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Technik

Verborgener Text in mittelalterlichem Buch entdeckt

Römischer Rechtstext war im Pergament des Buchrückens erhalten

Erst spezielle Techniken machten diesen ausgekratzten unn ausgewaschenen Text auf dem Pergament des Buchrückens wieder sichtbar. © Northwestern University

Jahrhunderte verborgen: Versteckt im Buchrücken eines mittelalterlichen Manuskripts haben Forscher einen antiken Text entdeckt. Das Pergament trug einen römischen Rechtstext– samt auf dem Rand notierter Kommentare. Als das Pergament von den mittelalterlichen Schreibern recycelt wurde, kratzten und wuschen sie die alte Schrift aus. Erst die Röntgenstrahlung eines Synchrotrons machte sie wieder sichtbar.

Moderne Technik hat häufiger geholfen, Texte auf alten Pergamenten und Manuskripten lesbar zu machen. Denn häufig ist die Schrift verblasst oder das Pergament zu fragil, um geöffnet zu werden. Selbst verkohlte Schriftrollen lassen sich mit spezieller Röntgentechnik inzwischen entziffern. In einigen Fällen haben Schreiber ältere Schriften sogar absichtlich überdeckt, um Raum für neue Texte zu schaffen.

Versteckte Texte im Buchrücken

Im späten Mittelalter gab es diese Form des Pergament-Recyclings besonders häufig. So nutzten Buchbinder oft ältere Pergamentseiten als Bindematerial für neue Bücher. Viele Manuskripte aus dem 15. bis 18. Jahrhundert enthalten daher verborgene, ältere Schriften im Buchrücken. Bisher jedoch gelang nur selten, diese sichtbar und lesbar zu machen.

Einen solchen versteckten Text vermuteten Marc Walton von der Northwestern University und seine Kollegen auch bei einem Manuskript mit Texten des griechischen Dichters Hesiod aus dem Jahr 1537. Sowohl der Buchrücken als auch die Buchdeckel bestanden aus einem Pergament, das feine Spuren ausgekratzter und weggewaschener Textteile erahnen ließ.

Tintenspuren im Pergament

„Die Tinte hatte das Pergament angegriffen, dadurch konnte man die Schrift erahnen“, erklärt Waltons Kollegin Emeline Pouyet. Schwach waren zwei Spalten älteren Textes zu erahnen. Die Forscher versuchten, diese Schrift mithilfe der Hyperspektraltechnik sichtbar zu machen. Diese kombiniert Aufnahmen verschiedener Wellenlängen, um so den Kontrast zu verstärken.

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Doch vergebens: Zwar erschien die Schrift nun ein wenig deutlicher, aber nicht klar genug, um sie entziffern zu können. Das Pergament war zu unregelmäßig degradiert, wie die Forscher erklären. Sie versuchten es daher mit einer anderen Methode: Sie durchleuchteten Buchrücken und Front mit dem energiereichen Röntgenlicht eines Synchrotrons.

So haben die Forscher den verborgenen Text wieder sichtbar gemacht© Northwestern University

Antiker römischer Rechtstext enthüllt

Und tatsächlich: Das Röntgenlicht kombiniert mit einer computergestützten Nachbearbeitung enthüllte, dass die gesamte Bindung des mittelalterlichen Buchs Text und sogar an den Rand geschriebene Kommentare enthielt. Sie entpuppten sich als römischer Rechtstext aus dem sechsten Jahrhundert, versehen mit juristischen Randnotizen.

Die Wissenschaftler vermuten, dass der ursprüngliche Rechtstext einmal Teil einer frühmittelalterlichen Universitätsbibliothek gewesen ist. Zu dieser Zeit bildete das Studium des antiken römischen Rechts die Basis für die juristische Ausbildung von Gelehrten. Später, als sich dann die Rechtsprechung in Europa änderte, wurden die römischen Rechtstexte obsolet – und man recycelte die Pergamente für neuere Schriften.

Kombinierte Techniken

„Wenn man das richtige Werkzeug hat, ist so eine Analyse viel einfacher“, sagt Walton. „Das Problem ist aber, dass man nicht immer Zugang zu einem Synchrotron hat.“ Die Forscher suchten deshalb nach einer Möglichkeit, solche versteckte Texte künftig auch mit Labormitteln rekonstruieren zu können.

Und es gelang: Die Wissenschaftler kombinierten Hyperspektral-Aufnahmen mit Röntgenfluoreszenz und entwickelten einen Algorithmus, der die Kontraste optimal verstärkte. Dadurch konnten sie die versteckte Schrift im mittelalterlichen Buchrücken fast genauso gut sichtbar machen wie durch das aufwändige Durchleuchten mittels Synchrotron.

„Damit haben wir nun eine Technik entwickelt, mit der wir uns in Museumssammlungen noch viele weitere solcher recycelten Manuskripte anschauen können“, sagt Walton. (Analytica Chimica Acta, 2017; doi: 10.1016/j.aca.2017.06.016)

(Northwestern University, 19.07.2017 – NPO)

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