NASA-Mission testet planetare Abwehr durch Ablenken eines Asteroiden

DART: Ein Asteroid wird gerammt

DART-Mission
Die DART-Mission wird erstmals einen Asteroiden aus seiner Bahn lenken. © NASA/Johns Hopkins University APL

Was tun, wenn ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde ist? Im Film folgt dann meist der Einsatz heldenhafter Astronauten. Doch in der Realität ist eine andere Abwehrstrategie chancenreicher: das Ablenken des Asteroiden durch den Einschlag einer unbemannten Raumsonde. Wie gut diese Strategie des kinetischen Deflektors funktioniert, testet die NASA am 26. September 2022 mit der DART-Mission.

Zehntausende von Asteroiden rasen durch den erdnahen Raum, viele davon kreuzen regelmäßig die Bahn unseres Planeten. Wenn einer von ihnen auf Kollisionskurs mit der Erde gerät, könnte dies eine regionale, schlimmstenfalls sogar globale Katastrophe auslösen. Ob und wie man dies verhindern kann, testet die NASA mit ihrer DART-Mission: Erstmals wird die Menschheit versuchen, die Flugbahn eines Asteroiden durch eine Rammsonde zu verändern.

Was tun gegen eine drohende Kollision?

Gefahr im Anflug

Die Gefahr ist real: Die Erde wurde im Laufe ihrer Geschichte immer wieder von aus dem All kommenden Brocken getroffen. Einige dieser Treffer lösten globale Katastrophen und folgenreiche Massenaussterben aus, wie vor 66 Millionen Jahren der Einschlag des zehn Kilometer großen Chicxulub-Asteroiden, der die Kreidezeit beendete und die Dinosaurier aussterben ließ. Aber auch weit kleinere Brocken können schon schwere Zerstörungen anrichten, wie das Tunguska-Ereignis im Jahr 1908 oder die Explosion des rund 20 Meter großen Tscheljabinsk-Meteors im Februar 2013 demonstrierten.

Asteroid
Die Bedrohung ist real: Rund 25.000 Asteroiden von rund 150 Meter Größe kreisen im erdnahen Raum und kreuzen regelmäßig die Erdbahn. Die Dunkelziffer ist jedoch erheblich. © guvendemir/ iStock

Nur eine Frage der Zeit

Und das Bombardement hält an: Kleine Brocken von bis zu einem Meter Größe treffen die Erde fast täglich, verglühen aber in der Atmosphäre. Brocken von der Größe des Tscheljabinsk-Meteors kommen im Schnitt alle 50 Jahre vor, mit Treffern durch Asteroiden bis zu 300 Metern Größe müssen wir alle paar tausend Jahre rechnen. Ihr Einschlag könnte eine Millionen-Metropole komplett zerstören. „Der nächste große Einschlag auf der Erde ist daher keine Frage des ‚Ob‘ – er ist nur eine Frage der Zeit“, erklärt Alan Harris vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Doch was tun, wenn man einen Asteroiden auf Kollisionskurs entdeckt? Ob die Menschheit dann noch eine Chance zu Gegenmaßnahmen hat, hängt entscheidend von der Größe des Brockens und der bis zum Einschlag verbleibenden Zeit ab. Wird die Gefahr schon Jahrzehnte im Voraus erkannt, kann die vergleichsweise „sanfte“ Abwehrmaßnahme des „Gravity Tractor“ reichen: Man lenkt den Asteroiden durch die Anziehungskraft einer schweren, nah an ihn heranmanövrierten Sonde vom Kollisionskurs ab.

Die Rammbock-Strategie

Viel wahrscheinlicher ist es allerdings, dass die drohende Gefahr erst deutlich später erkannt wird. Denn viele potenzielle Erdbahnkreuzer sind wegen ihrer geringen Helligkeit, einer sonnennahen Flugbahn oder ihrer direkt auf uns zugerichteten Bergung nur schwer frühzeitig zu erkennen. Im Jahr 2019 entdeckten Astronomen beispielsweise den 100 Meter großen Asteroid 2019 OK erst zwölf Stunden vor seiner größten Annäherung – glücklicherweise flog er damals in einem Fünftel Mondabstand an uns vorbei. In einem solchen Fall helfen alle Abwehrmaßnahmen nichts mehr – ein Einschlag ließe sich dann nicht mehr verhindern.

