Auswirkungen erdnaher Sternexplosionen auf unseren Planeten

Supernova – Gefahr für die Erde?

Krebsnebel
Der prachtvoll leuchtende Krebsnebel ist das Relikt einer Supernova, die im Jahr 1054 von der Erde aus sichtbar wurde. Glücklicherweise lag sie 6.200 Lichtjahre weit entfernt. © NASA/ESA, J. Hester und A. Loll/Arizona State University

Tödliche kosmische Strahlung, Ozonschwund, Massenaussterben – die Auswirkungen einer erdnahen Supernova können verheerend sein und alles Leben auslöschen. Doch wie nah muss eine solche Sternexplosion sein, um so dramatische Folgen auszulösen? Und wie hoch ist das Risiko für ein solches Ereignis?

In jeder Sekunde explodiert irgendwo im Kosmos ein massereicher Stern in einer Supernova – und setzt dabei enorme Energien in Form von Strahlung und schnellen Teilchen frei. Doch was bedeutet ein solches Ereignis für die Planeten im näheren oder weiteren Umfeld solcher Sternentode? Inzwischen können Astronomen relativ gut vorhersagen, welche Auswirkungen wann und in welcher Entfernung zu spüren wären. Das aber wirft die Frage auf, ob es auch im Umfeld unseres eigenen Planeten schon Supernovae gab und welche Folgen sie hatten.

Welche Auswirkungen hat eine Supernova?

Sternentod mit weitreichenden Folgen

Supernovae sind im Kosmos alltäglich: In jeder Sekunde explodiert irgendwo im beobachtbaren Universum mindestens ein Stern, einigen Schätzungen zufolge sind es sogar 20 bis 30 pro Sekunde. Ein Teil dieser Explosionen geht auf den Kollaps massereicher Sterne am Ende ihres Lebenszyklus zurück. Andere Supernovae gehören zum sogenannten Typ 1a, bei dem ein Weißer Zwerg sich am abgesaugten Material eines Begleitsterns „überfrisst“, instabil wird und explodiert.

Supernova
Die Explosion eines Stern setzt in kurzer Zeit enorme Energienin Form von Strahlung und schnellen Teilchen frei. © ESA/XMM-Newton/M. Rigoselli (INAF)

Gammastrahlen machen den Anfang

Doch unabhängig von ihrem Urheber sind die Folgen einer Supernova dramatisch: Zu Beginn der Sternexplosion werden innerhalb kürzester Zeit enorme Mengen an Energie in Form von Gamma- und Röntgenstrahlung frei. Solche Gammastrahlenausbrüche können innerhalb weniger Sekunden so viel Strahlung freisetzen wie unsere Sonne in ihrer gesamten Lebenszeit. Am 9. Oktober 2022 ermittelten Astronomen für GRB 221009A, einer der hellsten je detektierten Supernova-Gammastrahlenausbrüche, einen Energiefluss von rund 3 x 1048 Joule – obwohl sich die Explosion 1,9 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ereignete.

In einer solchen Entfernung sind selbst diese Extrem-Supernovae für die Erde keine Gefahr, wohl aber für alle Himmelskörper in ihrem nahen Umfeld: Jeder Planet, der in einem Umkreis von wenigen Lichtjahren um diesen Ausbruch läge, würde von der harten Strahlung buchstäblich gegrillt.

Röntgenstrahlung und kosmische Teilchen

Doch damit ist die Gefahr noch lange nicht vorbei: Nach dem kurzen, aber intensiven Gammastrahlenausbruch rast eine Schockwelle ins All hinaus und kollidiert immer wieder mit dem umliegenden interstellaren Material. Bei vielen Sternexplosionen besteht dies aus einer dichten Wolke von Gas und Staub, die der sterbenden Stern schon vor seiner Explosion ausgeschleudert hat. Bei der Interaktion der Schockwelle und Strahlung mit diesem Material entsteht eine weitere ionisierende Strahlung in Form von Röntgenstrahlung.

