Warum Asteroiden groß geboren werden

Das Rätsel der Planetesimale

Sonnensystem
Planetesimale um eine junge Sonne – was bestimmt ihre Größe? © Mode_list/ Getty images

Die ältesten Brocken im Sonnensystem folgen einer rätselhaften Gesetzmäßigkeit: Ihre Größe ist nicht zufällig, sondern ballt sich bei rund 100 Kilometern. Aber warum? Zwei Astronomen vom Max-Planck-Institut für Astronomie könnten dieses Rätsel gelöst haben. Sie haben entschlüsselt, welche Faktoren die Größe der ursprünglichen Asteroiden bestimmen – und eine fundamentale Längenskala des frühen Sonnensystems aufgedeckt.

Als vor 4,5 Milliarden Jahren die Planetenvorläufer und Planeten entstanden, ballten sich kieselsteingroße Objekte zu größeren Ansammlungen, den sogenannten Planetesimalen, zusammen. Ihre Relikte sind heute als Asteroiden im Asteroidengürtel und im Kuipergürtel erhalten geblieben. Dabei zeigen sie eine charakteristische Größenverteilung, deren Geheimnis Astronomen nun enträtselt haben könnten.

Damit schreiben sie ein Kapitel der Planetenentstehung um die Sonne neu. Ihr Modell erlaubt zudem konkrete Vorhersagen darüber, welche Objekte Raumsonden im äußeren Sonnensystemen vorfinden müssten. Die neue Längenskala des frühen Sonnensystems liefert zudem wertvolle Hinweise für die Eigenschaften von Exoplaneten.

Der Entstehung der Asteroiden auf der Spur

Urtümliche Brocken

In gewisser Weise sind der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und der Kuipergürtel jenseits der Neptunbahn wie kosmische Museen: Beide enthalten Kleinkörper, die ein Zwischenstadium der Planetenbildung in unserem Sonnensystem darstellen. Sowohl Asteroiden als auch Kometen sind die Überreste von sogenannten Planetesimalen. Das sind feste Objekte, die groß genug sind, um durch ihre eigene Schwerkraft gebunden zu sein.

protoplanetare Scheibe
Planeten und ihre Vorläufer wuchsen durch Kollisionen in der protoplanetaren Scheibe unserer Sonne heran. © NASA

Relikte der Frühzeit

Planetesimale bildeten sich vor etwa 4,5 Milliarden Jahren, als die Sonne noch von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben war. Aus vielen Planetesimalen bildeten sich schließlich die heutigen Planeten. Doch im Asteroidengürtel verhinderte der Gravitationseinfluss des nahen Jupiter, dass sich die Planetesimale zu noch größeren Objekten zusammenfinden konnten. Und im äußeren Sonnensystem, jenseits des Neptun, begegneten sich die Planetesimale einfach nicht oft genug, um sich zu größeren Körpern zu verbinden.

Deshalb gibt es in diesen beiden Regionen unseres Sonnensystems nach wie vor Objekte, die uns einen Eindruck davon vermitteln können, wie das frühe Sonnensystem ausgesehen hat. Die dazwischen liegenden 4,5 Milliarden Jahre haben die Asteroiden natürlich nicht völlig unverändert gelassen. Der Asteroidengürtel ist zwar viel leerer, als es in Science-Fiction-Filmen den Anschein hat, und Kollisionen zwischen den Brocken sind selten.

Warum Asteroiden Familien bilden

Aber in den vergangenen Milliarden Jahren gab es dennoch eine Reihe von Kollisionen, die jeweils zahlreiche kleinere Bruchstücke hinterließen. Die Bruchstücke einer Kollision bewegen sich anschließend auf einander ziemlich ähnlichen Bahnen, laufen mit der Zeit allerdings immer weiter auseinander. Etwa ein Viertel aller bekannten Asteroiden kann einer Familie zugeordnet werden – nämlich einer Gruppe von Bruchstücken, die alle aus der gleichen Kollision hervorgegangen sind.

