Nischenprodukt oder Werkstoff der Zukunft?

Wundermaterial Biokunststoff

Aus Biokunststoff soll in Zukunft nahezu jedes Produkt hergestellt werden können. © Lean2Sucess/ pixabay

Verpackungen, PET-Flaschen oder Plastiktüten – Kunststoffe sehen wir an jeder Ecke und trotzdem gelten sie als die Bösewichte unserer Zeit. Sie bestehen aus dem immer knapper werdenden Rohstoff Erdöl und nach einmaligem Nutzen landen sie oft schon wieder in der Tonne. Oder sie verschmutzen unsere Meere und werden als Mikroplastik von Fischen gefressen. Trotzdem hat der Alleskönner Kunststoff auch viele Vorzüge. Er ist leicht, haltbar und günstig wie kaum ein anderes Material. Deswegen geht der Trend inzwischen zum Biokunststoff.

Schätzungsweise ein Prozent aller Kunststoffe sind inzwischen aus Biokunststoff. Heute noch ein Nischenprodukt, prophezeien Experten dem Material allerdings ein starkes Wachstum, insbesondere auf dem Verpackungsmarkt. Teilweise, und vielleicht ohne dass wir es merken, verwenden wir auch schon Bio-PET-Flaschen oder Bio-Einkaufstüten.

Im Vergleich zum Bio-Label auf Lebensmitteln, ist der Begriff „Bio“ bei Kunststoffen allerdings etwas anders definiert. Denn das alternative Material soll hauptsächlich unsere Erdölreserven und das Klima schonen. Um herauszufinden ob Bioplastik tatsächlich besser für unsere Umwelt ist, müssen wir uns deswegen zwei ganz unterschiedliche Bio-Kunststoffarten ansehen: die biologisch abbaubaren Kunststoffe und die biobasierten Kunststoffe.

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

Ein Name zwei Varianten

Bio ist nicht gleich Bio

Die Vorsilbe Bio steht normalerweise für etwas Natürliches. Vielleicht stellen wir uns darunter, die Möhre aus biologischer Landwirtschaft vor, die nicht mit Pestiziden besprüht wurde und die nicht gentechnisch behandelt ist. Aber wie passt das Präfix Bio dann zum Kunststoff?

Mit der Herstellungsart hat es zumindest nur indirekt zu tun, denn chemisch hergestellt wird der Biokunststoff nach wie vor. Kunststoffe dürfen aus anderen Gründen die Vorsilbe „Bio“ tragen. Denn sie sind entweder aus biologischen Rohstoffen erzeugt oder biologisch abbaubar.

Ob ein Kunststoff Bio ist oder nicht, kann ein Laie kaum erkennen. © Alexas_Fotos/ pixabay

Schnell wachsen versus schnell zersetzen

Im Supermarkt gibt es inzwischen schon Wasserflaschen aus Biokunststoff. Sie sehen aus wie normaler Kunststoff und lediglich ein grünes Logo vom Hersteller deutet darauf hin, dass es sich hier um ein besonderes Produkt handelt. Denn die Basis der Flaschen bildet nicht nur Erdöl, sondern zusätzlich noch Zuckerrohr. Weil die Flaschen teilweise aus erneuerbaren Rohstoffen bestehen, nennt man sie biobasiert.

Das Ausgangsmaterial für diese Art von Plastik sind meistens Pflanzen wie Hanf, Weizen oder Zuckerrohr, wobei der Anteil der nachwachsenden Rohstoffe nicht festgeschrieben ist. Biobasierte Kunststoffe können aber auch aus tierischen Produkten, wie zum Beispiel Milch bestehen, da sich diese ebenfalls regenerieren. Die biobasierten Kunststoffe müssen nicht biologisch abbaubar sein, teilweise sind sie sogar genauso lange haltbar wie herkömmlicher Kunststoff.

Lediglich der Hinweis auf Verpackungen macht deutlich, ob es sich hier um einen Biokunststoff handelt. © Christian Gahle, Nova Institut/ creative commons

Das genaue Gegenteil hiervon bilden die biologisch abbaubaren Kunststoffe. Deren Ausgangsmaterial spielt für den Namen keine Rolle. Sie müssen aber zu mindestens 90 Prozent biologisch abbaubar sein. Das heißt Mikroorganismen können diese Kunststoffe soweit in ihre Grundbestandteile zerlegen, dass am Ende fast nur noch Wasser, Kohlendioxid und Biomasse übrig bleibt. Eine DIN-Norm schreibt dazu genau vor, unter welchen Bedingungen und in welchem genauen Zeitraum sich der Stoff zersetzen muss, damit er als biologisch abbaubar gilt.

