Eine revolutionäre Idee und ihre Folgen

Der Urknall

Alles begann mit dem Urknall. Aber wie? Und warum? © Flavio Takemoto/ freeimages

Alles entstand einst aus dem Nichts: Der Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren schuf unser gesamtes Universum. Innerhalb von Sekundenbruchteilen legte diese Urexplosion die Grundlage allen Seins. Was an diesem Uranfang jedoch genau geschah und warum, darüber gibt es bis heute mehr Fragen als Antworten.

Der Urknall ist heute für uns ein selbstverständlicher Teil des kosmologischen Weltbilds. Aber noch vor nicht einmal hundert Jahren war die Idee eines solchen Uranfangs undenkbar – und kam einer Revolution gleich. Kein Wunder: Wie einfach so alles aus dem Nichts entstanden sein soll, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Zwar kennen Forscher inzwischen einige Meilensteine auf dem Weg vom Nichts zum Etwas, noch immer aber gibt es kaum endgültige Antworten, dafür umso mehr Theorien, Vermutungen und offene Fragen.

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016

Wie Georges Lemaitre den Urknall erfand

Ein Priester und die Expansion

Die Idee eines „Urknalls“ betritt im Jahr 1931 die Bühne der Kosmologie. Ersonnen hat dieses für damalige Verhältnisse revolutionäre Szenario ausgerechnet ein katholischer Priester – der belgische Abbé und Physiker Georges Lemaitre.

Der Physiker und Priester Georges Lemaitre etwa um 1933. © Historisch

Es dehnt sich aus!

Schon 1927 postuliert er, dass sich das Universum ausdehnen muss – zu einer Zeit, als man noch von einem statischen, ewig unveränderlichen Universum ausging. In seinen Berechnungen kommt Lemaitre jedoch immer wieder auf eine Expansion – die Werte passsen sonst einfach nicht zusammen.

Damit allerdings ist er nicht allein: Rund zehn Jahre zuvor stand auch Albert Einstein mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie vor diesem Problem. Doch er glaubte damals noch fest an ein statisches Universum und griff daher zu einem Kniff: Er glich diesen „Makel“ seiner Gleichungen einfach dadurch aus, dass er die kosmologische Konstante einführte – einen Wert, der die vermeintlich falsche Expansion ausglich.

Hubbles Rotverschiebung verändert die Sicht

1929 dann erhält Lemaitre Rückendeckung vom US-Astronom Edwin Hubble: Als dieser das Licht weit entfernter Galaxien analysiert, fällt ihm auf, dass es umso stärker in den roten Wellenbereich verschoben ist, je weiter entfernt die Lichtquellen liegen. Seine Schlussfolgerung: Das Licht muss auf seinem Weg zu uns gedehnt worden sein – und das bedeutet, dass sich die Lichtquelle von uns entfernt.

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Für Lemaitre liegt die Konsequenz auf der Hand: Wenn sich das Universum ausdehnt, und das offenbar in alle Richtungen, dann muss es einst sehr viel kleiner gewesen sein. Konsequent zu Ende gedacht könnte es sogar einmal in einem winzigen Punkt konzentriert gewesen sein – einer Art „Urkeim“ des Kosmos.

Ablehnung von Einstein und Co

Doch das damalige Physik-Establishment tut sich schwer damit, diese neue Sicht des Universums anzunehmen. Einstein soll zu Lemaitre gesagt haben: „Ihre Berechnungen sind korrekt, aber ihr Verständnis der Physik ist furchtbar.“ Er und andere namhafte Forscher weigern sich zunächst, die naheliegende Konsequenz der Expansion zu akzeptieren: Das Universum muss früher anders ausgesehen haben und es muss einen Anfang gegeben haben.

Albert Einstein lehnte Lemaitres Idee eines Urknalls zunächst strikt ab. © Ferdinand Schmutzer/ historisch

„Als Wissenschaftler glaube ich einfach nicht, dass das Universum mit einem Bang begann“, schreibt Arthur Eddington, Lemaitres ehemaliger Lehrer an der University of Cambridge, im Jahr 1928. Wie viele seiner Zeitgenossen hält er an der Jahrhunderte alten Vorstellung fest, dass das Universum statisch ist und schon seit unendlicher Zeit existiert haben muss. Die Idee, dass es einen Uranfang gegeben habe, bezeichnet Eddington schlicht als „abstoßend“.

