Wie Pflanzen durch Fotosynthese das Leben auf der Erde ermöglichen

Die Lichtwandler

Fotosynthese ist lebenswichtig - nicht nur für die Pflanze selbst. © Zoonar RF / iStock.com

Luft und Leckereien: Pflanzen spenden uns lebenswichtigen Sauerstoff und bilden die Grundlage unserer Nahrungskette. Das Geheimnis ihrer Schlüsselrolle ist die Fotosynthese. In diesem hochkomplexen Prozess stellen sie mit der Energie der Sonne Zucker her und machen so die Lichtenergie für andere Lebewesen wie Menschen und Tiere verwertbar. Ohne sie wäre das Leben auf der Erde in seiner heutigen Form und Vielfalt schlicht nicht möglich.

Wenn die Erde nicht zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt wäre, würden wir sie wohl den grünen Planeten nennen. Denn egal wo wir auch hingehen, die Pflanzen sind schon da. Noch lange bevor die ersten Tiere die Ozeane verließen, eroberten sie die Landmassen und bereiteten eine Revolution des Lebens vor.

Die besondere Fähigkeit der Pflanzen zur Fotosynthese verwandelte die Erde in eine grüne Oase des Lebens, die tausende Tierarten hervorbrachte – und uns Menschen.

Doch obwohl wir uns selbst als Krone der Schöpfung sehen: Die verblüffende Leistung der pflanzlichen Fotosynthese konnten wir bis jetzt nur teilweise im Labor kopieren. Das Verständnis der hochkomplexen Prozesse im Innern der Blätter ist allerdings dank der modernen Wissenschaft sehr weit fortgeschritten. Der lange Weg vom Sonnenlicht zum Zucker ist heute, zumindest in der Theorie, kein Mysterium mehr.

Christian Lüttmann
Stand: 28.04.2017

Die Entstehung der ersten Pflanzen

Grüne Pioniere

Die urzeitliche Erde war aus heutiger Sicht ein lebensfeindlicher Ort. Während des Archaikums, wie die Zeit vor vier bis zweieinhalb Milliarden Jahren genannt wurde, war die Atmosphäre neben Kohlenstoffdioxid und Stickstoff voll mit stinkenden Schwefelgasen und Methan, sowie giftigem Ammoniak. Sauerstoff suchte man vergebens. Erst gegen Ende des Archaikums läutete eine besondere Art von Mikroorganismen den Beginn einer neuen Ära ein.

Cyanobakterien färben das Wasser in diesem See blaugrün. © Jacques Le Letty / CC-by-sa-4.0

Terraforming durch grüne Zwerge

Aus der Ursuppe der Meere hatten sich Blaualgen entwickelt. Dabei ist die veraltete Bezeichnung irreführend. Denn die Mikroorganismen sind keine Algen, weshalb sie heute unter dem treffenderen Begriff Cyanobakterien bekannt sind. Ihre blaugrüne Färbung verdanken sie dem blauen Phycocyanin und dem bekannteren grünen Chlorophyll. Mit Hilfe dieser Pigmente nutzten die „Cyanos“ die Energie des Sonnenlichts, um aus Kohlendioxid und Wasser Zucker herzustellen. Sie werden heute als die Erfinder der Fotosynthese angesehen.

Die „Cyanos“ leisteten aber nicht nur Pionierarbeit beim Speichern von Lichtenergie in Form von chemischer Energie. Sie waren auch die vermutlich größten „Luftverschmutzer“ des Planeten. Mit dem während der Fotosynthese freiwerdenden „Abgas“ Sauerstoff veränderten sie nachhaltig Ozeane und die Erdatmosphäre. Damit betrieben sie als erste Lebewesen erfolgreich Terraforming. Zahlreiche der damaligen Bakterienarten fielen diesem globalen Wandel zum Opfer. Doch wo eine Art ausstirbt, eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Evolution.

