Planetenzerstörer, Kristallkugeln und stellare Wiedergänger

Weiße Zwerge

Weißer Zwerg
Weiße Zwerge sind das, was von sonnenähnlichen Sternen übrig bleibt.© NOIRLab/NSF/AURA, J. da Silva

Weiße Zwerge sind die kleinen, dichten Reste von massearmen Sternen – auch unsere Sonne wird so enden. Doch was dann mit einem solchen Sternenrest und seinem Planetensystem passiert, ist vielfältiger und spannender als lange gedacht. Und noch immer geben einige Weiße Zwerge den Astronomen Rätsel auf.

Lange galten Weiße Zwerge als weitgehend inaktive, erloschene Sterne. Doch in letzter Zeit haben Astronomen bei diesen kleinen, aber dichten Sternenresten einige überraschende Aktivitäten entdeckt. Einige entpuppten sich als riesige Kugeln aus Diamant, andere zeigen ungewöhnliche Ausbrüche und Pulsationen, wieder andere erwachen sogar zu neuem Leben. Und auch das Schicksal der Planeten in ihrem Orbit ist variabler als lange gedacht.

Was sind Weiße Zwerge und wie entstehen sie?

Was von Sternen übrig bleibt

Wenn Sterne wie unsere Sonne oder Rote Zwerge wie unser Nachbar Proxima Centauri das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben, werden sie zum Weißen Zwerg – einem dichten, kleinen Sternenrest. Sie teilen damit das Schicksal der großen Mehrheit aller Sterne in unserer Galaxie und anderswo. Doch wie wird ein Stern zum Weißen Zwerg? Und was zeichnet ihn aus?

Sternenentwicklung
Lebenszyklus eines sonnenähnlichen Sterns. © aswara.awad/ CC-by-sa 3.0

Vom Stern zum Weißen Zwerg

In gut sieben Milliarden Jahren wird unsere Sonne einen Großteil ihres Brennstoffs aus Wasserstoff und Helium verbraucht haben – ihre Kernfusion lässt nach. Nachdem sie sich schon zuvor zum Roten Riesen aufgebläht hat, kann nun der aus ihrem Inneren nach außen wirkende Strahlungsdruck ihrer eigenen Schwerkraft nicht mehr standhalten – der Todeskampf unseres Sterns beginnt.

In einer Art „Alterszittern“ schleudert die Sonne nun in wiederholten Eruptionen Teile ihrer Hülle ins All hinaus. Sie verliert dadurch rund die Hälfte ihrer Masse. Parallel dazu verdichtet sich auch der Kern unseres sterbenden Sterns: Weil der Gegendruck durch die Kernfusion fehlt, wird das Kernmaterial stark komprimiert. Ist dieser Prozess abgeschlossen, ist die Sonne zu einem Weißen Zwerg geworden – einem Sternenrest, der fast nur noch aus stark verdichtetem Kernmaterial besteht.

Klein, aber extrem schwer

Wie unsere Sonne als Weißer Zwerg aussehen könnte, lässt sich an einem nur rund 8,5 Lichtjahre entfernten Exemplar dieser Sternenreste beobachten: Sirius B, dem Begleiter des hellsten Sterns am Nachthimmel. Dieser uns am nächsten liegende Weiße Zwerg ist etwa so groß wie die Erde, hat aber fast die Masse der Sonne – rund 0,98 Sonnenmassen. Seine Materie ist demnach so komprimiert, dass nur ein Teelöffel davon fünf Tonnen wiegen würde.

Sirius B
Der Weiße Zwerg Sirius B (Pfeil) in einer Aufnahme des Weltraumteleskop Hubble.© NASA/ESA, H. Bond (STScI), M. Barstow/ University of Leicester

Sirius B ist damit ein relativ typischer Vertreter seiner Zunft. Denn Weiße Zwerge sind zwischen 0,5 und knapp 1,4 Sonnenmassen schwer und haben den einfachen bis doppelten Durchmesser der Erde. Als Folge der hohen Dichte herrscht auf der Oberfläche von Sirius B eine rund 375.000-fach höhere Schwerkraft als auf der Erde. Ein Mensch von rund 80 Kilogramm Gewicht würde auf diesem Sternenrest rund 30 Millionen Kilogramm wiegen.

