Wenn das Gehirn eigene Wege geht...

Träumen

Träumen
Beim Träumen tauchen wir in eine fremde Welt ein. Aber warum träumen wir? Und wie? © CarlaMc/ iStock.com

Wenn wir schlafen, tauchen wir ein in eine fremde Welt – die des Traums. Denn auch wenn wir die Augen schließen, schläft unser Gehirn nicht. Nervenzellen feuern, erzeugen Bilder, Geräusche und manchmal täuschend echte Traumwelten. Aber wie kommen die Träume zustande? Und wozu dienen sie?

Etwa ein Drittel unserer Lebenszeit verbringen wir Menschen schlafend. Nacht für Nacht tauchen wir ein in eine fremde Welt, eine Welt mit ihren eigenen Gesetzen und Regeln. Im Schlaf ist unser aktives Bewusstsein ausgeschaltet. Nicht mehr wir haben die Kontrolle über das, was geschieht, sondern unser Unbewusstes – das Gehirn geht seiner eigenen Wege. Im Traum erkunden wir fremde Landschaften, sind die Helden und Heldinnen der spannendsten Abenteuer, erleben Momente der Angst, der Qual oder aber des Glücks.

Aber warum? Wie kommt diese Traumwelt zustande? Sind Träume, wie einige Psychoanalytiker meinen, Botschaften unseres Unbewussten an uns selbst? Steckt ein tieferer Sinn hinter den oft so bizarren Traumszenarien? Oder sind Träume doch nur die sprichwörtlichen Schäume und im Kern absolut sinnlos – ein bloßes Nebenprodukt der rein physiologischen Prozesse während der „Nachtschicht“ unseres Gehirns?

Vom Wachsein in den Schlaf

Wenn der Vorhang fällt

Es ist kurz nach halb elf abends. Langsam werden wir müde, die Glieder werden schwer. Wir entschließen uns, dem Schlafbedürfnis nachzugeben und gehen ins Bett. Gemütlich unter die Decke gekuschelt, schließen wir die Augen und beginnen, uns zu entspannen. Wir atmen tiefer und langsamer, die Gedanken beginnen zu schweifen. Noch nehmen wir gedämpft das Knarren einer Tür oder ein Knacken in der Heizung wahr, es scheint aber weit weg.

Im Gehirn wechselt in dieser Phase die Aktivität von konzentrierter Wachheit in den entspannten „Alpha-Zustand“. Das EEG zeigt nun ein regelmäßiges Muster von etwa acht bis zehn Wellen in der Sekunde, die so genannten Alpha-Wellen.

Schlafphasen
Typische EEG-Wellen der verschiedenen Schlafphasen. © Podbregar/ scinexx

Das Einschlafen

Einige Minuten später beginnt sich dieses Muster zu verändern: Noch langsamere, flachere Wellen erscheinen und lösen allmählich die Alphawellen ab. Wir treten in den Halbschlaf, die erste Schlafphase ein. Unsere Muskeln erschlaffen, die Atmung wird flacher und der Puls sinkt. Manchmal zucken die Muskeln noch einmal und wir schrecken kurz auf, doch schon wenige Sekunden später sinken wir wieder in den Schlaf. Leise Geräusche in unserer Umgebung hören wir jetzt nicht mehr, der Vorhang, der unsere Sinne von unserem Bewusstsein abgrenzt, fällt.

Langsam verschwimmt unser geordnetes Denken, nur noch bruchstückhaft und oft in wirrer Folge tauchen Bilder des Tages wieder auf. Diese Einschlafträume oder „hypnagogischen Halluzinationen“ greifen oft Eindrücke auf, die uns unmittelbar vor dem Einschlafen beschäftigt haben – sei es die bevorstehende Klausur oder das Wohlgefühl eines heißen Bades. In dieser Phase sind wir relativ leicht zu wecken – und wären dann der festen Überzeugung, noch gar nicht geschlafen zu haben.

In leichtem Schlaf

Nach etwa fünf Minuten ändert sich das Hirnstrommuster erneut: Die kleinen Thetawellen des ersten Schlafstadiums werden jetzt ab und zu von charakteristischen, nur knapp eine Sekunde andauernden Wellenstrukturen unterbrochen: Den K-Komplexen, einzelnen Pulsen mit einer viermal höheren Amplitude als die Thetawellen, und den Schlafspindeln, einer kurzzeitigen Beschleunigung der Thetawellen auf fast die doppelte Frequenz. Beide sind eindeutige Anzeichen dafür, dass wir Schlafstadium 2 erreicht haben.

Von den Vorgängen der Umgebung abgeschottet, treiben wir in einem leichten Schlaf. Auch in dieser Phase können wir träumen. Allerdings sind dies nicht die typischen lebendigen und komplexen Träume des eigentlichen Traumschlafs, sondern meistens kurze, eher rationale und Gedanken-ähnlichere Episoden. Würde man uns jetzt wecken, wüssten wir wahrscheinlich, dass wir geschlafen – und vielleicht auch geträumt haben.

