Neue Einblicke in das Heranwachsen von Protosternen

Wie man ein Sternenbaby füttert

Protostern
Wie schaffen es Protosterne, genügend Material an sich zu ziehen? © Mark A. Garlick

Um zum Stern zu werden, benötigen Protosterne viel „Futter“ – sie müssen Gas aus der sie umgebenden zirkumstellaren Scheibe ansaugen. Doch das ist nicht so einfach, weil ihr Sternenwind diesen Material-Nachschub wegdrückt. Wie es die stellaren Embryos schaffen, trotzdem weiter heranzuwachsen, haben Astronomen erst vor kurzem geklärt.

Ob unsere Sonne, Rote Zwergsterne oder stellare Riesen: Alle Sterne entstehen in dichten Wolken aus Gas und Staub. Dort wachsen sie nach dem lokalen Kollaps ihres „Rohstoffs“ heran, bis sie massereich genug sind, um die Wasserstoff-Fusion zu zünden. Doch was so einfach klingt, ist in der Praxis reichlich kompliziert und nicht ohne Hindernisse. Lange schien der letzte Schritt zur Sternbildung sogar fast unmöglich. Wo liegt das Problem? Und was ist die Lösung?

Wie ein neuer Stern entsteht

Stellare Kinderstube

Sterne entstehen in dichten Wolken kalter molekularer Gase – auch unsere Sonne wurde einst in einem solchen Umfeld geboren. Bis in einer solchen Sternenwiege aber ein neuer Jungstern aufstrahlt, erfordert es Zeit und mehrere Wachstumsschritte. Noch sind nicht alle Details dieser Sternbildung im Detail geklärt.

Bok-Globulen
In diesen dunklen Staubkokons, sogenannten Bok-Globulen, verbergen sich die ersten Stadien stellarer Embryos. © NASA/ESA, N. Smith (University of California, Berkeley), The Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Am Anfang steht ein Kollaps

Den Anstoß für die Bildung eines neuen Sterns gibt meist eine Schwerkraftturbulenz in der dichten Molekülwolke, beispielsweise durch verdichtende Gasströmungen oder die Schockwellen einer nahen Supernova. Auch bei unserer Sonne war wahrscheinlich eine solche Sternexplosion der Auslöser. Spuren dieser Supernova haben Wissenschaftler in Isotopendaten von Meteoriten aus der Anfangszeit unsers Sonnensystems entdeckt. Zudem liegen fast alle nahen Sternenwiegen am Rand einer großen, von Supernova-Schockwellen freigefegten Blase.

Durch die Erschütterungen kommt es zum Kollaps: Die Molekülwolke wird an einigen Stellen so stark komprimiert, dass das Gas unter seiner eigenen Schwerkraft in sich zusammenfällt und sich stark verdichtet. Im Zentrum dieser Zone entsteht dadurch ein prästellarer Kern – ein Klumpen aus komprimiertem, molekularem Wasserstoffgas. Dieser prästellare Kern kann bei einem sonnenähnlichen Stern so groß sein, dass er das gesamte innere Sonnensystem verschlingen würde.

Vom prästellaren Kern zum Protostern

Noch ist dieser erste, prästellare Kern nach astronomischen Maßstäben eher lauwarm: Anfangs ist er kaum heißer als 200 Grad. Weil aber von außen weiter Material im freien Fall ins Zentrum stürzt, wächst er langsam heran und wird heißer und dichter. Wenn sich dieser stellare Embryo dann bis auf rund 1.700 Grad aufgeheizt hat, folgt der nächste Schritt: Der bisher als zweiatomiges Molekül vorliegende Wasserstoff im prästellaren Klumpen zerfällt durch den hohen Druck und die Hitze zu Wasserstoffatomen.

„Die ganze Energie, die zuvor für das Aufheizen gesorgt hat, wird nun für das Aufbrechen der Wassermoleküle genutzt“, erklärt Melissa Enoch von der University of California in Berkeley. Dadurch fehlt dem prästellaren Kern die Energie, die er braucht, um der Schwerkraft seiner zunehmenden Masse standzuhalten – der heiße dichte Klumpen kollabiert erneut. Aus dem prästellaren Kern ist ein Protostern geworden.