GRB 221009A
Diese Strahlenringe entstanden beim Gammastrahlenausbruch GRB 221009A, als dessen Röntgenstrahlung an kosmischem Staub gebrochen wurde. © ESA/XMM-Newton/M. Rigoselli (INAF)

„Diese Röntgen-Emission trifft erst Monate bis Jahre nach der Explosion ein – dies spiegelt die Zeit wider, die die Schockwelle der Supernova bis zum umgebenden interstellaren Material benötigt“, erklären Ian Brunton von der University of Illinois und sein Team in einer Studie vom April 2023. Es gibt jedoch noch eine dritte, gefährliche Phase der Supernova-Folgen: „Jahrhunderte bis Jahrtausende nach dem Gammastrahlenausbruch folgt eine weitere, destruktivere Phase der ionisierenden Strahlung“, so die Astronomen. „Dabei wird die Atmosphäre eines Planeten von einem Einstrom kosmischer Strahlung getroffen.“

Zerstörte Atmosphäre

In dieser dritten Phase prasseln energiereiche, von der Supernova und ihrer Schockwelle beschleunigte Teilchen auf den Planeten ein. „Wenn die Supernova nah genug ist, dass die Biosphäre dieser kosmischen Strahlung ausgesetzt wird, kann dies wegen der hohen Energie und der anhaltenden Präsenz dieser Strahlung das schädlichste Stadium einer solchen Sternexplosion repräsentieren“, erklären Brunton und seine Kollegen. Denn dieses Bombardement hält hunderte bis tausende Jahre an und kann die gesamte Atmosphäre des Planeten verändern und zerstören.

Der Grund: Sowohl die Röntgenstrahlung als auch die später eintreffende kosmische Strahlung zerschlagen die zweiatomigen Stickstoffmoleküle (N2), die rund 70 Prozent der Erdatmosphäre ausmachen. Die dabei gebildeten Stickstoffradikale reagieren mit dem Sauerstoff und auch mit dem Ozon (O3) der Stratosphäre. Als Folge würde die Erde ihren wichtigsten Schutzschild gegen harte kosmische Strahlung und die UV-Strahlung der Sonne verlieren – die stratosphärische Ozonschicht.

Drei Phasen
Die drei Phasen der Supernova-Auswirkungen auf einen Planeten. © Brunton et al./ The Astrophysical Journal, CC-by 4.0

Globales Aussterben

„Es wird angenommen, dass die Zerstörung von 30 bis 50 Prozent der globalen Ozonschicht schon ausreicht, um ein weltweites Massenaussterben auf der Erde auszulösen“, erklären Brunton und sein Team. „Der Abstand, den eine Supernova für dieses Ausmaß haben müsste, wird daher oft als tödliche Distanz bezeichnet.“ In diesem Umkreist hat die Supernova eine mehrfach tödliche Wirkung: Die von ihr selbst erzeugte Strahlung ist ionisierend und zerstört Zellen und Erbgut aller lebenden Organismen – entweder sofort oder nach und nach. Weil die Ozonschicht fehlt, kann zudem die schädliche UV-Strahlung der Sonne nahezu ungehindert eindringen und verstärkt die zellzerstörenden Effekte noch.

Den Berechnungen zufolge ist die Schwelle zu globalen Aussterbe-Ereignissen dann erreicht, wenn der Einstrom ionisierender Strahlung bei 400 Kilojoule pro Quadratmeter und höher liegt. Zum Vergleich: Bei einem der stärksten jemals dokumentierten Strahlenausbrüche der Sonne, dem Carrington-Ereignis im Jahr 1859, setzte die Sonne so viel Röntgenstrahlung und energiereiche Teilchen frei, dass selbst in Rom, auf Kuba und auf Hawaii noch Polarlichter auftraten, weltweit sprühten Telegrafenanalgen Funken und fielen aus. Heute wäre fast die gesamte elektronische Infrastruktur betroffen. Doch um der Erde eine Dosis von 400 Kilojoule pro Quadratmeter zu verpassen, hätte dieser Sonnensturm 2,8 Jahre lang anhalten müssen.

Doch wie nah muss eine Supernova sein, damit die Erde eine tödliche Dosis solcher Strahlung abbekommt?

Ab welcher Entfernung wird es gefährlich?

Die tödliche Distanz

Astronomische Daten und Berechnungen belegen, dass eine nahe Supernova tödliche Folgen für die irdische Lebenswelt haben kann. Doch wie nah muss eine Sternexplosion der Erde dafür sein? Und wie groß ist das Risiko für ein solches Ereignis?