Ein Grund dafür: Vielen Wissenschaftlern schmeckt die Vorstellung eines solchen Anfangs zu sehr nach einer religiös geprägten Schöpfung. Sie schien zu implizieren, dass eine übernatürliche Kraft oder ein Gott diesen Uranfang ausgelöst haben musste. Ein ewiges Universum existiert dagegen einfach so, ohne dass eine allererste Ursache dafür gesucht werden muss.

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016

Lemaitres Urexplosion – und die Reaktionen

Feuerwerk des Uranfangs

„Die Entwicklung des Universums lässt sich mit einem Feuerwerk vergleichen, das gerade vorüber ist: Es bleiben einige rote Schleier, Asche und Rauch. Wir stehen auf einem erkalteten Aschenstück, sehen das langsame Verblassen von Sonnen und versuchen, uns das Strahlen des Anfangs in Erinnerung zu rufen.“ (Georges Lemaitre)

Georges Lemaitre ist zwar Priester, aber auch Physiker. Und als solcher vertritt er durchaus die Ansicht, dass Theologie und Wissenschaft nicht vermischt werden sollten. Er sucht daher nach einer Möglichkeit, die Expansion und ihren Uranfang physikalisch zu erklären – ohne religiöse Annahmen involvieren zu müssen.

Lemaitre stellt sich den Urknall wie den explosiven Zerfall eines Uratoms vor © Billy Alexander/ freeimages

Superradioaktive Urexplosion

1931 hat er seine Vorstellung vom Urknall so weit präzisiert, dass er sie publizieren kann. Für ihn ist klar: Am Anfang des Kosmos muss ein gewaltiges Feuerwerk gestanden haben – eine Explosion, die den Urkeim des Universums quasi aussäte. Diesen Urkeim vergleicht er mit einer Art Ur-Atom, in dem die gesamte Masse des Kosmos schon enthalten war.

„Dieses extrem instabile Atom könnte sich dann durch eine Art superradioaktiven Prozess in kleinere und kleinere Atome zerteilt haben“, erklärt Lemaitre. Diese superradioaktive Urexplosion war demnach der Anfang von allem und löste auch die kosmische Expansion aus. Wenig später untermauert der Physiker sein Szenario eines kosmischen Urfeuerwerks auch mit Gleichungen, die die mathematisch-physikalische Grundlage nachliefern.

„Schönste Erklärung der Schöpfung“

Lemaitres anschauliche Beschreibung der Ereignisse macht sein Urknall-Szenario schnell populär. Nur wenige Monate später titelt das beliebte US-Magazin „Popular Science“: „Explosion eines Riesenatoms schuf unser Universum“. Und in anderen Medien macht das Szenario ebenfalls Schlagzeilen.

Bei den Physikern und Astronomen allerdings erntet der belgische Abbé zunächst keine Lorbeeren. Seine Hypothese wird größtenteils ignoriert oder als spekulativ verworfen. Einstein jedoch erkennt bereits 1933, dass an Lemaitres Theorie etwas dran sein könnte. Bei einem Vortrag des Belgiers in Pasadena steht er auf und erklärt: „Dies ist die schönste und befriedigendste Erklärung der Schöpfung, die ich je gehört habe.“

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016

Fred Hoyle und sein Steady-State-Modell

Der Widersacher

Keine neue Theorie ohne Widerspruch, kein Modell ohne Gegenmodell – das ist auch und gerade in der Kosmologie so. Es ist daher kein Wunder, dass die klassische Urknall-Theorie zunächst nicht ohne weiteres angenommen wird.

Steady-State statt Urknall?

Einige Kosmologen sperren sich gegen den Gedanken eines Uranfangs, andere versuchen, neue astronomische Erkenntnisse mit dem alten, statischen Weltbild zu vereinbaren. Die historisch bedeutendste Alternative zur Urknall-Theorie ist das 1948 von dem britischen Physiker Fred Hoyle aufgestellte „Steady-State-Modell“. Nach dieser ist das Universum ewig, unendlich und im Großen und Ganzen unveränderlich.

Um die von Edwin Hubble nachgewiesene Ausdehnung des Kosmos auszugleichen, entsteht fortwährend neue Materie im Raum – aus einem ominösen, unbekannten Feld heraus. Der Materie-Nachschub soll dabei aber so gering sein, dass er im Prinzip nicht nachweisbar ist – nur etwa ein Wasserstoff-Atom pro Kubikmeter und Jahrmilliarde.