Anhand der Bahnparameter bekannter Asteroiden können Astronomen abschätzen, welche davon zu einer bestimmten Familie gehören. Nehmen wir den 500 Meter großen Asteroiden 101955 Bennu, der derzeit von der NASA-Raumsonde OSIRIS-Rex besucht wird, mit dem Ziel, etwas von seinem Material zur Erde zurückzubringen. Man nimmt an, dass Bennu ein Fragment eines deutlich größeren Asteroiden ist und möglicherweise zur Polana- oder Eulalia-Familie von Asteroiden gehört.

Wie wachsen Planetesimale?

Das Rätsel der Längenskalen

Als Astronomen um Marco Delbo vom Observatorium der Côte d’Azur im Jahr 2017 eine gründliche Familien-Analyse der bekannten Asteroiden vornahmen, stießen sie auf 17 Asteroiden, die offenbar keinerlei Kollisionen erlebt hatten und sich noch in demselben Urzustand befanden wie bei der Entstehung des Sonnensystems.

Asteroiden
Die Größe der primordialen Asteroiden liegt besonders häufig um 100 Kilometer. © vencavolrab/ iStock.com

Rätselhafte Häufung bei 100 Kilometern

Diese primordialen Asteroiden, und damit vermutlich auch die ursprünglichen Planetesimale, haben eine vergleichsweise enge Größenverteilung. Objekte mit einem Durchmesser von etwa 100 Kilometern sind weitaus häufiger als größere oder kleinere Objekte, entsprechend einer sogenannten Gaußverteilung. Aber warum die 100 Kilometer? Was ist das Besondere an diesem Maßstab?

An dieser Stelle kommt die Forschung von Hubert Klahr ins Spiel. Klahr ist Leiter der Theoriegruppe in der Abteilung Planeten- und Sternentstehung am Max-Planck-Institut für Astronomie. Er und seine Kollegen haben das letzte Jahrzehnt damit verbracht, immer besser zu verstehen, wie Planeten entstehen. Neue Forschungsergebnisse, die Klahr zusammen mit seinem Doktoranden und späteren Postdoktoranden Andreas Schreiber erzielte, werfen ein ganz neues Licht auf die Frage nach der bevorzugten 100-Kilometer-Skala.

Zumindest in groben Zügen ist die Geschichte der Planetenentstehung bereits seit Jahrzehnten bekannt. Nimmt man ein populärwissenschaftliches Astronomiebuch aus den 1970er Jahren zur Hand, kann man dort bereits lesen, wie von der anfänglichen Scheibe aus Gas und Staub, die die junge Sonne umgab, Materie übrigblieb, und wie sich diese Materie zu Planeten verklumpte. Aber die Details dieses Prozesses nachzuvollziehen, hat sich als erstaunlich schwierig erwiesen.

Nicht „klebrig“ genug

Der Staub in der Gasscheibe, die einen neugeborenen Stern umgibt, kann zwar tatsächlich recht einfach zu dem verklumpen, was Astrophysiker als Pebbles bezeichnen, wörtlich „Kieselsteinchen“, nämlich Klumpen von einigen Millimetern bis zu einigen Zentimetern Größe. Aber der Schritt von dort zu kilometergroßen Objekten hat der Planetenentstehungsforschung lange Zeit Probleme bereitet.

Werden Pebbles größer, passieren mehrere Dinge. Zum einen neigen Pebbles ab einer gewissen Größe dazu, bei einer Kollision eher zu zerbrechen als aneinander zu haften. Eine Zeit lang sah es zwar so aus, als könne Wassereis auf der Oberfläche der Pebbles da Abhilfe schaffen und sozusagen als Klebstoff dienen. Doch das funktionierte weniger gut als erhofft, nicht zuletzt, weil Eis bei sehr niedrigen Temperaturen nicht besonders klebrig ist. Dennoch gehen eine Reihe von Forschenden davon aus, dass Eis für den Übergang von Kieselsteinen zu größeren Objekten eine Rolle spielt.

