Forscher, Diplomat und Zähmer der Blitze

Benjamin Franklin

Benjamin Franklin
Benjamin Franklin – der Mann, der den Blitz zähmte © Benjamin West/ Philadelphia Museum of Arts

Benjamin Franklin war weit mehr als nur der Erfinder des Blitzableiters – er war ein Multitalent, genialer Tüftler und kritischer Geist. Ihn interessierten nicht nur ungelöste Rätsel der Wissenschaft, sondern auch soziale, philosophische und politische Fragen, die er tatkräftig anging. Franklin war damit eine der prägenden Gestalten seiner Zeit – und schon zu Lebzeiten ein Superstar.

Nach dem Motto: „Gut getan ist besser als gut gesagt“, suchte Franklin nach konkreten Lösungen für die Probleme seiner Zeit – seien sie technischer, sozialer oder politischer Natur. Er ersann praktische Werkzeuge für den Alltag, ging rätselhaften Naturphänomenen nach und scheute sich nicht, auch innovative und vermeintlich „unmögliche“ Hypothesen aufzustellen. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant nannte Franklin sogar einen „Prometheus der Neuzeit“.

Vom Drucker zum Journalisten und Unternehmer

Der Self-Made-Man

Zeitgenössisches Portrait von Benjamin Franklin um 1746. © Harvard University Portrait Collection

Wenn man Nikola Tesla, Steve Jobs, Willi Brandt und Albert Schweizer in einer Person zusammenfassen könnte, dann käme möglicherweise ein Multitalent wie Benjamin Franklin dabei heraus. Denn der 1706 in Boston geborene Sohn eines Seifenmachers hat sich im Laufe seines Lebens nicht nur zu einem genialen Erfinder und neugierigen Forscher entwickelt, er war auch Journalist, Philanthrop, Diplomat, Unternehmer und Politiker.

Im Gegensatz zu vielen verkannten Genies, war Franklin schon zu Lebzeiten ein echter Superstar. Nicht nur in den USA, auch in Europa kannte und umschwärmte man den genialen Tausendsassa. „Sein Ruhm ist größer als der von Newton, Friedrich dem Großen oder Voltaire, sein Charakter wird mehr gepriesen als der aller drei zusammen“, schrieb John Adams, Mit-Gründervater und zweiter Präsident der USA. „Es gibt kaum einen Fuhrmann oder eine Küchenmagd, die ihn nicht als Freund der gesamten Menschheit verehrt.“

Bescheidene Anfänge

Doch bei allem Ruhm – die Anfänge Benjamin Franklins sind eher bescheiden: Als 15. Kind eines englischen Auswanderers geboren, scheinen seine Bildungs- und Karrierechancen eher begrenzt. Tatsächlich schickt ihn sein Vater Josiah Franklin erst mit acht Jahren in die Schule. Obwohl der Junge sich als begabt und sehr lernfähig erweist, dauert seine Schullaufbahn dann nur zwei Jahre. Statt Mathematik, Latein und Englisch zu büffeln, arbeitet Franklin danach im Laden seines Vaters mit und beginnt mit zwölf eine Druckerlehre bei seinem älteren Bruder James.

Drucker Franklin
Benjamin Franklin an der Druckerpresse. © Library of Congress

Franklin aber will mehr: Noch während der Lehrzeit nutzt er die Chance, die die in der Druckerei reichlich verfügbaren Bücher und Zeitungen ihm geben. Er liest nahezu alles, was ihm unter die Finger kommt und beginnt gleichzeitig, sich im Schreiben zu schulen. Zu Übungszwecken verfasst er Essays im Stil bekannter Schriftsteller, versucht sich aber auch bereits an eigenen Texten. Diese schiebt er unter einem Pseudonym seinem Bruder unter, der sie dann nichtsahnend in seiner Zeitung veröffentlicht.

Der Prototyp des Self-Made-Mans

Für Franklin ist klar: Nur wer sich ständig weiterbildet, kann im Leben etwas erreichen. Um seinen Horizont zu erweitern, gründet er mit 21 Jahren den Junto-Club, einen Diskussions- und Weiterbildungszirkel. Die Teilnehmer diskutieren über gesellschaftliche, wissenschaftliche und philosophische Themen und leisten auch praktische Hilfe. Franklin und seine Clubkollegen initiieren die Gründung der ersten öffentlichen Bücherei, einer freiwilligen Feuerwehr und später der American Philosophical Society – einer bis heute existierende Institution. Franklin startet zudem eine Kampagne zur Finanzierung und Gründung des ersten öffentlichen Krankenhauses in Nordamerika.