Quasare kommen nur im fernen All vor, sie sind daher ein Phänomen des frühen Kosmos. © NASA

Das Problem der Quasare

Hoyles Theorie kommt zunächst gut an, denn die Urknall-Hypothese ist vielen Kosmologen und Physikern suspekt und lässt sich – zunächst – nicht beweisen. In den 1960er-Jahren jedoch enthüllen Himmelsbeobachtungen mit Radio-Teleskopen etwas, das absolut nicht zum Steady-State-Modell passen will:

Radiogalaxien und Quasare finden sich nur im fernen Universum, nicht aber in der kosmischen Nachbarschaft der Milchstraße. Das spricht dafür, dass diese Phänomene nur bei sehr alten Sternenansammlungen auftreten. Wäre das Universum aber unveränderlich, dann müsste es diese Art der aktiven Radioquellen überall gleich häufig geben – und nicht nur in den fernsten und damit ältesten Bereichen des Alls.

Hintergrundstrahlung als „Sargnagel“

Und noch ein Widerspruch zum Steady-State-Modell taucht 1964 auf: die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie wird von den US-Forschern Arno Penzias und Robert Wilson quasi durch Zufall entdeckt, als sie eine neue Radioantenne ausprobieren. Dabei stellen sie fest: Egal wohin der Radiodetektor zeigte – immer ertönte ein seltsames Summen, eine Art Grundrauschen.

Mit dieser Antenne entdeckten Penzuias und Wilson 1964 die kosmische Hintergrundstrahlung. Sie stand in Holmdel, New Jersey. © NASA

Zunächst halten die Radioastronomen diese langwellige Strahlung für einen bloßen Störeffekt der Antenne, aber sie finden trotz monatelangem Suchen keinen Grund dafür. Erst als Kosmologen auf diesen seltsamen Strahlungsüberschuss aufmerksam werden, kristallisierte sich heraus: Das Phänomen ist real. Es muss sich um ein Relikt aus der Frühzeit des Universums handeln – eine Art Nachglühen des Urknalls.

Damit ist klar: Hoyles Vorstellung eines ewigen Universums ist nicht haltbar. Stattdessen spricht alles für Lemaitres Modell eines Urknalls. Die Entdeckung der Hintergrundstrahlung ist damit der finale Sargnagel für die Steady-State-Theorie, wie es der britische Kosmologe Stephen Hawking einmal ausgedrückt haben soll.

Wie „Big Bang“ seinen Namen bekam

Es ist schon fast eine Ironie des Schicksals, dass der Urknall – im Englischen „Big Bang“ – seinen Namen ausgerechnet von Hoyle erhielt, einem seiner größten Kritiker. Anlass dafür war ein Interview, das Hoyle 1949 beim britischen Radiosender BBC3 gab. Er erklärte darin erst sein Steady-State-Modell und dann Lemaitres-Theorie.

Diese umschrieb er so: „Eine Hypothese, nach der alle Materie des Universums in einem Big Bang zu einer bestimmten Zeit in der fernen Vergangenheit geschaffen wurde.“ Eigentlich machte Hoyle im weiteren Verlauf des Interviews sehr deutlich, dass er von dieser Urknall-Hypothese nicht viel hielt. Aber das änderte nichts: Der Begriff „Big Bang“ war so eingängig, dass er hängen blieb – bis heute.

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016

Wo und was war der Urknall?

Kein Ort, keine Zeit

Aber wie genau spielte sich der Urknall ab? Und wo? Nach Vorstellung von Georges Lemaitre, dem „Vater des Urknalls“, war am Anfang die gesamte Energie des Universums in einem winzigen Punkt verpackt. An diesem gab es weder Zeit noch Raum und erst recht keine Materie.

Ein aktives Schwarzes Loch im Herzen einer Galaxie © NASA

Wie im Inneren eines Schwarzen Lochs

„Wenn diese Annahme korrekt ist, dann geschah der Beginn der Welt ein wenig vor dem Beginn von Zeit und Raum“, so Lemaitre. Er nahm damit die heute allgemein akzeptierte Sicht vorweg, dass zum Zeitpunkt des Urknalls ein Zustand herrschte, an dem die Gesetze der klassischen Physik zusammenbrechen: eine Singularität.