Sonde rammt Asteroiden
Bei einer Asteroidenabwehr durch einen kinetischen Deflektor rammt eine Raumsonde den Asteroiden und versucht, ihn so von seiner Kollisionsbahn abzulenken. © NASA/Johns Hopkins University APL

Wird ein Asteroid auf Kollisionskurs aber schon einige Monate bis Jahre im Voraus entdeckt, ist eine Abwehr noch möglich. In einem solchen Falle gilt die Methode des kinetischen Deflektors als die Vielversprechendste. Dabei schickt man dem Asteroiden eine möglichst schwere Raumsonde entgegen und rammt ihn in einem zuvor genau berechneten Winkel. Der Impuls der Kollision soll den Brocken aus seiner Flugbahn ablenken – erfolgt dieser Schubs früh genug, dann reicht ein Ablenken um wenige Zentimeter oder ein geringfügiges Abbremsen schon aus, um eine Kollision mit der Erde zu verhindern.

Die Tücken liegen im Detail

Soweit die Theorie. In der Praxis ist eine solche Ablenkung aber alles andere als simpel. So muss die Sonde den Asteroiden an genau der richtigen Stelle und mit ausreichend Wucht treffen. Denn schlägt sie zu schräg ein, verändert sie nur die Rotation des Brockens statt seiner Flugbahn. Ist der Impuls zu schwach, reicht die ablenkende Wirkung nicht aus. Um die Kollision korrekt zu planen, benötigt man daher möglichst genaue Daten über Flugbahn, Rotation und Größe des Asteroiden.

Aber auch die Beschaffenheit des Zielbrockens spielt eine wichtige Rolle: Ist der Asteroid porös, könnte er einen Großteil der Impaktor-Energie absorbieren und sie dadurch wirkungslos verpuffen lassen. Ist er dagegen spröde oder besteht aus nur lose zusammenhaltendem Geröll, könnte der Einschlag der Raumsonde ihn zerbrechen lassen. Dann würden der Erde statt nur eines Einschlags gleich mehrere verheerende Treffer drohen.

Diese Schwierigkeiten sind der Grund, warum die NASA die Asteroidenablenkung durch kinetische Deflektion nun erstmals in der Praxis ausprobiert – quasi als Generalprobe für den Ernstfall.

Ein Doppelasteroid als Impaktor-Modell

Das Zielobjekt

Die Aufgabe ist alles andere als einfach: Soll ein Asteroid rechtzeitig von seinem Kollisionskurs mit der Erde abgelenkt werden, muss die gesamte Operation Millionen Kilometer von der Erde entfernt stattfinden. Das Ziel ist dann noch so weit entfernt, dass möglicherweise nicht alle Details seiner Beschaffenheit, Rotation und Masse vor dem Start der Abwehrsonde geklärt werden können – die Auflösung der irdischen Teleskope reicht dafür nicht aus.

DART-Mission
Die DART-Mission wird den Asteroidenmond Dimorphos rammen und damit erstmals die Methode der kinetischen Deflektion testen © NASA/Johns Hopkins University APL

Die Auswahl des Testobjekts

Ob eine Abwehrmission dennoch gelingen kann und was dabei möglicherweise schief gehen kann, testet die NASA zurzeit mit dem „Double Asteroid Redirection Test“, kurz DART. „DART ist die erste Technologie-Demonstration eines kinetischen Deflektors – der Methode, die den Einschlag eines Asteroiden auf der Erde verhindern könnte“, erklärt DART-Missions-Leiter Clayton Kachele vom Marshall Space Center der NASA. „Einfach ausgedrückt wird DART losgeschickt, um die Umlaufbahn eines Asteroiden zu verändern.“

Die wichtigste Voraussetzung für einen solchen Test ist, dass dieses Experiment keine Gefahr für die Erde darstellen kann. Der Zielbrocken muss daher eine Flugbahn haben, die ihn möglichst nicht in Erdnähe bringt – selbst nach einer missglückten Ablenkung nicht. Andererseits muss der Asteroid nah genug sein, um die Wirkung des Rammens genau beobachten zu können. Er sollte daher mit leistungsstarken Teleskopen sichtbar sein.