Der Tiefschlaf

Nach zehn bis fünfzehn Minuten in der Schlafphase 2 bahnt sich ein weiterer Wechsel an: Das Abtauchen in den Tiefschlaf. Jetzt schlafen wir fest und sind auch durch lautere Geräusche kaum noch zu wecken. Herz und Atmung sind langsam und regelmäßig, unsere Muskeln fast vollständig entspannt. Während dieser Phase regeneriert sich unser Körper: Wachstumshormone werden ausgeschüttet, Zellen teilen sich und reparieren beschädigtes Gewebe, zellinterne Reparaturmechanismen bessern Schäden am Erbgut aus. Bei Jugendlichen findet jetzt der größte Wachstumsschub statt.

Auch im Gehirn ändert sich die Aktivität: Große, langsame, aber sehr regelmäßige Deltawellen beginnen, die Thetawellen des flachen Schlafes zu verdrängen. Zu Beginn des Tiefschlafs, in der Schlafphase 3, tauchen noch hin und wieder Schlafspindeln und K-Komplexe aus dem Meer der Deltawellen auf, doch wenige Minuten später sind auch sie vollständig verschluckt: Schlafphase 4, auch „Slow Wave Sleep“ genannt, beginnt und wird für etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde anhalten.

Wenn Schlafende wandeln

In dieser Phase träumen wir eher selten, wir befinden uns in einer Welt weit jenseits unseres Bewusstseins. Einige von uns werden jetzt aber dennoch aktiv: die Schlafwandler. Mit starrem Gesichtsausdruck und ins Leere blickenden Augen setzen sie sich im Bett auf, gehen durch die Wohnung, trinken, essen – ohne sich dessen bewusst zu sein und ohne sich hinterher daran zu erinnern.

Kinder beginnen in dieser Phase oft plötzlich zu schreien, wirken als wären sie in panischer Angst – und merken doch nichts davon. Ihre EEG-Wellen während dieses so genannten „Pavor nocturnus“ verraten, dass auch sie weder Alpträume haben noch richtig wach sind. Stattdessen oszillieren sie zwischen einem Halbwachzustand mit beschränkter Wahrnehmung und dem Schlaf hin und her. Zwar können sie die Muskeln bewegen, das Bewusstsein bleibt jedoch weiterhin abgeschaltet.

Schlafühasen 2
Typische Abfolge der Schlafstadien in einer Nacht. © gemeinfrei

Der Traumschlaf der REM-Phase

Nach etwa einer halben Stunde im Tiefschlaf wandelt sich unser Schlaf erneut. Plötzlich beginnen unsere Augen, sich unter den geschlossenen Lidern ruckweise hin und her zu bewegen. Unsere restlichen willkürlichen Muskeln sind jedoch vollständig gelähmt, Bewegungen wären uns jetzt unmöglich.

Im Gehirn dagegen tut sich einiges: Die langsamen Deltawellen werden nun wieder von den niedrigeren, aber schnellen Thetawellen der ersten Schlafphase abgelöst, unterbrochen durch kurze Ausbrüche von Alphawellen, die eigentlich einen entspannten Wachzustand charakterisieren. In diesem Fall allerdings sind wir von echtem Wachsein weit entfernt: wir treten ein in die Welt der Träume.

Diese wegen ihrer schnellen Augenbewegungen auch REM-Schlaf („Rapid Eye Movement“) genannte Schlafphase ist der eigentliche Traumschlaf. Hier erleben wir die oft so bizarren, emotional gefärbten und sehr bildhaften Traumgeschichten. Werden wir jetzt aufgeweckt, erinnern wir uns meist daran, geträumt zu haben. Der Inhalt dieses Traums verblasst in der Erinnerung allerdings sehr schnell. Meist haben wir ihn schon Minuten später wieder vergessen, behalten allenfalls noch einzelne Bilder oder Gefühlseindrücke zurück.

Im Laufe der Nacht werden sich noch mehrfach REM-Schlaf, Tiefschlaf und leichter Schlaf abwechseln. Insgesamt verbringen wir rund 20 bis 25 Prozent unseres Nachtschlafs im Traumschlaf, weitere 20 bis 25 Prozent im Tiefschlaf. Die restliche Zeit herrscht der leichte Schlaf vor.

Was träumen wir, wenn wir träumen?

Ein Reich mit eigenen Regeln…

Wir schweben durch die Luft, können durch Mauern sehen oder unterhalten uns mit Tieren – im Traum scheinen alle Dinge möglich. Die Grenzen zwischen verschiedenen Zeiten und Räumen werden in der Traumwelt durchlässiger, wir springen von einem Ort zum anderen, erleben Zeitreisen oder -sprünge und dennoch erscheint uns alles ganz normal.

Traum
Im Traum erscheinen uns selbst die unmöglichsten Dinge völlig normal.© orla/iStock.com

Nichts scheint unmöglich

Eine typische „Eingleisigkeit“ des Träumens sorgt dafür, dass wir das Erlebte nicht überdenken oder kritisch bewerten können. Auch dann nicht, wenn wir selbst, wie in gut einem Drittel aller Träume der Fall, selbst die Hauptrolle spielen. Im Traum überrascht uns nichts – und sei es auch noch so paradox. Den Traumbildern und -geschichten sind wir daher ohne den Filter des Verstandes ausgeliefert.