Vergleichen lässt sich dieser Anfangszustand des Universums vielleicht am ehesten mit dem Inneren eines Schwarzen Lochs: Wenn ein massereicher Stern kollabiert, wird seine Masse in einem winzigen Punkt unendlicher Dichte komprimiert – auch das ist eine Singularität. Beim Urknall, so die gängige Vorstellung, dehnte sich dieser Punkt unendlicher Dichte explosionsartig aus und kehrte damit sozusagen den Kollaps zur Singularität um.

Wo passierte der Urknall?

Aber wo lag dieser Ursprungspunkt? Bei einer normalen Explosion, beispielsweise einer Supernova, lässt sich dies meist leicht rekonstruieren: Die Trümmer sind kreisförmig um das Zentrum des Ereignisses verteilt, ihre Flugrichtung verrät, woher der Impuls kam. Dort, wo die Zerstörung am größten ist und alle Linien zusammenlaufen, muss der Stern explodiert sein.

Bei einer Sternenexplosion lässt sich der Ort des EReignisses an den glühenden Überresten erkennen, hier der Krebsnebel. © NASA, ESA, J. Hester and A. Loll (Arizona State University)

Beim Urknall aber funktioniert dies nicht. Denn das Universum hat weder einen Mittelpunkt noch einen Rand, es ist unendlich. Und auch die Ausdehnung hilft uns nicht viel weiter. Egal wo man sich im Kosmos befindet – von jedem Punkt aus gesehen bewegt sich der Rest des Alls von einem weg. Aus der Perspektive des Beobachters scheint daher immer sein jeweiliger Standort das Zentrum der Expansion zu sein.

Und noch etwas kommt hinzu: Auch das Raumzeit-Gefüge des Universums ist erst beim Urknall entstanden. Jeder Ort im heutigen Universum lag daher damals gewissermaßen im Zentrum des Geschehens – auch der Ort genau vor unserer eigenen Nasenspitze. Der Urknall hat sich daher aus heutiger Sicht überall und nirgends zugleich ereignet. Ein Denkmal mit der Aufschrift „Hier hat alles angefangen“ kann man daher nirgendwo im Kosmos platzieren.

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016

Was löste den Urknall aus?

Ereignis ohne Ursache

Warum? Diese Frage stellen schon kleine Kinder in ihrem Bemühen, die Welt um sich herum zu verstehen. Deshalb ist es kein Wunder, wenn sich uns auch beim Urknall unweigerlich die Frage stellt: Warum gab es ihn? Was war der Auslöser für diesen Anfang unseres Universums?

Ohne Zeit keine Kausalität

Der belgische Kosmologe Georges Lemaitre spekulierte in den 1930er Jahren, dass vielleicht der Zerfall eines Uratoms alles auslöste. Dafür aber hätte es schon vor dem Urknall etwas geben müssen – das besagte Uratom. Doch nach der klassischen Urknall-Theorie ist das nicht möglich, weil es vor dem Uranfang eben noch nichts gab: weder Zeit, noch Raum noch Materie.

All das einfach aus dem Nichts und ohne Grund? Das ist schwer nachzuvollziehen, könnte aber so gewesen sein. © NASA/ ESA, CXC, Universität Potsdam, JPL-Caltech, STScI

Damit aber kommen wir auch mit der Frage nach der Kausalität in die Bredouille. „Weil die Zeit selbst erst mit dem Urknall begann, ist dies ein Ereignis, das nicht durch etwas oder jemanden verursacht worden sein kann“, erklärt Stephen Hawking. „Die Gesetze der Natur selbst sagen uns, dass das Universum entstanden sein kann, ohne dass dazu Energie oder eine Ursache nötig war.“ Doch sich vorzustellen, dass es ein Ereignis ohne Ursache gibt, einfach so aus dem Nichts, ist schwer – erst recht, wenn es um Etwas von so fundamentaler Bedeutung für unser Universum geht.

Heisenberg und der Urknall

Dennoch könnte der Urknall letztlich bloßer Zufall gewesen sein – oder besser gesagt seine quantenphysikalische Entsprechung. Hier kommt die von Werner Heisenberg entdeckte Unschärferelation ins Spiel. Sie besagt, dass manche physikalischen Größenpaare nicht gleichzeitig beliebig genau gemessen werden können. Will man beispielsweise die Geschwindigkeit eines Elektrons genau messen, beeinflusst man dadurch dessen Position – und kann sie daher nicht genau bestimmen.

