Exotische Manipulation von Strahlung und Schall

Metamaterialien

Metamaterial
Metamaterialien besitzen eine Struktur, die Strahlung auf scheinbar "unmögliche" Weise brechen kann. © imagenavi/ Getty images

Sie können Objekte unsichtbar machen, Strahlung manipulieren und Licht sogar zum Stehen bringen: Metamaterialien besitzen physikalische Eigenschaften, die in der Natur nicht vorkommen. Dank ihrer Struktur ermöglichen sie neuartige Effekte und Anwendungen, die über die Grenzen des bisher Machbaren hinausgehen. Was aber steckt dahinter?

Ob ultradünne Linse, Tarnmantel oder Schallschlucker – mit Metamaterialien scheint fast nichts unmöglich. Kein Wunder, dass diese künstlich hergestellten, maßgeschneiderten Strukturen momentan in Forschung und Technik boomen. Doch wo liegt das Geheimnis ihrer exotischen Fähigkeiten? Und welche Anwendungen sind damit möglich?

Was sind Metamaterialien?

„Unmögliche“ Brechung

Auf den ersten Blick sehen die meisten Metamaterialien eher unspektakulär aus. Denn mit bloßem Auge ähneln sie ganz gewöhnlichen Kristallen oder glatten Oberflächen. Auch ihre Zusammensetzung muss keineswegs exotisch sein: Einige bestehen aus Metall, andere aus Silizium oder sogar Plastik. Trotzdem bringen sie Licht und andere elektromagnetische Strahlung zu scheinbar unmöglichem Verhalten.

Lichtbrechung
Brechung bei normalem (positiven) und negativem Brechungsindex. © Podbregar/ scinexx

Manipulation des Lichts

Einige Metamaterialien können beispielsweise die Richtung, Phase und Polarisierung eines Lichtstrahls so verändern, dass das Licht quasi in den Rückwärtsgang gezwungen wird. Der Strahl wird vom Material genau anders herum gebrochen als bei einem normalen Material üblich. Das führt zu dem paradoxen Effekt, dass eine konkave Sammellinse aus diesem Metamaterial das Licht nicht bündelt, sondern zerstreut. Umgekehrt würde eine Streulinse das Licht bündeln – physikalische Gesetze scheinen auf den Kopf gestellt.

Möglich ist dieser paradoxe Effekt, weil solche Metametamaterialien einen negativen Brechungsindex haben. Die Strahlung wird dadurch beim Eintritt in dieses Material nicht zum Lot hin gebrochen, sondern darüber hinaus in die entgegengesetzte Richtung. Lange war die Existenz solcher Materialien nur ein Gedankenspiel, eine theoretische Vorhersage, die der russische Physiker Viktor Veselago im Jahr 1968 aufgestellt hatte. Denn in der Natur scheinen negative Brechungsindizes nicht vorzukommen. Erst in künstlich erzeugten Materialien wurden sie erstmals nachgewiesen.

Unendlich schnelle Phase und stehende Welle

Die Eigenheiten der Metamaterialien bewirken aber noch etwas: Einige von ihnen können Licht unendlich schnell machen und es gleichzeitig stillstehen lassen. Das klingt wie ein Widerspruch zu Einsteins Relativitätstheorie, nach der die Lichtgeschwindigkeit absolut und nicht überschreitbar ist. In diesem Fall geht es aber nicht um die Lichtgeschwindigkeit als Ganzem, sondern um ihre Phasengeschwindigkeit – das Tempo, mit dem sich ein einzelner Wellenberg bewegt. Bei normalem Licht im Vakuum entspricht die Phasengeschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit. Die einzelnen Wellen in einem Wellenpaket bewegen sich genauso schnell wie das gesamte Wellenpaket.

Wellenpaket
In einem Metamaterials kann die Phasengeschwindigkeit schneller sein als die des gesamten Wellenpakets. © gemeinfrei

In Metamaterialien mit einem Brechungsindex gleich null lässt sich jedoch beides entkoppeln. Die Wellen im Paket bewegen sich dann schneller als das Paket als Ganzes und dadurch kann die Phasengeschwindigkeit höher sein als die Lichtgeschwindigkeit. 2015 haben Forscher ein Metamaterial konstruiert, in dem die Phasengeschwindigkeit des Lichts sogar unendlich schnell wird – und die Wellenlänge dadurch unendlich groß. Das Ergebnis ist eine stehende Welle aus Licht, die sich sogar sichtbar machen lässt.

