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Chemie

Wassereis mit quadratischem Gitter entdeckt

Forscher entdecken unbekannte Eisform beim Experimentieren mit Graphen

Quadratisches Eis unter dem Elektronenmikroskop © Universität Ulm

Ein Eiskristall der ungewöhnlichen Art: Forscher haben eine zuvor unbekannte Form des Wassereises entdeckt. Es entsteht unter Druck in extrem engen Zwischenräumen wasserabweisender Materialien. Das Ungewöhnliche daran: Im Kristallgitter dieses Eises bilden die Bindungen keine Sechsecke, sondern Quadrate und die Sauerstoffatome sitzen direkt übereinander, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Ob als Schnee, Eiswürfel im Glas oder Eisblumen am Fenster – Wassereis begegnet uns am Alltag in vielen Formen. Auf Kristallebene jedoch steckt hinter allen die gleiche hexagonale Grundstruktur. Sie wird vorgegeben durch den Winkel, den die beiden Wasserstoffatome im Wassermolekül bilden und durch die Winkel der Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den verschiedenen Molekülen. Sie machen beispielsweise Eiskristalle sechseckig.

Graphen-Sandwich mit Wasserfüllung

Doch unter bestimmten Kombinationen von Druck und Temperatur können auch weitere Eisformen entstehen – 17 verschiedene kennt man inzwischen beim Wassereis. Die erst kürzlich entdeckte 17. Form ähnelt dabei winzigen Käfigen aus Eis. Gerardo Algara-Siller von der Universität Ulm und seine Kollegen haben nun gezielt nach einer weiteren Variante gesucht, die vor allem dort auftreten könnte, wo Wasser in mikroskopisch kleinen Poren oder in feinsten Kapillaren vorkommt.

Um diese Bedingungen nachzustellen, gaben die Forscher eine winzige Wassermenge auf eine Graphenunterlage und überdeckten diese mit einer weiteren nur ein Atom dicken Graphenschicht. „Das meiste Wasser wurde dabei herausgedrückt, aber einiges blieb in den vielen Taschen in Submikrometer-Größe hängen“, berichten die Wissenschaftler. Welche Struktur dieses Wasser einnahm, analysierten sie nun mit Hilfe eines Transmissions-Elektronenmikroskops (TEM).

Gitterstruktur von quadratischem Eis: Die Sauerstoffatome der Wassermoleküle liegen im Gitter übereinander, die Wasserstoffbindungen haben einen Winkel von rund 90°. © University of Science and Technology of China

Gestapelte Gitter

„Schon unsere Rohdaten zeigten, dass dieses Wasser ein regelmäßiges quadratisches Gitter bildete“, so die Forscher. Obwohl beim Versuch Raumtemperatur herrschte, brachte der Druck das Wasser offenbar dazu, ein Kristallgitter – und damit Eis – zu bilden. An einigen Stellen war dieses Gitter einschichtig, an anderen lagen bis zu drei Molekülschichten übereinander. Das machte es möglich, die dreidimensionale Struktur dieser Eisform genauer zu analysieren.

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Das Ergebnis war überraschend: „Die Bilder zeigen eindeutig, dass die Wassermoleküle AA-gestapelt sind – die Sauerstoffatome der benachbarten Lagen sitzen direkt aufeinander“, so Algara-Siller und seine Kollegen. Erstaunlich ist dies deshalb, weil die Sauerstoffatome im Molekül die gleiche negative Teilladung besitzen und sich daher gegenseitig abstoßen müssten.

Rechter Winkel

Und noch etwas ist ungewöhnlich: „In allen losen Eisphasen folgt die Bindung zwischen den Wassermolekülen den sogenannten ‚Eisregeln‘, die von einer tetraedrischen Anordnung der Wasserstoffbindungen ausgehen“, erklären die Forscher. Die beiden Bindungen der Wasserstoffatome an den Sauerstoff bilden miteinander einen Winkel von knapp 105° und erzeugen dadurch die typisch geknickte Form des Moleküls.

In der neuentdeckten Wassereis-Variante jedoch bilden die beiden Wasserstoffbindungen einen Winkel von 90° – sowohl innerhalb der Gitterlagen als auch zwischen ihnen, wie die Forscher berichten. Dies ermöglicht erst die seltsam quadratische Anordnung des Eisgitters und macht es gleichzeitig besonders dicht. „Die Dichte dieses Kristallgitters ist eineinhalb mal härter als von normalem Wassereis“, so Algara-Siller und seine Kollegen.

Nach Ansicht der Forscher ist diese neuentdeckte Eisform kein bloßes Labor-Artefakt, sondern kommt in der Natur vermutlich sogar häufiger vor. „Wir erwarten, dass es im Inneren von hydrophoben Nanokapillaren unter normalen Bedingungen häufig ist“, so Algara-Siller und seine Kollegen. Ihre Modellsimulationen ergaben, dass ein solches quadratisches Eis auch in dünnen Zwischenräumen anderer Materialien außer Graphen auftreten kann. (Nature, 12015; doi: 10.1038/nature14295)

(Nature, 27.03.2015 – NPO)

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