Abbaubarkeit versus Langlebigkeit

Wenn ein Kunststoff eines dieser Kriterien erfüllt, gilt er als Biokunststoff. Es gibt aber durchaus Kunststoffe, die beides leisten – die aus erneuerbaren Rohstoffen bestehen und biologisch abbaubar sind. Das sind zum Beispiel Stärkechips, die man als Verpackungsmaterial oder Kinderspielzeug kennt. Sie werden meistens aus Mais hergestellt.

Von den meisten Kunststoffen wird aber im Vergleich zu den Stärkechips auch Langlebigkeit und Stabilität erwartet. Da dies im Widerspruch zur biologischen Abbaubarkeit steht, haben den höchsten Marktanteil momentan Biokunststoffe, die nicht biologisch abbaubar sind. Dazu gehört zum Beispiel das Bio-PET 30, das teilweise aus Bioethanol hergestellt wird.

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

Die wundersame Verwandlung der Pflanzen und Abfälle

Vom Lebewesen zum Kunststoff

Lange Zeit war der Hauptrohstoff für Kunststoffe Erdöl oder Erdgas. Aus ihren Kohlenwasserstoffen werden die langkettigen Verbindungen hergestellt, die das Plastik flexibel und gleichzeitig fest machen.

Mit der Verbreitung von Biokunststoffen hat sich das geändert, denn zumindest die biobasierten Kunststoffe bestehen ganz oder teilweise aus erneuerbaren Rohstoffen. Trotzdem sollen sie genauso vielseitig sein wie ihre Vorbilder: mal elastisch, mal durchsichtig und hauchdünn oder stabil und bunt, wie ein Legobaustein. Genauso vielfältig wie ihre Anwendung sind dementsprechend auch die Rohstoffe aus denen Biokunststoffe bestehen. Hauptsache daraus lassen sich die kunststofftypischen Molekülketten bilden.

Zuckerrohr, Milch, Weizen, Kautschuk, Schlachthofabfälle – die Liste der Ausgangsmaterialien lässt sich beliebig weit fortführen. Denn als Basis der Kunststoffe dienen in der Regel Biopolymere, die natürlich in Lebewesen vorkommen. Deswegen nutzen die Hersteller für die Kunststoffproduktion sowohl Pflanzenteile als auch Produkte von Tieren oder Tomatenreste die in der Lebensmittelproduktion anfallen. Aber wie genau werden unsere Kunststoffe nun Bio?

Meistens wird Bio-PET aus Zuckerrohr hergestellt. © JamesDeMers/ pixabay

Von der süßen Pflanze zum Alkohol

Die Rohstoffquelle für den meistverbreiteten Biokunststoff weltweit ist eine süße Pflanze aus der Familie der Gräser – das Zuckerrohr. Nachdem das Gewächs jahrhundertelang hauptsächlich für die Zuckerproduktion angebaut wurde, entdecken inzwischen immer mehr Branchen seine vielfältigen Qualitäten. Zuerst für die Verarbeitung zum Biokraftstoff und nun für die Herstellung von Bio-PET (Bio-Polyethylenterephthalat).

Zuckerrohr braucht ein tropisches- bis subtropisches Klima und viel Wasser, um gut zu gedeihen. Dann können die Hersteller aus der Melasse, dem braunen Sirup der Pflanzen, Bioethanol produzieren. Der Alkohol ersetzt bei der Kunststoffherstellung die Terephatalsäure, die gemeinsam mit Monoethylenglykol die Hauptkomponenten für die Herstellung von PET sind. Da der Bioethanol nur die Säure ersetzt, wird PET quasi durch einen simplen Rohstoffaustausch zum Bio-PET. Bisher beruhen aber meistens nur circa 30 Prozent des Kunststoffs auf Zuckerrohr, deswegen nennt sich das verbreitetste Material Bio-PET 30.

Das Bio-PET hat dieselben Produkteigenschaften wie sein konventionelles Vorbild und gehört damit zur Gruppe der sogenannten „drop in“ Lösungen. Die Wertschöpfungskette wird bei solchen Kunststoffen nur am Anfang verändert. Dadurch sparen die Produzenten Zeit bei der Entwicklung und Vermarktung, ihrer Produkte. Im Falle des Bio-PET ist der Kunststoff ebenso haltbar, bruchsicher und transparent wie der petrochemische PET. Aus diesem Grund ist er aber auch nicht biologisch abbaubar. Er kann aber zusammen mit herkömmlichem PET recycelt werden.

