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Physik

Wassermolekülen bei der „Arbeit“ zugeschaut

Neuer Ansatz ermöglicht bewegte Bilder der Proteinfunktion

Blick in das aktive Zentrum des Proteins mit der exakten Anordnung der Wassermoleküle. Angezeigt sind die Protonentransferreaktionen. © Garzcarek/Gerwert/Nature

Schon die antiken Griechen ahnten: Wasser ist der Quell des Lebens. Dieser Ahnung gingen jetzt die Forscher der Ruhr Universität Bochum (RUB)in der Nano-Welt der Proteine, den Bausteinen des Lebens, auf den Grund. Sie konnten erstmals zeigen, wie ein Membranprotein gezielt das Zusammenspiel einzelner Wassermoleküle nutzt, um seine Arbeit zu verrichten: von der Sonne angetrieben Protonen gegen einen äußeren Widerstand zu pumpen.

Entgegen der herrschenden Lehrmeinung können Wassermoleküle genau wie Aminosäuren Funktionen in einem Protein übernehmen. „Die katalytische Funktion der Proteine ist essentiell für die Regulierung biologischer Prozesse, und proteingebundenes Wasser spielt dabei eine zentrale Rolle“, erklärt der Biophysiker Professor Klaus Gerwert, der zusammen mit Florian Garzcarek in der online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature über die Ergebnisse der Studie berichtet.

Die „Arme“ sind wichtig

So wie bei einem tanzenden Paar die Bewegungen der Arme eine zentrale Rolle spielen, sind die Interaktionen der beiden an dem zentralen Sauerstoff (O) gebundenen Wasserstoffarme (H) wichtig für die Funktion der Wassermoleküle (H2O) im Protein. Ein im Labor von Gerwert entwickelter, so genannter vibrationsspektroskopischer Ansatz erlaubte es den Forschern nun erstmals, die Wasserstoffe einzelner proteingebundener Wasser und ihre vielfältigen Interaktionen während der Katalyse eines Membranproteins in Echtzeit aufzulösen.

„Bisher konnte in den Proteinstrukturen nur die Position der Sauerstoffatome des proteingebundenen Wassers aufgelöst werden, nicht aber die der Wasserstoffe und insbesondere nicht deren Dynamik“, erläutert Gerwert. Ohne Kenntnis über die Position und Dynamik der Arme konnte den Wassermolekülen bisher auch keine Funktion zugeordnet werden. „Die Ergebnisse unserer Untersuchungen stellen einen Paradigmenwechsel in der Bedeutung der proteingebundenen Wassermoleküle für die Funktion von Proteinen dar“, so Gerwert.

Fortschritt in der Entwicklung medizinischer Wirkstoffe

Auswirkungen könnte die neue Untersuchungsmethode etwa auf die Entwicklung neuer Medikamente haben: Die Rolle der Wassermoleküle wird beispielsweise in den so genannten Modelling Verfahren der Pharmaindustrie, in denen neue Wirkstoffe entwickelt werden, bisher gar nicht oder nur sehr rudimentär berücksichtigt.

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„Kann man die Rolle Protein-gebundener Wasser in solche Verfahren mit einbeziehen, sollte dies einen erheblichen Fortschritt bei der Entwicklung von neuen Wirkstoffen auslösen“, schätzt Gerwert. Die Vibrationsspektroskopie könne zu einer Schlüsseltechnik im Bereich der Systembiologie werden, da sie die Dynamik der Proteine und ihre Interaktionen in Proteinnetzwerken auflösen kann.

Die aktuellen Ergebnisse der RUB-Wissenschaftler schlagen darüber hinaus eine Brücke von der Welt der Physiko-Chemiker zu der Welt der Biochemiker: Es zeigt sich, dass die in den physiko-chemischen Systemen entdeckten Eigenschaften der Wasser geschickt von einem Protein genutzt werden, um seine biologische Funktion optimal zu realisieren.

Bisher nur Standbilder

Die Biowissenschaftler versuchen, ausgehend von Fragestellungen auf der phänomenologischen Ebene, die Prozesse auf der zellulären und schließlich auf der molekularen Ebene zu verstehen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, gezielter in patho-physiologische Prozesse eingreifen zu können. Auf der molekularen Ebene rücken im „postgenomen“ Zeitalter funktionstragende Proteine in den Fokus der Forscher. Mit der Röntgenstrukturanalyse kann man ihre dreidimensionale Struktur bestimmen. Um allerdings die Funktion zu verstehen, benötigt man weiterführende Methoden, die eine echte atomare Auflösung liefern. Die Röntgenstrukturanalyse löst in der Regel die Wasserstoffatome nicht auf und liefert den eingefrorenen Grundzustand der Proteine, die Reaktionen der Schlüsselgruppen werden dagegen nicht aufgelöst.

„Diese klassischen Methoden liefern bildlich gesprochen einen Schnappschuss von einem kalten Motor, aber nicht aber einen ganzen Film, der den laufenden Motor mit seinen vielen fein aufeinander abgestimmten Bauteilen in Aktion zeigt“, so Gerwert. „Für das Verständnis des Zusammenspiels der einzelnen Proteine in den komplexen Signaltransduktions-Netzwerken der Zelle ist aber über die Struktur hinaus die Bestimmung der Dynamik der Proteine und ihrer Interaktionen wesentlich.“ Kommt es zu Störungen in den Signalwegen, beginnt die Zelle unkontrolliert zu wachsen und es bilden sich Krankheiten wie Krebs aus.

(idw – Universität Bochum, 10.11.2005 – DLO)

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