„Erdnahe Supernovae sind unvermeidbar“, konstatierten Brian Fields von der University of Illinois in einem 2020 für den US-Kongress erstellten Bericht zum Risiko erdnaher Sternexplosionen. „Denn in der Milchstraße explodiert im Schnitt rund alle 30 Jahre ein massereicher Stern.“ Es ist demnach nur eine Frage der Zeit, bis eine dieser Supernovae auch in der Nachbarschaft unseres Sonnensystems stattfindet.

Beteigeuze
Der 650 Lichtjahre entfernte Überriese Beteigeuze nähert sich dem Ende seines Lebenszyklus und erlebte 2019 einen starken Ausbruch. © NASA/ESA, E. Wheatley (STScI)

Beteigeuze könnte der nächste sein

Tatsächlich gibt es in unserer lokalen Nachbarschaft einen massereichen Stern, der in absehbarer Zeit in einer Supernova explodieren könnte: Beteigeuze. Dieser rund 650 Lichtjahre entfernte Rote Überriese bildet den von uns aus gesehen linken Schulterstern des Sternbilds Orion und steht am Ende seines Lebenszyklus. Astronomen gehen davon aus, dass eine Supernova bevorsteht – wann genau, ist allerdings unklar. „Es kann morgen passieren oder in hunderttausend Jahren“, erklärt der Astronom Jonathan Mackey von der Universität Bonn. Die Supernova wäre aber in jedem Falle so stark, dass ihr Licht sogar tagsüber zu sehen sein könnte.

Erste Anzeichen von Instabilität und Turbulenzen zeigt Beteigeuze bereits: Er hat sich zum rund 700-fachen Durchmesser der Sonne aufgebläht und erlebte im Jahr 2019 einen gigantischen Ausbruch, bei dem stellares Plasma mit der Masse mehrerer Erdmonde ausgeschleudert wurde und der Staub den Stern monatelang verdunkelte.

Wie weit reicht die Todeszone?

Doch wäre die Supernova von Beteigeuze für die Erde gefährlich? Wie weit reichen die tödlichen Auswirkungen einer solchen Sternexplosion? Diese Frage versuchen Astronomen schon länger zu beantworten – in der Regel nutzten sie dafür astrophysikalische Modelle, die auf Basis von Beobachtungen ferner Supernovae entwickelt wurden.

Diesen Modellen zufolge liegt die tödliche Entfernungsschwelle bei einer durchschnittlichen Kernkollaps-Supernova bei drei bis 30 Lichtjahren – ereignet sich die Sternexplosion in dieser Distanz oder näher, wären die Auswirkungen schwerwiegend genug, um ein globales Massenaussterben zu verursachen. Tröstlich allerdings: In diesem Umkreis ist kein massereicher Stern bekannt, der sich dem Ende seines Lebenszyklus nähert und in absehbarer Zeit in einer Supernova explodieren könnte.

Im April 2023 ermittelten Astronomen um Ian Brunton von der University of Illinois allerdings, dass sich diese Todeszone für bestimmte Sternexplosionen auch beträchtlich vergrößern kann: Kommt es zu einer Hypernova, einer Supernova, die besonders viel Energie und harte Strahlung produziert, kann sie noch in einer Entfernung von 65 bis 160 Lichtjahren tödliche Folgen nach sich ziehen. Studien legen zudem nahe, dass eine Supernova selbst in gut 300 Lichtjahren Entfernung noch messbare Auswirkungen auf Klima und Biosphäre der Erde haben würde.

Wie groß ist das Risiko?

Was bedeutet dies für die Häufigkeit solcher potenziell für die Erde gefährlichen Supernovae? Fields und seine Kollegen gehen davon aus, dass mehrere Male pro einer Milliarde Jahren eine Sternexplosionen im Abstand von 30 Lichtjahren und weniger vorkommt. „Das legt nahe, dass es in der Erdgeschichte mindestens eine dieser nahen Supernovae gegeben haben könnte – mit drastischen Effekten auf die irdische Biosphäre“, so die Astronomen.

lokale Blase
Dieses 3D-Modell zeigt die lokale Blase, die von Supernovae freigefegt und von Molekülwolken umgeben ist. © Alyssa Goodman/ Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

Für die etwas weiter entfernten Sternexplosionen liegt die Häufigkeit noch höher: „Supernovae im Umkreis von rund 300 Lichtjahren von der Erde müssten sich alle paar Millionen Jahre ereignen“, so Fields und sein Team. „Die lokale Blase rund um unser Sonnensystem deutet darauf hin, dass es solche Explosionen innerhalb von zwei Millionen Jahren geben haben muss.“ Diese lokale Blase ist ein rund tausend Lichtjahre großer, relativ sternenleerer Raum, an dessen Rand mehrere Sternenwiegen liegen.