Aus dem milchigen Saft des Kautschukbaumes, lässt sich Gummi herstellen. © creative commons

Kautschukbälle zu Ehren der Götter

Ein weiterer Vertreter der Biokunststoffe hat eine wesentlich längere Geschichte als das Bio-PET: der Naturkautschuk. Denn schon die Mayas verwendeten Kautschukbälle für Spiele, die sie zu Ehren der Götter veranstalteten. Damals wie heute gewinnt man den Milchsaft (Latex) hauptsächlich aus dem Kautschukbaum Hevea brasiliensis. In der Natur schützt der Saft den Baum zum Beispiel vor einem Bakterienbefall. Dazu tritt Saft aus der verletzten Stelle der Baumrinde aus und dichtet diese ab.

Bei der Verarbeitung zu Gummi werden dem Rohstoff meistens Stabilisatoren zugegeben. Diese Zusätze sind in der Regel nicht biologisch abbaubar und verbinden sich mit dem Naturkautschuk. Dennoch zählt auch Gummi zu den rein biobasierten. Bis heute wird noch circa 40 Prozent des Gummibedarfs aus Naturkautschuk hergestellt.

Die Nachfrage nach Naturkautschuk steigt momentan, weshalb Forscher nach Alternativen zum Kautschukbaum suchen. Forscher des Fraunhofer-Instituts haben deswegen russischen Löwenzahn für sich entdeckt. Aus dem Milchsaft der Pflanze haben sie ebenfalls Kautschuk hergestellt, der zu Autoreifen verarbeitet wurde. Im Test hat er sich bereits bewährt.

Was Tomatenketchup mit Autos zu tun hat

Ein anderer Weg, um an die begehrten Biopolymere zu gelangen, ist die Verwendung von Abfallprodukten. Denn dahinter steckt eine simple Idee: Müll, vor allem aus der Lebensmittelindustrie, beinhaltet ebenfalls vielversprechende Rohstoffe. Er braucht jedoch keine Extra- Energie wie der Pflanzenanbau und konkurriert nicht mit Nahrungsmitteln.

Eine auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Kooperation gingen deswegen der Ketchupproduzent H. J. Heinz und der Autobauer Ford ein. Ingenieure beider Unternehmen erforschen, ob sich aus den Tomatenresten der Ketchupproduktion stabile und leichte Kunststoffe herstellen lassen. Dafür testen die Ingenieure, ob sie aus getrockneten Tomaten Innenablagen für Autos herstellen können und inwieweit sich Samen, Stängel und Schalen eignen, um daraus 100 Prozent biobasierten Kunststoff herzustellen.

Chips aus Maisstärke sind inzwischen auch ein beliebtes Kinderspielzeug. © Achim Raschka/ CC-by-sa 3.0

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt

Die Rohstoffpalette ist mit diesen Produkten aber lange noch nicht abgedeckt. Aus Weizen, Mais und Kartoffeln wird beispielsweise thermoplastische Stärke (TPS) hergestellt. Diese Pflanzen enthalten Mehrfachzucker (Polysaccharide), die dazu dienen die Zellwand zu stützen – aber der sich auch als Grundstoff und Beimischung für Bioplastik eignet.

Doch den Hauptbestandteil der Zellwand, die Zellulose, kann man ebenfalls chemisch lösen und wieder neu als Faser zusammensetzen, woraus unter anderem Viskose besteht. Doch auch Pflanzenöle, Proteine oder Lignin dienen als Basis für die Biokunststoffproduktion und können wahlweise direkt aus der Pflanze oder aus Abfällen gewonnen werden. Der Fantasie der Kunststoffhersteller sind damit kaum Grenzen gesetzt.

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

Von zu langer Haltbarkeit und plastikfressenden Bakterien

Plastik für die Ewigkeit?

Erst in ungefähr 450 Jahren sind solche Plastikflaschen fast verrottet. © kakuko/ pixabay

Als ein Vorteil von herkömmlichem Plastik galt früher, dass dieser lange haltbar ist – zu lange haltbar kann man inzwischen sagen. Denn Experten gehen heute davon aus, dass Standard-Kunststoff niemals komplett von Mikroorganismen zersetzt wird. Eine Wegwerfwindel oder eine Plastikflasche braucht laut dem Bundesumweltamt 450 Jahre, bis sie weitgehend zersetzt ist. Vollständig verrottet ist sie aber auch dann nicht.