Das Problem der Zeit

Trotzdem haben die konventionellen Szenarien, ob mit oder ohne Eis, ein Zeitskalenproblem. Das Gas der protoplanetaren Scheibe läuft um den jungen Stern mit einer geringeren Geschwindigkeit, als es ein einzelnes festes Objekt tun müsste, das den Stern umkreist. Fachsprachlich ausgedrückt bewegt sich das Gas mit weniger als der Kepler-Geschwindigkeit. Deswegen neigen größere Pebbles dazu, nach innen zu driften und schließlich in den Stern zu fallen.

Bei langsamen Wachstumsraten wären die fraglichen Objekte daher im Inneren ihres Sterns gelandet, bevor sie die erforderliche Größe erreicht hätten. Nur Objekte, die größer als etwa ein Meter sind, können dieser fatalen Drift entgehen ­– sie werden weitgehend unabhängig von den Stößen des umgebenden Gases. Doch wie können Objekte diese Größe erreichen?

Welche Faktoren die Größe der Planetesimale bestimmen

Turbulenz macht’s möglich

Seit einigen Jahren sind Hubert Klahr und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Astronomie der Rolle der Turbulenz als Lösung des Pebble-Wachstums-Problems auf der Spur. Turbulenz bezeichnet Bewegungen innerhalb eines Fluids – hier des Gases – während derer sich Fließgeschwindigkeit und Druck chaotisch ändern. Beobachtungen zeigen, dass die Gasströmung in protoplanetaren Scheiben in der Tat turbulent ist, mit chaotischen lokalen Variationen der Gasgeschwindigkeit.

Pebbles
Schema der Planetenentstehung aus Pebbles. © Hubert Klahr, Andreas Schreiber/ MPIA, Grafik: Judith Neidel

Eine Falle für die „Pebbles“

Ohne Turbulenz würden Staub und Kieselsteine eine Scheibe bilden, die so hauchdünn ist wie die Ringe des Saturns. Beobachtungen zeigen jedoch, dass der Staub stattdessen überall in der dicken Gasscheibe anzutreffen ist, die junge Sterne umgibt. Auf größeren Skalen kann die turbulente Gasbewegung in protoplanetaren Scheiben Regionen mit stark erhöhten Pebble- und Staubkonzentrationen erzeugen.

Solche Regionen können vorübergehend zu regelrechten Fallen werden, in denen Pebbles aus den umliegenden Regionen gefangen werden. In solchen Regionen können sich Brocken mit einer so großen Gesamtmasse ansammeln, dass sie durch ihre gegenseitige Schwerkraft aneinandergebunden werden. Auf diese Weise können binnen kurzer Zeit größere Objekte entstehen.

Erste Hinweise darauf, dass Turbulenz eine Schlüsselrolle bei der Planetenentstehung spielt, lieferten numerische Simulationen und deren Vergleich mit detaillierten Beobachtungen der protoplanetaren Scheiben um junge Sterne. Simulationen des damaligen MPIA-Doktoranden Anders Johansen zeigten im Jahr 2007, dass die Turbulenz die Pebbles lokal konzentriert und so relativ schnell zur Bildung von Planetesimalen führt. Aber Simulationen sind eine Sache.

Auf die Masse kommt es an

Klahr und Schreiber wollten noch genauer verstehen, was da vor sich ging – sie wollten wissen, wie sich das, was die Simulationen gezeigt hatten, aus den zugrundeliegenden physikalischen Gesetzen ergibt. Die Physik hinter der turbulenten Bildung von Planetenembryonen erwies sich dabei als überraschend einfach. Sie hat grundlegende Ähnlichkeiten mit der Entstehung von Sternen.

Astronomen wissen schon lange, dass es eine Mindestmasse für einen neugeborenen Stern gibt. Das liegt daran, dass die Gaswolken, aus denen junge Sterne entstehen, einen inneren Druck aufweisen. Erst ab einer bestimmten Gesamtmasse kann die Schwerkraft diesen Druck überwinden und das Gas zu einem Stern zusammenziehen. Die betreffende Minimalmasse wird als Jeans-Masse bezeichnet und hängt von der Gasdichte und der Temperatur ab.