Poor Richards Almanack
Titelblatt von Franklins Magazin "Poor Richard's Almanack". © historisch

Vorreiter des modernen Journalismus

Parallel nimmt Franklins unternehmerische und journalistische Karriere Fahrt auf. 1728 macht er sich selbständig und gründet in Philadelphia seine eigene Druckerei. Ein Jahr später übernimmt er seine erste Zeitung. Sie bildet den Anfang seiner Karriere als Journalist und Verleger – und seines steilen Aufstiegs zum Ruhm. Innerhalb weniger Jahre hat Franklin seinen Druckereibetrieb zu einer ganzen Kette von Filialen ausgeweitet. Sein Magazin „Poor Richard’s Almanack“ floriert, ebenso seine Zeitung „Pennsylvania Gazette“.

Als Journalist und Verleger vertritt Franklin konsequent ein Prinzip, das heute als Basis des modernen Journalismus gilt: „Wenn Menschen unterschiedlicher Meinung sind, dann sollten beide Seiten gleichermaßen den Vorteil haben, von der Öffentlichkeit gehört zu werden“, schrieb er in einem Artikel. Franklin vertritt damit konsequent eine ausgewogene und unabhängige Berichterstattung – ein zu seiner Zeit eher neues Konzept.

Gespür fürs Image

Und noch etwas lernt Franklin in seiner Zeit als Autor und Herausgeber: den Wert von Marketing und einem guten Image. Ihm wird klar, dass der Schein für die Öffentlichkeit oft wichtiger ist als das Sein und nutzt dies geschickt aus. In seinen Zeitungen wirbt er mit schlagkräftigen Argumenten für Ideen und Produkte, die er für wichtig und gut hält. Später kommt ihm dieses Marketing-Talent bei seiner politischen Tätigkeit zugute.

Doch auch vor kleinen Image-Tricks scheut Franklin nicht zurück: Um den Eindruck eines hart arbeitenden Unternehmers zu machen, zeigt er sich bewusst schon am frühen Morgen und spät abends in der Druckerei. Selbst wenn er zwischendurch Pausen macht oder nach Hause zurückkehrt, „verkauft“ er sich damit als unermüdlichen Arbeiter. Allerdings ist dies keine reine Fassade: Franklin ist ein echter Hans Dampf in allen Gassen und ein Arbeitstier. Neben seiner Tätigkeit als Verleger, Journalist, Drucker und Philanthrop weckt nun die Wissenschaft mehr und mehr sein Interesse…

Franklin und das Geheimnis der Elektrizität

Funken, Flaschen und die Batterie

Sprühende Funken, wie von Geisterhand zu Berge stehende Haare und ein seltsames Kribbeln: Mitte des 18. Jahrhunderts sorgt das Phänomen der Elektrizität für Faszination und einen wahren Boom an wissenschaftlichen Versuchen. Dutzende Forscher experimentieren mit statischer Aufladung und erforschen die Wirkungen dieser unsichtbaren Kraft.

Leidener Flasche
Mit der Leidener Flasche kann statische Elektrizität gesammelt werden – wie in einem Kondensator. © Rama /CC-by-sa 3.0

Leidener Flasche, Ladungen und ein Stromschlag

Kein Wunder, dass auch Benjamin Franklin sich der Faszination dieses neuen Forschungsfelds nicht entziehen kann. 1746 lernt er bei einem Besuch in Boston die gerade neu erfundene Leidener Flasche kennen – eine frühe Form des Kondensators. Wieder zuhause, bestellt sich Franklin ein Exemplar und beginnt eine Reihe von Experimenten zur Elektrizität. Er erforscht das Phänomen der Ladungen, die Übertragung durch leitfähige Materialien und entwickelt das Konzept für eine Batterie. In seinen Veröffentlichungen dazu prägt Franklin als erster die bis heute gängigen Begriffe Batterie, Ladung sowie positiv und negativ.

Die buchstäblich durchschlagende Wirkung der Elektrizität erfährt Franklin beim Experimentieren am eigenen Leib: Er verpasst sich selbst versehentlich einen Stromschlag. „Es ging ein Schlag durch meinen gesamten Körper vom Kopf bis Fuß“, beschreibt er die Erfahrung. „Danach war das erste, was ich bemerkte, ein gewaltsames Zittern meines Körpers…“

Ist der Blitz ein Funken?