Auf die Größe kommt es an

Was aber steckt dahinter? Das Geheimnis der Metamaterialien liegt in ihrer Struktur: Sie weisen winzige, sich wiederholende Grundeinheiten auf, die ähnlich wie bei einem normalen Kristall die Durchlässigkeit für Licht und andere Strahlung beeinflussen. Die geringe Größe und spezielle Form dieser Einheiten sorgt jedoch bei den Metamaterialien dafür, dass die Strahlung auf physikalisch ungewöhnliche Weise manipuliert wird.

Wie groß die Struktur eines Metamaterials sein darf, hängt dabei von der Wellenlänge der Strahlung ab: Die exotische Brechung tritt erst dann auf, wenn die sich wiederholenden Grundeinheiten kleiner sind als eine viertel Wellenlänge der einfallenden Strahlung. Das bedeutet: Soll das Metamaterial langwellige Strahlung wie Radar- oder Radiowellen manipulieren, können die Zellen mehrere Zentimeter groß sein. Bei sichtbarem Licht hingegen bewegen sie sich im Nanometerbereich.

Radiolinse
Diese Meta-Linse für Radiowellen besteht aus 4.000 S-förmig gebogenen Kupferhäkchen. © Dylan Erb/ MIT

Von Silizium bis Kupfer

Woraus ein Metamaterial besteht und wie seine Struktur beschaffen ist, kann ebenfalls sehr unterschiedlich sein. Einige dieser Konstrukte bestehen aus winzigen Kanälchen, Plättchen oder Säulen, die in Silizium-Chips eingebettet sind. Auch eine regelmäßige Anordnung von Schlitzen oder Löchern oder eine Struktur ähnlich winzigen gestapelten Holzscheiten kann zum Metamaterial werden. Andere Varianten tragen kleine Säulen aus Metall oder Metallverbindungen auf ihrer Oberfläche, deren Geometrie und Abstände die exotischen Brechungseffekte hervorbringen.

Fast schon ein Kunstwerk ist eine Metamaterial-Linse, mit der Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) Radiowellen manipulieren: Das flache, konkav gewölbte Konstrukt besteht aus mehr als 4.000 s-förmig gebogenen Kupferhäkchen, die jeweils nur wenige Millimeter groß sind. Diese Grundeinheiten sind so miteinander verhakt, dass sie eine vier Zentimeter dicke und 25 Zentimeter breite Linse bilden, die für Mikro- und Radiowellen durchlässig ist. Dank seines negativen Brechungsindex kann dieses kettenhemdartige Metamaterial die Strahlung so stark brechen und bündeln wie sonst nur meterlange Strahlengänge.

Optische Anwendungen von Metamaterialien

Meta-Linsen und Licht-Konverter

Die Fähigkeit von Metamaterialien, Strahlung und insbesondere Licht auf zuvor unmöglich geglaubte Weise zu manipulieren, eröffnet ganz neue Möglichkeiten der Anwendung. Vor allem in der Optik werden diese Materialien inzwischen genutzt, um neuartige Linsen und Displays für Kameras, Mikroskope und 3D-Projektionen zu entwickeln.

Die Meta-Linse der Mikrokamera ist weniger als einen halben Millimeter klein. © Tseng et al./ Princeton University

Kamera in Salzkorngröße

Ein Beispiel für eine optische Anwendung auf Basis eines Metamaterials ist eine Kameralinse im Mikromaßstab: Die Meta-Linse ist nur einen halben Millimeter groß, hat aber eine Auflösung und Lichtstärke, die mit einer klassischen, 500.000-fach größeren Kameralinse mithalten kann. „Keine der bisher vorgestellten Meta-Optiken bietet eine vergleichbare Kombination aus Bildqualität, niedriger Blendenzahl und großem Sichtfeld“, konstatiert Ethan Tseng von der Princeton University. Die neue Meta-Linse besitzt ihren Angaben zufolge eine Blendenzahl von 2, was selbst für eine herkömmliche Spiegelreflexkamera im qualitativ oberen Bereich ist.