Die Gravitation von Sirius B ist so hoch, dass selbst sein Licht einiges an Energie verliert, wenn es aus dieser Schwerkraftsenke herausstrahlt – im Lichtspektrum macht sich dies als gravitative Rotverschiebung der Wellenlängen um rund 0,1 Nanometer bemerkbar.

Größenparadox und entartete Materie

Das Merkwürdige jedoch: Während „normale“ Himmelskörper umso massereicher werden, je größer sie sind, ist dies bei Weißen Zwergen genau umgekehrt. So haben Astronomen im Jahr 2021 in rund 150 Lichtjahren Entfernung einen Weißen Zwerg entdeckt, der mit 1,35 Sonnenmassen nahe der Obergrenze des für diese Sternenreste Möglichen liegt. Gleichzeitig aber hat der Weiße Zwerg ZTF J1901+1458 nur einen Radius von 2.140 Kilometern und ist damit der bislang kleinste seiner Art – er ist kaum größer als der Erdmond.

Wie aber ist dieses Paradox zu erklären? Dahinter steht ein fundamentaler Wandel, den die Materie im Inneren des Weißen Zwergs durchmacht – sie entartet. Normalerweise schreibt das sogenannte Pauli-Prinzip vor, dass fermionische Teilchen wie Elektronen und Quarks nie zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein können. Jedes dieser Teilchen beansprucht einen gewissen Freiraum um sich herum. Da alle Materie aus diesen Teilchen besteht, kann sie nur bis zu einem gewissen Grad komprimiert werden – eigentlich.

Doch wenn der Druck zu groß wird, geben die Elektronen nach und rücken enger aneinander und an den Atomkern. Dadurch kann ein Weißer Zwerg mit wachsender Masse schrumpfen. Gleichzeitig jedoch steigt der Widerstand der Elektronen gegen diesen Entartungsdruck und erzeugt eine Kraft, die der Gravitation entgegenwirkt. Die Entartung der Materie im Inneren des Weißen Zwergs wirkt so seinem Kollaps entgegen.

Wie viele Weiße Zwerge gibt es?

So exotisch dies anmuten mag – im Kosmos sind Weiße Zwerge keine Seltenheit. Im Gegenteil: Astronomen schätzen, dass es allein im nahen Umkreis von 65 Lichtjahren um die Sonne mindestens 129 solche Sternenreste gibt. Insgesamt könnten zehn Prozent aller Sterne in der Milchstraße bereits zum Weißen Zwerg geworden sein. Und auf lange Sicht wird der größte Teil aller Sterne im Universum zu diesen kleinen, aber hellen Relikten werden.

Wann dies der Fall ist, hängt allerdings vom Sternentyp ab: Sonnenähnliche Sterne wie unser Heimatstern erreichen das Stadium des Weißen Zwergs im Schnitt nach elf bis 13 Milliarden Jahren. Die noch masseärmeren Roten Zwerge werden gängiger Theorie nach auch als Weißer Zwerg enden. Weil ihre Lebensdauer aber bei mehreren Milliarden bis Billionen von Jahren liegen kann, haben Astronomen bisher kein Exemplar eines solchen „toten“ Roten Zwergs entdeckt – vermutlich hat einfach noch keiner dieser Sterne das Ende seines Lebenszyklus erreicht.

Doch wie geht die Geschichte der Weißen Zwerge weiter?

Wie entwickeln sich Weiße Zwerge?

Vom Sternrest zur Diamantkugel

Es erscheint paradox: Im Inneren eines Weißen Zwergs läuft keine Kernfusion mehr ab, der Motor für seine Hitze und Leuchtkraft ist erloschen. Trotzdem sind junge weiße Zwerge um ein Vielfaches heißer als die Sonne und ihre Leuchtkraft übertrifft die unseres Sterns um das Hundertfache.

Diamant-Stern
Wenn Weiße Zwerge genügend abgekühlt sind, kristallisiert ihr Inneres aus – sie werden zu kosmischen Kristallkugeln.© University of Warwick/ Mark Garlick

Langsame Abkühlung

Der Grund ist die im Inneren der Sternenreste stark komprimierte Materie. Bei jungen Weißen Zwergen ist in diesem dichten Plasma noch so viel Energie gespeichert, dass sie bis auf gut 150.000 Kelvin aufgeheizt werden können – sie strahlen daher intensiv bläulich-weiß. Typischerweise bildet dabei Sauerstoff als das schwerste Element den Kern des Weißen Zwergs, darauf folgt eine Schicht aus Kohlenstoff. Beide zusammen machen die Hauptmasse des Weißen Zwergs aus. Außen schließen sich meist dünne Restbestände der stellaren Hülle aus Helium und Wasserstoff an.