Deswegen findet man inzwischen sowohl in den Ozeanen, als auch in Flüssen und sogar in Getränken und Honig bereits Mikroplastik – kleinste Kunststoffteilchen, die unsere Kläranlagen meist nicht herausfiltern können. Doch wie ist das mit dem Biokunstoff, zersetzt er sich tatsächlich schneller und schont damit unsere Umwelt?

Biologisch abbaubar ja – kompostierbar nein

Nach dem Einkauf die Tomaten aus der Verpackung nehmen und dann mit der Schale zum Kompost geben. Nach ein paar Wochen sehen wir keinen Plastik mehr, aber dafür braune, nährstoffreiche Erde, die im Blumenbeet verteilt wird. Viele Menschen stellen sich so den Abbau von Biokunststoff vor. In der Realität funktioniert das mit dem Biokunststoff aber meistens nicht so einfach – obwohl Zertifikate dies suggerieren.

Das wohl bekannteste Logo für Biokunststoffe ist das Seedling-Zeichen. Produkte, die eine Zertifizierung nach Din EN 13432 durchlaufen, dürfen diesen stilisierten Keimling auf ihre Ware drucken. Der Kunststoff ist dann zwar nachweislich biologisch abbaubar aber er zersetzt sich nicht unbedingt auf dem heimischen Kompost. Die Ursache dafür liegt in den Vorgaben der Norm.

Das Seedling-Logo signalisiert, dass ein Produkt biologisch abbaubar ist. Auf den Kompost gehört es deshalb aber noch nicht. © creative commons

Kunststoffprodukte müssen dafür nur nachweisen, dass sie sich in industriellen Kompostieranlagen zersetzen. Nach zwölf Wochen soll sich dort 90 Prozent der Polymermasse in Kohlendioxid umgewandelt haben. Da in den Anlagen konstantes Klima herrscht und die Temperatur mit circa 70 Grad Celsius sehr hoch ist, bekommen viele Produkte auch das Zertifikat.

Auf dem heimischen Kompost oder in der freien Umwelt kann es aber passieren, dass sich der Kunststoff überhaupt nicht oder nur sehr langsam zersetzt. Denn dort ist es einiges kühler als in der Anlage und die Temperatur schwankt. Im Bioabfall darf die Tüte deswegen gerne landen, auf den Komposthaufen im Garten gehört sie aber nicht. Gleiches gilt für die Entsorgung in der Natur. Deswegen belasten auch die Rückstände dieser Biokunststoffe unsere Umwelt dauerhaft.

Umstrittener Mehrwert

Ein anderes Label unterscheidet eindeutig zwischen der Abbaubarkeit auf dem Kompost und der in einer Industrieanlage. Die belgische Zertifizierungsorganisation vergibt dazu die Logos „OK compost“ und „OK composthome“. Das home-Logo steht dafür, dass sich der Plastik tatsächlich auch im heimischen Kompost abbaut, also auch bei normaler Temperatur.

Trotzdem sind auch diese kompostierbaren Produkte umstritten. Denn meistens hat die Kompostierung keinen Mehrwert für die Böden. Statt den gewünschten Nährstoffen entsteht aus den Biokunststoffen hauptsächlich Kohlenstoffdioxid und Wasser. Zur Bodendüngung sind die Reste daher nicht geeignet, sie verunreinigen aber auch nicht über Jahrhunderte unsere Umwelt.

PET und Co: Je stabiler desto besser

Ein ganz anderes Abbauverhalten weisen Biokunststoffe auf, die ausschließlich biobasiert, aber nicht abbaubar sind. Dazu gehören zum Beispiel die „drop in“ Kunststoffe. Sie haben dieselben Eigenschaften wie ihre erdölbasierten Kollegen. Sie sind deswegen auch genauso lange haltbar und stabil.