Der Protostern ist schon deutlich kompakter als sein Vorgänger. Unsere Sonne war in diesem Stadium wahrscheinlich nur rund eineinhalbmal größer als heute, die Temperaturen in ihrem Inneren könnten mehrere tausend Grad erreicht haben. Doch für die Zündung der Wasserstoff-Fusion reichen Hitze und Druck in einem solchen Protostern zunächst nicht. Der junge Protostern hat nur rund ein Prozent seiner endgültigen Masse und muss erst weiterwachsen. Er leuchtet zwar schon, gewinnt seine Energie aber vor allem aus dem weiter auf ihn einfallenden Material.

T-Tauri-Stern
Diese Aufnahme des James-Webb-Teleskops zeigt den typischen T-Tauri-Stern L1527: Im Zentrum leuchtet der Protostern, umgeben von einer rotierenden Materiescheibe. Wiederholte Ausbrüche haben beiderseits des Protosterns große Kegel aus geschocktem Gas erzeugt. © NASA/ESA/CSA, Joseph DePasquale (STScI), Alyssa Pagan (STScI), Anton M. Koekemoer (STScI)

„Rülpsende“ T-Tauri-Sterne

Zu den Protosternen in dieser Wachstumsphase gehören die sogenannten T-Tauri-Sterne, benannt nach dem ersten Protostern dieser Art im Sternbild Stier. Solche meist wenige Millionen Jahre jungen Sternenembryos sind mitten in ihrer Wachstumsphase. Bei ihnen hat sich die umgebende Gas- und Staubhülle durch die fortlaufende Akkretion von Material schon ausgedünnt, sie sind aber noch von den Resten dieser Wolke umgeben.

Das von diesen Protosternen angesaugte Material sammelt sich in einer rotierenden flachen Scheibe um ihren Äquator. Diese zirkumstellare Scheibe ist einerseits das „Futterreservoir“ für den wachsenden Sternenembryo, andererseits bildet sie die Grundlage für die spätere Planetenbildung. Während der Protostern immer mehr Material aus dieser Scheibe an sich zieht, kommt es oft zu „Rülpsern“: Seine starke Strahlung und Turbulenzen bei der Akkretion führen zu wiederkehrenden Ausbrüchen, bei denen abrupt größere Schübe von Gas und Strahlung ausgeschleudert werden.

Dieses „ausgerülpste“ Material bildet weit ins All hinausreichende Kegel aus Gas und leuchtenden Schockfronten. Eine beeindruckende Aufnahme des T-Tauri-Sterns L1527 IRS und des von ihm ausgestoßenen Materials hat gerade erst das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA eingefangen. In der Nahinfrarot-Aufnahme sind der Protostern, die ausgeschleuderten Gase und die zirkumstellare Scheibe besonders gut zu erkennen. L1527 IRS wächst pro Jahr um rund 0,7 Millionstel Sonnenmassen und könnte etwa so schwer und groß werden wie die Sonne.

Doch gerade das Wachstum der T-Tauri-Sterne gab Astronomen lange ein Rätsel auf…

Wenn der Futternachschub schwierig wird

Gegenwind und krumme Ströme

Auf den ersten Blick scheint es ganz einfach: Ein junger Protostern zieht Gas und Staub an sich und wächst dadurch zum Stern heran. Schließlich sorgt ja seine zunehmende Schwerkraft dafür, dass das nötige „Futter“ aus der umliegenden Wolke angezogen wird – so könnte man meinen.

Protostern
Um den Protostern bildet sich eine rotierende Akkretionsscheibe. © NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC)

Kreisender Vorrat mit Lücke

Doch das ist ein Irrtum. Denn das von dem Sternenbaby angesaugte Material stürzt nicht in direkter Linie auf den Protostern hinab – es wird auf eine Kreisbahn gezwungen. Die Lage des gemeinsamen Massenschwerpunkts und die Drehimpulserhaltung sorgen dafür, dass die vom Protostern angezogenen Gas- und Staubmassen eine rotierende Akkretionsscheibe bilden. Durch Reibungsprozesse in dieser Scheibe verliert ein Teil des Materials am inneren Rand allmählich Energie, wird langsamer und stürzt schließlich in gebogener Bahn auf den Protostern.

Das Problem jedoch: Die stärker werdende Strahlung des Protosterns wirkt dieser Akkretion entgegen. Sie fegt einen oft mehrere Sternenradien breiten Bereich zwischen rotierender Materiescheibe und Sternenoberfläche frei – und droht so, den heranwachsenden Sternenembryo von seinem Futternachschub abzuschneiden.

