar Kretschmer
Stand: 15.08.2014

Wie sich Erdgas aus dichtem Gestein fördern lässt

Wie unkonventionell!

Erdgas liegt im Boden nicht in Form riesiger Gasblasen vor, sondern ist vielmehr innerhalb einer porösen Gesteinsschicht eingeschlossen. Undurchlässige Schichten darüber und darunter halten das Gas gefangen. Erdöl liegt ähnlich vor und liefert auch immer einen gewissen Anteil Erdgas, das sich darüber ansammelt. Solche sogenannte konventionelle Vorkommen lassen sich leicht zur Gasförderung anbohren, durch die relativ großen Poren im Gestein strömt das Gas nach oben und lässt sich abpumpen.

Verschiedene Arten von Erdgas-Vorkommen (Schema) © US Energy Information Administration / gemeinfrei

Der weitaus größere Teil des Erdgases liegt jedoch in sogenannten nicht-konventionellen Lagerstätten vor: Dies sind zusammengerechnet alle Vorkommen, die sich nicht so einfach anbohren lassen, oder in denen die Förderung kompliziertere und bislang oft auch unwirtschaftliche Verfahren erforderte. Das hängt vor allem davon ab, in welcher Art von Gesteinsschicht das Gas im Untergrund gespeichert ist.

Gas-Schatz aus geknacktem Gestein

Wie auch beim Öl kommt Gas vergesellschaftet mit Kohle als Kohleflözgas vor. Dazu kommt „Tight Gas“, bei dem das früher poröse Speichergestein durch geologische Prozesse so stark verdichtet ist, dass das Gas nicht mehr ohne weiteres hindurchströmt. Die dritte unkonventionelle Lagerform schließlich ist das Schiefergas. Dieses liegt noch in dem dichten Schiefergestein vor, in dessen Bereich es einst entstand und ist nicht in andere Gesteinsschichten eingedrungen. Schiefergas bildet den weitaus größten Teil aller Gasvorkommen – bislang war es jedoch auch mit Abstand am schwersten zu gewinnen.

Es gibt jedoch eine Methode, um auch dem dichten Schiefergestein seinen Gas-Schatz zu entreißen: das „Hydraulic Fracturing“ oder Fracking. Dabei wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und verschiedenen Zusätzen in das Gestein gepresst. Die gashaltige Gesteinsschicht bekommt unzählige feine Risse. Sobald die Frack-Flüssigkeit wieder abgepumpt ist, kann das Gas durch diese Risse zum Bohrloch strömen und gefördert werden. Sandkörner bleiben in den Rissen zurück und halten diese offen.

Gasbohrung mit Hydraulic Fracturing © Moto202 / (CC BY-SA 3.0)

Revolution durch Horizontalbohrungen

Die Technik an sich ist schon seit den 1940er Jahren bekannt. Bereits vor Jahrzehnten nutzte man Fracking an konventionellen Gasbrunnen, wenn diese nur noch mäßig viel Gas lieferten. Das aufgebrochene Gestein wurde durchlässiger, und das Gas strömte noch eine Weile weiter aus der schwächelnden Quelle. Für die schwieriger zu erreichenden nicht-konventionellen Gaslagerstätten war Fracking jedoch damals noch nicht rentabel.

Eine regelrechte Revolution löste das Verfahren jedoch im Zusammenspiel mit neuer Bohrtechnik aus: Anstatt nur in die Tiefe zu bohren, sind mittlerweile auch horizontale Bohrungen möglich. Solche horizontalen Bohrlöcher lassen sich dem Verlauf einer gasführenden Schicht anpassen und erschließen so einen viel größeren Teil des Vorkommens. Zusammen mit den steigenden Gaspreisen macht das das Fracking nun auch für nicht-konventionelle Vorkommen attraktiv und wirtschaftlich.

Ansgar Kretschmer
Stand: 15.08.2014

Schiefergas als Perspektive

Gas-Boom auch bei uns?

