Festungen als Zeugnisse von Krieg und Konflikt in der Bronzezeit

Burgen – Architektur der Macht

Burg
Rekonstruktion der bronzezeitlichen Heuneburg in Baden-Württemberg. © Kenny Arne Lang Antonsen/ CC-by-sa 4.0

In der Bronzezeit entstanden in Europa viele stark befestigte Burgen. Sie zeugen davon, dass das Leben damals auch in unserer Region keineswegs friedlich verlief – eher im Gegenteil. Die mächtigen Befestigungen und Höhenburgen waren daher Schutz und Machtsymbol zugleich, wie neuere archäologische Funde belegen.

Die bronzezeitlichen Gesellschaften Mitteleuropas mobilisierten erhebliche Ressourcen für militärische Auseinandersetzungen. Davon zeugen archäologische Funde von Waffen und aufwendig befestigte Burganlagen, die noch heute als beeindruckende Denkmäler ihre ursprüngliche Größe und den Machtanspruch ihrer Erbauer erahnen lassen.

Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt haben in den letzten Jahren gemeinsam mit Kollegen einige dieser Bronzezeit-Festungen näher erforscht – und dabei einige neue Erkenntnisse gewonnen.

Autoren: Rüdiger Krause und Svend Hansen/ Universität Frankfurt, Forschung Frankfurt

Konflikte in der europäischen Bronzezeit

Neue Waffen, neue Kriege

Von den bronzezeitlichen Kulturen des Mittelmeerraums sind aus bildlichen und schriftlichen Überlieferungen unzählige Kriege und Konflikte bekannt. Vor allem in der Levante, aber auch in Anatolien und im alten Ägypten kämpften Machthaber und Reiche immer wieder um Territorien und Herrschaft.

Besonders bekannt ist die Schlacht von Kadesch im Jahr 1274 vor Christus, bei der die Ägypter unter Ramses II. gegen die Hethiter kämpften. Von den Konflikten jener Zeit zeugen auch die vielen befestigten Städte und Paläste, die damals unter anderem in der umkämpften Levante entstanden. So waren die Festung von Kadesch, aber auch das Stadtkönigreich Qatna im heutigen Syrien durch mächtige Mauern gegen Angreifer geschützt.

Schwert
In der Bronzezeit entstanden neue Waffen, hier ein Vollgriffschwert.© Heldinpantoffeln /CC-by-sa 4.0

Neue Waffen…

Doch wie war es in dieser Zeit in Mitteleuropa? Weil es aus dem bronzezeitlichen Europa kaum Aufzeichnungen gibt und auch Funde rar waren, hielt man diese Zeit lange für weitgehend friedlich und wenig von größeren Konflikten geprägt. Doch spätestens die Entdeckung des bronzezeitlichen Schlachtfeldes im Tollensetal in Mecklenburg belegt, dass diese Schlussfolgerung nicht realistisch war und als widerlegt gelten kann.

Mit dem Aufkommen neuer Waffen, wie der Lanze oder der Hieb- und Stichschwerter, wird in der Bronzezeit Europas im 2. Jahrtausend vor Christus eine Ausweitung von Gewalt und Krieg erkennbar. Innovative Herstellungstechniken im Bronzeguss erlaubten es, in größerem Umfang als bisher lange Schwerter zu gießen. Sie wurden von einem geschätzten Prestigeobjekt zu einer Massenware – eine Vervielfachung der tödlichen Kriegswaffe.

…neue Befestigungen

Es liegt daher nahe, auch die Gewaltmittel des Kriegs – die Schwerter und Lanzen – und die Infrastruktur des Konflikts – die Burgen – nicht länger als symbolische Äußerungen zu verstehen, sondern in die Geschehnisse ihrer Zeit zu integrieren. Auch die Burgen mit ihren Befestigungen stellten im 2. Jahrtausend in Mitteleuropa ein neues Phänomen dar, das im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Umbrüchen und Entwicklungen gesehen werden muss.