Der Fall TW Hydrae

Besonders gut ist dies bei dem nur rund 180 Lichtjahre entfernten T-Tauri-Stern TW Hydrae zu sehen. Dieser rund acht Millionen Jahre alte Protostern kehrt uns die Breitseite seiner zirkumstellaren Scheibe zu, dadurch ist ihre Struktur gut erkennbar. „Das macht ihn zum idealen Kandidaten, um zu untersuchen, wie Materie von einer planetenbildenden Scheibe auf die Sternoberfläche geleitet wird“, erklärt Rebeca García López vom Max-Planck-Institut für Astronomie.

TW Hydrae
Beim Protostern TW Hydrae ist die Lücke zwischen Stern und zirkumstellarer Scheibe gut zu erkennen. © NASA/ESA, J. Debes (STScI), H. Jang-Condell (University of Wyoming), A. Weinberger (Carnegie Institution of Washington), A. Roberge (Goddard Space Flight Center), G. Schneider (University of Arizona/Steward Observatory), and A. Feild (STScI/AURA)

Schon seit mehreren Jahren beobachten Astronomen diesen T-Tauri-Stern daher intensiv mit Radioteleskopen und mit dem Hubble-Weltraumteleskop. Die Aufnahmen zeigen unter anderem, dass zwischen dem Innenrand der Scheibe und dem Stern eine deutliche Lücke klafft. „Die Präsenz dieses inneren Lochs und der geringe Infrarot-Überschuss machen TW Hydrae zum typischen Vertreter eines Protosterns mit ‚Übergangsscheibe'“, erklären López und ihre Kollegen.

Das bedeutet: Der starke Sternenwind und die in der zirkumstellaren Scheibe heranwachsenden Planeten sind schon dabei, den rotierenden „Futtervorrat“ dieses Protosterns aufzulösen. Eigentlich dürfte TW Hydrae daher kaum noch wachsen, weil er nicht mehr an das Material herankommt. Im inneren Bereich der Scheibe müsste der Sternenwind zudem schon fast alles Gas weggeweht haben. Doch seltsamerweise scheint dies den Protostern nicht zu interessieren: Er wächst weiter und verleibt sich Messungen zufolge noch immer rund 2,3 Milliardstel Sonnenmassen pro Jahr ein – für einen Protostern dieses Stadiums ist das ziemlich viel.

Umgelenkte Ströme

Aber wie kommt TW Hydrae an dieses „Futter“ heran? Nähere Analysen der vom Protostern und seiner Scheibe freigesetzten Strahlung ergaben, dass es einen Materiestrom vom Innenrand der Scheibe auf die Sternenoberfläche gibt. Diese Gase bewegen sich aber nicht in der äquatorialen Ebene, in der auch die zirkumstellare Scheibe liegt. Stattdessen macht das zum Stern gezogene Material eine Biegung: Es fließt offenbar in Richtung der stellaren Pole, um dann dort auf die Sternenoberfläche hinabzufallen.

Das wirft die Frage auf, warum das Material diesen Umweg macht und welche Kräfte es dazu bringen: Was hilft diesem „Sternenfutter“ dabei, trotz des Gegenwinds zum Protostern zu gelangen?

Magnetfelder als Wachstumshelfer?

Durch die Lücke

Die produktiven Sternenwiegen unserer Milchstraße belegen, dass heranwachsende Sterne auch die letzte Hürde ihrer Entwicklung überwinden: Sie sammeln genügend Masse an, um in ihrem Innern die Wasserstofffusion zu zünden und zum strahlenden Jungstern zu werden. Damit es so weit kommt, müssen sie das sie umgebende „Futter“ trotz Gegenwind, Rotation und klaffender Lücke zur Materiescheibe ansaugen. Das macht die Akkretion in dieser T-Tauri-Phase alles andere als einfach.

Magnetfelder
Schematische Darstellung der magnetosphärischen Akkretion von Material auf einen jungen Stern. © Max-Planck-Institut für Astronomie

Feldlinien als Transporthelfer

Welcher Faktor den Protosternen dabei helfen könnte, postulierte schon in den 1990er Jahren der Astronom Max Camenzind von der Landessternwarte Königstuhl. Seine Überlegung: Die meisten Sterne besitzen ein Magnetfeld. Bei unserer Sonne spielt dieses eine wichtige Rolle für Sonnenflecken, solare Ausbrüche und Sonnenstürme. Ihre Magnetfeldlinien prägen das Verhalten des Sonnenplasmas und in der solaren Korona. Oft leiten die Feldlinien das solare Plasma wie in unsichtbaren Röhren bis weit über die Sonnenoberfläche hinaus.