Größen
Größenverhältnisse von DART, Dimorphos und Didymos. © NASA/Johns Hopkins University APL

Didymos und sein Mond

Diese Bedingungen erfüllt der 1996 entdeckte Doppelasteroid Didymos. Dieses System besteht aus dem 780 Meter großen Asteroiden Didymos und seinem rund 160 Meter großen Mond Dimorphos. Beide kreisen auf einem exzentrischen Orbit um die Sonne, die sie von ihrem sonnenfernsten Punkt außerhalb der Mars-Bahn bis zu einem sonnennächsten Punkt innerhalb der Erdbahn pendeln lässt. Beide sind demnach Erdbahnkreuzer und gehören damit zu den Asteroiden, die zwar nicht akut bedrohlich sind, aber der Erde in ferner Zukunft nahekommen könnten.

Das ist auch der Grund, warum die DART-Mission nicht den Asteroiden Didymos selbst anvisiert: Das Risiko ist zu groß, dass der Brocken versehentlich so abgelenkt wird, dass er eines fernen Tages doch die Erde trifft. Stattdessen ist das Zielobjekt der Asteroidenmond Dimorphos. Weil er in einem stabilen Orbit um Didymos kreist, beeinflusst die Ablenkung nur seine Umlaufbahn, nicht aber die Flugbahn des gesamten Systems.

Transits machen Veränderungen sichtbar

Hinzu kommt: Der Asteroidenmond zieht auf seiner Umlaufbahn um Didymos genau vor ihm vorbei. Dieser regelmäßige Transit hat es den Astronomen ermöglicht, den Orbit von Dimorphos und seine Größe mit irdischen Teleskopen schon relativ genau zu bestimmen. Der kleine Mond benötigt demnach 11 Stunden und 55 Minuten für eine Umkreisung seines Mutterasteroiden. Beide sind dabei nur rund 1,18 Kilometer voneinander entfernt.

„Die Vorher-Nachher-Natur unseres Experiments erfordert detailliertes Wissen über das Asteroidensystem – wir wollen nicht in der letzten Minute feststellen müssen: Oh, hier gibt es etwas, das wir nicht gesehen oder bedacht haben“, erklärt Nick Moskovitz vom Lowell Observatory in Arizona. Er und sein Team haben daher in den letzten Wochen letzte vorbereitende Messungen mit ihrem Teleskop durchgeführt. „Wir sind jetzt sehr zuversichtlich, dass wir das Asteroidensystem gut verstanden haben und wir daher auch erkennen können, was nach dem Einschlag der Sonde passiert“, so der Forscher.

Transit
Dimorphos wandert genau vor seinem Mutterasteroiden Didymos vorbei. Die dadurch erzeugte Abschattung erlaubt es, seine Orbitalperiode zu bestimmen. © NASA/Johns Hopkins University APL

Erst diese Daten machen es möglich, den Erfolg der DART-Mission einzuschätzen: Trifft die DART-Sonde den Mond Dimorphos an der richtigen Stelle und im richtigen Winkel, dann wird dies die Bahn des Mondes um seinen Mutterasteroiden leicht verändern. Modellsimulationen zufolge sollte sich diese Ablenkung in der Transitperiode zeigen: „Der DART-Impakt auf dem kleineren Partner des Didymos-Systems sollte dessen Orbitalperiode mindestens um 73 Sekunden verändern“, berichten DART-Wissenschaftsleiter Andrew Rivkin von der Johns Hopkins University und sein Team.