Ein Bund fürs die Ewigkeit

In der neuen Sauerstoff-Welt entstanden die ersten eukaryotischen Zellen, die im Gegensatz zu den prokaryotischen Bakterien, einen Zellkern besaßen. Sie ernährten sich von anderen Einzellern, indem sie ihre Zellwand einfach über sie stülpten. Auch die Cyanobakterien waren vor den neuen Mikro-Jägern nicht sicher.

Doch dann geschah etwas Außergewöhnliches. Statt ihre Beute zu verdauen, behielten manche Einzeller die aufgenommen Cyanobakterien unverdaut im Zellinneren. Sie gingen eine dauerhafte Verbindung mit ihrer Mahlzeit ein und nutzten nun die Fähigkeit der Cyanos zur Fotosynthese für sich selbst. Damit waren die ersten echten Algen geboren. So zumindest lautet die gängige Lehrmeinung, die 1883 als Endosymbiontentheorie von Andreas Franz etabliert wurde.

Eroberung des Festlandes

Bis die Algen den Schritt an Land wagten, sollten aber noch einige Milliarden Jahre vergehen. Erst vor etwa 500 Millionen Jahren eroberten Abkömmlinge der Grünalgen das Land und schufen den Grundstein für die Vegetation, wie wir sie kennen. Die grünen Blätter, die noch heute fast alle Pflanzen auszeichnen, beherbergen somit die Relikte der ursprünglichen Cyanobakterien.

Christian Lüttmann
Stand: 28.04.2017

Pflanzen als Ernährer des Planeten

Die Wurzel des Lebens

Heute nennen wir die Erde zwar immer noch den „Blauen Planeten“, aber ohne das Grün der Pflanzen wäre das Leben, wie wir es kennen, wohl nicht möglich. Durch ihre Fähigkeit der Fotosynthese bilden sie die Basis einer komplexen Nahrungskette.

Denn Pflanzen sind in der Lage, die Lichtenergie der Sonne in Form von chemischer Energie zu binden. Sie „essen“ sozusagen Sonnenlicht und wandeln es in für uns verwertbare Biomasse um: in Zucker. Daher werden Pflanzen als autotroph bezeichnet, was so viel heißt wie „selbsternährend“.

Selbstversorger

Wer seine Energie nicht wie die Pflanzen aus Sonnenlicht oder wie manche Mikroorganismen aus anorganischen Verbindungen selbst produzieren kann, ist auf die Aufnahme von Biomasse angewiesen. Oder einfacher ausgedrückt: Er muss essen. Solche Lebewesen werden heterotroph genannt, also „sich von anderen ernährend“. Dies trifft auf Tiere, Pilze und die meisten Bakterien zu, sowie auf uns Menschen.

Heterotrophe Organismen gewinnen ihre Energie durch die Zellatmung. Sie findet in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen statt. Wir kennen diesen Prozess als das „Verbrennen von Kalorien“: Denn wie das Feuer im Kamin brauchen auch die Mitochondrien Sauerstoff, um Biomasse zur Energieerzeugung zu nutzen. Und alle Biomasse ist letztlich auf die Fotosyntheseprodukte der Pflanzen zurückzuführen.

Heterotrophe Organismen wie der Mensch brauchen Nahrung und Sauerstoff. Beides wird von Pflanzen bereitgestellt, die autotroph sind, also "selbsternährend". © OpenClipart-Vectors / pixabay

Kreislauf des Lebens

Bei der Zellatmung spalten die Mitochondrien unter Verbrauch von Sauerstoff Zuckermoleküle, die wir mit der Nahrung aufgenommen haben. Mit der dabei freigesetzten Energie halten wir unsere Körpertemperatur aufrecht und treiben diverse biochemische Prozesse im Körper an. Als Abbauprodukt wird CO2 erzeugt und über die Atemwege abgeführt.

Das Kohlenstoffdioxid, was wir ausatmen, wird dann von den Pflanzen aufgenommen. Unter Energieaufwand, also der Nutzung des Sonnenlichts, wandeln sie es wieder in Glucose und Sauerstoff um. So schließt sich ein Kreislauf, der durch die Kraft der Sonne angetrieben wird.