Bei diesen Kunststoffen ist die Abbaubarkeit oft kein Thema für Entwickler. Es geht ihnen darum, das knappe Erdöl zu ersetzen, aber den Kunststoff trotzdem haltbar zu machen, damit er lange genutzt werden kann. Diese Kunststoffe tragen deswegen überhaupt nicht dazu bei, den Plastikmüll im Meer oder der Umwelt zu reduzieren. Wie bei den erdölbasierten Kunststoffen gilt deswegen: So lange wie möglich verwenden und dann richtig entsorgen. Dadurch wird unsere Natur am wenigsten belastet.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer sehen manche Forscher jedoch in dem winzigen Lebewesen Ideonella sakaiensis. Das Bakterium ernährt sich von PET und sorgt damit dafür, dass sich Kunststoff wesentlich schneller zersetzt. Bei 30 Grad Celsius hatten die Bakterien nach sechs Wochen Teile einer PET-Folie nahezu vollständig zersetzt.

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

Tatsächlich Bio oder doch nur greenwashing?

Umstrittene Ökobilanz

Inwieweit Biokunststofftüten tatsächlich die Ökobilanz verbessern, ist umstritten. © VictorGroup_hofer

Weil Danone ihre Joghurtbecher als umweltfreundlich bezeichnete und Rewe und Aldi mit biologisch abbaubaren Kunststofftüten warben, mussten sie sich schon einigen Vorwürfen stellen. Die Werbung mit dem Einsatz von Biokunststoffen wird inzwischen häufig mit „greenwashing“ gleichgesetzt. Aber nutzen Biokunststoffe tatsächlich nur dem grünen Image der Firmen oder ist die Ökobilanz auch wirklich besser?

Obwohl nur die wenigsten Biokunststoffe zur Entmüllung der Meere beitragen, haben sie trotzdem umweltrelevante Vorzüge. Denn sie sparen Erdölreserven und werden als klimaneutral bezeichnet, weil bei der Verbrennung einer Verpackung nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie die Pflanze beim Wachstum aufgenommen hat. In dieser Hinsicht werden die Biokunststoffe ihrer Vorsilbe also schon mal gerecht. Die neutrale oder gar positive Ökobilanz dieser Materialien ist trotzdem umstritten.

Monokulturen für die Bio-Flasche

In Brasilien, dem weltweit wichtigsten Lieferanten für Zuckerohr, wachsen die grünen Stängel auf über zehn Millionen Hektar Land. Damit ist die Gesamtgröße der Anbauflächen größer als ganz Portugal. Überwiegend in Monokulturen angebaut, bedeckt die Pflanze riesige Flächen, bevor sie von Hand oder mit Maschinen geerntet wird.

Die maschinelle Ernte und Weiterverarbeitung verschlechtert die Ökobilanz von Biokunststoffen. © charlesricardo/ pixabay

Obwohl der Anbau für Biokunststoff bisher einen geringen Anteil der Anbaufläche ausmacht, müssen sich die Produzenten mit ähnlichen Vorwürfen auseinandersetzen, wie die Biokraftstoff-Produzenten: Der Anbau konkurriert mit Nahrungsmitteln und die Ökobilanz ist schlechter als behauptet.

Denn der Anbau in Monokulturen gefährdet die Artenvielfalt und Ökosysteme. Umweltverbände kritisieren außerdem, dass die vielen Zuckerrohrfelder zum Teil Kleinbauern verdrängen, die dann in bewaldete Regionen ausweichen, wodurch auch der Regenwald indirekt gefährdet wird. Zudem wird auch für den Anbau, die Ernte und die Weiterverarbeitung in der Bioraffinerie Energie aufgewendet und damit CO2 ausgestoßen. Chemische Düngemittel sorgen außerdem dafür, dass Lachgas in die Atmosphäre abgegeben wird, das ebenfalls zum Klimawandel beiträgt. Komplett klimaneutral ist biobasierter Kunststoff also nicht.

Der Bedarf wächst

Bisher wird zwar der Großteil der Pflanzen zu Zucker, Cachaça und Biokraftstoff verarbeitet, doch wenn der Biokunststoffanteil wie erwartet wächst, werden deutlich mehr Anbauflächen benötigt. Brasilien ist auch der Hauptlieferant des Großkonzern Coca Cola, der das Zuckerrohr zu Bio-PET 30 verarbeitet. Dieser verweist allerdings darauf, dass besonders zuckerrohrbasiertes Bio-Ethanol als ökologisch und nachhaltig gilt und dass Coca Cola ihre Pflanzen überwiegend auf bisher ungenutzten Agrarflächen anbaut.

Trotzdem sucht der Hersteller parallel nach anderen Pflanzen, die auch weltweit angebaut werden können. Denn auch der Bedarf des Konzerns wird wachsen, da das Unternehmen zusammen mit anderen Firmen an einer 100 Prozent biobasierten Flasche arbeitet.