Dieses Erlebnis, gepaart mit den immer wieder beobachteten Funken bei seinen Versuchen, wecken bei dem wissbegierigen Forscher einen Verdacht: Ist womöglich auch das Naturphänomen des Blitzes nichts anders als eine Spielart der Elektrizität – das Überspringen eines gewaltigen Funkens von der Wolke zur Erde?

Blitze
Sollten auch Blitze nichts anderes sein als Elektrizität? © assalve/ iStock.com

1749 beschreibt Franklin seine Hypothese in einem Brief so: „Wenn elektrifizierte Wolken über ein Land, hohe Berge, große Bäume, hochaufragende Türme, Kirchtürme, Masten von Schiffen, Schornsteine und so weiter ziehen, dann ziehen diese das elektrische Feuer auf sich und die gesamte Wolke entlädt sich dort.“ Als der Adressat des Briefs diese These vor der renommierten Londoner Royal Society vorstellt, erntet Franklins Idee zunächst nur Spott und Gelächter. Zu gewagt und exotisch ist diese Vorstellung. Ohne einen Beweis ist man nicht gewillt, eine solche These zu akzeptieren.

Das Schilderhaus-Experiment

Wie aber kann man beweisen, dass Blitz und Elektrizität im Prinzip dasselbe sind? Nach einigem Grübeln entwickelt Franklin ein Konzept – das „Schilderhaus-Experiment“. „Man platziere auf einem hohen Turm eine Art Wachhäuschen – groß genug für einen Mann und eine leitfähige Standplatte. Von dieser Platte ragt ein am Ende angespitzter Eisenstab rund zehn Meter in die Höhe“, beschreibt Franklin den Aufbau.

Wenn nun Gewitterwolken über den Stab hinwegziehen, müsste der Stab ihre elektrische Ladung anziehen und die Standplatte mitsamt Mann elektrifizieren. „Auch könnten Funken entstehen – der Stab zieht Feuer aus den Wolken“, so Franklin. Dieses Versuchskonzept überzeugt zwar nicht die Mitglieder der Royal Society, wohl aber den französischen König. Er beauftragt Wissenschaftler, Franklins Beschreibung zu überprüfen und umzusetzen. Im Mai 1752 schaffen es Thomas-François Dalibard und Delor tatsächlich, aus der Gewitterwolke Strom abzuleiten.

Wenig später bekommt auch Franklin seine Chance…

Wie Franklin den Blitz zähmte

Das Drachen-Experiment

Benjamin Franklin hat ein Problem: In seiner Heimatstadt Philadelphia gibt es kaum höhere Gebäude und die Landschaft ist gnadenlos flach. Wie soll er es da schaffen, nah genug an Gewitterwolken heranzukommen? Doch nur so kann er endgültig beweisen, dass ein Blitz nichts anders ist als der Funken einer elektrischen Entladung.

Franklin und der Drache
Benjamin Franklin beim Drachenexperiment © historisch

Ein Drache als Gewitter-Köder

Was also tun? Franklin entwickelt prompt eine Alternativlösung: Wenn kein Turm da ist, muss man den Blitzköder eben auf andere Weise den Wolken näher bringen – mit einem Drachen. An einem Nachmittag im Juni 1752 ergreift er die Chance, dies auszuprobieren. Als am Horizont Blitze zucken und dunkles Grollen ein Gewitter ankündigt, geht er mit seinem Sohn zum Drachensteigen hinaus.

Als Drache dient ihm über zwei Hölzchen gespanntes Seidentuch. Auf der Oberseite des Drachens ist ein hochstehender Eisendraht befestigt, als Leine dient eine Hanfschnur – ein im feuchten Zustand leitendes Material. „Sobald nun Gewitterwolken über den Drachen hinwegziehen, wird der spitze Draht das elektrische Feuer aus ihnen ziehen und der Drache mitsamt der Schnur wird elektrifiziert“, beschreibt Franklin das Prinzip. „Die losen Fäden der Schnur stehen dann in alle Richtungen ab und werden von einem sich nähernden Finger angezogen.“

Blitz ist Elektrizität!