Schichtwechsel

Im Dunkeln stellen übrigens auch Pflanzen ihre Aktivität auf die Zellatmung um. Da ohne Sonnenlicht die Fotosynthese nicht funktioniert, greifen sie über Nacht auf ihre gespeicherten Zuckerreserven zurück und „atmen“ wie wir Sauerstoff ein und CO2 aus.

Dabei verbrauchen sie aber viel weniger Sauerstoff, als sie tagsüber produzieren. Dass uns Pflanzen im Schlafzimmer nachts die Luft wegatmen, braucht daher niemand zu fürchten. In der Bilanz produzieren sie ausreichend Sauerstoff, um damit nicht nur sich selbst, sondern den ganzen Planeten zu versorgen.

Christian Lüttmann
Stand: 28.04.2017

Wie Pflanzen Licht für die Zuckerproduktion sammeln

Die Zutaten der Fotosynthese

Über Spaltöffnungen lassen Pflanzen Luft ins Blattinnere. Sie können wie kleine Münder geschlossen werden. © Dartmouth Electron Microscope Facility

Für die Zuckerproduktion brauchen die Pflanzen lediglich zwei Zutaten: Wasser und Kohlenstoffdioxid. Das CO2 bekommen sie aus der Luft. Es wird durch kleine Spaltöffnungen auf den Blattunterseiten ins Pflanzeninnere gelassen. Diese Spalte kann die Pflanze nach Bedarf öffnen oder schließen wie kleine Münder, weshalb sie treffend als Stomata bezeichnet werden, was das griechische Wort für Mund ist.

Das Wasser saugen die meisten Pflanzen über ihre Wurzeln aus dem Boden. Um auch die obersten Blätter im höchsten Baum zu versorgen, nutzen sie Kapillarkräfte: In ihren extrem dünnen Leitungen zieht sich das Wasser wie von selbst nach oben. Noch wichtiger ist aber der Transpirationseffekt: Durch Verdunstung an den Blättern wird stetig neues Wasser nachgezogen. Insgesamt gibt die Pflanze über 90 Prozent des aufgenommenen Wassers ungenutzt wieder an die Umwelt ab.

Im Zytoplasma der Zellen von Grünpflanzen schwimmen zahleiche Chloroplasten. Sie wiederum beinhalten Thylakoid-Stapel mit dem grünen Farbstoff Chlorophyll. © Blueringmedia / iStock.com

Die Fabrik im Inneren

Wenn die Pflanze alle Zutaten beisammen hat, muss sie die Atome aus den Wasser- und CO2-Molekülen „nur“ noch zu Zuckermolekülen neu zusammensetzen. Weil die Rohstoffe aber nicht einfach so in ihre Atome zerfallen, braucht die Pflanze dafür Energie – und damit hochspezialisierte Werkzeuge, mit denen sie Lichtenergie einfangen und die Moleküle an den richtigen Stellen zerschneiden kann. Diese Werkzeuge finden sich in den Chloroplasten, jenen „Nachfahren“ der Cyanobakterien.

Die Chloroplasten arbeiten wie kleine Fabriken. Tatsächlich sind sie als separate Kompartimente in der Pflanzenzelle durch eine Membran vom restlichen Innenraum der Zelle abgetrennt. Im Inneren jedes Chloroplasten sind wiederum einzelne, membranumschlossene „Räume“ gestapelt, die sogenannten Thylakoide. Deren Membran ist gespickt von den hochspezialisierten Werkzeugen für die Fotosynthese: den grünen Chlorophyll-Pigmenten und zahlreichen Transmembran-Proteinen, mit denen wie am Fließband die Zuckerproduktion am Laufen gehalten wird.

Erntemaschine für Licht

Der Farbstoff Chlorophyll, der in der Thylakoid-Membran angereichert ist, ist Teil von großen Molekülkomplexen, die als Photosystem II und Photosystem I bezeichnet werden. Dort kommt er in den zwei Sorten Chlorophyll a und b vor. Der Farbstoff fängt das Licht ein und versorgt die Pflanze so mit der nötigen Energie für die Fotosynthese.