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

Mehrwert für spezielle Anwendungsgebiete

Vielseitiger Biokunststoff

Den mit Abstand größten Marktanteil an Biokunststoffen hat der Verpackungsbereich. Plastikflaschen aus Bio-PET, Bio-Tüten oder Bio-Obstschalen sind hier schon lange keine Seltenheit mehr. Doch wie vielfältig Biokunststoffe tatsächlich sind, zeigt sich auch bei Nischenprodukten. Denn besonders hier wird das Bioplastik nicht nur eingesetzt, um die herkömmlichen Kunststoffe zu ersetzen, sondern auch, um seine spezifischen Vorteile zu nutzen. Der ökologische Nutzen ist dabei nicht immer entscheidend.

Bioplastik im OP

Im Operationssaal vermuten die meisten Menschen sicher keine Biokunststoffe. Doch gerade hier wird Bioplastik schon seit Jahrzenten selbstverständlich eingesetzt. Denn Nahtmaterialien aus Polymilchsäure (PLA) tragen dazu bei, den Patienten das Leben zu erleichtern. Weil sich die Fäden im Körper zersetzen, ersparen sie den Patienten häufig eine zweite Operation, in der Fäden gezogen werden müssten.

Auch für Schrauben, Platten und Implantate, zur Stabilisierung von Knochenbrüchen wird PLA schon eingesetzt. Doch andere Biopolymere haben ebenfalls Potential für die medizinische Anwendung. Österreichische Forscher testen bereits Hydroxybuttersäure als Basis für Implantate aus Biokunststoff. Die Bio-Fäden, Schrauben und Implantate nutzen die Mediziner allerdings nicht wegen ihrer erneuerbaren Rohstoffbasis, sondern wegen ihrer guten Abbaubarkeit im Körper.

Seegras aus Biokunststoff, soll als Brücke für die Anzucht neuer Pflanzen dienen. © Maike Paul

Ausnahmsweise erwünscht: Plastik im Meer

Aus demselben Grund beschäftigt sich ein niedersächsisches Forschungsprojekt mit Seegras aus Bioplastik. Nur steht hier nicht die Gesundheit des Menschen, sondern die der Meere im Vordergrund. Anlass für diese Idee war es, dass Seegraswiesen bedeutende Ökosysteme der Erde sind, die aber gefährdet sind.

Das Problem dabei: Ist eine Seegraswiese einmal zerstört oder dezimiert, siedelt sich kaum neues an. Je weniger Seegras vorhanden ist, desto schwieriger ist die Anzucht neuer Pflanzen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, soll das Seegras aus Biokunststoff übergangsweise im Meer eingesetzt werden, damit sich wieder natürliches Seegras ansiedelt. Dadurch dass sich das Bio-Seegras später wieder zersetzt, bleibt nicht dauerhaft ein künstliches Gebilde im Wasser stehen.

Mulchfolie darf liegen bleiben

In der Landwirtschaft punkten bioabbaubare Materialien ebenfalls vor allem aus praktischen Gründen. Zum Beispiel im Falle der abbaubaren Mulchfolie. Solche Folien werden meistens im Gemüseanbau genutzt, um den Unkrautwuchs zu reduzieren, die Erde warm zu halten und damit das Gemüse nicht zu stark verschmutzt. Nach der Ernte müssen herkömmliche Folien aber wieder entfernt werden. Die biologisch abbaubaren Folien können dagegen liegen bleiben, bis sie sich zersetzen und danach untergegraben werden.

Abbaubare Mulchfolien können Gemüsebauern die Arbeit erleichtern. © F. Kesselring, FKuR Willich/ CC-by-sa 3.0

Die Folien bestehen meistens aus Stärke-Blends, also Gemischen verschiedener langkettiger Kohlenhydrate. Häufig handelt es sich dabei um thermoplastische Stärke, die zusammen mit petrobasierten Kunststoffen verarbeitet wird. Die Blends zersetzen sich aber trotzdem in der Regel nach einigen Wochen.

Eine Kapsel aus Mais und Zuckerrohr

Doch auch Kunststoffe bei denen der Abbau zumindest auf dem Kompost nicht so schnell klappt, können bei den Herstellern punkten. Ein Kaffeeproduzent setzt Biokunststoff inzwischen ein, um eine Alternative zur Aluminiumkapsel zu etablieren. Denn das edle Material hat einen fragwürdigen ökologischen Ruf, weil die Herstellung extrem energieaufwendig ist.