Herzstück der winzigen Meta-Linse ist ihre nanostrukturierte Oberfläche. Sie besteht aus 1,6 Millionen Siliziumnitrid-Säulchen, die jeweils rund 100 bis 290 Nanometer dick sind. Weil jedes Stäbchen abhängig von seiner Position auf der Linse eine speziell angepasste Form und Ausrichtung hat, wirkt diese Struktur wie eine Art optischer Antenne. Ein spezieller Algorithmus wertet dann die auf dem Kamerachip eingehenden Signale aus und konstruiert daraus das fertige Bild. Einsatzmöglichkeiten für die Mini-Linse sehen die Wissenschaftler unter anderem bei der Endoskopie oder in Hirnscans.

Meta-Kontaktlinse gegen Rot-Grün-Schwäche

Noch einen Schritt weiter geht eine Kontaktlinse für Menschen mit Rot-Grün-Sehschwäche: Ihr integriertes Metamaterial spreizt die Farbanteile des Lichts so auf, dass die Photorezeptoren im Auge sie besser unterscheiden können. Dies gleicht die Fehlfunktion dieser Sehsinneszellen bei den Betroffenen aus, durch die die Rezeptoren für Grün auch auf rote Lichtanteile reagieren. Dafür gibt es schon heute Brillen mit speziellen Filtermaterialien, das Metamaterial macht es jedoch möglich, diese korrigierende Farbaufspreizung sogar in eine Kontaktlinse zu integrieren.

Möglich wird dies durch ovale Gold-Ellipsen im Nanoformat, deren Anordnung die spezifische Brechung nur der gewünschten Farbanteile des Lichts bewirkt. „Die nanostrukturierte Kontaktlinse verschiebt die inkorrekt wahrgenommenen Farben näher zur Originalfarbwirkung“, berichten die Forscher. „Der Fehler der Farbsichtigkeit kann dadurch bis um einen Faktor von zehn korrigiert werden.“

Konverterlinse
Die Konverterlinse wandelt UV-Licht von 394 Nanometer Wellenlänge in fokussiertes Vakuum-UV mit 197 Nanometer Wellenlänge um. © M. Semmlinger/Rice University

Nanostruktur als Licht-Konverter

Durch ihren Einfluss auf die Phase des Lichts können einige Meta-Linsen sogar als eine Art Licht-Trafo fungieren. Sie können energieärmeres langwelliges Licht in kurzwelligeres Licht umwandeln. Ein Beispiel dafür im Mai 2022 Forschende um Catherine Arndt von der Rice University in Texas demonstriert. Sie haben ein Metamaterial entwickelt, das „normales“ ultraviolettes Licht mit 394 Nanometer Wellenlänge in konzentriertes Vakuum-UV-Licht mit nur noch 197 Nanometer Wellenlänge umwandelt.

Das Vakuum-UV-Licht wird unter anderem bei der Halbleiterherstellung, in der Photochemie und in der Materialforschung benötigt. „Konventionelle Materialien können normalerweise aber kein Vakuum-UV erzeugen“, erklärt Arndt. „Man braucht dafür spezielle nichtlineare Kristalle, die groß, teuer und oft exportbeschränkt sind. Dadurch ist Vakuum-UV ziemlich teuer.“ Gängige Anlagen dafür sind so groß wie Tiefkühltruhen und kosten zehntausende Euro.

Doch dank Metamaterialien geht es auch anders: Arndt und ihr Team haben eine mikroskopisch kleine Meta-Linse entwickelt, die nur 45 Mikrometer dick ist und aus durchsichtigem Zinkoxid besteht. Zum Metamaterial wird sie, weil in ihre Vorderseite konzentrische Kreise aus winzigen Dreiecken eingeätzt sind. Diese Struktur verhält sich wie ein harmonischer Oszillator und führt zu einem Resonanzeffekt, durch den die Frequenz des einfallenden Lichts verdoppelt wird – der UV-Strahl wird kurzwelliger. Die neuartige Meta-Linse wirkt dadurch als Frequenzverdoppler und fokussiert den Strahl gleichzeitig ohne Energieverlust. Diese Technik eröffnet damit neue Möglichkeiten, Vakuum-UV-Licht ohne große und teure Anlagen zu erzeugen.