Aus dem Spektrum des sichtbaren Lichts absorbiert Chlorophyll nur die langwelligen, roten und die kurzwelligen, blauen Anteile. Im mittleren Bereich des Spektrums nimmt der Farbstoff hingegen fast gar kein Licht auf, sondern reflektiert die einfallende Strahlung. Da dort auch die Wellenlänge von grünem Licht liegt, wird dieser Bereich als „Grünlücke“ des Chlorophylls bezeichnet. Für uns entsteht so insgesamt der grüne Farbeindruck der Blätter.

Absorbtionsspektrum der Blattpigmente und resultierende Fotosyntheseleistung. © Andreas Gutmann / CC-by-sa-4.0

Farbenfrohe Helfer

Um die Lichtausbeute zu erhöhen, nutzt die Pflanze weitere bunte Hilfsstoffe, die im Bereich der „Grünlücke“ des Chlorophylls Strahlung absorbieren. Ein bekannter Vertreter ist das beta-Carotin. Es nimmt Strahlung um 490 Nanometer Wellenlänge auf, also aus dem kurzwelligen Teil der Grünlücke. Das Carotin ist auch für die Färbung des Herbstlaubes mitverantwortlich: Wenn das grüne Chlorophyll abgebaut wird, kommt der orangene Farbeindruck des Hilfspigments zum Vorschein.

Die vom Carotin und von anderen „Antennenpigmenten“ absorbierte Strahlung wird als etwas langwelligeres Licht wieder abgegeben und sozusagen an das Chlorophyll weitergereicht. Dieses kann die umgewandelte Strahlung dann selbst absorbieren. Mit diesem Lichtsammelkomplex aus Chlorophyll und weiteren Pigmenten erntet die Pflanze genügend Sonnenstrahlen, um die aufwändige Zuckerproduktion in Gang zu halten.

Christian Lüttmann
Stand: 28.04.2017

Die Produktionsschritte in der grünen Fabrik

Licht und Schatten

Die Fotosynthese ist ein enorm komplexer Prozess aus vielen kleinen Arbeitsschritten und Kreisläufen von Haupt- und Nebenreaktionen. Sie lässt sich aber in zwei Hauptschritte unterteilen: die Lichtreaktion und die Dunkelreaktion.

Wasser spalten durch Licht

Der erste Hauptschritt ist die Lichtreaktion oder lichtabhängige Reaktion. Sie findet an der Thylakoid-Membran im Inneren der Chloroplasten statt. Dort bildet der Lichtsammelkomplex zusammen mit anderen Proteinen eine Art biologische Maschine, die als Photosystem II bezeichnet wird, oder kurz PS II. Diese Maschine greift sich Wassermoleküle und nutzt die Energie des Lichtsammelkomplexes, um sie zu spalten. Dabei produziert sie Sauerstoff-Moleküle, welche die Pflanze als „Abgas“ entlässt, sowie positiv geladene Wasserstoff-Ionen, also Protonen, die im Inneren des Thylakoids gesammelt werden.

Zudem werden bei der Wasserspaltung Elektronen frei, die sich in einem energetisch angeregten Zustand befinden. Ihre Energie nutzt die Pflanze, um weitere Reaktionen der Lichtreaktion in Gang zu setzen, die an anderen Orten auf der Thylakoid-Membran ablaufen. Über spezielle „Vehikel“ werden die Elektronen an die entsprechenden Stationen weitergereicht, wo sie jeweils ein bisschen von ihrer Energie abgeben.

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Ein Generator zur Energiespeicherung

An einer Station pumpt die Pflanze beispielsweise mit Hilfe der Elektronen weitere Protonen ins Innere des Thylakoids. Zusammen mit den Protonen, die durch die Wasserspaltung am PS II entstanden sind, lädt sich der Innenraum des Thylakoids positiv auf, ähnlich wie der Pluspol einer Batterie. Dadurch baut sich eine Art Druck auf, der die Protonen nach außen streben lässt. Doch durch die Membran kommen sie nicht hindurch. Der einzige Ausweg für sie ist ein spezieller Tunnel: das Enzym ATP-Synthase.