Weil Weiße Zwerge so klein sind und vergleichsweise wenig Hitze über ihre Oberfläche verlieren, kühlen sie nur langsam ab. Die bisher kühlsten bekannten Exemplare haben für ein Absinken ihrer Temperatur auf rund 3.800 Kelvin fast so lange gebraucht wie das Universum besteht: elf bis zwölf Milliarden Jahre. Astronomischen Modellen zufolge könnte es hunderte Billionen Jahre dauern, bis solche Sternenreste komplett auskühlen und zu kalten, dunklen Schwarzen Zwergen werden.

Der größte Diamant des lokalen Kosmos

Bevor es jedoch so weit ist, macht das Innere der Weißen Zwerge einen fundamentalen Wandel durch, wie Astronomen schon in den 1960er Jahren vermuteten. Demnach kristallisiert das Sauerstoff-Kohlenstoff-Plasma bei kühlen Weißen Zwergen aus und bildet ein kubisch-zentrisches Kristallgitter- das Sterneninnere wird zum Diamant.

Dass es solche Diamantzwerge tatsächlich gibt, demonstrierte im Jahr 1995 der rund 50 Lichtjahre entfernte Weiße Zwerg BPM 37093. Analysen zufolge könnte der rund 1,1 Sonnenmassen schwere und 8.000 Kilometer große Sternenrest zu bis zu 90 Prozent aus Diamant bestehen. Die enorme Masse dieses Kristalls wird auf rund 5 x 1029 Kilogramm geschätzt – dieser Diamant könnte damit der größte im gesamten lokalen Universum sein. Nach dem Beatles-Song „Lucy in the Sky with Diamonds“ erhielt dieser Weiße Diamant-Zwerg den Spitznamen „Lucy“.

Millionen „Kristallkugeln“ in der Milchstraße

„Lucy“ ist jedoch kein Einzelfall: 2019 haben Forscher um Pier-Emmanuel Tremblay von der University of Warwick die Temperatur- und Spektralkurven von 15.000 Weißen Zwergen ausgewertet – und eine Auffälligkeit entdeckt. In den Kurven zeigte sich bei bestimmten Temperatur-Helligkeitswerten eine Art „Stau“ von Weißen Zwergen, sichtbar als signifikanter Buckel in der Kurve.

„Dieser masseabhängige Stau im Diagramm resultiert daraus, dass die Weißen Zwerge durch die Abgabe ihrer latenten Wärme bei der Kristallisation mehr Zeit in dieser Phase verbringen“, erklären die Astronomen. Aus ihren Daten schließen sie, dass es allein in unserer Heimatgalaxie schon Millionen von Weißen Zwergen zu Kristallkugeln geworden sind. Auch unsere Sonne könnte irgendwann in sehr ferner Zukunft zu einem solchen Diamant-Zwerg werden.

Stellare Kannibalen, Novae und Supernovae

Explosive Wiedergänger

Auf den ersten Blick scheinen Weiße Zwerg eher langweilig: Sie strahlen als Sternreste vor sich hin und werden dabei allmählich immer kühler und dunkler – so die gängige Annahme. Doch das ist keineswegs immer der Fall. Einige Weiße Zwerge durchlaufen heftige Explosionen bis hin zur Supernova – und können sogar eine Wiederauferstehung erleben.

Nova
Wenn ein Weißer Zwerg einem Begleiter Material absaugt, erzeugt dies oft Explosionen – Novae. © NASA/CXC, M.Weiss

Sternenreste als Kannibalen

Weiße Zwerge werden vor allem dann „verhaltensauffällig“, wenn sie nicht allein im All stehen, sondern Teil eines Doppelsternsystems sind. Kreisen dann beide Partner relativ eng beieinander, kann der dichte, schwere Sternenrest seinem Partnerstern dank seiner hohen Anziehungskraft Material absaugen – er wird zum stellaren Kannibalen. Typischerweise führt dies dazu, dass der Weiße Zwerg eine Akkretionsscheibe aus Wasserstoffgas um sich herum ansammelt, in der es immer wieder zu explosiven Ausbrüchen kommt.

