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Chemie

„Unmögliche“ Platin-Reaktion entschlüsselt

Metastabiler Zustand ermöglicht Platin-Katalysatoren frühe Reaktion

PLatinbrücke
Zwei Platin-Atome (weiß) bilden eine Brücke, die zwei Kohlenmonoxid-Moleküle festhält – und so die Voraussetzung für die Katalyse zu Kohlendioxid schafft. © TU Wien

Kühle Katalyse: Das Edelmetall Platin ist in Katalysatoren schon bei niedrigeren Temperaturen aktiv als es eigentlich dürfte. Was hinter dieser „unmöglichen“ Reaktion steckt, haben Chemiker nun aufgeklärt. Demnach können zwei Platin-Atome in Kombination mit einer Eisenoxid-Unterlage einen metastabilen Zustand einnehmen. Dieser ermöglicht ihnen die katalytische Reaktion auch unter eigentlich zu kalten Bedingungen, wie das Forschungsteam in „Science Advances“ berichtet.

Das Edelmetall Platin ist nicht nur beständig und gut formbar, es bildet auch einen wichtigen Bestandteil vieler Katalysatoren – unter anderem im Auto. Dort wandelt es in Anwesenheit von Eisenoxid oder anderen Sauerstoffgebern giftiges Kohlenmonoxid in Kohlendioxid um, in dem es die Oxidation dieses Gases fördert. Typischerweise findet diese Katalyse aber erst statt, wenn das Platin eine bestimmte Schwellentemperatur überschritten hat.

Reaktion schon unterhalb der Schwellentemperatur

Das Merkwürdige jedoch: Platin-Katalysatoren sind teilweise schon bei Temperaturen aktiv, bei denen sie nach gängiger Lehrmeinung eigentlich noch gar keinen Effekt zeigen dürften. „Nach der Dichtefunktionaltheorie, die man normalerweise für solche Berechnungen verwendet, sollte der Prozess erst bei rund 530 Grad stattfinden. Wir wussten also: Irgendetwas Wichtiges hatte man hier bisher übersehen“, erklärt Erstautor Matthias Meier von der Technischen Universität Wien.

Um dieser „zu kalten“ Reaktion des Platins auf den Grund zu gehen, haben Meier und seine Kollegen den kleinstmöglichen Platinkatalysator zunächst im Rastertunnelmikroskop beobachtet – in Form einer Schicht einzelner Platinatome auf einer Eisenoxidunterlage. Sowohl die Platin-Atome als auch die Eisenoxid-Oberfläche können zwischen unterschiedlichen Atomanordnungen hin- und her wechseln. Für die Reaktion wird dann Kohlenmonoxid (CO) zugeleitet und die Temperatur allmählich erhöht.

Platinbrücke mit Eisenoxid-Stütze

Es zeigte sich: Die Platin-Atome begannen schon bei rund 277 Grad ihre katalytische Funktion – deutlich früher als es die Modelle vorhersagen. Die Aufnahmen enthüllte jedoch auch, wie dies geschieht: Jeweils zwei Platin-Atome bilden ein Paar und halten zwischen sich je ein Kohlenmonoxid-Molekül fest. Diese Platin-Kohlenmonoxid-Brücken sind in den Rastertunnelaufnahmen gut als helle Doppelpunkte zu erkennen.

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Der Clou jedoch: Durch Interaktion mit diesem Platin-Dimer ändert die Eisenoxid-Unterlage vorübergehend ihre atomare Struktur und bildet eine Stütze für die Platinbrücke. „Der unerwartete Aspekt dieses Mechanismus ist, dass sowohl das Platin-Kohlenmonoxid-Dimer als auch die Eisenoxid-Stütze einen metastabilen Zustand einnehmen, der die Reaktion ermöglicht“, berichtet das Team. Bei dieser katalytischen Reaktion setzt die Unterlage ein Sauerstoffatom frei, das sich mit einem der CO-Moleküle zu CO2 verbindet. „Die Platin-Dimere setzen dann ein CO2 frei, bevor sie in zwei Adatome zerfallen und anschließend auch das zweite CO2-Molekül freisetzen“, erklären Meier und seine Kollegen.

So funktioniert die katalytische Reaktion von Platin mit Kohlenmonoxid.© TU Wien

Metastabiler Zustand als Schlüssel

Nach Ansicht der Chemiker erklärt der neu entdeckte metastabile Zustand, warum der Platinkatalysator schon unterhalb der eigentlichen Schwellentemperatur aktiv werden kann: Die Interaktion mit der Unterlage ermöglicht es dem Platin-Kohlenmonoxid-Gebilde, schon früher in einen vorübergehend energetisch günstigen Zustand zu wechseln, der dann die Reaktion ermöglicht.

„Wenn wir diese bisher nicht berücksichtigen Kurzzeit-Zustände in unsere Computersimulation mit einbauen, dann kommen wir genau auf das Ergebnis, das auch im Experiment gemessen wurde“, sagt Meier. (Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.abn4580)

Quelle: Technische Universität Wien

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