Und zu allem Überfluss sind diese Trauminhalte auch noch überwiegend negativ: Die Auswertung der Traumberichte von mehr als 650 Probanden in einem amerikanischen Schlaflabor ergab, dass diese erheblich häufiger von Unglück, Versagen oder Missgeschicken träumten als von positiven Erlebnissen. Mehr als ein Drittel der Träume war von Angst und Furcht geprägt.

Gedämpft und vergessen

Glücklicherweise sorgt eine weitere typische Traumeigenschaft hier oft für Linderung: Viele Gefühle bleiben in der Traumwelt gedämpft, sie erreichen bei weitem nicht die Intensität wie im Wachzustand, bleiben oft seltsam blass.

Und auch das Vergessen schützt: Viele glauben, überhaupt nicht oder nur sehr selten zu träumen, doch fast alle Menschen verbringen jede Nacht ein bis zwei Stunden im Traumschlaf. Sie wissen es nur nicht mehr, denn die meisten Träume hinterlassen in unserer Erinnerung keine Spuren. Meistens sind wir uns nur dann bewusst, überhaupt geträumt zu haben, wenn wir unmittelbar aus dem Traumschlaf aufschrecken.

Von banal bis bizarr

„Man träumt gar nicht – oder interessant“ – der Philosoph Friedrich Nietzsche war sich da ganz sicher. Doch er irrte: Schlaflaborversuche zeigen, dass die weitaus meisten unserer Träume eher banal sind. Alltägliche Handlungen wie Bügeln, Putzen oder das Schreiben auf dem Computer kommen zwar nur sehr selten im Traum vor, andere Alltagsereignisse oder auch -sorgen aber sehr wohl.

Besonders in der ersten Hälfte der Nacht träumen wir meist nur kurz und bruchstückhaft. Die Träume sind hier „ein Abbild unseres Lebens im Wachzustand“ wie es der amerikanische Schlafforscher Fred Snyder formuliert. Erst in der zweiten Nachthälfte werden die Träume detail- und handlungsreicher und bekommen den typischen „Spielfilmcharakter“.

Zeit und Zeitwahrnehmung im Traum

In der Traumzeit…

Eine Ewigkeit in einem kurzen Augenblick – für den französischen Schlafforscher Alfred Maury war dies im Jahr 1861 das Wesen der „Traumzeit“. Für ihn waren Träume nichts anderes als ein sekundenschnelles Flashback des Gehirns während des Erwachens. Ein eigenes Traumerlebnis hatte Maury auf diese Idee gebracht.

Traumzeit
Die Zeit vergeht im Traum anders als in der Realität.© PhoThoughts/ iStock.com

Sind geträumte Zeit und träumende Zeit gleichlang?

Der Wissenschaftler träumte einen scheinbar langen, verwickelten Traum, in dem er sich durch die Wirren der Französischen Revolution bewegte. In der letzten Traumszene sollte er hingerichtet werden und wurde zur Guillotine geführt. In dem Moment, als das Messer auf seinen Nacken herabfiel, wachte Maury auf – und stellte fest, dass ihm ein Teil seines Bettgestells auf den Hals gefallen war.

War der scheinbar so lange Traum vielleicht eine Illusion? Hatte in Wahrheit sein Bewusstsein in Sekundenschnelle gleichsam rückwirkend auf äußeren Reiz des Nackenschlags eine passende Traumgeschichte erschaffen? Maury und später auch Sigmund Freud glaubten genau dies. Für sie waren die gefühlte „Traumzeit“ und die reale Zeit in keinster Weise deckungsgleich.

Mit der Entdeckung des REM-Schlafs und der gezielten Traumforschung im Schlaflabor wurde diese Annahme jedoch schnell widerlegt: Weckversuche mit Probanden nach unterschiedlich langer Zeit im REM-Schlaf haben gezeigt, dass die Länge der Traumberichte mit der Länge der Traumschlaf-Phase gut übereinstimmt. Einzige Ausnahme: Menschen, die nach sehr langem REM-Schlaf geweckt werden, können sich trotzdem nur an die letzten 15 Minuten des Traums erinnern, obwohl sie das Gefühl haben, sehr lange geträumt zu haben. Offenbar war die Erinnerung an den Traumbeginn schon wieder verblasst.

Trauminhalte als Spiegel mit Verzögerung

Der Alltag und seine Verarbeitung spielt in vielen unserer Träume eine wichtige Rolle. Vor allem in der ersten Schlafphase sind es meist die Ereignisse desselben Tages, die im Traum wiederkehren. Doch gerade in der REM-Phase der zweiten Nachthälfte träumen wir oft von Geschehnissen oder Erfahrungen, die bereits einige Tage zurückliegen. Die unmittelbare Gegenwart dagegen taucht nur selten auf.