Ein anderes „unscharfes“ Größenpaar bilden Energie und Zeit. So ist die Energie von Atomen und Elementarteilchen innerhalb gewisser Zeiträume nach Heisenberg unbestimmt. Und das bringt uns zum Urknall: Auch die Entstehung unseres ganzen Universums könnte sich möglicherweise mit der Energie-Zeit-Unschärfe erklären lassen. Auf diesen kühnen Gedanken kamen 1973 unabhängig voneinander der ukrainische Physiker Piotr Fomin und sein US-Kollege Edward Tryon.

Quantenfluktuation als Daseinsgrund?

Ihre bis heute aktuell gebliebene Grundidee: Wenn die Gesamtenergie des Universums sehr genau bestimmt ist, dann ist die Zeit sehr „unscharf“, nämlich beliebig lang. Tatsächlich lässt sich die Energie unseres Universums recht gut eingrenzen. Stellt man der positiven Energie der Strahlung und der Materie die mathematisch als negative Energie beschreibbare Schwerkraft gegenüber, ergibt sich eine Bilanz von ziemlich genau null. Beides gleicht sich aus.

Hat das Universum aber keine Energie, kann es quantenphysikalische Fluktuationen geben, die zufällig „Etwas“ und damit Zeit und Raum entstehen lassen oder eben nicht. Unser Universum wäre damit zufällig als Quantenfluktuation aus dem Nichts ins Dasein gesprungen. „Das Universum ist einfach eines der Dinge, die manchmal geschehen“, spitzte es Tryon zu.

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016

Was geschah nach dem Urknall?

In der ersten Sekunde

Klar scheint heute: Mit dem Urknall begann eine Kette von Ereignissen, in deren Verlauf die Atome, chemischen Elemente und letztlich alle Materie um uns herum entstand. Bis es aber so war, musste noch einiges geschehen. Welche Prozesse dabei abliefen und wie die ersten Stadien unseres Universums beschaffen waren, ist bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt.

Klar scheint: Unmittelbar nach dem Urknall bestand das ganze Universum aus einem winzig kleinen, aber extrem dichten und heißen „Etwas“. Kosmologen vermuten, dass seine Größe nicht mehr als Plancklänge von 10 hoch -35 Meter betrug. Zu dieser Zeit sind alle vier physikalischen Grundkräfte noch in einer einzigen Superkraft vereint. Dann, etwa zehn hoch -40 Sekunden nach dem Urknall, spaltet sich die Gravitation ab. Damit entsteht die klassische Raumzeit. Der Kosmos ist noch immer unvorstellbar heiß, in welcher Form Energie und Materie vorliegen, ist unbekannt.

Die Inflation blähte das Ur-Universum in Sekundenbruchteilen gewaltig auf © Alex Mittelmann, Coldcreation / CC-by-sa 3.0

Inflation und Fast-Kollaps

Nur Bruchteile einer Sekunde später beginnt die nächste, dramatische Veränderung: die kosmische Inflation bläht das Universum in weniger als einem Milliardstel einer Quadrillionstel Sekunde exponentiell auf. Die Größe des Universums nimmt dabei um einen Faktor von 10 hoch 30 bis 10 hoch 100 zu. Möglicherweise folgte auf diese erste große Inflation sogar noch eine kürzere, zweite Expansionsphase, wie Physiker vor kurzem postulierten.

Doch diese Ausdehnung mit Überlicht-Geschwindigkeit hätte theoretisch auch gleich wieder das Ende unseres Kosmos bedeuten können. Denn die enormen Energiefluktuationen müssten das damals frisch entstandene Higgs-Feld so destabilisiert haben, dass das Universum sofort wieder kollabierte. Doch wie Physiker kürzlich herausfanden, gibt es einen Ausweg: Eine Wechselwirkung von Gravitation und Higgsfeld könnte für die nötige Stabilität gesorgt haben.