Erdgas-Bohrturm am texanischen Barnett-Shale Gasvorkommen © David R. Tribble / (CC BY-SA 3.0)

Diese neue Abbaumethode für Schiefergas oder „Shale Gas“ hat in den USA in den vergangenen Jahren einen wahren Gas-Boom ausgelöst: Bei fast zwei Dritteln der neu angelegten Gasbrunnen kommt dort nun Fracking zum Einsatz. Dadurch stammen mittlerweile 40 Prozent der US-amerikanischen Gasvorräte aus nicht-konventionellen Lagerstätten. Zwei Drittel aller Erdgasbohrungen werden gefrackt. Das ist so viel, dass dort der Begriff „nicht-konventionell“ kaum noch verwendet wird: Fracking ist zur konventionellen Fördermethode geworden.

Gasreiche Schieferschichten wie in den USA gibt es allerdings auch bei uns. Besonders unter der Norddeutschen Tiefebene und im Oberrheingraben lagert vermutlich eine beachtliche Menge Schiefergas, das durch Fracking gewonnen werden könnte. Energiekonzerne stehen in den Startlöchern, um diese Vorkommen auszubeuten. Fracking an sich ist in Deutschland nicht unbekannt: Bereits seit 1975 werden mit der Technik Vorkommen von „Tight Gas“ aufgebrochen – in den vergangenen 40 Jahren rund 300 Mal. Dabei handelte es sich jedoch um Erdgas, das größtenteils in Sandstein eingeschlossen war. Die Schiefergasvorkommen sind nun das nächste Ziel der Gasförderer.

Gebiete mit möglichem Schiefergas in Deutschland (orange) © Maximilian Dörrbecker / (CC BY-SA 2.5)

Eigenes Gas – günstiges Gas?

Die Vorteile des möglichen neuen Gasreichtums liegen auf der Hand: Der jährliche Gasverbrauch in Deutschland liegt bei knapp 100 Milliarden Kubikmetern. Steigende Energiekosten sind ein anhaltendes Streitthema, sei es nun beim Strompreis oder beim Treibstoff für Autos. Die nicht-konventionellen Gasvorkommen könnten die Energiepreise in Deutschland deutlich senken: Gas müsste nicht mehr über tausende von Pipeline-Kilometern importiert werden, sondern käme aus Quellen vor Ort.

Befürworter des Frackings führen auch politische Gründe ins Feld: Eigene Gasreserven machen Deutschland unabhängig vom Hauptlieferanten Russland. Steigende Preise oder ganz gestoppte Lieferungen waren schon häufiger ein politisches Druckmittel – auch solche diplomatischen Probleme sollen durch Fracking lösbar sein.

Warum hat das große Gasbohren hierzulande also nicht längst begonnen? Die Einwände gegen das Fracking sind mindestens so zahlreich wie die Vorteile – aus diesem Grund ist die neue Art der Gasförderung in Deutschland bislang nicht über einige Probebohrungen hinaus gekommen. Die Bohrungen in den USA haben eine Reihe von Sicherheits- und Umweltproblemen offenbart, die sich hier unter keinen Umständen wiederholen sollen. Das Ausmaß der nötigen Vorsichtsmaßnahmen ist allerdings heftig umstritten.

Ansgar Kretschmer
Stand: 15.08.2014

Fracking mit Chemie Cocktail

Die Mischung macht’s

Wie giftig ist die beim Fracking verwendete Flüssigkeit wirklich? © freeimages

Wahrscheinlich der größte Streitpunkt ist der zentrale Bestandteil des Fracking-Verfahrens: Das Frack-Fluid, und welche Gefahr es für das Grundwasser darstellt. Die genaue Zusammensetzung dieser Flüssigkeit geben nur die wenigsten gasfördernden Firmen preis. Im Normalfall besteht das Gemisch jedoch aus 90 bis 98 Prozent aus Wasser – acht bis zehn Millionen Liter pro gefracktem Bohrloch. Das entspricht etwa dem Tagesverbrauch einer Kleinstadt von 70.000 Einwohnern: ein immenser Verbrauch, und oft muss das Wasser auch noch energieaufwändig zum Bohrloch transportiert werden.