Am 26. September 2022 – zum Zeitpunkt des DART-Tests – wird der Doppelasteroid Didymos-Dimorphos nur noch rund elf Millionen Kilometer von der Erde entfernt sein – nahe genug, um die Ablenkung zu beobachten.

Der realen Bedrohung sehr nahe

Das Didymos-System ist aber noch aus einem anderen Grund besonders gut als Testfall geeignet: „Das Didymos-System ist nicht nur aus technischen Gründen die beste Wahl, seine beiden Komponenten sind auch repräsentativ für potenzielle Impaktoren auf Erdkurs“, erklärt Rivkin. Mit rund 165 Metern Durchmesser ist Dimorphos groß genug, um bei einem Einschlag eine ganze Region zu verwüsten. Gleichzeitig entspricht seine Größe der jener Asteroiden, die am wahrscheinlichsten den nächsten potenziell katastropalen Einschlag verursachen werden.

Auch in seiner Zusammensetzung könnte das Zielobjekt der DART-Mission dem „Ernstfall“ sehr nahe kommen: „Die Analyse des sichtbaren und Nahinfrarot-Spektrums von Didymos zeigt, dass seine Zusammensetzung einem L/LL-Chondriten entspricht – und damit der Komposition der meisten auf die Erde treffenden Meteoriten“, erklären Rivkin und seine Kollegen. „Alles zusammengenommen bedeutet dies, dass die Ergebnisse unseres Experiments auf eine große Zahl von möglichen Szenarien der planetaren Abwehr übertragbar sind.“

Der Ablauf der DART-Mission

Vom Anflug bis zum Impakt

Seit dem 24. November 2021 ist die DART-Raumsonde zu ihrem Ziel-Asteroiden unterwegs – jetzt steht der entscheidende Test unmittelbar bevor. Am 26. September 2022 wird die Sonde den Asteroidenmond Dimorphos rammen und ihn so – hoffentlich – aus seiner Bahn ablenken. Es ist der weltweit erste Test einer solchen Asteroidenabwehr. Damit dies funktioniert, ist die DART-Mission mit einigen technischen Raffinessen ausgerüstet.

DART
Die DART-Sonde navigiert das letzte Stück autonom und bringt sich selbst in die beste Einschlagsposition. © NASA/Johns Hopkins University APL

Die Impaktorsonde der DART-Mission ist auf den ersten Blick simpel aufgebaut: Ihr Rumpf ist ein fast quadratischer Kasten von 1,20 mal 1,30 Meter Größe – etwa so groß wie ein Getränkeautomat. Zwei gut acht Meter lange Sonnensegel sorgen während des knapp zehn Monate langen Anflugs für den nötigen Strom. Für Schub sorgt ein experimenteller Ionen-Antrieb, bei dem Xenon-Ionen durch ein Magnetfeld elektrostatisch beschleunigt und ausgestoßen werden. Für Korrekturmanöver und die Justierung des Endanflugs auf Dimorphos nutzt DART zwölf klassische, von Hydrazin-Treibstoff angetriebene Manövrierdüsen

Autonome Zielerfassung und Annäherung

Deutlich raffinierter ist jedoch die Navigation der DART-Sonde. Denn sie kann die Feinjustierung ihres Endanflugs autonom steuern. Die nötigen Informationen dafür liefert die DRACO-Kamera, ein kleines Teleskop mit knapp 21 Zentimeter Brennweite und einem hochauflösenden digitalen Bildsensor. Die Kamera erstellt hochauflösende Aufnahmen von Didymos und Dimorphos und zeigte ihre genaue Position und Beschaffenheit.