Für Camenzind lag es daher nahe, dass auch die heranwachsenden Protosterne schon ein Magnetfeld besitzen. Die Feldlinien dieses stellaren Magnetfelds reichen wahrscheinlich weit genug nach außen, um den Innenrand der zirkumstellaren Scheibe zu erreichen – des rotierenden Materialvorrats für den Sternenembryo. Ähnlich wie das Plasma auf der Oberfläche der Sonne könnte dann Gas aus der Scheibe entlang dieser Magnetfeldlinien zu den Polen des Protosterns strömen.

Starke Felder und schnelle Gase

Dieses Szenario würde erklären, wie T-Tauri-Sterne den Widerstand des eigenen Sternenwinds und den Drehimpuls des rotierenden Materials überwinden können. Zunächst blieb Camenzinds Modell aber nur Theorie. Denn die Teleskope waren nicht leistungsfähig genug, um die Vorgänge selbst an nahegelegenen Protosternen in ausreichend hoher Auflösung zu zeigen. Daher blieb unklar, wo das vom Protostern angezogene Material fließt und ob der Weg dahin zu den Feldlinien des stellaren Magnetfelds passt.

Inzwischen haben Astronomen nachgewiesen, dass zumindest einige Protosterne tatsächlich ein Magnetfeld besitzen. Dieses kann die Flussdichte von einigen tausend Gauß erreichen. Zum Vergleich: Das Erdmagnetfeld hat etwa 0,5 Gauß. Hochauflösende Spektren in Kombination mit astrophysikalischen Modellen legen zudem nahe, dass sich das von der Akkretionsscheibe zum T-Tauri-Stern strömende Material auf ein hohes Tempo beschleunigt und stark erhitzt wird.

Tatsächlich lässt sich in astronomischen Beobachtungen einiger T-Tauri-Sterne erkennen, dass irgendwo zwischen der Sternenoberfläche und der zirkumstellaren Scheibe größere Mengen an energiereicher Strahlung im Röntgen- und UV-Bereich freiwerden. Sie könnte den Modellen zufolge von dem auf den Protostern zurasenden Gas kommen. Demnach wird dieses Material kurz über der Sternenoberfläche so stark abgebremst, dass Energie in Form dieser Strahlung frei wird. Ein Teil davon entweicht ins All, der Rest fließt abwärts und müsste auf dem Stern einen heißen Fleck erzeugen.

So weit die Theorie und erste indirekte Anhaltspunkte. Doch lässt sich dies auch direkt belegen?

Wie T-Tauri-Sterne ihren Nachschub bekommen

Theorie bestätigt

Inzwischen ist Astronomen ein doppelter Durchbruch gelungen. Mithilfe modernster Teleskoptechnik konnten sie bei gleich zwei Protosternen nachweisen, dass Magnetfelder tatsächlich eine entscheidende Rolle bei der „Fütterung“ von Sternenembryos spielen. Die gut 30 Jahre alte Theorie des deutschen Astrophysikers Max Camenzind wurde damit bestätigt.

Möglich wurde dieser Nachweis durch das GRAVITY-Instrument der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Dieses 2016 in Betrieb genommene Interferometer kombiniert die eingehenden Signale der vier 8-Meter-Teleskope des Very Large Telescope (VLT) auf dem Paranal miteinander. Dadurch entstehen Aufnahmen, deren Auflösung so hoch ist wie die eines 100 Meter großen Teleskops.

DoAr 44
Beim T-Tauri-Stern DoAr 44 klafft eine rund 30 astronomische Einheiten große Lücke zwischen Protostern und Akkretionsscheibe. © ESO/M. Kornmesser

Beim „Fressen“ ertappt

Der erste Durchbruch gelang Astronomen um Jérome Bouvier von der Universität Grénoble Anfang 2020 (Astronomy & Astrophysics). Sie haben das GRAVITY-Instrument genutzt, um den Protostern DoAr 44 zu untersuchen. Dieser liegt rund 476 Lichtjahre von uns entfernt in der Sternbildungsregion Rho-Ophiuchus und befindet sich im T-Tauri-Stadium. Zwischen ihm und dem Innenrand seiner Materialscheibe klafft bereits eine Lücke von rund 30 astronomischen Einheiten.