Bei solchen Novae kommt es zu kurzzeitigen Fusionen von Wasserstoff, die starke Strahlung und Energie freisetzen. In der resultierenden Explosion schleudert der Weiße Zwerg große Teile seiner „gestohlenen“ Wasserstoffhülle wieder aus. Bemerkbar macht sich eine solche Nova durch ein plötzliches, starkes Aufleuchten des Sternsystems, das dann für kurze Zeit alle umliegenden Himmelskörper überstrahlen kann.

Schon vor Jahrhunderten beobachteten Menschen solche Novae am Himmel und hielten sie für das Aufleuchten eines neuen Sterns – daher der Name „Nova“. Ein solches Ereignis beschrieben beispielsweise koreanische Sternkundler im Jahr 1437: Am 11. März jenes Jahres leuchtete im Sternbild Skorpion plötzlich ein Stern hundertausendmal heller als zuvor und überstrahlte seine gesamte Umgebung. 14 Tage lang hielt dieser Schein an, dann verblasste der Stern wieder. Erst 2017 gelang es Astronomen, den Urheber dieser „Nova Scorpii 1437“-Explosion zu identifizieren: Es war ein Weißer Zwerg in einem Doppelsystem, der auch heute noch schwächere Ausbrüche durchlebt.

Sakurais Stern: der Wiedergeborene

Doch es gibt auch Weiße Zwerge, die wieder zu neuem Leben als Stern erwachen – wenn auch nur vorübergehend. Ein solcher „Wiedergänger“ ist der 1996 von dem japanischen Astronom Syuichi Nakanao entdeckte „Sakurais Stern“ im Sternbild Sagittarius. Wegen seines deutlichen, wenn auch ungewöhnlich lange anhaltenden Aufleuchtens hielt Nakano das Objekt zunächst für einen Weißen Zwerg, der eine langsame Nova durchlief.

Merkwürdig nur: Das Lichtspektrum dieser vermeintlichen Nova zeigte statt der erwarteten starken Wasserstoff-Signaturen vor allem Spektrallinien von Sauerstoff und Kohlenstoff. Demnach konnte bei diesem Ausbruch nicht nur die Wasserstoffhülle des Sternenrests explodiert sein. Was aber war es dann? Weitere Beobachtungen zeigten, dass Sakurais Stern in den Folgejahren immer röter wurde und verblüffend viele Merkmale eines Roten Riesen zeigte – des Stadiums, aus dem Weiße Zwerge eigentlich hervorgehen.

Das aber bedeutet: Der Weiße Zwerg hatte es irgendwie geschafft, das Ende seiner Kernfusion rückgängig zu machen und wieder zu einem echten Stern zu werden. Astronomen gehen davon aus, dass dies durch einen sogenannten Helium-Flash geschieht, bei dem Temperatur und Dichte der Heliumreste im Sternenrest so stark zunehmen, dass es zu einem kurzzeitigen Aufflammen der Helium-Kernfusion kommt. Bisher kennen Astronomen nur zwei solcher stellaren Wiedergänger: Sakurais Stern und den rund 14.000 Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg V605 Aquilae.

Allerdings: Weil Weiße Zwerge nur noch einen geringen Heliumvorrat besitzen, hält diese Wiedergeburt nicht lange an. Auch Sakurais Stern ist inzwischen wieder zum Weißen Zwerg geworden.

Supernova Typ 1a
Typ-1a-Supernova im Modell: der Kollaps des „übergewichtigen“ Sternenrests löst in seinem Zentrum eine thermonukleare Explosion aus, die ihn auseinandersprengt. © Argonne National Laboratory/ CC-by-sa 2.0

Überfressen: die Supernova Typ 1a

Nicht immer bleiben Weiße Zwerge jedoch bei ihren Explosionen verschont oder erwachen zu neuem Leben: Während bei einer Nova nur ihre Gashülle explodiert, ist dies bei einer Supernova vom Typ 1a anders. Sie ereignet sich, wenn ein Weißer Zwerg zu „gierig“ wird und so viel Material von seinem Begleiter absaugt, dass er eine Massengrenze überschreitet.