Diese Aufnahmen werden zusammen mit den Positions- und Lagekontrolldaten an das autonome Navigationssystem der Raumsonde geschickt. Dieses SMART-Nav-System übernimmt etwa vier Stunden vor der Kollision – in einer Entfernung von 90.000 Kilometern vom Ziel – die volle Kontrolle über die DART-Sonde. Mithilfe eigens entwickelter Algorithmen wertet das Navi die Daten aus und ermittelt zunächst die genauen Positionen von Didymos und seinem Mond. Letzterer wird erst rund eine Stunde vor dem Impakt als winziger, 1,5 Pixel großer Lichtfleck sichtbar sein.

Anhand dieser Teilortung entscheidet das Navigationssystem nun selbstständig, ob Kurskorrekturen nötig sind und welche. Die entsprechenden Befehle sendet es an die Korrekturdüsen der DART-Sonde. Vier Minuten vor dem Impakt ist Dimorphos nur noch rund 1.500 Kilometer entfernt und erscheint nun in den DRACO-Aufnahmen 22 Pixel groß. Jetzt ist der letzte Zeitpunkt für Korrekturen. Zwei Minuten vor dem Impakt ist die DART-Sonde noch 740 Kilometer von ihrem Ziel entfernt und auf Kollisionskurs. Sie legt den Rest der Strecke nun in freiem Fall zurück.

Der Impakt

Mit rund 22.000 Kilometern pro Stunde rast die DART-Sonde auf die Oberfläche von Dimorphos zu und schlägt ein. Die Kollision der beiden ungleichen Objekte ähnelt eher dem Sturz einer Mücke auf einen Elefanten: Die Rammsonde wiegt nur rund 570 Kilogramm, der Asteroidenmond Dimorphos dagegen geschätzte fünf Milliarden Kilogramm. Man könnte denken, dass der vergleichsweise winzige Impuls des Einschlags wenig ausrichten kann.

Doch das täuscht. Die hohe Geschwindigkeit des Impakts reicht aus, um dem 165 Meter großen Gesteinsbrocken einen winzigen Schubs zu verpassen. Gleichzeitig verursacht die Wucht der Kollision einen Krater in der Asteroidenoberfläche und schleudert zwischen 10.000 und 100.000 Kilogramm an Material ins All hinaus. Mehr noch als der Einschlag selbst übt der Rückstoß dieses Auswurfs dadurch eine Kraft auf Dimorphos aus. Diese Verstärkung des Rammeffekts reicht zusammen mit dem Impakt aus, um die kinetische Energie des Asteroidenmond ein wenig zu verändern – und ihn so aus seiner Bahn zu lenken.

Einschlag der DART-Sonde in den Asteroidenmond Dimorphos.© NASA/ JHUAPL

„Das Rammen von Dimorphos durch DART bedeutet zwar das Ende für die Raumsonde, aber die Wissenschaft fängt damit erst an“, erklärt Rivkin.

Hat die Ablenkung des Asteroiden funktioniert?

Die Folgen

Welche Wirkung hat die Kollision der kleinen DART-Raumsonde auf den so viel größeren Asteroidenmond Dimorphos? Reicht die kinetische Deflektion aus, um den riesigen Brocken aus seiner Bahn zu lenken? Und wie gut ist es gelungen, die für die Ablenkung nötigen Parameter der Kollision im Vorhinein einzuschätzen? Diese und weitere Fragen gilt es nach dem Impakt zu beantworten.

Didymos-Orbits
Ist die DART-Mission erfolgreich, wird sie den Orbit von Dimorphos um Didymos leicht verändern. © NASA/Johns Hopkins University APL

Augenzeuge vor Ort

Erste Indizien dafür, ob die Mission gelungen ist und welche Folgen der Einschlag vor Ort hinterlassen hat, wird der Minisatellit LICIACube liefern. Dieser von der italienischen Raumfahrtbehörde stammende „Späher“ ist bis kurz vor Erreichen des Didymos-Doppelasteroiden huckepack auf der DART-Sonde mitgereist. 15 Tage vor dem Rammversuch hat er sich selbstständig gemacht und mithilfe seiner Manövrierdüsen eine Beobachtungsposition bezogen.