Umstrittene chemische Zusätze

Quarzsand oder winzige Keramikpartikel, um die Risse im Gestein offen zu halten, machen fünf bis neun Prozent der Flüssigkeit aus. Umstritten ist das Frack-Fluid jedoch vor allem wegen der chemischen Zusätze. Diese erfüllen mehrere Zwecke: Stoffe wie Polyacrylamid, Isopropanol oder Guaran dienen als Quellmittel und verwandeln die Flüssigkeit eher in eine Art zähflüssiges Gel. Dieses transportiert den Sand zuverlässiger in die Risse und lässt sich außerdem mit höherem Druck pumpen.

Säuren wie Salzsäure lösen Mineralien und erleichtern das Brechen des Gesteins. Hinzu kommt eine ganze Reihe von Stoffen, die das Wachstum von Mikroorganismen verhindern sollen und entsprechend giftig sind. Die Zusatzstoffe machen einen Gesamtanteil von einem halben bis einem Prozent der Mischung aus.

Verdünnt = ungefährlich?

Nach Angaben der Gasfirmen ist das Resultat so stark mit Wasser verdünnt, das die Flüssigkeit nicht mehr giftig ist. Eine im Jahr 2012 vom Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegebene Studie über die Risiken der Erdgasförderung durch Fracking kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis: Mindestens 88 verschiedene Frack-Fluide wurden in Deutschland bislang verwendet, von 80 davon sind die Inhaltsstoffe bekannt. Das Urteil der Gutachter: Lediglich 27 der Zubereitungen gelten als nicht gefährlich. Unter den restlichen Mischungen befanden sich sechs giftige, sechs umweltgefährliche und 25 gesundheitsschädliche.

Ein großer Teil der insgesamt rund 750 möglichen Chemikalien ist noch nicht ausreichend charakterisiert, um mögliche Schäden zuverlässig zu bewerten. Aber selbst biologisch abbaubare Bestandteile des Frack-Fluids erfordern ordentliche Vorbehandlung und Entsorgung, fordern US-Wissenschaftler. Mehr als zehn Stoffe auf einmal kommen in einer Mischung selten zum Einsatz. Welche das sind, hängt von Hersteller und Anwender und ganz besonders vom angebohrten Gaslager selbst ab: Jedes Vorkommen ist anders und erfordert ein angepasstes Gemisch.

Ansgar Kretschmer
Stand: 15.08.2014

Bedroht Fracking das Grundwasser?

Risiko im Untergrund

Nach dem Fracking wird die Flüssigkeit wieder abgepumpt, um den Weg für das Gas freizugeben. Diese Brühe aus Sand und Chemikalien, der sogenannte Flowback, muss anschließend entsorgt werden. In den USA geschah dies im Extremfall gar nicht – Millionen Liter Frack-Fluid wurden praktisch einfach in die Landschaft geschüttet.

Schlammige Überreste des Frack-Fluids nach dem Einsatz an einer Bohrung im US-Bundesstaat North Dakota © Joshua Doubek / (CC BY-SA 3.0)

Eine andere Möglichkeit ist, die Flüssigkeit nach der Verwendung zunächst in großen Becken zu lagern, so dass das Wasser langsam verdunstet – auch dies eine potenzielle Gefahr für die Umwelt. Der übrig bleibende giftige Schlamm nimmt bei der Entsorgung weniger Platz ein. Unter bestimmten Voraussetzungen lässt sich auch entweder das gefilterte Wasser oder sogar die ganze Mischung wiederverwenden.

Auch nach dem Abpumpen aus dem Bohrloch bleibt allerdings immer ein Teil des Frack-Fluids im Untergrund – wie viel genau, weiß niemand so recht. Unklar ist auch, was dort unten mit den Chemikalienresten geschieht. Werden sie langsam abgebaut, allmählich wieder nach oben gespült, oder verbreiten sie sich tiefer?

Über die Risse ins Grundwasser

Besonders die letzte Möglichkeit sorgt für Beunruhigung: Schiefergasvorkommen können in der Nähe von Grundwasser-leitenden Schichten liegen. Zurückbleibende Fracking-Flüssigkeit, die sich unkontrolliert verteilt, könnte diese Wasservorräte kontaminieren. Noch schlimmer: Direkt beim Frackingvorgang selbst könnte das Chemikaliengemisch durch das zerbröselnde Gestein ins Grundwasser gepumpt werden.