Hologramm-Videos aus Korkenzieher-Licht

Die Fähigkeit von Metamaterialien, grundlegende Merkmale des Lichts zu manipulieren, lässt sich auch für die Erzeugung von Hologrammen und sogar Hologramm-Videos nutzen. Ein Beispiel dafür haben Haoran Ren von der Ludwig-Maximilians-Universität München kürzlich vorgestellt. Ihr neuartiges Hologramm-Display besteht aus einer Metaoberfläche mit hunderten von Nano-Polymersäulen in verschiedener Ausrichtung und Höhe. Diese Struktur mit „Korkenzieher“-Licht bestrahlt, dessen Bahndrehimpuls schraubenförmig gedreht ist und die Videodaten kodiert. Die Säulchen teilen diese Lichtsignale auf eine spezielle Weise auf, die Hologramme entstehen lässt.

Der große Vorteil: Durch diese Metaoberfläche lässt sich die normalerweise sperrige Apparatur für die Hologramm-Erzeugung stark verkleinern. Dank ihrer flachen Form könnte diese Technik daher unter anderem holografische Head-up-Displays, mobile Augmented-Reality-Anwendungen und Deep-Learning-Mikroskopie ermöglichen, wie das Team erklärt. In einem ersten Test erzeugte die Kombination von Metamaterial und Korkenzieher-Licht bereits Hologramm-Videos mit jeweils rund 100 Einzelbildern und einer Auflösung von 260 Pixeln pro Inch.

Wie Metamaterialien Objekte unsichtbar machen

Auf dem Weg zur Tarnkappe

Tarnkappen und Tarnmäntel gehörten lange ins Reich der Science-Fiction und Fantasy: Harry Potter und andere Helden solcher Geschichten stülpen sich einfach einen speziellen Mantel um – und schon sind sie unsichtbar. Doch mit den Metamaterialien rücken solche Tarnstoffe nun in den Bereich des Machbaren.

Tarnmantel
Das ultradünne Metamaterial des Tarnmantels ist mit Goldblöckchen bedeckt, die das einfallende Licht manipulieren. © Xiang Zhang group /UC Berkeley

Sichtbarkeit ist eine Frage des Strahlengangs

Normalerweise sehen wir Objekte, weil die Lichtstrahlen auf sie treffen und von der Oberfläche des Menschen oder Gegenstands reflektiert werden. Diese reflektierte Strahlung erreicht unsere Augen und verrät uns, dass da etwas den ungestörten Gang des Lichts blockiert. Das Objekt wird für uns sichtbar und das Muster der reflektierten und absorbierten Strahlung gibt ihm Farbe und Kontur. Um ein solches Objekt unsichtbar zu machen, muss eine Tarnkappe diese charakteristische Ablenkung des Lichts verhindern.

Genau dies lässt sich durch Metamaterialien erreichen: Die Brechungseffekte ihrer Nanostruktur gleichen die Veränderungen aus, die die Strahlung durch Kontakt mit dem Objekt erfährt. Das vom Betrachter wahrgenommene Licht sieht dann so aus, als wäre es nie mit dem zu tarnenden Objekt in Berührung gekommen. Wie bei anderen Meta-Anwendungen auch, müssen Form und Größe der Metastruktur dabei an die Form des zu tarnenden Objekts und an die Wellenlänge des abzulenkenden Lichts angepasst sein.

Ein Tarnmantel für rotes Licht

Dass solche Metamaterial-Tarnkappen tatsächlich funktionieren, haben Wissenschaftler in den letzten Jahren schon an mehreren Beispielen demonstriert. Sie entwickelten Tarnkappen für Mikrowellen, Infrarotlicht oder auch einzelne Bereiche des sichtbaren Lichts. Allerdings sind sie ziemlich unhandlich und können nur Objekte kaschieren, die viel kleiner sind als sie selbst. „Sie ähneln weniger Harry Potters Umhang als vielmehr Harry Potters Schuppen“, erklärt John Pendry vom Imperial College London.