Um keinen Blitzschlag zu erleiden, hält Franklin die Hanfschnur seines Drachens jedoch nicht direkt in der Hand. Stattdessen hat er an ihr Ende einen Seidenfaden gebunden, den er durch Unterstellen unter ein Regendach trocken hält. Auf diese Weise wirkt der Seidenfaden als Isolator und verhindert das direkte Weiterleiten der aus der Wolke stammenden Elektrizität. Um nachzuweisen, dass ein Strom fließt, hängt Franklin einen Schlüssel an das Ende der Hanfschnur. Dieser lädt sich auf und kann nun eine Leidener Flasche aufladen oder Funken auf eine sich annähernde Hand überspringen lassen.

Das Experiment glückt – zumindest berichtet Franklin nichts Gegenteiliges. Zwar sind außer seinem Sohn keine Augenzeugen anwesend, aber ein Kollege und Zeitgenosse schildert später den Ablauf der Ereignisse auf Basis von Franklins Aussagen. Damit ist es Franklin endlich gelungen zu bestätigen, dass auch Blitz nichts anders ist als Elektrizität. „Die Gleichheit der elektrischen Materie mit der des Blitzes ist damit vollständig demonstriert“, konstatiert der Forscher in einem Artikel.

Blitzableiter
Blitzableiter auf einem Schornstein – Franklins Erfindung ist heute überall verbreitet. © Lamiot /CC-by-sa 3.0

Ein „Himmmelsdraht“ als Blitzschutz

Weitaus folgenreicher ist aber die praktische Konsequenz, die Franklin aus der elektrischen Natur des Blitzes zieht: Wenn ein Eisendraht die Elektrizität aus einer Gewitterwolke ableiten kann, könnte ein solcher Draht dann nicht auch als Blitzableiter dienen? Dieser müsste aus einer isolierten Leitung bestehen, die an einem freien Ende im Boden steckt und am anderen vom Dach des Gebäudes in den Himmel ragt.

„Ein Haus, das so ausgerüstet ist, wird vom Blitz nicht beschädigt. Denn dieser wird von den Spitzen angezogen und fährt durch das Metall in den Grund, ohne irgendetwas zu verletzen“, beschreibt Franklin das Prinzip. Schon 1752 stattet er sein Wohnhaus mit einem solchen Blitzableiter aus und auch erste öffentliche Gebäude in Philadelphia bekommen diesen Blitzschutz.

Siegeszug der Blitzableiter

Nachdem Franklin das Prinzip weiter optimiert hat, breitet sich diese Technik schnell aus. In benachbarten Regionen, aber auch in Europa finden Blitzableiter reißenden Absatz. Der französische König ließ ausrichten: „Herrn Franklin aus Philadelphia für seine nützlichen Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrizität und der Anwendung der spitzen Stangen zu beglückwünschen, mit denen die fürchterlichen Auswirkungen von Gewittern verhindert werden können.“

Interessant jedoch: Während Franklins Blitzableiter ausdrücklich spitze Stäbe oder Drähte als Endstücke besitzen, erscheint dies dem englischen König George III. suspekt. Er entscheidet sich dafür, auf seinem Palast nur stumpfe Blitzstäbe anzubringen – eine Mode, die sich unter den loyalen Untertanen des Königs bald durchsetzt. In den Kolonien jenseits des Atlantik dagegen werden demonstrativ Franklins Modelle genutzt – auch als Statement des wachsenden Unabhängigkeitsbestrebens in Nordamerika.

Franklin als Wissenschaftler

Winde, Golfstrom und der Schnupfen

Mit den Experimenten zur Elektrizität und dem Phänomen des Blitzes ist Benjamins Franklins Forscherdrang noch lange nicht erschöpft. Er liest, experimentiert und forscht auf so unterschiedlichen Gebieten wie der der Zeitmessung, Meteorologie, der Meereskunde oder der Medizin.

Sturmfront
Eine Sturmfront und ihr merkwürdiges Zugverhalten brachten Franklin zum Grübeln. © Kevin Radley / NOAA

Wolken, Winde und Hagel

Schon vor seinen Versuchen zur Natur der Blitze entdeckt Franklin eine fundamentale Eigenschaft von Wolken und Stürmen: Er ist der erste, der erkennt, dass Wolken auch entgegengesetzt zur am Boden vorherrschenden Windrichtung ziehen können. Den Anstoß dazu gibt ihm ein Himmelsschauspiel: Am 21. Oktober 1743 bereitet sich Franklin darauf vor, eine Mondfinsternis zu beobachten, als heranrasende Sturmwolken ihm die Sicht auf den Erdtrabanten nehmen. Wenige Tage später jedoch liest er, dass die Menschen in Boston die Mondfinsternis sehen konnten – bei ihnen traf der Sturm erst deutlich später ein.