Die ATP-Synthase ist aber kein einfacher Tunnel, sondern vielmehr der „Generator“ der Zelle. Sie entlässt die Protonen einzeln aus dem positiv geladenen Thylakoid – doch nicht umsonst: Auf dem Weg nach draußen nimmt sie jedem Proton ein wenig Energie als „Gebühr“ ab. Dies geschieht, indem sie ihren Rotor-ähnlichen Kopf mit jedem durchgelassenen Proton ein Stückchen dreht. Die Energie der Protonen wird so als mechanische Spannung zwischengespeichert, ähnlich wie bei einem Aufziehspielzeug. Regelmäßig verwendet der Mini-Generator diese Energie zur Herstellung von biologisch verwertbaren Energieeinheiten, sogenanntem Adenosintriphosphat, kurz ATP.

Pflanzen wandeln Lichtenergie in die biologischen ATP-Energieeinheiten um. Diese können diverse biochemische Prozesse antreiben. © gemeinfrei

Die Energiewährung der Zellen

ATP ist sozusagen der Biokraftstoff in den Zellen aller Lebewesen und kann besonders leicht von ihnen verarbeitet werden. Das lebenswichtige Molekül hat an einem Ende drei Phosphatgruppen. Durch Abspalten einer dieser Gruppen wird Energie frei, die Zellen für diverse Aufgaben benötigen. Mit nur noch zwei Phosphatgruppen wird das Molekül als Adenosindiphosphat, ADP, bezeichnet.

Das energieärmere ADP ist aber kein Abfall. Durch den „Generator“ ATP-Synthase kann es unter Energieaufwand mit einem Phosphor-Baustein wieder zu ATP recycelt werden. Bei Menschen und Tieren rührt die dafür benötigte Energie aus der Zellatmung. Bei Pflanzen wird hingegen die Energie aus dem Sonnenlicht genutzt und über mehrere Schritte innerhalb der Lichtreaktion für die ATP-Synthese nutzbar gemacht.

Das Finale der Lichtreaktion

ATP ist nicht die einzige Energiewährung, die im Laufe der Lichtreaktion hergestellt wird. Auf einer der letzten Stationen gelangen die Elektronen aus der Wasserspaltung zum Photosystem I (PS I) Dies ist eine weitere biologischen Maschine, die wie PS II mit Lichtenergie, aber auch mit den freigesetzten Elektronen, betrieben wird.

Mit Hilfe des Proteinkomplexes PS I wird das Molekül NADPH hergestellt, welches eine ähnlich wichtige Rolle in biologischen Prozessen hat wie ATP. Bei seiner Synthese nimmt es die Elektronen auf, die zu Beginn der Lichtreaktion am PS II freigesetzt wurden. Es kann diese Elektronen besonders leicht wieder abgeben und so chemische Reaktionen ermöglichen.

Damit ist der erste Hauptschritt, die Lichtreaktion, abgeschlossen. Aus Wasser und Lichtenergie hat die Pflanze energiereiche ATP-Einheiten und elektronenspendende NADPH-Moleküle produziert, sowie Sauerstoff als „Abgas“. Der entscheidende Schritt, die Zuckerherstellung, erfolgt in der Dunkelreaktion.

Christian Lüttmann
Stand: 28.04.2017

Die Dunkelreaktion ist das Finale der Fotosynthese

Endlich: Zucker

Die Dunkelreaktion, oder lichtunabhängige Reaktion, trägt ihren Namen, weil sie nicht direkt auf Licht angewiesen ist. Sie folgt unmittelbar auf die Lichtreaktion und nutzt deren Produkte zur Herstellung des eigentlichen Zielmoleküls: dem Einfachzucker Glucose.