Das Unternehmen entwickelte daher eine Kapsel auf der Basis von Mais und Zuckerrohr. Die Kapsel zersetzt sich innerhalb von zwölf Wochen in einer industriellen Kompostieranlage, und darf deswegen das Keimling-Zeichen tragen. Im Vergleich zum Aluminium könnte die neue Kapsel die Klimabilanz der Kaffeeverpackung, tatsächlich verbessern.

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

In welcher Tonne soll er landen?

Der komplizierte Weg des Biokunststoff

Biotonne, Restmüll oder Wertstoff? Die Verwirrung darüber, wie Biokunststoff richtig entsorgt werden soll, ist groß. Kein Wunder. Denn erstens kann man den Biokunststoff optisch nicht vom herkömmlichen unterscheiden und zweitens gibt es auch unter den Biokunststoffen keine einheitliche Regelung, wo dieser landen soll.

Bioabbaubarer Kunststoff darf auch in die Biotonne. Ob das sinnvoll ist, ist jedoch umstritten. © Alexas_Fotos/ pixabay

Offiziell darf der biologisch abbaubare Kunststoff in die Biotonne, wenn er den Keimling oder ein vergleichbares Logo trägt. Trotzdem empfiehlt das Umweltbundesamt, auch die abbaubaren Plastikvarianten nicht in den Bioabfall zu geben.

Ab in die Biotonne – oder doch nicht?

Apfelschalen, Teebeutel und Eierschalen, sie alle landen normalerweise in der Biotonne. Von dort aus geht es in die Kompostieranlage und aus unserem Abfall wird Kompost, der in der Landwirtschaft oder im Garten gebraucht wird. Der Biokunststoff schafft es dagegen häufig nicht bis aufs Feld, denn vorher gibt es noch einige Hürden zu überwinden.

Die erste Hürde kuriose Hürde ist dabei der Verbraucher selbst. Obwohl jeder Haushalt laut Gesetz eine Biotonne besitzen muss, ist das in der Realität nicht immer der Fall. In diesem Fall landet die Bioverpackung direkt nach dem Gebrauch schon wieder im gelben Sack oder im Restmüll. Dasselbe gilt, wenn wir nicht erkennen, dass es sich um Biokunststoff handelt, weil die Verpackung kein Siegel hat oder weil wir es dieses nicht kennen.

Aussortiert – Kurz vor dem Ziel

Doch selbst wenn Biokunstoff in der Biotonne entsorgt wird, muss er nicht in der Kompostieranlage enden. Mitarbeiter der Anlagen können den Biokunststoff nämlich nicht so einfach von fossilem Kunststoff unterscheiden. Deswegen werden selbst biologisch abbaubare Mülltüten oft von Mitarbeitern aussortiert und als Fehlwurf gewertet. Manche Abfallentsorgungsunternehmen empfehlen daher von vornerein, die bioabbaubaren Kunststoffe nicht in die Biotonne zu werfen.

Und selbst wenn die Verpackung es bis in die industrielle Kompostieranlage schafft, macht sie manchmal Schwierigkeiten. Denn in vielen Anlagen verweilt der Bioabfall nur für sechs bis acht Wochen. Der Biokunststoff darf aber laut Norm bis zu zwölf Wochen brauchen, bis er zersetzt ist. Wenn die Verpackung diese Zeit tatsächlich braucht, stören die größeren Teile im restlichen Kompost. Das gilt zumindest solange der Biokunststoffanteil noch so gering ist, dass sich die Kunststoffe nicht getrennt für die Kompostieranlage sammeln lassen.

Zersetzter Kunststoff bringt dem Boden oft keinen Mehrwert. © jing/ pixabay

Doch selbst wenn die Kunststoffabfälle sich vollständig zersetzen, stuft das Umweltbundesamt die Verbrennung in einer Müllverbrennungsanlage als sinnvoller ein. Der Grund dafür: Der Biokunststoff hat einfach keinen Wert für den Kompost. Es entstehen keine Nährstoffe, Mineralien oder bodenverbessernder Humus. Wenn ein Recycling nicht möglich ist, empfiehlt das Umweltbundesamt daher eine energetische Verwertung. Denn mit der Verbrennung erzeugt der Abfall zumindest wieder Energie in Form von Strom und Wärme. Auf dem Kompost dagegen nichts.