Bronzezeitliche Burgen repräsentierten mit ihren unterschiedlich aufwendig konstruierten Holz-Erde-Stein-Mauern eine beeindruckende Architektur der Macht. Die mit starken Mauern befestigten Siedlungen bringen ein eminentes Schutzbedürfnis zum Ausdruck, zugleich waren sie Machtbasen, von denen aus Ressourcen und Verkehrswege kontrolliert werden konnten.

Heuneburg
Blick von innen auf die Außenbefestigungen der bronzezeitlichen Heuneburg. © Dietrich Krieger/CC-by-sa 3.0

Interdisziplinäre Erforschung der Bronzezeitfestungen

Welchen Einfluss hatten die bronzezeitliche Besiedlung und insbesondere die befestigten Siedlungen und der Burgenbau in den unterschiedlichen Landschaften Europas? Inwieweit waren sie die Folge von veränderten wirtschaftlichen Grundlagen, Nutzungssystemen sowie der Entnahme von Ressourcen?

Im Rahmen der hessischen Landesoffensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) haben Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt und der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt zwischen 2016 und 2019 neue Ansätze zum bronzezeitlichen Krieg und der Entwicklung der Waffentechniken erforscht. Wissenschaftliche Projektpartner sind die hessenArchäologie, die Kreisarchäologie Fulda, die Nationalmuseen in Alba Iulia und Timişoara (Rumänien) sowie das Museum in Arad (Rumänien).

Ein interdisziplinäres Team aus Archäologen, Archäobotanikern, Mittelalterhistorikern und Soziologen geben dem LOEWE-Schwerpunkt ein besonderes Profil. Sie stehen für einen innovativen Ansatz der Erforschung von Konflikten und der Rolle von neuen Waffen und bronzezeitlichen Burgen im 2. Jahrtausend vor Christus – auch in einer vergleichenden Perspektive zu frühmittelalterlichen Befestigungen und zu Befestigungs- und Verteidigungsanlagen aus ethnographischen Fallbeispielen.

Autoren: Rüdiger Krause und Svend Hansen/ Universität Frankfurt, Forschung Frankfurt

Befestigungen als Ausdruck von Macht und Ideologie

Symbol und Schutz

Burgen dienten nicht nur rein praktischen Zwecken: Neben dem Schutz- und Verteidigungscharakter bestand die Funktion von Befestigungen auch in der symbolischen Darstellung von Macht und Ideologie der Herrschenden und in der Markierung von Grenzen zwischen dem Innen und Außen, dem „Wir“ und dem „Anderen“.

Zudem konnte die Errichtung von Steinmauern und Befestigungen auch die Gruppenidentität fördern. Ein beredtes Zeugnis ist die ungewöhnliche Lehmziegelmauer des früheisenzeitlichen Fürstensitzes auf der Heuneburg an der Oberen Donau. Kriegerische Auseinandersetzungen und Konfliktereignisse können im archäologischen Befund durch außergewöhnliche archäologische Kontexte und Funde nachgewiesen werden.

Heunischenburg
Mauern der Heunischenburg bei Kronach. © Stefan Wicklein /CC-by-sa 3.0

Kampfspuren an der Heunischenburg

Hervorzuheben sind die Ausgrabungen auf der Heunischenburg bei Kronach in Oberfranken. Für diese kleine und eher unscheinbare Befestigung, die abseits des eigentlichen Siedlungszentrums auf einem Bergsporn liegt, konnte nachgewiesen werden, dass die Anlage im 10. Jahrhundert vor Christus mit einer Sandsteinmauer umwehrt und dann im 9. Jahrhundert vor Christus durch eine 3,5 Meter hohe Steinmauer mit einem Tor zu einer mächtigen Fortifikation ausgebaut wurde.

Zahlreiche Waffenfunde an der Mauer weisen darüber hinaus darauf hin, dass hier gekämpft wurde: Entlang der massiven Befestigungsmauer wurden 300 Militaria gefunden, darunter viele Fragmente von Schwertklingen, Lanzenspitzen, auch rund 100 Pfeilspitzen sowie Ausrüstungsteile aus Bronze, die teilweise defekt und verbogen waren.