„Unser tapferer kleiner Reporter ist nun unterwegs“, sagte DART-Teammitglied Andrew Cheng nach Abtrennung des CubeSats am 11. September. „Was er dokumentieren und beobachten wird, liefert uns einzigartige und wertvolle Information, die wir auf andere Weise nicht bekommen könnten.“ LICIACube zeichnet den Impakt der DART-Sonde auf Dimorphos mithilfe zweier optischer Kameras auf. Zudem steuert der CubeSat seine Flugbahn so, dass er drei Minuten nach dem Rammen nah am Einschlagsort vorbeifliegt.

Dabei liefert die Minisonde Aufnahmen des Kraters, des ausgeschleuderten Materials und der Beschaffenheit der Trümmer. Zusammen mit den letzten Nahaufnahmen der DRACO-Kamera unmittelbar vor dem Aufschlag liefern diese Aufnahmen wichtige Informationen über die Zusammensetzung, Beschaffenheit und Reaktion des Asteroidenmonds.

Blick auf den Asteroiden-Orbit

Parallel dazu nehmen rund ein Dutzend leistungsstarke erdbasierte Teleskope das Didymos-System ins Visier. Zwar erscheint das elf Millionen Kilometer entfernte Asteroidenpaar selbst bei höchster Auflösung nur als ein winziger Lichtpunkt. Doch die regelmäßigen Helligkeitsschwankungen dieses Punkts – ausgelöst durch die Passage des Monds Dimorphos vor seinem Mutterasteroiden – sind auch von der Erde aus erkennbar.

Wenn der Einschlag der DART-Sonde den Asteroidenmond abgelenkt hat, dann müsste sich dies in einer leichten Veränderung der Transitzeiten zeigen. Aus dem Ausmaß dieser Verschiebung können Astronomen ungefähr errechnen, wie stark der kinetische Impuls auf Dimorphos war und wie stark sich seine Flugbahn verändert hat. Dies wird verraten, ob die Mission ein Erfolg war und die Ablenkung des Asteroiden gelungen ist.

Wichtige Informationen für den „Ernstfall“

„Die Erlebnisse von DART sind wahrscheinlich nicht der Stoff für einen Kinofilm, aber auch in unserer Mission geht es um die künftige Sicherheit der Erde“, sagt DART-Missionsleiter Clayton Kachele vom Marshall Space Center der NASA. Letztlich soll die DART-Mission zeigen, ob die Menschheit den drohenden Einschlag eines Asteroiden verhindern könnte. Die bei dieser „Generalprobe“ im Didymos-System gesammelten Erfahrungen und Informationen könnten entscheidend sein, wenn ein ähnlich großer Brocken auf Kollisionskurs mit der Erde entdeckt wird.

Die HERA-Mission zum Didymos-System

Das Nachspiel

Mit dem Einschlag der DART-Sonde auf dem Asteroidenmond Dimorphos und den Beobachtungen der unmittelbaren Auswirkungen ist die Ablenkungs-Mission noch nicht zu Ende – es gibt noch ein Nachspiel.

Die HERA-Mission und ihre Ziele.© ESA

HERA: Spurensuche vor Ort

Im Jahr 2024 wird die europäische Raumsonde HERA zum Didymos-System starten und es im Jahr 2026 erreichen. Sie soll die Folgen der kinetischen Deflektion erstmals mit wissenschaftlichen Instrumenten vor Ort untersuchen. Die mit einem LIDAR-Messystem, einer Kamera und einem im mittleren Infrarot arbeitenden Scanner ausgerüstete HERA-Sonde wird die Oberflächen-Topografie von Dimorphos dafür bis auf zehn Meter genau abtasten und den Einschlagskrater und weitere möglicherweise durch die Kollision verursachte Oberflächenveränderungen untersuchen.