Der erste, der diese „Zeitverschiebung“ entdeckte, war der französische Neurophysiologe Michel Jouvet. Er war als einer der Pioniere der Traumforschung viel auf Vortragsreisen im Ausland unterwegs und hielt sich dabei meist etwa eine Woche an einem Ort auf. Da er regelmäßig seine eigenen Träume aufschrieb und analysierte, fiel ihm auf, dass er nach der Ankunft in einer neuen Stadt zunächst einige Tage lang noch immer hauptsächlich von Ereignissen seines letzten Reiseziels träumte. Erst nach sechs bis acht Tagen „holte“ der Traum auf und die neue Umgebung spiegelte sich nun auch in seinen Träumen wider.

Dass diese Verzögerung auch in anderen Fällen häufig aufzutreten scheint, zeigen unter anderem Untersuchungen des israelischen Schlafforschers Perez Lavie. Er überprüfte die verzögerte Aufnahme der Tagesereignisse in die Traumwelt während des ersten Golfkriegs, ein für die meisten Israelis mit akuter Bedrohung verbundenes Ereignis.

In den ersten Tagen, nachdem die ersten Scud-Raketen in Tel Aviv eingeschlagen waren, spielte der Krieg nur in den wenigsten Träumen seiner Probanden direkt oder indirekt eine Rolle. Auch die für jeden zur Grundausstattung gehörende Gasmaske tauchte kaum auf. Ein paar Wochen später jedoch hatte sich dies vollkommen geändert: In etwa der Hälfte aller Träume kamen nun Gasmasken, Raketen oder bedrohliche Situationen vor.

Noch allerdings haben die Schlafforscher für diese Zeitverzögerung keine eindeutige Erklärung. Weder, warum es sie gibt, noch, nach welchen Kriterien das Gehirn Ereignisse entweder sofort oder aber mit Verzögerung im Traum wieder aufgreift…

"Traumabdrücke" in Muskeln und Gehirn

Bewegte Träume

Wir reden, gehen, fliegen oder fahren oft leicht und mühelos durch unsere Traumwelt, ohne das Gefühl zu haben, uns körperlich anstrengen zu müssen. Interessanterweise lassen sich jedoch diese nur geträumten Bewegungen in vielen Fällen tatsächlich in den Muskeln des Schläfers nachweisen – und dies, obwohl die Schlaflähmung eigentlich jede willkürliche Bewegung mit Ausnahme der Augen unterbindet.

Schlaf
Obwohl unsere Muskeln im Traumschlaf gelähmt sind, erzeugen unsere Traumbewegungen subtile elektrische Signale in ihnen.© Geber86/ iStock.com

Traum und Körper sind verknüpft

Die Schlafforscher McGuigan und Tanner berichteten schon in den 1970er Jahren von erfolgreichen Versuchen, winzige Nervenimpulse in Armen, Beinen oder den Lippen mit geträumten Bewegungen von Probanden in Einklang zu bringen. Erzählte beispielsweise ein Proband nach dem Aufwecken, er habe im Traum eine Rede halten müssen, hatte das Elektromyogramm während dieser Traumphase tatsächlich eine erhöhte Aktivität in den normalerweise beim Sprechen beteiligten Muskeln registriert.

Umgekehrt kann jedoch auch die erzwungene Untätigkeit unserer Muskeln sich in unsere Träume einschleichen: Sie schlägt sich dann oft in den klassischen Fall- oder Lähmungsträumen nieder: Wir stürzen aus großer Höhe herab, wollen vor einem Verfolger weglaufen oder einem schnell heranrasenden Auto ausweichen – und können uns plötzlich nicht oder nur in Zeitlupe bewegen. Schlafforscher vermuten, dass unser Bewusstsein die REM-typische Schlaflähmung unterschwellig sehr wohl wahrnimmt und entsprechend in unsere Träume einbaut.

Augen als „Fenster zum Traum“

Weitaus deutlicher ist dieser Zusammenhang bei den Bewegungen der Augen festzustellen: William Dement, einer der Pioniere der Schlafforschung, erzählt in seinem Buch „Schlaf und unsere Gesundheit“: „Bei einer REM-Aufzeichnung sahen wir einmal, wie die Augen des Träumers hin- und her zuckten, zwanzigmal von links nach rechts und wieder zurück, in einer rhythmischen Bewegung. Das war so ungewöhnlich, dass wir ihn sofort weckten und fragten, wovon er geträumt habe. Er erzählte, er habe an einer Tischtennisplatte gesessen und dem Spiel zwischen seinem Bruder und einem Freund zugesehen.“

Um zu prüfen, ob diese Bewegungsmuster tatsächlich mit dem Trauminhalt übereinstimmten, registrierten Dement und seine Kollegen in einem weiteren Versuch die Augenbewegungen des Probanden bei einem tatsächlich beobachteten Tischtennisspiel. Und tatsächlich: Die Muster stimmten überein.

Alles schläft, doch das Gehirn wacht…

Und nicht nur in den Muskeln hinterlassen viele Traumhandlungen Spuren – auch im Gehirn selbst zeigen sich die „Schatten“ der Traumwelt: Der chinesische Schlafforscher C.C. Hong konnte 1996 einen Zusammenhang zwischen Sprechen und Hören im Traum und einer erhöhten Aktivität im Sprech- und Hörzentrum des Gehirns nachweisen.