Sauberes Trinkwasser – durch Fracking bedroht? © freeimages

Tatsächlich ergab Ende 2013 eine Studie von US-Forschern, dass das Grund- und Oberflächenwasser in Garfield County in Colorado – einem der großen Frackinggebiete – vermehrt hormonähnlich wirkende Chemikalien enthielt. Da diese Substanzen auch im Frack-Fluid enthalten waren, liegt der Schluss nahe, dass sie durch das Fracking ins Grundwasser gelangt sind. „Ihre Gegenwart könnte das Risiko für reproduktive, metabolische und neurologische Erkrankungen bei Anwohnern erhöhen“, warnen die Forscher.

Gas im Leitungswasser?

Weitere Gefahr für das Grundwasser besteht durch austretendes Gas. Der US-amerikanische Dokumentarfilm „Gasland“ zeigt mögliche Auswirkungen des Frackings auf das Trinkwasser in dramatischen Bildern: Gasflammen schlagen aus Wasserhähnen – Leitungswasser in Haushalten um die Gasbohrungen enthält so viel Gas, dass es sich entzünden lässt. Allerdings könnte dies zumindest in einigen Fällen auch natürliche Ursachen haben: Bereits in alten Geschichten der Indianer vor Ort ist die Rede von „brennenden Wasserquellen“.

Ausführliche wissenschaftliche Untersuchungen des Trinkwassers im Bundesstaat Pennsylvania zeigen aber tatsächlich höhere Methanwerte im Wasser, zumindest in der Nähe aktiver Fracking-Bohrungen über der Marcellus Schieferformation. Im Umkreis von bis zu einem Kilometer um einen solchen Gasbrunnen kann der Gasgehalt im Wasser bis auf das Sechsfache steigen, verglichen mit weiter entfernten Haushalten. In einzelnen Fällen maßen die Wissenschaftler Mengen deutlich oberhalb der gesundheitlich unbedenklichen Grenzwerte.

Ansgar Kretschmer
Stand: 15.08.2014

Die politische Diskussion ums Fracking in Deutschland hält an

Ungeklärte Rechtslage

Während man in den USA zunächst überschwänglich und geradezu bedenkenlos drauflos gebohrt und gefrackt hat, hat man inzwischen dort wie hier aus den Fehlern dieses Überschwangs gelernt. In Bundesstaaten wie Texas und Oklahoma hält der Gasboom zwar noch an, aber auch dort wird der Widerstand lauter: Fracking führt offenbar mehr und mehr zu unvorhergesehenen oder ignorierten Umweltproblemen.

Schlagabtausch widersprechender Meinungen

Der giftige Flowback sorgt für Aufruhr, der Lärm der Bohrungen ist unerträglich, und sogar die Häufigkeit menschengemachter Erdbeben scheint in den Regionen der Gasförderung zuzunehmen. Der US-Bundesstaat Vermont hat Fracking darum mittlerweile verboten, einige Gemeinden in anderen Staaten zogen nach.

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In Deutschland gibt es bisher kaum eindeutige gesetzliche Regelungen, weder Verbote noch Genehmigungen oder sogar Subventionen. Einzig in Regionen, in denen Trinkwasser aus Grundwasser gefördert wird, ist Gasförderung durch Fracking verboten. Ansonsten herrscht große Ungewissheit über die Zukunft des Frackings.

Dies liegt vor allem an den vielen einander widersprechenden Meinungen zum Thema Fracking – politische Einigungen scheinen unmöglich. Deutlich werden diese Positionen zum Beispiel in dem Schlagabtausch, der auf die bereits erwähnte UBA-Studie folgte: Wegen der giftigen Frack-Fluide und der unsicheren Kenntnisse über Grundwasser-führende Gesteinsschichten hatte das UBA empfohlen, Fracking nur unter stärksten Auflagen und nach genauester Prüfung des Untergrunds zuzulassen.

Gefährdung prüfen – nach welchem Maßstab?