Das Merkwürdige jedoch: Boston liegt gut 100 Kilometer nordöstlich von Philadelphia und zur Zeit der Mondfinsternis herrschte Nordostwind. Dieser hätte die Sturmwolken daher nach Westen treiben müssen. Stattdessen bewegten sich die Wolken gegen den Wind. Der Wind konnte demnach nicht der einzige Einflussfaktor für die Bewegung großräumiger Wetterereignisse sein. Franklin stellt die Vermutung auf, dass der Luftdruck in Form von Hoch- und Tiefdruckgebieten die entscheidende Triebkraft der Sturmwirbel sein muss – eine korrekte Annahme.

Über noch etwas sinniert der Forscher: Warum kann es selbst im Hochsommer hageln? Eigentlich ist es dann ja viel zu warm, um die eisigen Klumpen zu bilden. Franklins Schlussfolgerung: Dort, wo der Hagel seinen Ursprung hat – hoch in der Atmosphäre – muss es deutlich kälter sein als in Bodennähe. Noch in der Wolke muss der Regen dadurch zu Hagel gefrieren. Auch damit liegt Franklin richtig, wie Messungen später beweisen.

Auf der Spur des Golfstroms

Selbst auf Reisen lässt es sich Benjamin Franklin nicht nehmen, Naturphänomene zu erkunden und ungeklärte Fragen zu untersuchen. So stellt er bei seinen Schiffspassagen über den Atlantik fest, dass die Reise je nach Richtung unterschiedlich lange dauert. Das weckt bei Franklin die Vermutung, dass der Golfstrom hieran einen erheblichen Anteil hat. Um diese Meeresströmung zu kartieren, führt er während einer der Schiffspassagen erstmals systematisch Messungen durch.

Franklin senkt in bestimmten Zeitabständen ein Thermometer in verschiedene Wassertiefen und kann so anhand der Wassertemperatur den Verlauf und die Tiefe des Golfstroms rekonstruieren. Das Ergebnis seiner Messungen ist die bis dahin genaueste Karte des Golfstroms – und ein Vorschlag, wie man die Schiffsrouten optimieren könnte, um die Atlantiküberquerungen zu verkürzen.

Polarlicht
Franklin vermutete bereits, dass Polarlichter ein elektrisches Phänomen sind. © Jack Fischer/ NASA

Polarlicht – ein „elektrisches“ Phänomen

Ein weiteres Phänomen weckt während der Schiffspassagen Franklins Neugier: das Polarlicht. Zu seiner Zeit ist noch völlig unklar, was diese seltsam leuchtenden Schleier am Himmel hervorruft. Doch Franklin – angeregt durch seine Experimente mit Elektrizität – entwickelt eine innovative Hypothese: „Könnte nicht die große Menge an Elektrizität, die von den Wolken in die Polarregionen gebracht werden, wie eine überladene Flasche durch die niedere Atmosphäre brechen…?“, schreibt er in einem Fachartikel dazu. Dieser Überschuss an elektrischer Energie in der Polarregion würde dann zu den Lichterscheinungen führen, mutmaßt Franklin.

Das könnte auch erklären, warum die Aurora borealis in Polnähe am häufigsten auftritt: „Die Elektrizität dünnt aus, wenn die Breitengrade zunehmen, sie ist stark sichtbar, wo sie am dichtesten ist und wird weniger sichtbar, wo sie auseinanderläuft“, schreibt Franklin. Damit erkennt er als einer der ersten, dass die Polarlichter ein elektromagnetisches Phänomen sind – auch wenn er in Bezug auf die Herkunft der Ladungen und Energien noch falsch liegt.

Schnupfen: Ansteckung statt Auskühlung

Doch auch auf dem Gebiet der Medizin wecken verschiedene Phänomen Franklins Aufmerksamkeit. So kann er als erster die gängige Annahme widerlegen, dass Kälte und Nässe die alleinige Ursache für Schnupfen sein müssen. Sein Gedankengang: Wenn das das Fall wäre, müssten Seemänner, die ständig in durchnässten Kleidern herumlaufen, besonders häufig unter Erkältungen leiden. Doch das ist nicht der Fall, wie Franklin feststellt.