Waffenfunde im Tollensetal

Unmittelbarere Spuren eines kriegerischen Konflikts und Schlachtereignisses belegen die aufsehenerregenden Funde und Befunde aus dem Tollensetal in Mecklenburg-Vorpommern. Über einen etwa 1,5 Kilometer langen Talabschnitt sind dort Knochen von bis jetzt weit mehr als 130 menschlichen Individuen verstreut neben Pferdeknochen und Waffen entdeckt worden.

Die Funde datieren in die Mitte des 13. Jahrhunderts vor Christus, und die Knochen weisen zum Teil Verletzungen durch Hiebe und Schläge auf. Neueste Überlegungen der Ausgräber gehen von einem einmaligen Schlachtereignis aus, an dem möglicherweise mehrere tausend Krieger und insbesondere Bogenschützen beteiligt waren.

Autoren: Rüdiger Krause und Svend Hansen/ Universität Frankfurt, Forschung Frankfurt

Das Rätsel der verbrannten Mauern

Krieg oder Ritus?

Beredtes Zeugnis von Konflikten legen auch Brand- und Zerstörungshorizonte in bronzezeitlichen Siedlungen ab. Verbrannte Befestigungen scheinen die Folge von Belagerungen und einer erfolgreichen Zerstörung der Mauern darzustellen. Ob verbrannte Befestigungsmauern auch auf rituelle und von der eigenen Bevölkerung absichtlich herbeigeführte Handlungen im Zusammenhang mit der Aufgabe und Zerstörung zurückzuführen sind, wird diskutiert.

vitrified fort
Vom Feuer verglaste Mauer einer Burg in Frankreich.© jp.morteveille/ gemeinfrei

Vom Feuer verglast

Die sogenannten „Glasburgen“ oder „Schlackenwälle“ sind jedenfalls ein weitverbreitetes Phänomen, das bislang überwiegend von eisenzeitlichen Befestigungen Mittel- und Nordeuropas, vor allem von den Britischen Inseln, bekannt ist. Unter dem Begriff der „vitrified forts“ versteht man vollständig verbrannte Befestigungen aus Holz, Erde und Steinen, deren Bestandteile durch hohe Hitzeentwicklung stark zusammengebacken sind.

Aus dem LOEWE-Arbeitsgebiet liegen viele Beispiele verbrannter Mauern aus der Bronzezeit vor, auch vom Haimberg bei Fulda, von der mittelbronzezeitlichen Befestigung von Bernstorf in Oberbayern und von den großen spätbronzezeitlichen Befestigungen von Cornesti im rumänischen Banat oder von Teleac in Siebenbürgen. Sie belegen, dass das Phänomen der verbrannten Befestigungsmauern in das 14. Jahrhundert vor Christus und damit bis in die mittlere Bronzezeit zurückreicht.

Krieg um die Sängersburg

Auch in der Mittelgebirgszone in Hessen haben die LOEWE-Forschungen neue aufsehenerregende Befunde und Ergebnisse erbracht. In Hessen konnten ältere Ausgrabungen auf dem Dünsberg bei Gießen in die Untersuchung einbezogen werden. Auf dem Bleibeskopf im Taunus führte der LOEWE-Schwerpunkt neue Ausgrabungen durch. Erstmals kam der 498 Meter hohe Sängersberg bei Bad Salzschlirf am Rande der Fuldaer Senke in den Blick der Archäologie.

An der verstürzten Befestigungsmauer konnte ein bislang unbekanntes Konfliktereignis entdeckt werden. Dort zeugen mehr als 20 Pfeilspitzen mit zum Teil verbogenen Spitzen aus Bronze sowie eine Lanzenspitze von einem Angriff auf die Anlage. Dass sie dabei zerstört und anschließend nicht mehr benutzt wurde, liegt auf der Hand. Erste Datierungen deuten auf das 14./13. Jahrhundert vor Christus. Damit ist die Befestigung auf dem Sängersberg viel älter als bislang gedacht.

Die Region entlang der Fulda zwischen Rhön und Vogelsberg war ein wichtiger Kontakt- und Durchgangsraum, der auch durch seine Salzvorkommen (Solequellen) von erheblichem wirtschaftlichem Interesse war. Dies mag in der Bronzezeit ein Grund gewesen sein für die Errichtung der Höhenbefestigungen zur Durchsetzung eines Machtanspruchs.