Von Supernova-Resten umringt

Tatsächlich fanden Astronomen um Catherine Zucker vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics im Jahr 2022 heraus, dass diese Blase vor rund 14 Millionen Jahren durch eine ganze Serie von Supernova-Explosionen gebildet wurde. Die Strahlung, Schockwellen und nach außen rasenden Gase dieser Kette von 14 bis 20 Supernovae verdrängten rund 1,4 Millionen Sonnenmassen an Staub und Gas aus dem lokalen Umfeld und schufen an ihrer sich bis heute weiter ausbreitenden Schockfront die heute aktiven Sternenwiegen und Molekülwolken.

Allerdings: Als sich diese Sternexplosionen ereigneten, war die Sonne noch knapp tausend Lichtjahre von dieser lokalen Blase und ihren Supernovae entfernt, wie Zucker und ihre Kollegen ermittelten. Sie wanderte erst vor rund fünf Millionen Jahren in diese leergefegte Zone ein und liegt heute eher zufällig in ihrem Zentrum. Dennoch legen astronomische Beobachtungen und Modelle nahe, dass unser Planet im Laufe der Erdgeschichte mehrfach von den Auswirkungen einer nahen Sternexplosion getroffen wurde – auch wenn noch keine das Leben ausradierende Supernova-Katastrophe darunter war.

„Es muss in der geologischen Vergangenheit der Erde zahlreiche erdnahe Supernovae gegeben haben“, konstatieren Brunton und seine Kollegen. „Eine oder mehrere von ihnen haben vermutlich die Erdatmosphäre mit einer höheren Dosis ionisierender Strahlung getroffen. Die Röntgenemissionen von Sternexplosionen hatten demnach einen spürbaren Effekt auf die Erde und spielten wahrscheinlich auch eine Rolle für die Entwicklung des Lebens.“

Doch wann ereigneten sich diese nahen Sternexplosionen? Und welche Folgen hatte dies?

Verdankt die Sonne ihre Existenz einer Sternexplosion?

Supernova als Geburtshelfer

Astronomen gehen davon aus, dass unser Planet im Laufe seiner gut 4,5 Milliarden Jahre langen Geschichte schon mehrfach den Folgen einer nahen Supernova ausgesetzt war. Es könnte sogar sein, dass unser Sonnensystem seine Entstehung einer solchen Sternexplosion verdankt.

Protostern
Ein neuer Stern entsteht, wenn das Gas seiner Sternenwiege durch Turbulenzen erschüttert wird und in sich zusammenfällt. Im Zentrum verdichtet es sich zu einem Protostern. © NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC)

Ein Isotop als erstes Indiz

Sterne wie unsere Sonne entstehen normalerweise, wenn die dichte, kühle Molekülwolke ihrer Sternenwiege unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert. Dies geschieht meist dann, wenn das fragile Gleichgewicht gestört wird – beispielsweise durch einströmende Gase oder Erschütterungen, wie sie eine nahe Supernova auslöst. Durch diese Turbulenzen wird die Molekülwolke an einigen Stellen so stark komprimiert, dass das Gas in sich zusammenfällt, sich weiter verdichtet und im Zentrum dieser Zone ein prästellarer Kern entsteht. Dieser wächst dann durch Anziehen weiteren Materials zu einem Protostern und schließlich zu einem jungen Stern heran.

Auch für unser Sonnensystem könnte eine nahe Supernova zum „Geburtshelfer geworden sein. Ein erstes Indiz dafür entdeckte ein Team um Nicolas Dauphas von der University of Chicago bereits im Jahr 2010: Bei Analysen von tausenden Partikeln aus zwei kohlenstoffhaltigen Gesteinsmeteoriten fanden sie signifikant erhöhte Werte des Isotops Chrom-54 – einer Atomsorte, die gängiger Annahme nach in Supernovae entsteht.

Die Anreicherung dieses Isotops im Material der aus der Frühzeit des Sonnensystems stammenden Meteoriten spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass es vor rund 4,5 Milliarden Jahren eine Supernova in der Geburtswolke der Sonne gegeben haben muss. Diese Sternenexplosion durchsiebte damals die Urwolke mit einem Partikelregen, dessen Relikte in diesen Meteoriten erhalten blieben. „Es ist wahrscheinlich, dass mindestens ein massereicher Stern Material zum Sonnensystem oder zu dem, was später das Sonnensystem wurde, beigetragen hat“, erklären die Forscher.