Er vermutet stattdessen, dass Schnupfen von Mensch zu Mensch übertragen wird: „Menschen stecken sich gegenseitig an, wenn sie zusammen in kleinen engen Räumen, Kutschen oder ähnlichem eingeschlossen sind“, schreibt er. „Und wenn sie nahe beisammensitzen und sich unterhalten, atmen sie die Transpiration des Anderen ein.“ Lange vor der Entdeckung der Viren und Bakterien hat Franklin damit die Übertragbarkeit der Erkältung erkannt.

Erfindungen jenseits des Blitzableiters

Tüfteln fürs Gemeinwohl

Der Blitzableiter ist nicht die einzige Erfindung Benjamin Franklins. Im Laufe seines Lebens tüftelt er an unzähligen Gerätschaften, Werkzeugen oder Verfahren. Einige davon erfindet er ganz neu, andere optimiert er und entwickelt sie weiter.

Doch so geschäftstüchtig Franklin auch sonst ist, keine seiner vielen Erfindungen lässt er sich patentieren. Denn seiner Meinung nach sollen sie dem Gemeinwohl dienen und daher auch frei für alle verfügbar sein: „So wie wir selbst große Vorteile aus den Erfindungen anderer ziehen, sollten wir glücklich für die Chance sein, anderen durch unsere Erfindungen zu dienen – und das sollten wir frei und großzügig tun“, schreibt er in einem Artikel.

Bifokalglas
Das Bifokalglas geht auf eine Erfindung Benjamin Franklins zurück. © Frank C. Müller/CC-by-sa 3.0

Schwimmflossen, Zweistärkenbrille und ein Urinkatheter

Schon als elfjähriger Junge erfindet Benjamin Franklin Vorläufer der Schwimmflossen: Um schneller voranzukommen, sägt er sich zwei ovale Brettchen zurecht, die er beim Schwimmen in den Händen hielt. „Ich drückte die Kanten der Bretter vorwärts und schob das Wasser beim Zurückziehen mit ihrer flachen Seite weg“, berichtet er in einem Essay, den er als Jugendlicher schreibt. „Ich erinnere mich, dass ich mithilfe dieser Paletten schneller schwamm, aber sie ermüdeten meine Handgelenke.“

Deutlich alltagstauglicher ist eine Erfindung, die Franklin in späteren Jahren macht: Weil seine Augen nachlassen und er sowohl kurzsichtig als auch altersweitsichtig wird, muss er ständig die Brille wechseln. Um sich diese lästige Tauscherei zu ersparen, schneidet er kurzerhand die Gläser beider Brillen in der Mitte durch und kombiniert sie zu Zweistärkengläsern – oben für die Fernsicht und unten fürs Lesen.

Ein weiteres Medizinhilfsmittel, das Franklin optimiert, ist der Blasenkatheter. Franklins Bruder leidet so schwer an Blasensteinen, dass er mehrfach Katheter nutzen muss, um urinieren zu können. Zu dieser Zeit bestehen diese noch aus einem starren Metallröhrchen, was das Einführen zur Qual macht. Um seinem Bruder Erleichterung zu verschaffen, entwickelt Franklin einen Katheter aus beweglich durch Gelenke miteinander verbundenen Gliedern – den ersten flexiblen Urinkatheter.

Uhrnzeichnung
Drei-Räder-Uhr nach Franklins Modell. © historisch

Greifarm, Uhr und Ofen

Auch die meisten anderen Erfindungen Franklins sind eher praxisnah und alltagstauglich. So konstruiert er einen Greifarm, mit dem man Bücher aus oberen Regalfächern greifen kann. Er besteht aus einem Stock, an dessen Spitze zwei bewegliche Greifer sitzen, die durch Zug an einer Schnur geöffnet oder geschlossen werden können. Greifer nach diesem Prinzip gibt es bis heute.

Als Franklin 1737 Postmeister von Philadelphia und 1753 Postmeister der gesamten englischen Übersee-Kolonien wird, nutzt er die Gelegenheit, um den damals gängigen Entfernungsmesser zu optimieren. Zudem entwickelt er eine 24-Stunden Uhr mit drei Rädern, die gegenüber den gängigen Uhren dieser Zeit einfacher konstruiert war.