Klare Zusammenhänge

Tatsächlich fanden Klahr und Schneider eine neue Art von Jeans-Masse, diesmal für die Bildung von Planetesimalen. Dort ist der zu überwindende Druck nicht von der Gastemperatur abhängig, sondern von der turbulenten Bewegung von Gas und Staub. Diese neue Jeans-Masse hängt nur von der lokalen Stärke der Turbulenz ab, und die Turbulenz-Stärke hängt ihrerseits davon ab, wie sich die Struktur der Gasscheibe ändert, wenn man sich weiter vom Zentralstern entfernt:

Fällt der Gasdruck mit der Entfernung hinreichend schnell ab, dann führt die so genannte „Strömungsinstabilität“ unweigerlich zu turbulenten Bewegungen des Gases und des Staubs. Anstatt ruhig in Richtung der Regionen mit größerem Druck zu sinken, also in Richtung des Sterns, bewegen sich die Pebbles chaotisch und wirbeln das umgebende Gas auf.

Modell
Zusammenhang von Sonnenabstand, Pebble-Masse, Turbulenz und Gezeitenkräften für die Bildung von Planetesimalen. © Hubert Klahr, Andreas Schreiber/ MPIA, Grafik: Judith Neidel

Eine Größenskala für Planetesimale

Für die meisten Regionen innerhalb unseres Sonnensystems entspricht die Jeans-Masse für eine Pebble-Wolke, die sich aus dem „Turbulenz-Gegendruck“ ergibt, einem Planetesimalen mit einer Größe von etwa 100 Kilometern. Für Pebble-Wolken mit geringerer Masse ist dagegen deutlich weniger wahrscheinlich, dass sie kollabieren – dort wäre schon eine seltene, zufällige Fluktuation nötig, um die Pebbles alle auf einmal hinreichend dicht zusammenzubringen.

Dass sich deutlich größere Pebble-Wolken bilden, ist ebenfalls weniger wahrscheinlich, weil solche Wolken bereits anfangen zu kollabieren, sobald sie die kritische Masse überschreiten. Dass sich Planetesimale mit deutlich mehr oder deutlich weniger als 100 Kilometern Durchmesser bilden, ist damit durchaus unwahrscheinlich.

Damit hatten Klahr und Schneider nicht nur die Physik der Planetesimalen-Entstehung besser verstanden, sondern gleichzeitig eine mögliche Erklärung dafür gefunden, warum es in unserem Sonnensystem eine einheitliche Längenskala für die ursprünglichen Asteroiden-Größen gibt: die Jeans-Grenzmasse für die Entstehung von Planetesimalen.

Zu Besuch im Museum des Sonnensystems

Planetarische Zeitreise

Aus den Rechnungen der Astronomen lässt sich eine Vorhersage dafür ableiten, wie groß die Überreste des frühen Planetenbildungsprozesses im äußeren Sonnensystem sein sollten. Basierend auf dem, was wir von den Eigenschaften der protoplanetaren Scheiben unserer Sonne wissen, schrumpft die Größe von primordialen Objekten, die sich in dieser äußeren Region gebildet haben, beim hundertfachen Abstand Erde-Sonne auf rund zehn Kilometer.

67P/Churyumov-Gerasimenko
Kometen wie hier 67P/Churyumov-Gerasimenko haben oft schon Kollisionen hinter sich. © ESA/Rosetta/NAVCAM

Warum Kometen nicht repräsentativ sind

Es wäre ein lohnendes Ziel einer zukünftigen Weltraummission im äußeren Sonnensystem, zu untersuchen, wie die typische Größe der dortigen Kuipergürtel-Objekte mit zunehmender Entfernung von der Sonne abnimmt. So lässt sich die Vorhersage von Klahr und Schneider direkt überprüfen. Denn Kometen, die uns aus dem äußeren Teil des Sonnensystems besuchen, dürften nicht repräsentativ sein für die ursprünglichen Größenverhältnisse im Sonnensystem. Simulationen legen nahe, dass sie seit der Entstehung des Sonnensystems zwangsläufig mehrere Kollisionen erlebt haben.