Die Wellen in diesen Gebieten zeigten ein deutliches „Wachmuster“, obwohl die Probanden fest schliefen. Offensichtlich sind, zumindest für Teile unseres Gehirns, Träume keineswegs nur Schäume, sondern sehr real. Wenn wir im Traum laufen, essen, zuhören oder lachen, senden die zuständigen Gehirnbereiche dieselben Signale aus, wie auch im Wachzustand.

Mit einem entscheidenden Unterschied: Das Gehirn „schmort dabei im eigenen Saft“, es ist sowohl von der Außenwelt als auch von unserem bewussten beeinflussbaren Denken weitgehend abgekoppelt.

Was steuert den Traumschlaf?

Ein Granatsplitter schreibt Geschichte

Im Sommer 1982 suchte ein Mann den Schlafforscher Perez Lavie in Tel Aviv auf, der seit einer Kriegsverletzung unter schweren Alpträumen litt. Im Schlaflabor sollten die Wissenschaftler seinem Leiden auf den Grund gehen.

Pons
Die Brücke (Pons) liegt im Hirnstamm und ist eine wichtige Schaltstelle der Hirnbereiche. © Life Science Databases/CC-by-sa 2.1 Japan

Der Mann ohne Träume

Doch bei der Beobachtung seiner Hirnströme staunten sie nicht schlecht: Y.H. erlebte während der gesamten Nacht keinen REM-Schlaf – etwas, das die Schlafforschung bis dahin für absolut unmöglich gehalten hatte. Lavie beschreibt seine Verblüffung so: „Ich sagte ihm, wenn er tatsächlich keinen REM-Schlaf habe, sei das ungefähr so, als würde ein Kardiologe versuchen, den Herzschlag eines Patienten abzuhorchen und dabei feststellen, dass er keinen hat!“

Neugierig geworden, durchleuchteten Lavie und seine Kollegen das Gehirn des Mannes mithilfe der Computertomographie, um dort nach möglichen Verletzungen zu fahnden. Und dabei wartete schon die zweite Überraschung auf sie: Ein kleiner Granatsplitter hatte sich in die Brücke (Pons), eine Struktur des Hirnstamms gebohrt – in eine Region, die schon zuvor im Verdacht stand, für die Auslösung des REM-Schlafs zuständig zu sein.

Die „Brücke“ als Schlüssel?

Schon Anfang der 1960er Jahre hatte der französische Neurophysiologe Michel Jouvet festgestellt, dass die Pons bei Katzen immer in einer bestimmten Schlafphase aktiv war: Immer dann, wenn sie in eine Phase der Schlaflähmung fielen – vergleichbar der unseres REM-Schlafs. Zerstörte er dagegen die Nervenzellen in diesem Bereich des Hirnstamms, verschwand die Muskellähmung und auch die typischen raschen Augenbewegungen blieben aus.

Dass Jouvets Lokalisierung des REM-Zentrums auch auf den Menschen übertragbar war, konnten – dank des Granatsplitters – allerdings erst Lavie und seine Kollegen nachweisen.

Chemische Boten des Schlafes

Doch neben den über die Hirnströme entdeckten Signalen spielen auch chemische Botenstoffe, die Neurotransmitter, eine wichtige Rolle für Schlaf und Traum: Wieder war es Jouvet, der hier durch seine Arbeiten die Grundlagen schuf. Er entdeckte im Hirnstamm eine Ansammlung von Nervenzellen, die so genannten Raphe-Kerne, die besonders viel Serotonin enthielten und dieses an ihre Umgebung abgaben. Wurde bei Versuchstieren auf chemischen Wege die Serotonin-Ausschüttung blockiert oder wurden die Raphe-Kerne zerstört, schliefen diese nur noch kurz, unruhig oder überhaupt nicht mehr und auch REM-Schlaf kam nicht mehr vor.

Damit wir im REM-Schlaf bleiben und träumen können, muss jedoch ein weiterer Neurotransmitter seine Arbeit tun, das Acetylcholin. Zwei Schlafforscher des US-National Institute of Mental Health testeten diese Annahme, indem sie Versuchspersonen kurz nach dem Einschlafen das dem Acetylcholin verwandte Arecholin injizierten und den anschließenden Schlafverlauf beobachteten. Die Hirnströme zeigten deutlich, dass alle Probanden mit Arecholin viel früher in den Traumschlaf eintauchten, als normalerweise üblich. Im Gegenzug konnten die Forscher durch eine Injektion des Acetylcholin-Hemmers Scopolamin den Eintritt des REM-Schlafs und damit der Traumphase erheblich verzögern.

Auch wenn nach wie vor viele Fragen offen bleiben, hat sich heute die Annahme etabliert, dass Acetylcholin erzeugende und -sensible Zellen in der Brücke des Hirnstamms wahrscheinlich als Anschalter für den REM-Schlaf fungieren. Ausgeschaltet wird der Traumschlaf dagegen, wenn benachbarte Zellen aktiv werden, die Noradrenalin und Serotonin erzeugen.