Problem Sortierung

Eine bessere Alternative zur Verbrennung stellt das Recycling dar, so wie es beim herkömmlichen Kunststoff schon teilweise erfolgreich gemacht wird. Zumindest bei sortenreinem Kunststoff kann durch Einschmelzen und neu in Form gießen dann aus einer Flasche eine Spülbürste oder Ähnliches werden. Dadurch werden Rohstoffe für die Kunststoffherstellung eingespart.

Klassisches PET hat den Recycling-Code 01. Dadurch kann man das Material sortenrein trennen. © 422737/ pixabay

Eine Herausforderung ist hierbei aber gerade die optische Ähnlichkeit der Biokunststoffe zu den erdölbasierten Varianten. Denn alle Biopolymere haben denselben Recyclingcode: die 07. Dass die Sorten jedoch ganz unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, wird nicht differenziert, da das Material einfach unter „andere Kunststoffe“ eingeordnet wird.

Für ein sortenreines Recycling müssten daher die Sortiermaschinen oder der Mensch das Material sortieren. Doch häufig können weder die Sensoren noch die Mitarbeiter die Kunststoffe unterscheiden. Die Vermischung kann aber zu Problemen beim Recycling führen. Denn aufgrund unterschiedlicher Schmelztemperaturen und andere Kunststoffeigenschaften macht eine gemischte Verwertung der Abfälle kaum Sinn.

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

Eine alte Idee wird neu entdeckt

Renaissance des Biokunststoff

Mit einem Marktanteil von circa einem Prozent ist Biokunsttoff bis heute eher rar. Das ist umso verwunderlicher, wenn man sich die Entwicklung des Biokunststoffs anschaut. Denn so neu, wie der Name es suggeriert, ist das Material nicht – ganz im Gegenteil: Schon vor mehreren hundert Jahren war der Naturkautschuk als Rohstoff bekannt und im 19. Jahrhundert wurde Plastik auch schon aus anderen Biopolymeren hergestellt.

Eine Kugel gab den Ausschlag

Den Anstoß für die Massenproduktion des ersten Biokunststoffes gab ausgerechnet ein Preisausschreiben. In diesem wurde nach einem Material gesucht, das teures Elfenbein in Billardkugeln ersetzen sollte. Der Engländer Alexander Parks reichte daraufhin den Vorschlag für das Material Parkesine ein. Es wurde aus Campher und Cellulosenitrat hergestellt und gilt heute als Vorläufer des Celluloids. Das Material wurde für Kamerafilme, Kämme und Tischtennisbälle verwendet. Lange halten konnte es sich allerdings nicht, es war zu schnell entflammbar.

Stattdessen setzte sich aber kurze Zeit später Biokunststoff auf Basis von Casein durch. Das Material ähnelte Horn und war beliebt als Ausgangsmaterial für Knöpfe und Schmuck. Doch auch andere Biopolymere wurden in dieser Zeit erprobt und gingen zum Teil in Serie. Doch der Erdölboom zu Beginn des 20. Jahrhundert verdrängte die erneuerbaren Rohstoffe. Das günstige Erdöl war zunächst attraktiver und der Biokunststoff war vorerst vergessen.

Verbreitung hängt mit Ölpreis zusammen

Eine Renaissance erlebte das Material erst wieder in den letzten Jahren. Denn besonders die Debatten um den Klimawandel und den knappen Rohstoff Erdöl machen Bioplastik wieder interessant. Dass der Biokunststoff trotzdem noch als Nischenprodukt gilt, hängt laut Experten vor allem mit dem Preis zusammen. Denn bisher ist der herkömmliche Kunststoff noch einiges günstiger als die Bio-Varianten. Eine Veränderung des Erdölpreises könnte demnach auch direkten Einfluss auf die Verbreitung des Biokunststoffs haben.

Selbst Legosteine könnten in Zukunft aus Biokunststoff sein. © LEGO Gruppe

Unabhängig vom Ölpreis gehen Experten aber davon aus, dass der Biokunststoffanteil kontinuierlich wachsen wird. Dafür sorgen nicht zuletzt große Konzerne wie Coca Cola, die auf Biokunststoffe setzen und dazu auch mit anderen Firmen kooperieren. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus fünf global agierenden Großunternehmen unterschiedlicher Branchen, arbeitet schon seit 2012 zusammen um PET zu 100 Prozent biobasiert zu produzieren. Und der LEGO-Konzern baut gerade ein eigenes Forschungszentrum für die Entwicklung nachhaltigerer Materialien für ihre bunten Bauklötze.

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016