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Genetik

Wie die Orchidee zu ihrer Lippe kam

Genetiker klären Mechanismus für die Entstehung von Biodiversität auf

Paphiopedilum godefroyae © Wolfgang Apel/ GFDL

Sie gelten als die Diven unter den Blütenpflanzen und faszinieren durch extravagante Blütenformen und leuchtende Farbenpracht – die Orchideen. Doch wie sind sie zu ihren spiegelsymmetrischen Blüten mit der charakteristischen Lippe gekommen? Dies war bisher unbekannt. Nun sind Jenaer Wissenschaftler bei der Lösung dieses Problems einen entscheidenden Schritt weitergekommen.

In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Trends in Plant Science“ veröffentlichen die Genetiker eine durch molekulargenetische Daten begründete Hypothese, wie das „Orchideen-Prinzip“ in der Evolution entstanden sein könnte.

Obwohl es außerordentlich vielfältige Formen gibt, haben alle Orchideen-Arten eines gemeinsam: „Im Unterschied zu den Blüten relativ naher Verwandter wie Lilien oder Tulpen besitzen Orchideenblüten nur eine einzige Symmetrie-Ebene“, erläutert Professor Günter Theißen von der Universität Jena. „Diese Spiegelsymmetrie trägt entscheidend zum charakteristischen Aussehen der Orchideenblüte bei“, macht der Genetiker deutlich.

Genschalter untersucht

Anders als Tulpen oder Lilien, die sechs identische Blütenkronenblätter haben, besitzen Orchideen unterschiedlich aussehende Blütenblätter. „Neben drei ‚Kelchblättern‘ verfügen sie über zwei ,Kronblätter‘ und eine ,Lippe'“, so Theißens Kollegin Mariana Mondragón-Palomino. Die aus Mexiko stammende Wissenschaftlerin erforscht seit 2006 die Blütenentwicklung von Orchideen molekulargenetisch.

Mariana Mondragón-Palomino forscht seit 2006 im Rahmen eines von der VolkswagenStiftung geförderten Projekts in Theißens Labor und untersucht die Blütenentwicklung von Orchideen molekulargenetisch. © Peter Scheere/FSU

Die morphologischen Unterschiede der Blütenorgane der Orchideen haben ihren Ursprung auf genetischer Ebene. Während bei nahen Verwandten der Orchideen ein Gen, welches die Entwicklung aller sechs Blütenkronenblätter kontrolliert, in einer einfachen Kopie vorliegt, bestimmen das Aussehen der Orchideenblütenorgane vier verschiedene Kontrollgene dieses Typs. So sind zur Entwicklung der Kelchblätter zwei Kontrollgene angeschaltet, bei den Kronblättern drei und zur Ausbildung der Lippe sind alle vier „Genschalter“ aktiv.

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„Dieses Prinzip konnten wir bei einer Reihe sehr unterschiedlicher Orchideenarten nachweisen, so dass es sich sehr wahrscheinlich um ein allgemeines Prinzip handelt“, so Theißen. Auch wie die Orchideen-spezifischen Kontrollgene im Laufe der Evolution entstanden sind, haben die Genetiker der Jenaer Uni herausgefunden. „Diese haben sich bei den Orchideen zwei Mal verdoppelt“, erläutert Theißen.

Gen-Verdopplung als Erfolgsprinzip der Evolution

Anschließend spezialisierten sich die ehemals identischen Gene und übernahmen neue Funktionen. Dieses Prinzip der Gen-Verdopplung und anschließenden Spezialisierung ist jedoch nicht nur bei Orchideen zu finden. „Vielmehr handelt es sich dabei um ein weit verbreitetes Prinzip, nach dem evolutionäre Neuheiten – und in der Folge – Biodiversität und Artenreichtum entstehen können“, macht Theißen deutlich. Die Orchideen hat diese Strategie – mit möglicherweise weit über 30.000 Arten – zu einer überaus erfolgreichen Gruppe von Pflanzen werden lassen.

Als nächstes wollen die Jenaer Genetiker prüfen, ob ihre Hypothese sich auch bei besonders ursprünglichen Orchideen bewährt, die noch nicht untersucht werden konnten, weil sie sehr selten und schwer zu beschaffen sind. Bislang beruht die Hypothese auf Genexpressionsstudien. Die Forscher wollen daher möglichst bald auch die Funktion der duplizierten Gene anhand erblich veränderter Phänotypen studieren. Entsprechende Studien sind in Orchideen aber aus technischen Gründen recht langwierig. Darüber hinaus interessiert die Forscher, ob sich das Prinzip auch in anderen Pflanzen finden lässt. „Wir wissen, dass auch andere Blütenpflanzen Lippen ausgebildet haben“, so Theißen. „Es wird interessant sein zu sehen, ob auch bei diesen Gen-Verdopplungen zu ihrer Entstehung beigetragen haben.“

(idw – Universität Jena, 21.02.2008 – DLO)

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