Wie träumt das Gehirn?

Signale aus der Innenwelt

Was „tut“ das Gehirn, wenn unser Geist in der Nachtwelt wandelt? Wie funktioniert das Träumen? Diese Frage ist bis heute nicht beantwortet und heiß umstritten. Zwar sind sich alle Schlafforscher einig darüber, dass das Gehirn bei Träumen aktiv ist und keineswegs „schläft“, aber wie diese Aktivität mit den Inhalten und der Form unserer Träume zusammenhängt, weiß im Grunde keiner so genau.

Gehirn im Schlaf
Wie erzeugt das Gehirn unsere Träume?© Hank Grebe/ iStock.com

Sinnlose Signale?

Unter den ersten, die versuchten, dem physiologischen Hintergrund der Träume auf den Grund zu gehen, waren die amerikanischen Schlafforscher und Neurophysiologen J. Allan Hobson und Robert McCarley. Bei Schlafversuchen an Katzen stellten sie fest, dass eine kleine Region im Hirnstamm, das REM-Zentrum, während des Traumschlafs regelmäßige starke Bündel von Nervenimpulsen aussandte, die sich anschließend über die Großhirnrinde verteilten und dort ihrerseits Nervenzellen aktivierten.

Aus dieser Beobachtung entwickelten die Wissenschaftler ihr „Aktivierungs-Synthesis-Modell“ für das Träumen: Demnach entstehen Träume, weil das Großhirn die zufälligen Nervensignale aus dem REM-Zentrum genauso auswertet, wie die tagsüber von außen eintreffenden Reize. Es verknüpft die Hirnstammsignale mit bereits gespeicherten Gefühlen, Sinnesempfindungen oder Fakten und komponiert daraus den Trauminhalt – indem es die zum Reiz passende Geschichte „erfindet“. Weil dabei besonders die Hirnzentren aktiviert werden, die Emotionen und unser Langzeitgedächtnis bergen, sind auch unsere Traumgeschichten entsprechend reich an Gefühlen und Erinnerungen.

Einen Sinn haben diese Träume nach Ansicht vieler Traum- und Schlafforscher aber nicht. Sie sehen sie als bloßes Nebenprodukt der physiologischen Vorgänge, ähnlich dem statischen Rauschen eines Radios oder dem Brummen eines Motors. Eine Beschäftigung mit unseren Träumen oder gar Deutungsversuche sind daher ihrer Ansicht nach komplett sinnlos.

…oder eigenständiger Prozess?

Dieser für viele Psychologen und Psychoanalytiker geradezu „ketzerischen“ Auffassung widersprechen andere, wie der britische Gehirnforscher Mark Solms, vehement. Seiner Ansicht nach wird zwar der REM-Schlaf von den Zentren im Hirnstamm ausgelöst und gesteuert, doch der Traum geht auf eine eigene Steuerung zurück. Das Vorderhirn, für die Vertreter der „sinnlos“-Theorie nur ein passiver Empfänger von Hirnstammsignalen, spielt dabei für die Trauminhalte und die Fähigkeit zu träumen, eine entscheidende Rolle.

Hier, wo unser Geist mentale Bilder erzeugt und verarbeitet, liegt nach Solms Auffassung auch der Ursprung unserer Träume. Solms Argumentation beruht vor allem auf seiner Beobachtung, dass Patienten mit beschädigtem Hirnstamm meist keinen REM-Schlaf mehr haben, wohl aber noch träumen können. Ist dagegen eine bestimmte Region im Vorderhirn zerstört, findet zwar noch REM-Schlaf statt, aber die Betroffenen träumen nicht mehr. REM-Schlaf und Traum müssen daher, so Solms, zwei voneinander unabhängige Prozesse sein.

Doch auch damit wäre noch nicht geklärt, welchen Sinn das Träumen haben könnte….

Warum träumen wir?

Sinnlos oder biologisch notwendig?

Die Frage nach dem Sinn des Träumens ist schon Jahrhunderte alt – und noch immer unbeantwortet. Schon in der Antike standen sich hier zwei entgegengesetzte Auffassungen gegenüber: Während Plato in Träumen einen Ausdruck unterdrückter Begehren und Wünsche sah – und damit Sigmund Freud quasi vorwegnahm – waren Träume für Aristoteles bloße Relikte von Wacheindrücken: „Wie kleine Strudel, die in Flüssen entstehen…oft so bleiben, wie sie zu Beginn waren, oft aber miteinander kollidieren und so neue Formen annehmen.“

Genau diese beiden grundsätzlichen Positionen finden sich bis heute auch in der Traum- und Schlafforschung. Während für einige Wissenschaftler auch die Trauminhalte eine biologische Funktion haben, ist der Traum für andere ein bloßes Relikt der Evolution. Sein Inhalt sei daher, so meinen sie, völlig irrelevant und allerhöchstens ein Nebenprodukt der parallel dazu ablaufenden Gehirnprozesse.

Träumen, um zu erinnern oder zu vergessen?