Noch wichtiger jedoch: HERA wird erstmals genauere Daten dazu liefern, wie stark die DART-Sonde ihr Zielobjekt abgelenkt hat. Anders als die irdischen Teleskope kann sie Rotation, Masse und Orbit von Dimorphos und Didymos direkt messen. Dies geschieht unter anderem dadurch, dass die HERA-Sonde mithilfe ihres Lasers das winzige Taumeln detektiert, das die Schwerkraft des kleinen Mondes bei seinem Mutterasteroiden erzeugt. Zusätzlich wird sie einige nahe Vorbeiflüge an Dimorphos durchführen und dabei Radiosignale zur Erde funkten. Dort kann das Bodenteam messen, ob und wie stark die Schwerkraft des Asteroidenmonds die Signale verändert hat und auch daraus seine Masse abschätzen.

Milani
Der CubeSat Milani wird die Oberfläche der Asteroiden kartieren und den bei Einschlag ausgeschleuderten Staub analysieren. © ESA/ Science Office

Milani: Woraus bestehen Didymos und Dimorphos?

Die HERA-Sonde ist jedoch nicht allein, sondern bringt zwei Begleiter mit – zwei CubeSats, die mit zusätzlichen Instrumenten ausgerüstet sind und ergänzende Messungen durchführen werden. Der Minisatellit Milani wird die chemische und mineralische Zusammensetzung von Dimorphos und Didymos mithilfe einer Hyperspektral-Kamera und eines Spektrometers analysieren.

„Dadurch können wir auch Abweichungen in der Oberflächenzusammensetzung erfassen, beispielsweise durch den DART-Krater und seinen Auswurf, und dies mit bekannten Meteoriten und Mineralen abgleichen“, erklärt Tomas Kohout von der Universität Helsinki. Zusätzlich hat Milani ein speziell für Staubpartikel von fünf bis zehn Mikrometer Durchmesser ausgelegtes Analysegerät an Bord. Mit ihm kann er den beim Einschlag ausgeschleuderten Staub untersuchen und so Aufschluss auch über die Beschaffenheit des Asteroiden unter der Oberfläche geben.

Juventas
Der CubeSat Juventas wird erstmals mittels Radar das Innere eines Asteroiden durchleuchten. © ESA/ Science Office

Juventas: Erster Radarblick in das Innere eines Asteroiden

Der zweite CubeSat der HERA-Mission, Juventas, ist auf das Innenleben der beiden Asteroiden aus. Er hat das kleinste je ins All geschickte Radarsystem an Bord – eine miniaturisierte Version des Radarinstruments, mit dem die ESA-Kometensonde Rosetta ihren Zielkometen 67P/Churyumov–Gerasimenko durchleuchtet hat. Die gleiche Aufgabe soll nun das Radarsystem von Juventas bei Didymos und Dimorphos übernehmen. Dafür fährt er vier 1,50 Meter lange, rechtwinklig zueinander stehende Radarantennen aus, die zirkulär polarisierte Radarwellen aussenden. Die vom Asteroiden und seinem Innenleben zurückreflektierten Signale werden parallel dazu eingefangen und ausgelesen.

Während dieser Messungen wird der kleine Radarsatellit dem Asteroiden bis auf weniger als drei Kilometer nahekommen und so langsam fliegen, dass er trotz der relativ schwachen Leistung des Radars hochauflösende Daten sammeln kann. „Juventas wird die allererste Radardurchleuchtung eines Asteroiden durchführen“, sagt Alain Hérique von der Université Grenoble Alpes. „Das wird uns eine ganz neue Dimension unseres Wissens geben. Denn was wir auf der Oberfläche sehen, ist nicht repräsentativ für das Innere.“

Entscheidend für die künftige Asteroidenabwehr ist dabei vor allem die Frage, ob Dimorphos aus massivem, dichtem Gestein besteht oder ein nur lose zusammengefügter „Geröllhaufen“ ist. Auch diese Information, gekoppelt mit den Messungen der beim Impakt erzielten Ablenkung, hilft Wissenschaftlern dabei, die Modelle und Berechnungen für künftige Abwehrmissionen dieser Art zu präzisieren und falls nötig zu korrigieren.