Und sogar mit dem Design von Öfen befasst sich Franklin – möglicherweise angeregt durch die kalten Winter in Pennsylvania. Sein „Pennsylvania Fireplace“ soll die Wärme des brennenden Holzes effizienter an den Raum übertragen. Die Konstruktion ist allerdings nicht ausgereift und die Öfen ziehen schlecht. Erst später optimiert ein anderer Ofenbauer das Design und macht die Öfen populär.

Musik der Sphären – die Glasharmonika

Ausgerechnet Franklins liebste Erfindung jedoch ist weder nützlich noch praktisch – es ist ein Musikinstrument. „Von allen meinen Erfindungen hat die Glasharmonika mir die größte persönliche Befriedigung gegeben“, schreibt Franklin. Den Anstoß dazu bekommt er, während er als Gesandter der amerikanischen Kolonien in Paris lebt. Bei einem Konzertbesuch hört er eine Vorführung der musikalischen Gläser. Dabei reiben die Musiker mit dem Finger am Rand von wassergefüllten Glasern entlang. Je nach Füllhöhe entsteht dabei ein feiner, hoher Ton.

Vorführung einer Glasharmonika.© Usama al-Binni

Franklin ist von der sphärischen Schönheit dieser Klänge fasziniert und beschließt, ein Musikinstrument nach diesem Prinzip zu entwickeln. Gemeinsam mit einem Glasbläser setzt er seine Idee um und erfindet 1761 die Glasharmonika. Sie besteht aus Glasschalen verschiedener Größe, die über eine Achse und Korkabstandshalter halb ineinandergesteckt aufgereiht sind. Dreht man nun über ein Fußpedal die Achse, drehen sich die Glasschalen und man kann Töne erzeugen, indem man einfach den Finger an das Glas hält.

Die Glasharmonika erfreut sich schnell großer Beliebtheit und wird sowohl von Musikern wie von Amateuren gekauft und gespielt. Sogar Komponisten wie Mozart und Beethoven schreiben Stücke für dieses Instrument. In Europa und Amerika sind Ende des 18. Jahrhunderts mehrere tausend Exemplare der Glasharmonika in Benutzung. Später allerdings lässt die Begeisterung für das Instrument nach und Franklins Glasharmonika gerät in Vergessenheit.

Franklins Rolle als Gründervater der USA

Diplomat und Politiker

Benjamin Franklin war weit mehr als nur Erfinder und Wissenschaftler – er hat auch die Geschichte der USA geprägt wie kaum ein anderer. Als einer der Gründerväter der USA spielte Franklin bei den Unabhängigkeitsbestrebungen der englischen Kolonien und später bei der Formulierung der amerikanischen Verfassung eine entscheidende Rolle.

Franklin in London
Benjamin Franklin in London – zeitgenössisches Portrait von 1767. © David Martin/ historisch

Einsatz in London

Franklins Karriere als Politiker und Diplomat beginnt mit seinem Interesse und Engagement für die Geschicke seiner Heimatstadt Philadelphia: Er engagiert sich im Stadtrat, wird Postmeister, Friedensrichter und schließlich Vertreter von Philadelphia in der Ratsversammlung von Pennsylvania. Aus der Mitgliedschaft in dieser Assembly entwickelt sich Franklins erster Einsatz als Diplomat: Er wird 1754 als offizieller Repräsentant von Pennsylvania nach London entsandt.

Zunächst ist Franklin dabei durchaus ein loyaler Untertan der britischen Krone und setzt sich für ein gutes Klima zwischen England und den Kolonien ein. Im Laufe seiner fast 20 Jahre in London übernimmt er auch die Vertretung der Interessen für drei weitere Kolonien in Nordamerika. Doch im Laufe der Zeit wächst seine Unzufriedenheit über den in seinen Augen tyrannischen Umgang der Krone mit den Kolonien.

Die Unabhängigkeitserklärung

1772 kommt es dann zum Eklat: Franklin werden Briefe zugespielt, in denen der britische Gouverneur von Massachusetts die Krone bittet, Soldaten nach Boston zu schicken. Sie sollen die Aufstände der mit der kolonialen Regierung unzufriedenen Bürger niederschlagen. Franklin sieht hierin eine Verletzung der Bürgerrechte seiner Landsleute und sorgt dafür, dass diese Briefe öffentlich werden. Für ihn ist dies der Anstoß, sich endgültig von Großbritannien abzuwenden und stattdessen die Unabhängigkeitsbestrebungen der amerikanischen Kolonien zu unterstützen.