Im Quark-Gluon-Plasma bewegten sich Quarks, die Bausteine der Protonen und Neutronen, noch frei umher. © CERN

Die flüssigste Flüssigkeit von allen

Mit dem Ende der Inflation ist die Temperatur im Kosmos auf „nur“ noch einige Billionen Grad gesunken. Die vier Grundkräfte sind nun voneinander getrennt. Jetzt entstehen mit Quarks und Gluonen erste Bausteine der Materie, die sich frei im extrem heißem Plasma bewegen – quasi einer ultimativen kosmischen Ursuppe.

Wie dieses Quark-Gluon-Plasma beschaffen ist, untersuchen Physiker unter anderem am Large Hadron Collider (LHC) des CERN. Wenn in diesem Teilchenbeschleuniger Bleikerne mit extremer Geschwindigkeit kollidieren, entstehen für Sekundenbruchteile Bedingungen, wie sie kurz nach dem Urknall herrschten. Dadurch ist es gelungen, zumindest einige Eigenschaften dieses Ur-Plasmas zu enträtseln.

So ist das Quark-Gluonen-Plasma beispielsweise superfluid: Es verhält sich wie eine Flüssigkeit, die keinerlei innere Reibung besitzt. Die Teilchen können sich daher in ihm bewegen ohne Energie zu verlieren. Seltsamerweise gilt dies jedoch nicht für alle Richtungen gleichermaßen. Zudem scheinen die Teilchen im Plasma nicht so unabhängig voneinander zu sein, wie lange gedacht. Auch hier bleiben daher noch reichlich Fragen offen.

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016

Die ersten Sekunden und Minuten nach dem Urknall

Auslöschung und Urnebel

Knapp eine Sekunde nach dem Urknall: Jetzt beginnt das nächste entscheidende Stadium des jungen Universums. Die Temperatur liegt nun bei rund zehn Milliarden Grad und der Druck ist soweit gesunken, dass nun das Quark-Gluon-Plasma zerfällt.

Für jedes Teilchen muss beim Urknall ein Antiteilchen entstanden sein. © Podbregar

Die große Auslöschung

Die Quarks verbinden sich zu ersten Protonen und Neutronen, den Bausteinen des Atomkerns. Auch Elektronen, Neutrinos und weitere Elementarteilchen werden gebildet. Die meisten von ihnen verschwinden jedoch fast so schnell wieder, wie sie entstanden sind. Denn die „Teilchenfabrik“ des frühen Kosmos muss genauso viel Materie wie Antimaterie produziert haben, das schreibt die Physik vor. Dadurch treffen viele der frisch gebackenen Teilchen auf ihren Gegenpart und löschen sich gegenseitig aus.

Die große, bis heute unbeantwortete Frage dabei lautet: Warum haben sich nicht alle Teilchen gegenseitig ausgelöscht? Warum ist die Antimaterie heute fast verschwunden, die Materie aber dominiert? Physiker vermuten, dass es zwischen Materie und Antimaterie einen Symmetriebruch gegeben haben muss, beispielsweise durch winzige, aber entscheidende Unterschiede im Verhalten.

Wo sich dieser Symmetriebruch aber versteckt, ist bis heute unbekannt. Experimente unter anderem am CERN haben bisher eher Hinweise darauf geliefert, wo diese subtilen Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie wohl nicht stecken: Ladung, Masse oder die starke Kernkraft scheinen es nicht zu sein und auch nicht die räumliche Symmetrie.

Vor der Bildung der Atome war das Universaum zwar hell, aber undurchsichtig. © NASA/JPL-Caltech/ UC Irvine

Hell, aber undurchsichtig

Die große Auslöschung hat noch weitere Folgen: Weil bei der gegenseitigen Annihilation von Teilchen und Antiteilchen Energie in Form von Photonen frei wird, herrscht im jungen Kosmos nun an Licht kein Mangel – im Gegenteil. Die Strahlung überwiegt bei weitem, die Materie ist in der Minderheit. Dennoch hat die Strahlung keine freie Bahn. Ständig kollidieren die Photonen mit den geladenen Teilchen, werden abgelenkt, absorbiert und wieder emittiert. Als Folge ist der Kosmos zwar hell, aber trüb und undurchsichtig.

Das ändert sich auch nicht, als wenige Minuten nach dem Urknall die ersten Atomkerne entstehen: Protonen und Neutronen kombinieren sich zu den Kernen von Wasserstoff und in geringerem Maße Helium und vielleicht Lithium. Dies sind die einzigen Elemente, die direkt nach dem Urknall entstehen. Alle anderen werden erst Millionen Jahre später gebildet – bei den Supernovae der ersten Sterne.