Eine direkte Mission in den Edgeworth-Kuipergürtel, wo Kollisionen weniger wahrscheinlich sind, sollte dagegen in der Lage sein, Planetesimale zu identifizieren und zu untersuchen, die nach wie vor in demselben Zustand sind wie bei der Entstehung des Sonnensystems.

Arrokoth bestätigt das Modell

Ein solches Planetesimal wurde von der NASA-Raumsonde New Horizons nach ihrem Pluto-Vorbeiflug Anfang 2019 zumindest kurz besucht. Das Objekt hat inzwischen den Namen Arrokoth erhalten. Zum Zeitpunkt des Zusammentreffens war Arrokoth 45-mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde. Damit ist es das am weitesten entfernte urtümliche Objekt, das jemals von einer unserer Raumsonden besucht wurde.

Arrokoth
Das Kuipergürtel-Objekt Arrokoth passt ins Größenschema. © NASA/JHUAPL/SwRI, Pablo Carlos Budassi CC-by-sa 4.0

Arrokoth ähnelt einem Schneemann, der aus zwei aneinander haftenden, 21 und 15 Kilometer großen Planetesimalen besteht. Oberflächenstruktur und Farbe legen nahe, dass das Objekt direkt aus einer einzelnen, rotierenden Pebble-Wolke entstanden ist. Das Entscheidende dabei: Die Größen seiner Komponenten entsprechen den Vorhersagen des Pebble-Modells für die entsprechende Entfernung zur Sonne.

Was die Jupiter-Trojaner verraten

Eine weitere Möglichkeit, urtümliche Planetesimale zu finden, bieten die Jupiter-Trojaner. Das sind Asteroiden, die während der Entstehungsphase des Sonnensystems von der Schwerkraft des Planeten Jupiter eingefangen wurden. Seitdem umkreisen sie die Sonne in zwei Gruppen, die sich vor und hinter dem Jupiter in dessen Bahn bewegen. Die NASA-Sonde LUCY, deren Start für Ende 2021 geplant ist, soll im Rahmen einer Zwölf-Jahres-Mission sechs dieser Trojaner besuchen.

Bisherige Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Trojaner aus verschiedenen Regionen des frühen Sonnensystems stammen. LUCY wird damit so etwas wie ein Museum der Planetenentstehung besuchen. Sowohl LUCY als auch eine mögliche Mission n den Kuipergürtel könnten die Vorhersage des Klahr-Schreiber-Szenarios für die Größen der primordialen Objekte des Sonnensystems testen. Das gilt sowohl für die Größenverteilung selbst als auch für die Häufigkeit von binären Objekten, bei denen zwei Planetesimale aneinander haften geblieben sind.

Was die neuen Erkenntnisse über Exoplaneten verraten

Planeten um andere Sterne verstehen

Die neue Vorhersage für Planetesimal-Größen ist auch für unser Verständnis der Vielfalt von Exoplaneten interessant – von Planeten, die andere Sterne umkreisen als die Sonne. Die bisher knapp 4.700 bekannten Exoplaneten sind besonders deswegen interessant, weil sich mit ihrer Hilfe statistische Aussagen über Planeten allgemein ableiten lassen. Im Gegensatz zum Einzelfall unseres Sonnensystems erlauben uns die vielen Datenpunkte für Exoplaneten, Rückschlüsse auf die Art und Weise der Planetenbildung in unserer Galaxie ganz allgemein zu ziehen.

Exoplaneten
Das neue Modell gibt auch Einblicke in die Kinderstube extrasolarer Planeten. © NASA/JPL-Caltech, T. Pyle (SSC)

Wo um den Stern entstehen welche Planeten?