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) konterte mit einer Stellungnahme: Die Befürchtungen des UBA seien übersteigert. Mehr als 40 Jahre Erfahrung mit Fracking hätten gezeigt, dass die Risse im Gestein kontrollierbar seien, auch mit Verunreinigungen des Grundwassers habe es nie Probleme gegeben. Zudem sei Grundwasser nicht zwangsläufig gleich Trinkwasser.

Gaspipeline – Wohin führt die politische Diskussion ums Fracking? © gemeinfrei

Die UBA-Gutachter erwiderten, dass sich die bisher gefrackten Gaslagerstätten jedoch zu stark vom Schiefergas unterscheiden, um anhand der bisherigen Daten die möglichen Risiken zuverlässig abzuschätzen. In Schiefergas gab es bislang nur eine einzige Probebohrung in Deutschland. Außerdem, so heißt es in der Erwiderung des UBA auf die BGR-Stellungnahme, sei „Grundwasser generell […] davor zu schützen, dass es seine Trinkwasserqualität verliert.“

Einig sind sich beide Bundesstellen darin, dass Fracking nur nach „Abschätzung der human- und ökotoxologischen Gefährdungspotentiale“ gestattet sein soll. Fracking-Bohrungen und die verwendeten Zusätze sollen also vorher überprüft werden – bloß wie streng die angelegten Maßstäbe sein sollen, ist strittig.

Ansgar Kretschmer
Stand: 15.08.2014

Neue Gesetze zum Fracking sind in Arbeit

Wie geht es weiter?

Weitere Erkundungsvorhaben zur Risikobewertung liegen vorerst auf Eis. Daher ist unklar, ob Fracking in naher Zukunft eine Rolle spielen wird. In diese festgefahrene Lage ist vor Kurzem jedoch wieder Bewegung gekommen: Nachdem es in den vergangenen Jahren schien, als wolle man sich zumindest die Möglichkeit zum Fracking noch offen halten, sind die neuesten Gesetzesentwürfe deutlich strikter.

Gasherd: Fracking-Gas bald in jedem Haushalt? © freeimages

„Nur unter strengsten Vorsichtsmaßnahmen“

Das UBA hat im Juli 2014 seine Forderungen erneuert, Fracking nur unter strengsten Vorsichtsmaßnahmen zu gestatten. Davor sollen genaueste Analysen des betroffenen Gasvorkommens und des umgebenden Gesteins nötig sein, um jedes Risiko auszuschließen. Einen solchen Antrag hat auch das Land Niedersachsen gestellt: Eine Umweltverträglichkeitsprüfung soll zwingend erforderlich sein, bevor gefrackt werden darf.

Einen Schritt weiter gingen Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg: Diese Bundesländer fordern eine Überarbeitung des Bergrechts, welches die Grundlage für Rohstoffförderung aller Art in Deutschland ist. Die beantragten Änderungen verfolgen das Ziel, „neben der Rohstoffgewinnung, dem Umweltschutz und der Beteiligung der Öffentlichkeit stärker Rechnung zu tragen und die Förderung von Erdgas und Erdöl mittels Fracking weitreichend auszuschließen.“

Blick auf die Nachbarn

Ein Blick auf unsere europäischen Nachbarn zeigt ähnlich geteilte Ansichten, eine Mischung aus für und wider: Frankreich hat das Fracking bereits 2011 per Gesetz verboten und das Verbot im Jahr 2013 erneut bestätigt. Westlich wie östlich von Deutschland dagegen herrscht ein gegenteiliges Bild: Polen und die Niederlande haben begonnen, ihre reichen Schiefergasvorkommen auszubeuten.

In den Niederlanden betrifft das nicht nur die Gaslagerstätten vor der Küste, sondern auch auf der anderen Seite des Landes, nahe der Grenze zu Deutschland. Das Umweltministerium von Nordrhein-Westfalen befürwortet ebenfalls ein flächendeckendes Fracking-Verbot, nicht nur in Wasserschutzgebieten. Nun hat das Bundesland die niederländische Regierung aufgefordert, Fracking im Grenzgebiet „bis zur Klärung der damit verbundenen Risiken“ zu unterlassen. Doch gerade über diese Risiken ist sich offenbar immer noch niemand einig.