Jungsterne in Sternenwiege
Die meisten Sterne entstehen gemeinsam mit vielen anderen, wie hier die bläulich leuchtenden Jungsternen in der Sternbildungsregion N90. © NASA/ESA, Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Explosives Gedrängel

Für dieses Szenario spricht auch die Tatsache, dass unsere Sonne kein „Einzelkind“ war, sondern als Teil eines dichten Clusters mit mehr als tausend stellaren Geschwistern geboren wurde. Erst nachträglich wurden diese Sterne durch galaktische Strömungen und Gezeitenkräfte zerstreut. 2018 gelang es Astronomen, eines dieser verschollenen Geschwistersterne der Sonne aufzuspüren: Der „Sonnenzwilling“ liegt heute rund 184 Lichtjahre von uns entfernt.

Das Entscheidende jedoch: „In der sternendichten Umgebung der solaren Kindestube muss es mehrere massereiche Sterne von mehr als 20 Sonnenmassen gegeben haben“, erklären Simon Portegies Zwart von der Universität Leiden und seine Kollegen. Weil solche stellaren Schwergewichte schon nach wenigen Millionen Jahren wieder als Supernova explodieren, ist es ihrer Ansicht nach sehr wahrscheinlich, dass es im Umfeld der werdenden Sonne damals mindestens eine nahe Sternexplosion gegeben hat.

Ursache für Sonnensystem-Anomalien?

Ein weiteres Indiz für eine Supernova als Geburtshelfer der Sonne könnten zwei Anomalien unseres Sonnensystems sein: Zum einen ist die Ebene der Planeten im Sonnensystem um rund fünf Grad gegenüber dem Äquator der Sonne gekippt. Normalerweise müssten Rotationsachse des Sterns und der planetaren Scheibe aber gleich ausgerichtet sein. Zum anderen ist die planetare Zone des Sonnensystems mit 42 bis 55 astronomischen Einheiten anomal klein – typischer für einen Stern von der Masse der Sonne wäre eine Planetenscheibe von 100 bis 400 astronomischen Einheiten, wie Zwart und sein Team erklären.

Sonnensystem
Die Ebene der Planeten ist im Sonnensystem leicht gegen den Sonnenäquator geneigt. Könnte eine frühe Supernova daran schuld sein? © adventtr/ Getty images

Mithilfe eines astrophysikalischen Modells haben die Astronomen deshalb untersucht, ob eine Supernova diese Anomalien hervorgerufen haben könnte und wie nahe die Sternexplosion dafür gewesen sein muss. Das Ergebnis: „Die Schockwelle einer Supernova in rund 0,5 bis 1,5 Lichtjahren Entfernung und in einem Winkel von 365 bis 65 Grad gegenüber der solaren Urwolke könnte die Fehlausrichtung von Sonne und Planetenscheibe erklären“, so das Team.

Außerdem würde die Schockwelle die Größe der ursprünglichen Urwolke verringern: „Die Störung durch den Supernova-Schockwelle würde die äußeren Bereiche der Scheibe bis zu einer Entfernung von rund 50 astronomischen Einheiten vom Stern wegreißen“, berichten die Astronomen. „Der Scheibenbereich zwischen zehn und 50 astronomischen Einheiten würde zudem ausgedünnt, während die innere Zone im Umkreis von rund zehn astronomischen Einheiten um die Sonne kaum betroffen wäre.“ Diese Zone reicht damit etwa bis zum Saturn.

Nach Ansicht von Zwart und seinen Kollegen stützt all dies die Vermutung, dass eine nahe Supernova die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems entscheidend beeinflusst haben könnte. Doch wie sieht es mit der restlichen Geschichte unseres Planetensystems aus?

Wie Supernovae die Erdgeschichte beeinflussten

Aussterben und Isotope

Die Supernova eines Sterns kann für einen Planeten selbst dann nachhaltige Folgen haben, wenn er nicht innerhalb der „Todeszone“ der Sternexplosion liegt. Denn auch eine nicht tödliche oder die Ozonschicht ganz zerstörende Strahlendosis kann Atmosphäre und Lebenswelt beeinflussen. Auch unsere Erde könnte im Laufe ihrer Geschichte mehrere solcher Beinahe-Katastrophen durchlebt haben.