Sobald wir die Physik der Planetenentstehung verstehen, können wir die Wahrscheinlichkeit vorhersagen, mit der sich Planetensysteme unterschiedlicher Art – massereiche Planeten, kleinere Planeten, engere oder weitere Umlaufbahnen – bilden. Im Vergleich mit den Daten der tatsächlich nachgewiesenen Planetensysteme können wir unsere Vorhersagen testen und auf diese Weise herausfinden, ob unsere Simulationen realistisch sind.

Es gibt eine Reihe von laufenden Versuchen zu dieser Art von „Populationssynthese“, das heißt zur Erstellung von Ensembles realistischer Planetensysteme, zur Extraktion der Häufigkeiten, mit denen bestimmte Eigenschaften (wie Massenbereiche oder Bereiche von Orbitalparametern auftreten, sowie zum Vergleich des Ergebnisses mit Beobachtungsdaten. Aber bisher musste die vom Entstehungsort abhängige Größenverteilung von Planetesimalen und Planetenembryonen „von Hand“ als zusätzliche Annahme in diese Simulationen eingefügt werden.

Ein Modell mit Vorhersagekraft

Die neuen Ergebnisse von Klahr und Schreiber erlauben es dagegen, die Größenverteilung der Planetesimale aus den Ergebnissen für die sich entwickelnde Pebble-Population, kombiniert mit den Ergebnissen für den Gasdruck zu berechnen. Damit wird eine grundlegende Lücke in der Argumentationskette von Populationssynthese-Studien geschlossen.

Dort, wo die Massenkonzentration innerhalb der Scheibe höher ist, wird die hilfreiche strukturbildende Wirkung der Turbulenz stärker sein. In dem Maße, wie die Gasmenge in der Scheibe abnimmt – entweder weil das Gas in den Stern fällt oder weil es von den entstehenden Gasplaneten aufgesaugt wird – wird immer unwahrscheinlich, dass sich größere Planetesimale bilden. Die quantitative Umsetzung dieser Erkenntnis erlaubt es den Forschern, die Populationssynthesemodelle berechnen, die Geburt von Planetesimalen und Planetenembryonen in vereinfachter Weise zu berücksichtigen, nämlich als Funktion des Gasdrucks, der ein integraler Bestandteil der zugrunde liegenden Simulationen ist.

„Die Stärke unseres Modells liegt in seiner Vorhersagekraft“, betont Hubert Klahr. „Wir können beschreiben, wann und wo sich Planetesimale bilden sollten, ebenso wie die Größen der neugeborenen Planetesimale. Diese Vorhersagen können getestet werden, was notwendig ist, um unsere Kolleginnen und Kollegen von der Anwendbarkeit der zugrunde liegenden Physik zu überzeugen.“

Wichtige Lücke geschlossen

Nach Ansicht der beiden Astronomen haben die neuen Ergebnisse eine wichtige Lücke in unserem bisherigen Wissen über die Planetenentstehung geschlossen. Zwar favorisiert eine Reihe anderer Forschungsteams alternative Erklärungen, bei denen beispielsweise die Klebrigkeit von Eis für die Planetesimalenbildung die zentrale Rolle spielt, oder ein Szenario, bei dem sich nanometergroße Silikatflocken direkt zusammenlagern. Für Klahr und Schreiber ist jedoch klar, dass solche Effekte zwar durchaus eine Rolle spielen können, dass sie aber wenig beitragen können, wenn es darum geht, Objekte rasch auf eine Größe von 100 Kilometern anwachsen zu lassen.

„Selbst wenn Kollisionen zu einem Wachstum bis 100 Kilometer führen würden, ohne irgendwann in einen Gravitationskollaps überzugehen, würde diese Methode die Größenverteilung der Planetesimale im Sonnensystem und vor allem die hohe Häufigkeit von binären Objekten im Edgeworth-Kuiper-Gürtel nicht beschreiben, die beide recht direkt mit dem Gravitationskollaps von Pebble-Wolken erklärbar sind“, sagt Klahr.