Dazu bindet die Pflanze zunächst Kohlenstoffdioxid aus der Luft. Dieses wird dann in einem mehrstufigen Zyklus mit Hilfe der Energie der ATP-Einheiten, den Elektronen des NADPHs und der passenden molekularen Maschinen zu Glucose umgebaut. Diese komplexe Reaktionsfolge der Dunkelreaktion ist nach ihrem Entdecker unter dem Namen Calvin-Zyklus bekannt.

Der Enzymkomplex Rubisco bindet Kohlenstoffdioxid für die Dunkelreaktion der pflanzlichen Fotosynthese. © Archie Portis / gemeinfrei

Evolutionärer Fehlgriff

Die Bindung des Kohlenstoffdioxids gelingt der Pflanze mit dem Enzym Rubisco (Ribulose 1,5 bisphosphatcarboxylase/oxygenase), welches als Paradebeispiel für eine evolutionäre Sackgasse gilt. Denn es ist nicht nur um ein Vielfaches langsamer als andere Enzyme, es greift auch oft daneben: Jedes vierte bis fünfte Mal nimmt es statt eines CO2-Moleküls ein Sauerstoffmolekül und verarbeitet es zu hinderlichen Nebenprodukten. Damit diese den komplexen Calvin-Zyklus nicht stören, muss die Pflanze den Fehler mit aufwändigen Extra-Reaktionen korrigieren.

Dass Rubisco so fehleranfällig ist, liegt an seinem „Alter“: Das Enzym stammt noch aus einer Zeit, in der die Atmosphäre nahezu frei von Sauerstoff war. Es gab also keine Notwendigkeit, Sauerstoff-Moleküle spezifisch auszuschließen. Erst dem zunehmenden O2-Gehalt in der Luft durch den Siegeszug der Pflanzen wurde dies zu einem Problem. Doch da war Rubisco längst in allen Pflanzen verbreitet. Um trotz der schlechten Leistung von RuBisCO ausreichend CO2 zu binden, produzierten diese zum Ausgleich enorme Mengen des Enzyms.

„Offenbar ist Rubisco in eine evolutionäre Falle geraten“, sagt Ulrich Hart vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried gegenüber der Süddeutschen Zeitung. „Daraus könnte es nur ausbrechen, wenn gleichzeitig mehrere Mutationen in Rubisco und den Hilfsstoffen passieren, die für seinen Zusammenbau nötig sind. Jede einzelne dieser genetischen Veränderungen wäre nachteilig, nur zusammen gäbe es einen Vorteil.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Enzym durch natürliche Evolution an die sauerstoffreichen Bedingungen anpasst, war und ist also verschwindend gering.

Schematischer Überblick der Hauptschritte der Fotosynthese. © ttsz / iStock.com

Trotz kleinem Wirkungsgrad unerreicht

Am Ende der Kaskade an Reaktionen aus Licht und Dunkelreaktion hat die Pflanze aus Sonnenlicht nutzbare Biomasse produziert. Der Gesamtwirkungsgrad ist dabei eher gering, nicht nur wegen der „schlechten“ Leistung von Rubisco: Von der auftreffenden Sonnenenergie werden über Licht- und Dunkelreaktion letztlich nur etwa fünf Prozent in Form von Zucker oder anderen Kohlenhydraten wie Stärke gebunden.

Den Hauptteil der Lichtenergie kann die Pflanze gar nicht erst aufnehmen, weil trotz des ausgeklügelten Lichtsammelkomplexes nur etwa 40 Prozent des einfallenden Sonnenlichtes absorbiert werden. Weitere Einbußen kommen durch Wärmeabgabe und Stoffwechselvorgänge zustande. Zu letzterem gehören auch die energieintensiven Reaktionen zur Beseitigung der Nebenprodukte, die durch fälschliche O2-Aufnahme von Rubisco anfallen. Nichtsdestotrotz bleibt die Fotosyntheseleistung der Pflanzen bisher unerreicht. Doch die Forschung ist ihnen auf den Fersen.