Aber ein echter Harry-Potter-Tarnmantel rückt langsam näher: 2015 haben Forscher der University of California in Berkeley erstmals ein Metamaterial vorgestellt, das extrem dünn ist und selbst unregelmäßig geformte, größere Objekte kaschieren kann. „Unser ultradünner Tarnmantel sieht wirklich wie ein Umhang aus“, erklärt Studienleiter Xingjie Ni.

Das neuartige „Tarntuch“ besteht aus einem nur 80 Nanometer dicken Metamaterial, das sich wie eine dünne Haut an darunter liegende Objekte anschmiegen kann. Auf seiner Oberfläche sitzt eine Nanostruktur aus winzigen Goldblöckchen. Die Metaoberfläche des Tarnmantels manipuliert das einfallende Licht so, dass Unebenheiten kaschiert werden. In ersten Tests wurden dadurch unregelmäßig geformte Objekte von knapp 40 Mikrometern Größe unsichtbar.

Schlechte Karten für Harry Potter

Allerdings: Harry Potter würde dieser Tarnmantel wenig nützen. Denn ähnlich wie die meisten Metamaterial-basierten Tarnkonstrukte funktioniert auch er nur für eine bestimmte Wellenlänge des Lichts – in diesem Fall rotes Licht von 730 Nanometer Wellenlänge. Wer diesen Mantel trägt, würde daher zwar einen merkwürdigen Farbstich bekommen, wäre aber noch problemlos erkennbar. Zwar gibt es bereits erste Metamaterialien, die eine etwas größere Bandbreite der Strahlung manipulieren können. Aber auch sie decken nur einen sehr kleinen Ausschnitt des sichtbaren Lichts ab.

Bis es Metamaterialien gibt, die ein Objekt oder eine Person tatsächlich unsichtbar machen können, wird es daher wohl noch eine ganze Weile dauern – falls es überhaupt jemals möglich wird.

 

Wie Metamaterialien Radiowellen und sogar Schall manipulieren

Mehr als nur Licht

Eine Stärke der Metamaterialien liegt in ihrer Vielseitigkeit: Je nach Größe und Form ihrer Struktur können sie neben Licht auch andere Bereiche der elektromagnetischen Strahlung, aber auch Magnetfelder und sogar Schall beeinflussen und auf exotische Weise manipulieren.

Meta-Absorber gegen Radio-Störsignale

Praktischen Nutzen hat dies schon jetzt in der Radioastronomie: US-Forscher haben 2021 eine Metamaterial-Beschichtung entwickelt, die unerwünschte Streustrahlung in den Radioteleskopen des Simons Observatory in Chile schluckt. Dieses Teleskop soll künftig die kosmische Hintergrundstrahlung und andere langwellige Strahlung aus der Frühzeit des Kosmos mit hoher Auflösung beobachten. Weil diese Strahlung jedoch Laufe der Jahrmilliarden extrem abgeschwächt wurde, ist eine entsprechend hohe Sensitivität notwendig.

„Wenn die Detektor-Sensitivität von Teleskopen im Millimeterwellen-Bereich besser wird, wird es jedoch immer wichtiger, gestreute Photonen zu kontrollieren“, erklärt Zhilei Xu von der University of Pennsylvania. Dafür sollen Platten aus einem Metamaterial sorgen, das aus Kunststoff und Kohlenstoffpartikeln besteht und speziell strukturiert wurde. „Durch eine wenig reflektierende Oberfläche kombiniert mit einer Matrix aus hochabsorbierendem Material können diese Metamaterial-Platten unerwünschte Signale fast perfekt abfangen“, sagt Xu.