Ansgar Kretschmer
Stand: 15.08.2014

Erdgas und seine umstrittene Klimabilanz

Wird das Klima gefrackt?

Was bleibt, ist die Frage nach dem tatsächlichen Nutzen des erwarteten Gasreichtums. Einerseits gilt Erdgas als deutlich klimafreundlicher im Vergleich zu Kohle und Erdöl: Es verbrennt sauberer und effizienter, daher entsteht bei gleichem Energiegewinn etwa ein Viertel weniger Kohlendioxid. Mit dem erschlossenen Schiefergas könnte also der Ausstoß dieses Treibhausgases in Deutschland gesenkt werden, argumentieren die Befürworter des Frackings.

Die Abgase fossiler Brennstoffe enthalten klimaschädliches Kohlendioxid. © freeimages

Treibhausgas aus der Erde

Dem gegenüber steht jedoch der zusätzliche Energieaufwand bei der Gasförderung: Bezieht man die Energiekosten des Pumpens und den Wassertransport für das Fracking mit ein, so ist Kritikern zufolge der tatsächliche Gewinn in der Klimabilanz praktisch Null. Außerdem zeigen die Erfahrungen aus den USA: Aus den Gasbrunnen tritt ebenfalls eine gewisse Menge Erdgas in die Atmosphäre aus, und dessen Hauptbestandteil Methan ist ein mehr als 20 Mal stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid.

Damit zusammen steigen auch flüchtige Bestandteile des Frack-Fluids auf: „Wir finden krebserregendes Benzol, giftigen und übelriechenden Schwefelwasserstoff und eine Vielzahl von Vorläufersubstanzen für gesundheitsschädliches Ozon in ländlichen Gegenden, wo man eigentlich saubere Luft erwarten würde“, meint Armin Wisthaler von der Universität Innsbruck, der mit Kollegen die Folgen des Frackings für die Luft über den Gas-Regionen untersucht hat.

Ein schwerwiegendes Argument könnte die ganze Diskussion mit einem Schlag hinfällig machen: Erdgas ist, genau wie Kohle und Erdöl, ebenfalls ein fossiler Brennstoff. Auch wenn es effizienter ist als die anderen Brennstoffe, so entsteht dennoch bei seiner Verbrennung Kohlendioxid aus zuvor im Erdboden fixiertem Kohlenstoff.

Außerdem sind die Gaslager allen Hoffnungen zum Trotz begrenzt – sie können das Ende der Brennstoffvorräte allenfalls hinauszögern. Viele Umwelt- und Klimaschützer fordern darum eine wirklich konsequente Energiewende: Weg von fossilen Brennstoffen wie Gas und Kohle, hin zu regenerativen Energiequellen wie Wind und Sonne.

Windkraft: Erneuerbare Energiequelle als Alternative zu klimaschädlichen fossilen Brennstoffen. © freeimages

Erneuerbare Alternativen zum Fracking-Gas

Fraglich ist jedoch, in wie weit sich das zu dieser Zeit umsetzen lässt. Umfragen zeigen zwar, dass die Mehrheit der Menschen regenerative Energien befürwortet. Gleichzeitig glauben aber auch viele Menschen, dass sich der komplette Energiebedarf damit in naher Zukunft noch nicht decken lässt. Ein Szenario der Umweltorganisation Greenpeace zeigt, wie sich auch mit erneuerbaren Energien die Energie-Rohstoffimporte der EU bis 2030 um 45 Prozent senken lassen. Gleichzeitig wäre der CO2-Ausstoß um etwa 55 Prozent niedriger.

Hoffnung gibt auch ein kürzlich aufgestellter deutscher Rekord: Stürmische Winde und sonniges Wetter haben im Mai 2014 dazu geführt, dass Deutschland fast drei Viertel seiner Energie aus regenerativen Quellen bezog – so viel wie noch nie zuvor. Hält diese Tendenz an, ist Fracking vielleicht bald ohnehin überflüssig.

Ansgar Kretschmer
Stand: 15.08.2014