Dieses sogenannte Chandrasekhar-Limit liegt bei 1,4 Sonnenmassen. Ab dieser Grenze reicht der Widerstand der entarteten Materie im Inneren des Weißen Zwergs nicht mehr aus, um der nach innen wirkenden Gravitationskraft standzuhalten – der Sternenrest kollabiert. Durch die plötzliche Zunahme von Druck und Temperatur kommt es zu einer thermonuklearen Kettenreaktion, bei der Kohlenstoff im Sternenkern innerhalb von Sekunden fusioniert – der Weiße Zwerg explodiert.

Weil diese Typ-1a-Supernovae immer bei der gleichen kritischen Masse des Sternenrests auftreten, laufen sie überall im Kosmos nahezu gleich ab und setzen die gleiche Menge an Strahlung frei – der explodierende Sternenrest leuchtet kurzeitig fünf Milliarden Mal heller als die Sonne. Für Astronomen sind Supernovae vom Typ 1a daher wertvolle Helfer bei der Entfernungsbestimmung im Kosmos und bei der Messung der kosmischen Expansion. Für den Weißen Zwerg bedeutet eine solche Typ-1a- Supernova jedoch das endgültige Ende, er wird komplett zerstört.

Wenn Weiße Zwerge verschmelzen

Die Abweichler

Es gibt Weiße Zwerge, die sich allen klassischen Kategorien entziehen. Sie sind zu schwer, zu schnell oder auch zu magnetisch für gängige Modelle und Theorien. Das wirft die Frage auf, wie solche Exoten entstanden sein könnten – und aus was?

WDJ0551+4135
WDJ0551+4135 könnte aus einer Verschmelzung zweier Weißer Zwerge hervorgegangen sein. © University of Warwick/ Mark Garlick

Der übergewichtige Exot

Einer dieser Exoten ist der rund 150 Lichtjahre von uns entfernte Weiße Zwerg WDJ0551+4135. Ihn haben Astronomen um Mark Hollands von der University of Warwick in den Daten des ESA-Satelliten Gaia aufgespürt. „Dieser Stern sticht heraus als etwas, das wir so noch nie zuvor gesehen haben“, sagt Hollands. „Wir wissen inzwischen ziemlich genau, wie ein Stern zum Weißen Zwerg wird – und ein solches Resultat kann es eigentlich dabei nicht geben.“

Der Weiße Zwerg zeigt gleich mehrere Merkmale, die für einen solchen Sternenrest ungewöhnlich sind. So ist er mit 1,14 Sonnenmassen, fast doppelt so schwer wie die meisten anderen Weißen Zwerge. Zudem bewegt sich WDJ0551+4135 deutlich schneller, als er es aufgrund seiner Temperatur und seines Alters tun dürfte. Und schließlich zeigt der Sternenrest eine merkwürdige Elementverteilung: In seiner dünnen Hülle fehlt Helium fast ganz, dafür sind Kohlenstoff und Wasserstoff nachweisbar – das wurde so noch nie bei Weißen Zwergen beobachtet.

Wie aber sind diese Anomalien zu erklären? Nach Ansicht von Hollands und seinem Team spricht all dies dafür, dass WDJ0551+4135 nicht auf normalem Wege aus einem Vorläuferstern entstanden ist. Stattdessen könnte er das Ergebnis einer stellaren Kollision sein: der Verschmelzung von zwei Weißen Zwergen. Dies würde sowohl die große Masse, als auch die für sein Alter erhöhte Temperatur und den aus dem Inneren aufgewühlten Kohlenstoff erklären.

Rätsel um Tychos Supernova

Tatsächlich ist WDJ0551+4135 nicht der einzige Weiße Zwerg, der aus einer solchen Verschmelzung hervorgegangen sein könnte. Auch bei einigen anderen „übergewichtigen“ und auffallend heißen Sternenresten vermuten Astronomen einen solchen Ursprung. Sogar eine der bekanntesten historischen Sternexplosionen könnte nach Ansicht einiger Forscher durch die Kollision zweier Weißer Zwerge entstanden sein: Tychos Supernova.

Der dänische Astronom Tycho Brahe beobachtete dieses Ereignis im Sternbild Cassiopeia im Herbst 1572. Einige Wochen lang strahlte dort ein „neuer Stern“ sogar heller als die Venus, um dann langsam wieder zu verblassen. Für das damalige Weltbild war dies revolutionär, hielt man doch das Firmament für unveränderlich und gottgegeben. Heute jedoch ist klar, dass Brahe die Explosion eines Sterns beobachtet haben muss – aber was für eine?