Metamaterial
Das aktive Metamaterial verändert die Reflexionswinkel und ermöglicht so das räumlich getrennte Senden und Empfangen auf gleicher Frequenz. © Eleftheriades et al. / Nature Communications, CC-by 4.0

Aktives Metamaterial für effizienteren Mobilfunk

Es geht aber auch umgekehrt: Kanadische Forscher haben ein Metamaterial entwickelt, das die Mikrowellen-Signale von Mobilfunk und WLAN umlenken und verstärken kann. Die Struktur umfasst 20 Millimeter kleinen Grundeinheiten, die anders als bei anderen Metamaterialien aktiv steuerbar sind: Sie bestehen aus „Superzellen“ aus einer dielektrischen Schicht zwischen zwei Leitern, die winzige Antennen mit einstellbaren Phasenwandlern bilden.

„Wenn eine elektromagnetische Welle einer bestimmten Frequenz die Metaoberfläche trifft, verstärkt diese Oberfläche die Welle und reflektiert sie in die gewünschte Richtung“, erklären George Eleftheriades und Sajjad Taravati von der University of Toronto. Die Besonderheit dabei: Anders als bei bisherigen Telekommunikationssignalen ist der Austrittswinkel dadurch nicht automatisch gleich dem Eintreffwinkel. Diese müssen deshalb beim Zurückstrahlen leicht in ihrer Frequenz moduliert werden, damit sie die entgegenkommenden Wellen nicht stören.

Beim Metamaterial-Reflektor ist dies nicht nötig, weil dieser den Austrittswinkel des Signals gerade genug verändert, um solche Störeffekte auszuschließen. „Indem wir die Empfangs- und Sendepfade räumlich entkoppeln, könne wir echte Full-Duplex-Systeme schaffen, die eine bidirektionale Kommunikation gleichzeitig und auf der gleichen Frequenz ermöglichen“, sagt Eleftheriades. Das erhöhe die nutzbare Bandbreite und verdopple die Kapazität des Systems.

Ein Meta-Ring als Schalldämpfer

Sogar Schall, der keine elektromagnetische Welle ist, lässt sich mithilfe von speziell strukturierten und geformten Metamaterialien manipulieren. „Heutige Schallschutzwände sind meist dicke, massive Wände“, erklärt Reza Ghaffarivardavagh von der Boston University. Sie können zwar Lärm entlang der Autobahn oder eine Bahnstrecke abhalten, sind aber für mobile Einsätze direkt an der Lärmquelle wie beispielsweise an einer Flugzeugturbine ungeeignet.

Meta-Schalldämpfer
Im Ring befindet sich eine helikale Mikrostruktur, die den Schall manipuliert. © Cydney Scott/ Boston University

Doch es geht auch anders – mithilfe eines Metamaterials, wie Ghaffarivardavagh und seine Kollegen im Jahr 2019 demonstrierten. Ihr neuartiger Schalldämpfer ähnelt auf den ersten Blick einem simplen Plastikring. Doch wenn dieser vor einen Lautsprecher montiert wird, verstummt der zuvor laute Lärm abrupt. „Als wir diesen Dämpfer platzierten, war es ein Unterschied wie Tag und Nacht“, berichten die Forscher. Der dünne Ring schluckte 94 Prozent des durch ihn hindurchlaufenden Schalls.

Das Geheimnis dieses Meta-Dämpfers steckt im Aufbau seines Rings. Er besteht aus zwei Schichten, deren Struktur stark kontrastierende akustische Eigenschaften hat. Das führt dazu, dass Schallwellen, die die Öffnung passieren, asymmetrisch abgelenkt und letztlich zurück in ihre Ausgangsrichtung reflektiert werden – wie an einer unsichtbaren Wand. Das Entscheidende dabei: „Unsere Struktur ist extrem leicht und offen“, erklären die Forscher.

Dadurch kann der Schallschutzring beispielsweise direkt unter den Rotoren einer Drohne oder an einer Flugzeugturbine angebracht werden: Die Luft strömt ungehindert hindurch, der Schall aber bleibt zurück. „Das hindert den Lärm daran, zum Boden hinunter zu gelangen“, so Ghaffarivardavagh. Weil der Ring aus Metamaterial auch andere Formen annehmen kann, beispielweise den einer sechseckigen Wabe, lässt sich der Metamaterial-Schalldämpfer an verschiedenen Anwendungen anpassen. „Wir können das Prinzip mathematisch so anpassen, dass es den Schall von allem Möglichen schluckt“, so das Team.