Ferromangan
Diese Ferromangan-Kruste aus dem Pazifischen Ozean enthält das Isotop Eisen-60 und zwei weitere möglicherweise aus Supernovae stammende Isotope, wie Messungen ergeben haben. © Dominik Koll / HZD

Radioaktives Eisen als Supernova-Bote

Doch woher weiß man, wann es eine erdnahe Supernova gab und welche Auswirkungen dies hatte? Ein Indiz dafür sind bestimmte Isotope, die auf der Erde nicht natürlicherweise vorkommen, aber in Sternexplosionen entstehen. Eines davon ist das radioaktive Eisen-Isotop 60Fe. „Eisen-60 ist auf der Erde extrem selten, da es auf natürliche Weise nicht signifikant produziert wird. Es wird aber in großen Mengen direkt vor einer Supernova-Explosion erzeugt“, erklärt Anton Wallner vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).

Die von der Supernova ausgeschleuderten 60Fe Atome sammeln sich in interstellaren Staubkörnchen, die mit der sich ausbreitenden Schockwelle der Explosion mitgerissen werden und im gesamten Umfeld der Supernova verteilen. Ereignet sich eine solche Supernova in rund 30 bis 500 Lichtjahren Entfernung von der Erde, fängt das Magnetfeld des Sonnensystems, die Heliosphäre, einen Großteil der einzelnen Atome ab. Die in Staubkörnchen eingeschlossenen Isotope können aber ins Sonnensystem eindringen und bis zur Erde gelangen. Dort rieseln sie als kosmischer Staub in die Erdatmosphäre ein und bringen so ihre Isotop-Fracht bis auf die Erdoberfläche.

Allerdings: Selbst bei einer Supernova in der tödlichen Distanz ist die Dichte der auf der Erde ankommenden Eisen-60-Isotope extrem gering. Bei einer weiter entfernten sind es noch weniger: In einem Gramm Sediment verbergen sich dann zwischen Trillionen normaler Eisenatome nur rund tausend Atome des Isotops Eisen-60. Um diese wenigen Supernova-Anzeiger aufzuspüren, benötigen Forschende daher spezielle Messmethoden wie die Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS). In diesen Anlagen werden die unterschiedlich schweren Atomsorten zunächst beschleunigt, gefiltert und ionisiert und dann in speziellen Teilchendetektoren erfasst.

Häufung vor 2,6 Millionen Jahren

Trotz dieses schwierigen Nachweises ist es Forschenden schon mehrfach gelungen, das Supernova-Eisen nachzuweisen – unter anderem in Tiefseesedimenten, marinen Mikrofossilien und sogar in Mondgestein, das von Apollo-Astronauten zur Erde zurückgebracht wurde. „Wir gehen davon aus, dass das Fe-60 in beiden Funden, Mond und Erde, denselben Ursprung hat: es handelt sich um die Ablagerungen von frisch erzeugtem Sternenmaterial, das in einer oder mehreren Supernovae produziert wurde“, sagt Gunther Korschinek von der TU München, dessen Team die Mondproben im Jahr 2016 untersucht hat.

Das Auffallende daran: Die Eisen-60-Partikel wurden sowohl auf der Erde wie auf dem Mond größtenteils in Ablagerungen gefunden, die vor rund zwei bis zweieinhalb Millionen Jahren entstanden sind. Ihre Konzentration legt zudem nahe, dass sie von einer Sternexplosion stammen, die sich um diese Zeit in rund 150 Lichtjahren Entfernung ereignete.

Megalodon
War eine Supernova schuld am Aussterben des urzeitlichen Riesenhais Megalodon. © Warpaintcobra/ Getty images

Schuld am Tod von Megalodon?

Doch was waren die Folgen? Diese Frage hat ein Team um Adrian Melott von der University of Kansas im Jahr 2018 näher untersucht. Sie wollten im Speziellen wissen, ob die bei dieser Supernova auf die Erde treffende harte Strahlung die irdische Lebenswelt geschädigt haben könnte. Dafür ermittelten sie mithilfe eines Modells, wie viele Myonen, schwere Verwandte des Elektrons, durch die Strahlung in der Erdatmosphäre gebildet wurden. Wenn Myonen energiereich sind, gelten sie als ionisierende Strahlung und können ähnlich wie Röntgenstrahlen Erbgut und Zellen schädigen und Krebs auslösen.