Tychos Supernova
War auch „Tychos Supernova“, hier der glühende Überrest, in Wahrheit eine Kollision zweier Weißer Zwerge? © NASA/CXC/Rutgers, J.Warren & J.Hughes et al.

Lange galt „Tychos Stern“ als klassische Supernova vom Typ 1a – als Explosion eines Weißen Zwergs, der sich an dem von seinem Begleitstern abgesaugten Material „überfressen“ hatte. 2008 gelang es Astronomen, aus dem gespiegelten Restlicht dieser Explosion spektrale Indizien für eine solche Supernova abzuleiten. 2011 entdeckte ein Forscherteam mögliche Relikte des damaligen Begleitsterns.

2017 jedoch analysierten Astronomen um Tyrone Woods von der australischen Monash University die Gaswolke um den Überrest dieser Sternexplosion – und fanden Überraschendes: Eigentlich müssten diese Gase noch durch die Hitze und Strahlung der Supernova ionisiert sein. Stattdessen aber bestanden die Explosionsrelikte überwiegend aus neutralem Gas, was auf ein kühleres, energieärmeres Ereignis hindeutet. Nach Ansicht der Astronomen kann das Ereignis, das Tycho Brahe beobachtete, demnach keine Typ-1a-Supernova gewesen sein – wohl aber die Verschmelzung zweier Weißer Zwerge.

Weiße Zwerge im Todestanz

Wie eine solche Verschmelzung zweier Weißer Zwerge zustande kommt und was davor geschieht, haben Astronomen im Jahr 2015 erstmals beobachtet. Im Planetarischen Nebel Henize 2-428 entdeckten sie ein Paar solcher Sternenreste, die sich mit einer Umlaufzeit von rund vier Stunden bereits sehr eng umkreisen – Tendenz weiter fallend. Nach Schätzungen der Astronomen könnten die beiden Weißen Zwerge noch innerhalb der nächsten 700 Millionen Jahre kollidieren.

Die Folge dieser Kollision wäre eine Supernova. Denn mit 1,8 Sonnenmassen bringen beide Weiße Zwerge mehr Gewicht auf die Waage als es nach dem Chandrasekhar-Limit zulässig ist. Das Verschmelzungsprodukt wäre demnach nicht stabil und würde explodieren. „Bis heute war die Entstehung von Typ-1a-Supernovae durch die Verschmelzung zweier Weißer Zwerge reine Theorie“, erläuterte David Jones von der Europäischen Südsternwarte (ESO). „Das Sternenpaar von Henize 2-428 macht es real.“

Kann es um Weiße Zwerge noch Welten geben?

Planetenzerstörer und Lebensspender

Wenn unsere Sonne einst das Ende ihres Lebenszyklus erreicht, bedeutet dies für die Erde und ihre Nachbarplaneten das Ende. Denn schon beim Aufblähen der Sonne zum Roten Riesen werden sie zerstört und verschlungen. Wenn dann die sterbende Sonne zum Weißen Zwerg geworden ist, bleibt vom inneren Sonnensystem nur eine große Leere. Doch wie ist dies mit den äußeren Planeten? Können Jupiter, Saturn und die Eisriesen Uranus und Neptun den Tod unseres Sterns überstehen?

WEißer Zwerg und Trümmer
Planeten können das Ende ihres Sterns überleben, wenn sie weit genug außen kreisen. © NASA/ESA and Z. Levy (STScI)/ CC-by-sa 3.0

Planetentod am Weißen Zwerg

Hinweise auf das Schicksal von Planeten beim Sternentod liefern mehrere Weiße Zwerge, um die Astronomen bereits Staubringe und Planetentrümmer entdeckt haben. Bei einem 410 Lichtjahre entfernten Sternenrest könnte sich in der Trümmerscheibe sogar noch der Rest eines Planetenkerns verbergen. Er hat die enormen Gezeitenkräfte in der Nähe des Weißen Zwergs wahrscheinlich nur deshalb überstanden, weil er aus massivem Metall besteht.

