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Geowissen

Wann der Berg ins Tal kommt

Simulationen verbessern Risikobeurteilung von Massenbewegungen

Ein Felssturz © Technische Universität Wien

Wiener Wissenschaftler haben Computerprogramme so weiter entwickelt, dass sie damit Fels- und Bergstürze, Steinschlag und Hangrutschungen besser simulieren können. Ihre Ergebnisse tragen dazu bei, das Risiko für solche Massenbewegungen besser zu beurteilen. Im Mittelpunkt ihrer Forschung stehen ein in Bewegung geratener Hang über dem norwegischen Geiranger Fjord und der Gschliefgraben am Fuße des Traunsteins in Gmunden.

Fels- und Bergstürze, Steinschlag und Hangrutschungen werden unter dem Begriff Massenbewegungen zusammengefasst. Gründe für diese natürlichen Abtragungsprozesse in hochalpinen Regionen bis hin zum Hügelland sind nicht zuletzt die immer intensivere Nutzung der Gebirgsgegenden und der Klimawandel.

Stumme Zeugen

Für die Simulation von Massenbewegungen bedarf es einer ganzen Reihe von Daten, die von einem Geländemodell über das absturzbereite Volumen bis zur Analyse der so genannten „stummen Zeugen“ reichen. Bei letzteren handelt es sich um Gesteinsmassen, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgegangen sind.

Laut Professor Rainer Poisel vom Institut für Ingenieurgeologie der Technischen Universität (TU) Wien gibt es viele dieser „stummen Zeugen“. „Über sie können wir eruieren, welche Variablen jeweils beim Absturz zum Tragen kamen. Wir haben bereits existierende Computerprogramme adaptiert, um diese Massenbewegungen besser simulieren zu können“, so Poisel.

Flutwelle im Geiranger Fjord?

Größen wie der Rollwiderstand oder die Sprunghöhe der einzelnen Felskörper wurden von dem TU-Forscherteam in das Programm PFC (Particle Flow Code) eingearbeitet. Mit der Methode erfolgten zuletzt auch Untersuchungen in Norwegen, am Berg „Aknes“, der über dem berühmten Geiranger Fjord abzustürzen droht und eine Flutwelle auslösen könnte. Ein anderes Programm (DAN 3D) modelliert die herabstürzende Masse als zähe Flüssigkeit.

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„Wir haben mehrere Sturzvorgänge sowohl mit PFC als auch mit dem DAN-Code simuliert und sehr große Ähnlichkeiten zwischen den Ergebnissen des Partikel- und des Flüssigkeitsmodells gefunden“, erklärt Poisel. Jeder Bergsturz läuft nach einem anderen Muster ab. „Es löst sich ein bestimmtes Volumen ab und stürzt über ein Vorland hinunter. Einmal bleibt die Masse gleich liegen. Ein anderes Mal fährt sie kilometerweit ins Vorland hinaus. Um diesen Abläufen auf die Spur zu kommen, rechnen wir sie mit DAN und PFC“, so Poisel.

Bergmassiv © Technische Universität Wien

Wasser raus aus dem Berg

Poisel und seine Mitarbeiter beobachten auch Großhangbewegungen bei Murau und Gmunden, im vielzitierten Gschliefgraben. Solche Vorgänge können in den seltensten Fällen ganz verhindert werden, weil sie viel zu große Massen erfassen. „Uns bleibt nur zu beobachten, möglichst viel Wasser aus dem Hang herauszubringen und zu warnen sowie das Risiko zu beurteilen.“

Das Risiko berechnet sich aus Schaden mal Eintrittswahrscheinlichkeit. „In Murau hat der Kosten-Nutzen-Vergleich beispielsweise gezeigt, dass dem im Frühstadium befindlichen Talzuschub aus wirtschaftlichen Gründen nur mit einer Waldverbesserung entgegen gewirkt werden soll. Dies hat zur Folge, dass bei Niederschlägen der Wassereintritt in den Untergrund minimiert wird“, so Poisel. In Gmunden wird derzeit noch Wasser mittels Brunnen aus der bewegten Masse gepumpt, um das Schmiermittel aus dem Hang zu bringen, und so versucht, den Bewegungen entgegenzuwirken.

(idw – Technische Universität Wien, 18.11.2008 – DLO)

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