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Physik

Wasserstoff brennt fraktal

Bei Enge bildet brennender Wasserstoff verblüffend geometrische Flammenfinger

Wasserstoffflammen
Dieses fraktale Muster erzeugt brennender Wasserstoff, wenn er in einer sehr engen Spalte entzündet wird. © F. Veiga-López et al., Phys. Rev. Lett. 124, 174501 (2020)

Geometrische Flammen: Wasserstoff entfaltet beim Brennen eine verblüffende Fähigkeit, wie ein Experiment enthüllt. Lässt man dem Gasfeuer kaum noch Raum, bilden die Flammen ein fraktales Muster – verzweigte, selbstähnliche Strukturen. Das ermöglicht es dem Wasserstoff, selbst in millimeterdünnen Ritzen und bei niedrigen Wasserstoffkonzentrationen weiter zu brennen. Dieses physikalisch spannende Phänomene macht das Gas allerdings noch feuergefährlicher.

Wasserstoff ist nicht nur das leichteste chemische Element, das Gas gilt auch als klimafreundlicher Energielieferant der Zukunft. Denn H2 lässt sich zur Stromgewinnung, zum Heizen und als Kraftstoff für Antriebe nutzen – und bei der Verbrennung entsteht nur Wasser. Doch es gibt ein Risiko: Wasserstoff ist leicht entzündlich und kann bei der unkontrollierten Reaktion mit Sauerstoff eine Explosion auslösen. Umso wichtiger ist es, sein Brennverhalten genau zu kennen.

Highspeed-Blick auf brennenden Wasserstoff

Doch genau hier sorgt Wasserstoff nun für eine Überraschung. „Bisher dachte man, dass sehr dünne Wasserstoff-Flammen in beengten Bedingungen von selbst erlöschen“, erklären Fernando Veiga-Lopez von der Universität Carlos III in Madrid und seine Kollegen. Denn typischerweise geht Gasfeuern in extrem schmalen Ritzen oder in hoher Verdünnung schlicht der Nachschub an Brennmaterial aus.

Anders dagegen beim Wasserstoff, wie das Experiment der Forscher demonstriert. Dafür leiteten sie Wasserstoffgas verschiedener Verdünnungen zwischen zwei transparenten Platten hindurch, die nur wenige Millimeter auseinander lagen. Dann zündeten sie das Gas am Plattenrand an und beobachteten mithilfe einer hochauflösenden Highspeed-Kamera, ob und wie sich das Wasserstoff-Feuer ausbreitete. Zwar brennt das Gas mit unsichtbarer Flamme, die Kamera konnte aber die Kondensationsspur des beim Brennen entstehenden Wassers verfolgen.

Flammen folgen fraktalem Muster

Das überraschende Ergebnis: Trotz des nur millimeterschmalen Spalts breitete sich der brennende Wasserstoff problemlos zwischen den Platten aus. Selbst bei der geringsten Konzentration von nur fünf Prozent Wasserstoff im Luftgemisch blieb das Feuer bestehen. „Wir zeigen damit zum ersten Mal, dass H2-Flammen sich selbst in sehr engen Lücken beispiellos ausbreiten können – und das selbst bei sehr geringen Konzentrationen“, sagen Veiga-Lopez und sein Team.

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Fraktale Flammen
Ausbreitungsmuster von Wasserstoffflammen unter beengten Verbindungen. Links brennt das Gas von oben nach unten, rechts in umgekehrter Richtung. © F. Veiga-López et al., Phys. Rev. Lett. 124, 174501 (2020)

Noch verblüffender aber: Unter solchen Extrembedingungen zerbricht die Flammenfront in ein fraktales Muster. Dabei bildet das brennende Gas geometrische, sich mehrfach selbstähnlich verzweigende Flammenfinger, die sich durch den Spalt vorwärtsbewegen. „Diese fraktale Ausbreitung ähnelt den Mustern, die Pilze oder Bakterien erzeugen“, so die Forscher. Ein solches Verhalten ist von anderen schwereren Gasen unter solchen Bedingungen nicht bekannt.

Wie entstehen die Fraktale?

Wie aber kommt das fraktale Muster zustande? Das haben Veiga und seine Kollegen mithilfe von Simulationen näher untersucht. Diese ergaben, dass das geringe Molekulargewicht des Wasserstoffs ihm eine weit schnellere Diffusion erlaubt als schwereren Gasen. Deshalb kann selbst in millimeterschmalen Spalten genügend Brennstoff für die Flammen nachströmen.

Die Auftrennung der Flammenfront in die fraktalen „Finger“ fördert den Nachschub zusätzlich, weil dann auch von den Seiten frisches Gas nachströmen kann. Für die nötige Verzweigung der Flammenfront sorgt dabei die intensive Hitzeabstrahlung des brennenden Gases, wie die Forscher erklären. Sie verdrängt die unmittelbar benachbarten Flammen und führt so zur Bildung der Flammenfinger.

Feuergefährlicher als gedacht

Damit zeigt Wasserstoff nicht nur ein bislang einzigartiges Brennverhalten, er ist auch brandgefährlicher als bislang gedacht. Denn das Experiment demonstriert, dass das Gas schon bei weit niedrigeren Konzentrationen brennt und selbst in engsten Spalten und Lücken nicht erlischt. Für Wasserstoffspeicher und Tanks muss dies nun in Zukunft berücksichtigt werden, so Veiga und seine Kollegen. (Physical Review Letters, 2020; doi: 10.1103/PhysRevLett.124.174501)

Quelle: Universidad Carlos III de Madrid, American Physical Society (APS)

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