Wie die Anziehungskraft eines Weißen Zwergs auf nahe Planetenreste wirkt, haben Astronomen bei dem nur 44 Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg G29-38 erstmals direkt beobachtet. Aufnahmen des NASA-Röntgenteleskops Chandra zeigten mehrfach Röntgenstrahlen-Ausbrüche auf der Oberfläche des Weißen Zwergs. Aus dem Spektrum dieser Strahlung schließen die Forschenden, dass sie von Planetentrümmern stammt, die auf dem Weißen Zwerg einschlagen. „Diese Detektion liefert uns den ersten direkten Nachweis, dass Weiße Zwerge die Überreste ihres Planetensystems vertilgen“, sagt Tim Cunningham von der University of Warwick.

Es gibt auch Überlebende

Doch es kann auch Überlebende geben. Das demonstriert unter anderem der rund 6.500 Lichtjahre entfernte Weiße Zwerg MOA-2010-BLG-477Lb, der von einem planetaren Begleiter umkreist wird – einem Gasriesen mit der 1,4-fachen Masse des Jupiter. „Dies bestätigt erstmals, dass Planeten den Tod ihres Sterns überleben können, wenn sie in einem ausreichend großen Abstand kreisen“, sagt Joshua Blackman von der University of Tasmania.

Merkwürdig ist allerdings, dass der Gasriese nur 2,8 astronomische Einheiten vom Weißen Zwerg entfernt kreist. Das entspricht etwa der Lage des Asteroidengürtels in unserem Sonnensystem und ist damit gängiger Theorie nach viel zu nah, um den Sternentod überlebt zu haben. Die Astronomen vermuten jedoch, dass der Planet früher weiter außen kreiste und erst mit der Bildung des Weißen Zwergs weiter nach innen gezogen wurde.

So könnte Planet MOA-2010-BLG-477Lb das Ende seines Sterns überlebt haben.© W. M. Keck Observatory/ Adam Makarenko

Lebensfreundliche Welt am Sternenrest

Und sogar potenziell lebensfreundliche Planeten könnte es um Weiße Zwerge geben, wie ein Team um Jay Farihi vom University College London kürzlich entdeckt hat. Bei der Beobachtung des 117 Lichtjahre entfernten Weißen Zwergs WD1054–22 mit Teleskopen des La Silla Observatoriums in Chile und dem TESS-Weltraumteleskop stießen sie auf eine Auffälligkeit: Alle 25 Stunden wird das Licht dieses Sternenrests durch 26 wie an einer Schnur aufgereihte Trümmerwolken abgedimmt.

Nach Ansicht der Astronomen deutet diese regelmäßige Anordnung daraufhin, dass diese Trümmer von einem noch unsichtbaren Akteur beeinflusst werden – einem Planeten. Dieser könnte etwa erdgroß sein und müsste den Weißen Zwerg in rund 2,5 Millionen Kilometern Abstand umkreisen. Damit läge der Planet genau in der habitablen Zone dieses Sternenrests.

WD1054–22
Der Weiße Zwerg WD1054–22 könnte sogar einen Planeten in der habitablen Zone besitzen. © Mark A. Garlick / markgarlick.com/ CC-by-sa 4.0

Das Team vermutet, dass dieser Himmelskörper ursprünglich weit außen um den Stern kreiste und so dessen Ende überstand. Denkbar wäre aber auch, dass der Planet erst nach dem Sternentod aus der Trümmerscheibe neu entstanden ist. „Dies ist das erste Mal, dass Astronomen einen planetaren Himmelskörper in der habitablen Zone eines Weißen Zwergs entdeckt haben“, sagt Farihi. Noch muss die Existenz dieses Planeten um WD1054–22 allerdings durch weitere Analysen bestätigt werden.

Ein zweites Leben für Planetensysteme?

Doch allein schon die Möglichkeit, dass es um solche Sternenreste lebensfreundliche Planeten geben könnte, ist ebenso spannend wie unerwartet. Denn dann könnten Weiße Zwerge nicht nur Planetenzerstörer sein, sondern auch potenzielle Horte des Lebens. Über Jahrmilliarden hinweg könnten diese Sternreste den überlebenden oder neu entstandenen Welten in ihrem Orbit Licht, Wärme und stabile Bedingungen bieten.

Für unser Sonnensystem und viele andere Planetensysteme im Kosmos bedeutet dies: Möglicherweise erleben sie nach dem Ende ihres Sterns eine Art zweites Leben – eine Renaissance um einen kleine, heißen Weißen Zwerg.