Dieser Ansicht ist auch der durch die DNA-Struktur bekannt gewordene Molekularbiologe Francis Crick. Er entwickelte gemeinsam mit Margaret Mitchison die Theorie, dass der Traumschlaf eine Art „Selbstreinigungsversuch“ des Gehirns darstellt. Während des von der Außenwelt abgeschotteten Traumschlafs nutzt das Gehirn die Gelegenheit, überschüssige, „abgenutzte“ Bilder, Erinnerungen oder Assoziationen zunächst aufzurufen und dann aus seinem Speicher zu löschen. Dieses „reverse Lernen“ soll, so Crick, ein „Überlaufen“ des neuronalen Netzes verhindern und Platz für Neues schaffen. Der Inhalt der dabei aktivierten Traumbilder sei dabei allerdings eher unwichtig.

Eine ähnliche Hypothese vertritt der amerikanische Schlafforscher Robert Stickgold. Für ihn dient der Traumschlaf dazu, Eindrücke aus dem Arbeitsspeicher des Gehirns zu verarbeiten und in das Gedächtnis zu integrieren. Dieser Prozess läuft in zwei Schritten ab: Während des Tiefschlafs „überspielt“ der Hippocampus, die Hirnregion, in der die noch frischen Tageseindrücke zwischengelagert werden, seine Informationen an die Großhirnrinde, den Sitz des Langzeitgedächtnisses.

Während des Traumschlafs werden diese Informationen dann in das Langzeitgedächtnis integriert. Anschließend schickt die Großhirnrinde einen „Löschen“-Befehl an das Zwischenlager Hippocampus, um den Arbeitsspeicher wieder frei zu machen. Auch in diesem Modell ist allerdings der Inhalt der Träume eher zweitrangig.

Traum als Wächter?

Eine ganz andere Theorie haben dagegen Robert Vertes und seine Kollegen vom Schlaflabor der Universität von Northern Arizona entwickelt. Für sie dient der Traumschlaf nicht der Verarbeitung, sondern fungiert als eine Art Wächter des Gehirns: Die beim Träumen ausgesendeten und verarbeiteten internen Reize sorgen dafür, dass das Gehirn nicht komplett „einschläft“.

Damit stellt der Traumschlaf gleichzeitig sicher, dass wir ohne Probleme aufwachen und dabei alle nötigen Hirnfunktionen geregelt angeschaltet werden. Werden wir dagegen beispielsweise aus dem Tiefschlaf gerissen, fehlt dieses „Warmlaufen“ des Gehirns und wir sind zunächst benommen und orientierungslos. Ob allerdings die speziellen Inhalte des Träumens dabei eine eigene Funktion haben, darüber äußern sich Vertes und Co. – wohlweislich – nicht.

Alptraum
Einer Theorie zufolge sollen uns Träume auf reale Situationen vorbereiten – quasi als eine Art Trockenübung. © suteishi/ iStock.com

Um so nachdrücklicher tut dies dafür Antti Revonso von der Universität Turku: Auch für ihn ist der Traum ein Wächter, dies allerdings nicht bloß im neurophysiologischen Sinne, sondern auch inhaltlich: Besonders Angst- und Bedrohungsträume, die ja einen Großteil unserer Trauminhalte ausmachen, dienten demnach unseren tierischen und menschlichen Vorfahren als Vorbereitung und Vorwegnahme realer Bedrohungen. Der Traum erlaubt es dem Gehirn, so Revonsos Hypothese, Bedrohungsszenarien und ihre mögliche Vermeidung oder Bewältigung zu „üben“ und damit die Überlebenschance im Ernstfall zu erhöhen.

Träumen gegen das Trauma?

Auch für Ernest Hartmann, Leiter des Zentrums für Schlafstörungen in Boston, haben die Trauminhalte durchaus eine wichtige Funktion: Er beobachtete, das Patienten nach einem traumatischen Erlebnis, beispielsweise einem Brand, die durch dieses Ereignis ausgelösten Emotionen im Traum wieder erlebten.

Dabei veränderte sich jedoch im Laufe der Zeit der Trauminhalt: Träumten sie in den ersten Tagen noch konkret von Feuer und ihrer damit verbundenen Angst, wandelte sich das Bild und ein anderes angstauslösendes Traumbild, beispielsweise eine Flutwelle trat an die Stelle des Feuers. Noch einige Zeit später wurde dieser Alptraum wiederum durch andere, auf früheren Erfahrungen beruhenden Bilder abgelöst, um dann nach einigen Wochen ganz zu verschwinden.

Nach Ansicht von Hartmann zeigt dies, dass der Traum dazu dienen kann, die neuen Emotionen und Erlebnisse in die bestehenden Erfahrungen zu integrieren und so zu verarbeiten. Der Mechanismus könnte dabei durchaus nach dem Modell von Stickgold ablaufen, mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Trauminhalt kein bloßes Nebenprodukt sei, sondern der gleichzeitigen emotionalen und psychischen Verarbeitung des Geschehenen diene.