Christian Lüttmann
Stand: 28.04.2017

Die Herausforderung der künstlichen Fotosynthese

Der Natur auf der Spur

Die Fotosynthese der Pflanzen künstlich nachahmen - dies ist das ehrgeizige Ziel vieler Forscher. © Ananthu Kumar / pixabay

Was die Pflanzen seit Jahrmillionen wie selbstverständlich praktizieren, ist für die Wissenschaft noch immer eine Herausforderung: die Fotosynthese. Besonders die Spaltung von Wasser ist interessant, weil sie einen umweltfreundlichen Weg zur Herstellung von Wasserstoff bietet, der zum Beispiel als Energieträger in Brennstoffzellen eingesetzt wird.

Wenn es gelänge, Wasserstoff in großem Maßstab nur mit Hilfe der Sonnenenergie zu produzieren, wäre dies ein bedeutender Schritt beim Kampf gegen den Klimawandel. Denn anders als herkömmliches Benzin aus Erdöl, verbrennt Wasserstoff ohne die Freisetzung von klimaschädlichen Treibhausgasen wie CO2 oder Stickoxiden. Es entsteht lediglich Wasser, das in der Fotosynthese erneut gespalten werden kann. Ein idealer Kreislauf, der nur auf die Energie der Sonne angewiesen ist.

Die Idee ist nicht neu

Schon 1912 wurde das erste Mal öffentlich die Möglichkeit einer künstlichen Fotosynthese diskutiert. Die erste praktische Durchführung der Spaltung von Wasser durch Licht demonstrierte aber erst 1998 der Elektrochemiker John Turner. Doch seine Maschine war viel zu teuer für einen wirtschaftlichen Nutzen und verlor schon nach 20 Betriebsstunden an Leistung.

Die drei Anforderungen, die ein künstliches Blatt erfüllen müsste, zählt Nathan Lewis vom California Institute of Technology (Caltech) im Fachmagazin „nature“ auf: „Es soll einen hohen Wirkungsgrad besitzen, kostengünstig und robust sein. Und ich könnte bereits heute mit zwei dieser Eigenschaften – ganz egal welche – dienen, aber nicht mit allen drei gleichzeitig.“

Wasserspalter gesucht

Um das Ziel eines künstlichen Blattes zu erreichen, legen sich Wissenschaftler auf der ganzen Welt ins Zeug. Da die Pigmente und Proteine der Pflanzenzellen zu empfindlich sind, um sie einfach in technische Anwendungen zu übertragen, sind alternative Fotokatalysatoren gefragt.

Doch die Suche nach geeigneten Materialien, die das Sonnenlicht absorbieren und mit dieser Energie das Wasser spalten, gestaltet sich als schwierig. Die besten Katalysatoren sind üblicherweise seltene Metalle, die für industrielle Zwecke aber zu teuer sind. Andere Kandidaten eignen sich zwar gut für die Produktion des Wasserstoffs, sind aber bei der Sauerstoffproduktion instabil oder umgekehrt.

Luftbeutel mit Explosionsgefahr

Selbst wenn ein akzeptabler Fotokatalysator gefunden ist, ergeben sich Schwierigkeiten, wie ein kalifornisches Start-Up Unternehmen zeigt. Dort hat man winzige Katalysatorpartikel in wassergefüllte Plastikbeutel gegeben. In diesen Beuteln wird durch Lichteinstrahlung das Wasser mit Hilfe des Katalysators gespalten. Sauerstoff- und Wasserstoffgas entstehen und blähen den Beutel auf, der dann bereit zur Ernte ist.

Das Problem: Die Gasmischung ist hochexplosiv. Ein einziger Funke könnte zum Desaster führen. Um das zu verhindern, wollen die Forscher die Möglichkeit überprüfen, Abwasser statt reinem Wasser für ihre Beutel zu verwenden. Die darin enthaltenen organischen Fremdstoffe würden mit dem Sauerstoff reagieren, sodass nur der begehrte Wasserstoff übrig bleibt.