Und tatsächlich: Die Strahlenbelastung durch Myonen könnte sich vor rund 2,6 Millionen Jahren durch diese Supernova um das Hundertfache erhöht haben. „Wir schätzen, dass die Krebsrate für ein Lebewesen von der Größe eines Menschen dadurch um 50 Prozent gestiegen wäre“, so Melott. „Je größer man aber ist, desto schlimmer wird es.“ Wie diese energiereichen Myonen sogar mehrere hundert Meter tief in die Ozeane eindringen können, hätten demnach auch in flacherem Wasser lebende Wale und Haie eine erhebliche Strahlendusche abbekommen.

Damit könnte diese urzeitliche Supernova auch das Rätsel um ein Massenaussterben der marinen Megafauna vor 2,6 Millionen Jahren lösen. Denn damals starben rund ein Drittel der großen Meeresbewohner aus, darunter auch der gewaltige Urzeit-Hai Megalodon. Nach Ansicht von Melott und seinem Team könnte die erhöhte Strahlenbelastung durch die erdnahe Supernova zu diesem Aussterbe-Ereignis beigetragen haben. „Bisher hat es keine wirklich gute Erklärung für dieses Aussterben gegeben“, sagt Melott. „Dies könnte eine sein.“

Panzerfisch
Beim Hangenberg-Ereignis starben unter anderem die Placodermen aus, wie dieser bis zu zehn Meter lange Panzerfisch der Gattung Dunkleosteus. Aber warum?© Mitternscht90/ gemeinfrei

Verursachte eine Supernova das Hangenberg-Ereignis?

Und es gibt noch ein weiteres Massenaussterben, bei dem eine Supernova als Urheber im Verdacht steht: das sogenannte Hangenberg-Ereignis am Ende des Devon-Zeitalters vor rund 359 Millionen Jahren. Dabei starben bis zu 75 Prozent aller Pflanzen und Tiere aus, darunter auch die zuvor im Ozean dominierenden Panzerfische. Dieses Massenaussterben gilt als möglicherweise entscheidend für die Entwicklung der ersten moderneren Fische und damit der Vorfahren der Landwirbeltiere.

Die Ursachen des Hangenberg-Ereignisses sind bisher unklar. Im Verdacht stehen aber Veränderungen des Klimas und der Atmosphäre – und auch an diesem Punkt kommt eine erdnahe Supernova ins Spiel. Denn wie Brian Fields von der University of Illinois in Urbana und seine Kollegen im Sommer 2020 ermittelten, könnte eine solche Sternexplosion in rund 100 Lichtjahren Entfernung damals Teile der Ozonschicht zerstört und die Strahlenbelastung auf der Erdoberfläche deutlich erhöht haben. Potenzielle Indizien dafür sind unter anderem vermehrte Fossilfunde von fehlgebildeten Tieren und Pollen mit Strahlenschäden.

„Die Intensität der kosmischen Strahlung wäre bei einer solchen Supernova hoch genug, um die Ozonschicht stark auszudünnen“, so die Forschenden. „Der durch eine Sternexplosion verursachte Ozonschwund ist langlebig und global und führt daher sehr wahrscheinlich zu einem Massenaussterben.“

Noch viele Fragen offen

Ob es eine solche Supernova vor 359 Millionen Jahren aber tatsächlich gab, ist noch offen. Weil das Supernova-Isotop Eissen-60 nur eine Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren hat, hilft es in diesem Fall nicht weiter. Es gibt aber weitere, langlebigere Isotope, die in Sternexplosionen entstehen und daher eine so weit zurückliegende erdnahe Supernovae anzeigen könnten. Dazu gehören das Plutonium-Isotop 244Pu und Samarium-146 (146Sm). „Wenn wir diese Radioisotope auf der Erde nachweisen, wissen wir, dass sie aus einem solchen Ereignis stammen – sie wären der rauchende Colt einer nahen Supernova“, erklärt Fields.

In jedem Fall legen diese Studien und Funde nahe, dass auch unser Planet im Laufe seiner Geschichte wahrscheinlich einige nahe Supernovae überstanden hat. Immerhin hat es während Entwicklung des irdischen Lebens offenbar keine Sternexplosion innerhalb der tödlichen Distanz gegeben – sonst wären wir heute nicht hier.