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016

So ging es weiter

Elemente, Licht und Sterne

Nach den dramatischen Ereignissen in den ersten Sekunden und Minuten nach dem Urknall kehrt nun erst einmal Ruhe ein. Das junge Universum bleibt nun tausende von Jahren lang ein helles trübes Gemisch von Atomkernen, Elementarteilchen und Strahlung. Dann jedoch folgt der nächste große Entwicklungsschritt.

Die Bildung der ersten Elemente legte die Basis für die spätere großräumige Verteilung der Materie im Kosmos. © Klaus Dolag/ VIMOS-VLT Deep Survey

Die ersten Elemente

Rund 380.000 Jahre nach dem Urknall geschieht plötzlich wieder etwas. Der Kosmos ist nun auf rund 3.000 Grad abgekühlt, auch die Dichte hat weiter abgenommen. Dadurch können sich die zuvor frei im Plasma umherfliegenden Atomkerne und Protonen mit Elektronen verbinden, ohne gleich wieder auseinander gerissen zu werden – die ersten Atome entstehen.

Am Ende dieser Phase der Rekombination enthält das Universum ein Gemisch aus rund 75 Prozent Wasserstoff und 25 Prozent Helium, außerdem Spuren von Lithium. Noch heute sind die beiden leichtesten Elemente mit Abstand die häufigsten im Universum: Von 1.000 Atomen entfallen 900 auf Wasserstoff, weitere 99 auf Helium. Nur ein einziges Atom gehört zu einem der rund hundert anderen Elemente.

Dies ist bisher genaueste Karte der Kosmischen Hintergrundstrahlung, erstellt auf Basis von Daten des Planck-Satelliten. © ESA / Planck Collaboration

Das erste Licht

Die Bildung der ersten Atome und Elemente hat aber noch eine wichtige Folge: Während zuvor vorwiegend geladene Teilchen und Myriaden freier Elektronen im All umherschwirrten, dominieren nun neutrale Atome. Die Elektronen sind nun an die Atomkerne gebunden und damit bekommt das Licht endlich freie Bahn: Statt ständig mit Elektronen zu kollidieren, kann sich die elektromagnetische Strahlung nun nahezu ungehindert im Raum bewegen. Dadurch wird die Strahlung von der Materie entkoppelt und das Universum wird transparent.

Einen Zeugen dieser großen Umwandlung gibt es auch heute noch im All: die kosmische Hintergrundstrahlung. Denn die bei der Rekombination freiwerdende Strahlung ging nicht verloren, sie wurde nur stark verdünnt und gedehnt. As Folge hat sich ihre einst kurze Wellenlänge gestreckt und diese Strahlung liegt heute im Mikrowellenbereich. Aber immerhin: Gut 400 Photonen dieses ersten Lichts gibt es heute noch in jedem Kubikzentimeter des Weltraums, so schätzen Astronomen.

Diese Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zeigt eine der ältesten bekannten Galaxien, sie existierte schon 650 Millionen Jahre nach dem Urknall. © NASA, ESA, P. Oesch and I. Momcheva (Yale University), and the 3D-HST and HUDF09/XDF Teams

Die ersten Sterne

Bis die ersten Sterne und Galaxien im jungen Kosmos entstehen, vergehen allerdings noch hunderte Millionen Jahre. Ohne diese Lichtquellen bleibt das Universum dunkel, Astronomen bezeichnen diese Zeit daher auch als das Dunkle Zeitalter. Auf Basis von Daten des Planck-Satelliten schätzen Forscher, dass sich dies erst 550 Millionen Jahre nach dem Urknall änderte – erst dann bildeten sich die ersten Sterne.

Damit kommt nun auch die Produktion der restlichen chemischen Elemente in Gang. Denn erst im Inneren der ersten Sternengeneration verschmelzen nun Wasserstoff, Helium und Lithium zu schwereren Atomen. Innerhalb von wenigen Millionen Jahren haben diese primordialen Sternenriesen ihren Fusionsbrennstoff verbraucht und explodieren in einer Supernova. Dies setzt die schwereren Elemente frei. Letztlich bestehen damit auch wir und alles, was uns umgibt, aus Sternenstaub.

Nadja Podbregar
Stand: 01.04.2016