Der Prototyp dieses "künstlichen Blattes" hat optisch nicht viel mit seinem pflanzlichen Vorbild gemein: Er besteht aus zwei Kammern, die durch einen Membran voneinander getrennt sind. © Caltech

Prototyp funktioniert

Einen anderen Ansatz verfolgen Forscher am Caltech. Sie haben einen Prototyp entwickelt, der aus zwei in wässrige Lösung ragenden Elektroden besteht. An der einen Elektrode entsteht Sauerstoff, an der anderen Wasserstoff. Eine spezielle Membran verhindert, dass die Produkte sich vermischen. Die Explosionsgefahr ist so verringert, erklären die Forscher.

Das Besondere des künstlichen Blattes von Caltech: Die Elektroden sind mit einer dünnen Schutzschicht aus Titandioxid überzogen. Diese verhindert, dass sie im Wasser rosten. 40 Betriebsstunden mit einem Wirkungsgrad von zehn Prozent haben die Forscher bereits erzielt. Doch noch sind die Herstellungskosten viel zu hoch, um das System industriell zur Treibstoffproduktion zu nutzen.


Stand: 28.04.2017

Künstliche Dunkelreaktion als Klimaretter?

Frankensteins Pflanze

Viele Wissenschaftler arbeiten daran, den ersten Schritt der pflanzlichen Fotosynthese nachzuahmen, also die Wasserspaltung mit Sonnenlicht. Einen etwas anderen Fokus haben Forscher vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Sie konnten 2016 die Prozesse des zweiten Fotosyntheseschrittes, der Dunkelreaktion, nachbilden und sogar optimieren. Damit hoffen sie, in Zukunft ein wirksames Instrument gegen steigende Konzentration des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid zu realisieren.

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Teile aus neun Organismen

Der Ansatzpunkt der Forscher war die Suche nach einem Enzym, das Kohlenstoffdioxid schneller und zielsicherer binden kann, als es das von den Pflanzen verwendete Enzym Rubisco schafft. Aus zehntausenden Kandidaten fanden sie schließlich einen, der beim Einfangen von CO2 aus der Luft 20 Mal schneller und außerdem nahezu fehlerfrei arbeitet.

Ausgehend von diesem „Hochleistungsenzym“ entwickelten die Forscher den Calvin-Zyklus komplett neu, wobei sie die einzelnen Reaktionsschritte und verwendeten Biokatalysatoren variierten. Herausgekommen ist eine Mixtur mit Enzymen aus neun verschiedenen Organismen, vom Menschen bis zur Mikrobe. Manche der Moleküle mussten die Wissenschaftler mit Hilfe von Gentechnik an die neuen Aufgaben anpassen.

Ihr neu erfundener Calvin-Zyklus verbraucht bei der Arbeit 20 Prozent weniger Energie als das Original der Pflanzen. Langfristig wollen die Wissenschaftler ihren Enzymcocktail in geeigneten Trägern unterbringen. Bestimmte Algen oder Bakterien könnten sich dafür anbieten. Mit Hilfe der Gentechnik könnte man sogar gezielt andere Produkte als Zucker herstellen lassen, zum Beispiel Grundchemikalien für die Industrie. Bis es soweit ist, steht den Forschern aber noch viel Arbeit bevor.

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Die Zukunft ist grün

Ob nun die Produktion von Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeuge oder die Bindung des Treibhausgases CO2 – Die Wissenschaft ist dem Erfolgsrezept der Pflanzen auf den Fersen. Doch während jeder für wenige Euro seine eigenen „Fotosynthese-Fabriken“ aus dem Gartencenter kaufen kann, sind die Herstellungskosten der künstlichen Blätter bisher noch viel zu hoch, um wirtschaftlich rentabel zu sein.

Bei den anhaltenden Anstrengungen ist es aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis wir die Energie der Sonne so gut ausnutzen können, wie die grünen Pioniere in Wäldern und Gärten.

Christian Lüttmann
Stand: 28.04.2017