Vorstellung der Unabhängigkeitserklärung
Das fünfköpfige Komitee präsentiert den Entwurf zur Unabhängigkeitserklärung – Franklin steht rechts. © John Trumbull/ historisch

Zurück in Philadelphia wird Franklin im Jahr 1776 Mitglied des fünfköpfigen Komitees, das die Unabhängigkeitserklärung für die Kolonien formulieren soll. Seine Aufgabe ist es, den von Thomas Jefferson niedergeschriebenen ersten Entwurf zu überarbeiten. Aus Franklins Feder stammt die Eingangsformulierung des berühmten zweiten Satzes: „We hold these truths to be self evident, that all men are created equal….“ Am 4. Juli 1776 wird die Unabhängigkeitserklärung vom Kongress angenommen und im August unterzeichnet Benjamin Franklin das Dokument gemeinsam mit 55 weiteren Repräsentanten der 13 amerikanischen Kolonien.

Der Vertrag von Paris

Schon kurz darauf folgt Franklins zweiter Einsatz als Diplomat: Er reist nach Paris, um dort eine Allianz zwischen den nun unabhängigen Kolonien und Frankreich auszuhandeln. Dabei kommt ihm sein bereits bis nach Europa gedrungener Ruf als Erfinder und Genie zugute. „Mein Bild ist überall, auf den Deckeln von Schnupftabaksdosen, auf Ringen und Büsten“, schreibt Franklin an seine Tochter. „Mein Portrait ist ein Bestseller – es gibt überall Drucke, Kopien von Drucken und Kopien der Kopien. Das Gesicht Deines Vaters ist nun so bekannt wie das des Mannes im Mond.“

Durch sein Geschick als Diplomat kann Franklin gemeinsam mit seinen in London tätigen Kollegen John Jay und John Adams entscheidend dazu beitragen, dass 1782 ein trilateraler Vertrag mit Frankreich und Großbritannien zustande kommt. Der Vertrag von Paris beendet den Krieg zwischen den beiden europäischen Staaten und erkennt die amerikanischen Kolonien als unabhängige Nation an. Damit ist der Weg zur Gründung der USA frei.

Fugio-Cent
Dieser Fugio-Cent war die erste offizielle Münze der USA. Motto und Entwurf stammen von Benjamin Franklin. © historisch

Die Verfassung

Wie aber soll die neue Nation aussehen? Bisher bilden die 13 Kolonien nur einen losen Bund von Einzelstaaten. Im Jahr 1787 wird daher ein Verfassungskonvent einberufen, in dem die Delegierten der 13 Bundesstaaten die künftige rechtliche und politische Struktur des Landes klären sollen. Auch der inzwischen 81-jährige Benjamin Franklin nimmt teil. Er vertritt unter anderem die Ansicht, dass statt eines Präsidenten ein mehrköpfiger Regierungsrat das Land führen soll – kann sich damit aber nicht durchsetzen.

Doch in einer entscheidenden Situation kann Franklin erneut sein diplomatisches Geschick ausspielen: Als die Delegierten keine Einigung darüber finden, wie viele Repräsentanten die Bundessstaaten in die beiden Kammern des Parlaments entsenden dürfen, entwickelt Franklin gemeinsam mit George Washington die bis heute gültige Kompromisslösung: Im Senat ist jeder Staat mit zwei Abgeordneten vertreten, im Kongress dagegen richtet sich die Zahl der Vertreter nach der Einwohnerzahl der Bundesstaaten.

Benjamin Franklin ist der einzige Politiker, der gleich drei grundlegende Dokumente zur Gründung der Vereinigten Staaten unterzeichnet hat: die Unabhängigkeitserklärung, den Vertrag von Paris und die Verfassung. Sein Wirken hat die Geschicke und das Gesicht der USA nachhaltig geprägt.

Gegen die Sklaverei

In einem Punkt allerdings bleibt Franklin erfolglos: in seinem Einsatz gegen die Sklaverei. Nachdem er selbst früher zwei Sklaven besessen hat, setzt er sich nach seiner Rückkehr aus England für die Befreiung der Sklaven und das Verbot des Sklavenhandels ein. Die Umsetzung dieses Ziels allerdings erlebt Franklin nicht mehr. Er stirbt 1790 – lange vor dem amerikanischen Bürgerkrieg und der Abschaffung der Sklaverei in den USA.