Autoren: Rüdiger Krause und Svend Hansen/ Universität Frankfurt, Forschung Frankfurt

Kampfzeugnisse in Siebenbürgen

Großangriff auf Teleac

Die spätbronze- und früheisenzeitliche Burganlage von Teleac bei Alba Iulia ist die größte Befestigung jener Zeit in Siebenbürgen. Auf dem linken Ufer des Mureş in beachtlicher Höhe gelegen, konnte sie den gesamten Ost-West-Verkehr des Karpatenbeckens kontrollieren. Es ist wenig überraschend, dass auch die Römer unweit der bronzezeitlichen Burg im 2. Jahrhundert n. Chr. ein Militärlager errichteten.

Teleac
Ausgrabungen in Teleac. © Dr. Claés Uhnér/ LOEWE-Schwerpunkt „Prähistorische Konfliktforschung“

Festung mit strategischer Bedeutung

Nach den bisherigen Kenntnissen wurde die Burg in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts vor Christus errichtet. Um etwa 920 vor Christus wurden ein großer Abschnitt der Befestigung und Teile der Siedlung zerstört. Auf mehr als 600 Metern Länge konnte in der geomagnetischen Prospektion die verbrannte Befestigungsmauer dokumentiert werden. Dieser Befund kann nur mit einem Großangriff auf die Siedlung von außen erklärt werden.

In Teleac fanden sich bislang mehr als 30 Eisenobjekte. Damit ist die Burg ein Zentrum früher Eisenmetallurgie, was auch die strategische Bedeutung erklären mag. Das neue Material besaß überlegene Eigenschaften, die bronzenen Schwerter und Lanzenspitzen wurden rasch durch solche aus Eisen ersetzt. Die Kontrolle und Verfügung über diesen Rohstoff war in jedem Fall ein strategischer Vorteil.

Schleuderkugeln und verbrannte Erde

In der Befestigung von Sântana „Cetatea Veche“ am Unterlauf des Mureş scheinen nach den geomagnetischen Messungen die Holz-Erde-Konstruktionen der beiden Befestigungsringe verbrannt zu sein, dies haben auch erste Ausgrabungen gezeigt. Spektakulär ist die Entdeckung von hunderten hart gebrannter Lehmkugeln, sogenannter „sling stones“, also Schleuderkugeln, entlang der zerstörten Befestigung.

Sie lassen auf ein unmittelbares Schlachtgeschehen schließen, in dessen Verlauf die Holz-Erde-Befestigung zerstört wurde und in einer Brandkatastrophe vollständig zugrunde ging – ein wichtiges Beispiel dafür, dass Konflikte und vernichtende Angriffe auch mit Geschossen und Schleudern ausgetragen wurden.

Drei Burgen, drei Konfliktzeugen

Die Ausgrabungen des LOEWE-Schwerpunkts haben in nur wenigen Kampagnen drei beeindruckende Zeugnisse für kriegerische Ereignisse an Burgen sichtbar gemacht: die Waffenfunde auf dem Sängersberg und in Sântana sowie die verbrannten Mauern in Teleac und wiederum in Sântana. Der Sängersberg war – wie viele andere Burgen – bislang noch gar nicht als bronzezeitlich erkannt.

Auch in Teleac und in Sântana haben erst die LOEWE-Forschungen ein Gesamtbild der Burganlagen erbracht, das eine historische Interpretation erlaubt. Weitere Ausgrabungen sind deshalb unabdingbar, wenn man mehr über den bronzezeitlichen Krieg lernen möchte.

Eine Datenbank der bronzezeitlichen Burgen zwischen Taunus und Karpaten, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde, enthält mehr als 1.000 Einträge, was die strukturelle Bedeutung des bronzezeitlichen Burgenbaus nicht nur für den Krieg in der Bronzezeit, sondern auch die bronzezeitlichen Gesellschaften insgesamt unterstreicht.

Autoren: Rüdiger Krause und Svend Hansen/ Universität Frankfurt, Forschung Frankfurt