Dieser nur kleine Ausschnitt aus der Vielzahl der zurzeit kursierenden Hypothesen zum Sinn des Traumschlafs und des Träumens zeigt deutlich, wie sehr die Schlafforschung in diesem Punkt noch im Dunkeln tappt. Für nahezu jede Theorie lassen sich inzwischen experimentelle Belege finden, beweisen jedoch lässt sich keine von ihnen.

REM-Schlaf und Traum bei Tieren

Träumen Delfine?

Katzen tun es, Affen tun es, Hunde wahrscheinlich auch – sie träumen. Aber was träumen sie? Und wie? Träumt die Katze wirklich von der Mäusejagd, wenn sie im Schlaf mit den Pfoten zuckt und die Augen schnell hin und her bewegt? Sind das leise Winseln und Knurren, das der schlafende Hund ausstößt, tatsächlich ein schwacher Spiegel seiner Traumerlebnisse?

Hund und Katze
Auch Hund und Katze scheinen eine Art Traum zu erleben.© Chedonshan/ iStock.com

Die Antwort lautet: vielleicht. Da Tiere nicht von ihren Träumen berichten können, können Schlafforscher diese Frage nur indirekt durch Beobachtungen und Messungen des Schlafverhaltens erforschen. Immerhin scheint es gesichert, dass bis auf wenige Ausnahmen alle Säugetiere und viele Vögel einen Teil ihrer Schlafzeit im REM-Schlaf verbringen – der Schlafphase, in der wir Menschen am lebhaftesten träumen. Der REM-Anteil liegt bei den meisten zwischen zehn und 25 Prozent, bei Jungtieren ist er, ähnlich wie beim Menschen, deutlich höher.

Reden und Kämpfen im Schlaf

Aber bedeutet REM-Schlaf auch Träumen? Zumindest bei Affen scheint es so zu sein: Das Gorillaweibchen Koko, der man die Gebärdensprache beigebracht hatte, „unterhielt“ sich manchmal im Schlaf – sie gebärdete.

Und auch Katzen erleben offensichtlich so einiges im Traum: Der französische Schlafforscher Michel Jouvet verhinderte in einem Experiment an Katzen die Muskellähmung während des REM-Schlafs. Das Ergebnis war verblüffend: Die Tiere begannen, die komplexesten Verhaltensweisen und typische Situationen auszuagieren. Sie buckelten, fauchten, liefen im Käfig umher, ihr Fell sträubte sich – sie verhielten sich, als ob sie gegen einen unsichtbaren Feind kämpften. Und während der gesamten Zeit schliefen sie so fest, dass weder Lichtblitze noch verlockend duftendes Futter sie aufwecken konnten.

Aber bedeutet das, dass auch die Kuh vom Gras der Weide, die Ratte von einer Scheune voller Vorräte, der Vogel von seinem letzten Flug träumt? Wahrscheinlich nicht. Zwar zeigen Hirnstrommessungen und bildgebende Verfahren, dass auch das Gehirn anderer Tiere im Schlaf Signale aussendet, die mit typischen Tätigkeiten oder Verhaltensweisen verknüpft sind.

So scheinen Ratten nach Labyrinthversuchen ihren Weg „als Trockenübung“ nachzuvollziehen und Zebrafinken im Schlaf ihr Gesangsrepertoire zu „üben“. Aber ob diese Gehirnaktivitäten auch bedeuten, dass die Tiere das Ganze tatsächlich „erleben“, weiß niemand.

Schlaf – seitenweise

Zuerst glaubten Lew Muchametow und seine Kollegen an einen Messfehler: Ihre EEG-Sensoren schafften es einfach nicht, ein einheitliches Wellenmuster für beide Gehirnhälften ihres Versuchstieres darzustellen. Registrierten sie rechts die typischen, langsamen Schlafwellen, zeigten sie gleichzeitig links alle Anzeichen für aufmerksames Wachsein: niedrige aber schnelle Wellenmuster. Ihr Proband, ein Delfin, schwamm derweil immer im Kreis in seinem Becken herum – und zeigte damit sein arttypisches Schlafverhalten.

Die Erklärung für die rätselhaften Befunde war schließlich ebenso naheliegend wie erstaunlich: Delfine schlafen tatsächlich immer nur mit einer Gehirnhälfte. Die Ursache dafür liegt in der speziellen Steuerung ihrer Atmung: Während bei uns Menschen und den meisten anderen Tieren sowohl ein willkürliches als auch ein unwillkürliches Atemzentrum dafür sorgen, dass wir immer genug Sauerstoff erhalten, atmet der Delfin willkürlich. Deshalb muss auch sein Atemzentrum im Gehirn immer ein Mindestmaß an Nervenaktivität ausweisen. Als Muchametow einige seiner Delfine mithilfe eines Schlafmittels zu einem beidseitigen Schlaf zwang, drohten diese tatsächlich zu ersticken.

Einen ähnlichen Halbseitenschlaf hat man mittlerweile noch bei einer Robbenart und sogar bei Enten entdeckt: Auch diese können bei Bedarf mit nur einem Auge schlafen. Das Träumen allerdings scheint mit dieser Art von Arbeitsteilung eher unvereinbar – typische REM-Schlafmuster fehlen bei diesen Tierarten…