Dieser Protostern ist damit genau in der Phase, in der es für ihn schwierig wird, Material allein durch seine Anziehungskraft akquirieren. Doch die GRAVITY-Daten bestätigten, dass DoAr 44 es trotzdem schafft, Gas aus seiner zirkumstellaren Scheibe anzuziehen. Anhand von Spektralanalysen fanden die Astronomen heraus, dass die starke UV-Strahlung des Protosterns dafür zunächst das Wasserstoffgas am Innenrand der Akkretionsscheibe ionisiert. Das Plasma aus Protonen und Elektronen wird dadurch leitfähig und kann nun vom stellaren Magnetfeld beeinflusst werden.

Außerdem beobachteten Bouvier und sein Team nahe der Oberfläche des Protosterns eine auffallend hell aufleuchtende Zone. Dem Spektrum zufolge wurde diese Strahlung von heißem, schnellem Gas zwischen der Sternenoberfläche und der Scheibe erzeugt – wie es die Modelle vorhersagen. „Sowohl die Größe der emittierenden Region als auch ihre leichte Verschiebung gegenüber dem Zentralstern deuten darauf hin, dass diese Strahlung in magnetischen Strömungskanälen zwischen dem Innenrand der Scheibe und der stellaren Oberfläche entsteht“, berichtet das Team.

TW Hydrae
Beim T-Tauri-Stern TW Hydrae konnten Astronomen die Strahlung des über die Magnetfeldlinien zum Stern strömenden Materials beobachten (Illustration). © Mark A. Garlick

Vom Magnetfeld geleitet

Die zweite wichtige Beobachtung gelang wenig später Rebeca García López vom Max-Planck-Institut für Astronomie und ihren Kollegen (Nature). Sie nahmen den altbekannten T-Tauri-Stern TW Hydrae mit dem GRAVITY-Instrument ins Visier. Auch bei diesem Protostern detektierten sie die verräterische Strahlung des heißen, ionisierten Wasserstoffs – und auch sie kam nicht aus der Materiescheibe oder von der Sternenoberfläche, sondern aus der Lücke dazwischen.

„Wir konnten sehen, wie Material aus der umgebenden Scheibe zum Stern hingeschleust wird“, berichtet López. „Das macht uns zu den ersten Forschern, die den Prozess nachweisen, durch den neue Sterne und damit letztlich auch Planeten – geboren werden.“ Den Beobachtungen zufolge strömt das ionisierte Wasserstoffgas dabei in schmalen Säulen von der Scheibe zum Stern und folgt dabei den Magnetfeldlinien. Dies bestätigt Camenzinds Modell der magnetosphärischen Akkretion.

Wie geht es weiter?

Damit ist eine der grundlegenden Fragen zum Wachstum von Protosternen geklärt. Allerdings bleiben viele Details noch offen. Dazu gehört eine detailliertere Rekonstruktion der physikalischen Prozesse bei der magnetosphärischen Akkretion, insbesondere in der Nähe der Sternenoberfläche. Unklar sind auch noch Einzelheiten zur Struktur des protostellaren Magnetfelds: „Magnetfelder können deutlich komplizierter sein und zusätzlichen Pole aufweisen“ erläutert Thomas Henning vom Max-Planck-Institut für Astronomie.

Weitere Untersuchungen von T-Tauri-Sternen mit dem GRAVITY-Instrument sollen dies klären helfen. „Dazu gehören Beobachtungen, bei denen verfolgt wird, wie sich der Auftreffpunkt des Gases auf die Sternoberfläche mit der Zeit verschiebt“, erklärt Hennings Kollege Wolfgang Brandner. „Wir erhoffen uns darüber Hinweise darauf, wie weit die Magnetpole des Sterns gegenüber der Rotationsachse verschoben sind.“

Außerdem könnte dies verraten, ob sich die protostellaren Magnetfelder mit der Zeit verändern und wie das Magnetfeld mit den wiederholten Eruptionen der T-Tauri-Sternen zusammenhängt. Auch wenn schon einige Geheimnisse heranwachsender Sternenbabys gelöst sind, bleibt für die Astronomen demnach noch viel zu tun.