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Physik

Ultrakalte Moleküle in den Urzustand versetzt

Experimentalphysiker stoßen weiter in die Welt der Moleküle vor

Die schwach gebundenen Moleküle (oben) werden durch einen Laserpuls in einen tiefgebundenen Grundzustand (unten) überführt. © Florian Lang / Universität Innsbruck

Standen bis jetzt nur äußerst fragile Moleküle für Experimente mit ultrakalten Quantengasen zur Verfügung, so hat sich das mit den neuesten Ergebnissen Innsbrucker Forscher geändert. Sie haben ein ultrakaltes Quantengas von Molekülen im Grundzustand erzeugt. In diesem Zustand besitzen die Teilchen die niedrigst mögliche Vibrations- und Rotationsenergie und sind deshalb besonders stabil.

Die innere Stabilität könnte in Zukunft zu einer Reihe von neuen Anwendungen führen, zum Beispiel im Bereich der Chemie, so die Wissenschaftler um Johannes Hecker Denschlag und Rudolf Grimm vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“. Weitere mögliche Anwendungen ultrakalter Grundzustandsmoleküle liegen in Präzisionsmessungen und beim Bau von Quantencomputern sowie in der Beschreibung völlig neuer Materiezustände.

„Wir nähern uns mit diesem Experiment jenem Bereich, in dem wir mehrere Moleküle sehr kontrolliert miteinander reagieren lassen können, ohne dass sie sofort zerfallen“, erläutert Hecker Denschlag. „So könnten in Zukunft chemische Reaktionen von komplexen Molekülen in bisher ungekannter Präzision studiert und gesteuert werden. Dabei können wir jeden Zufall ausschließen.“

Exakte Kontrolle

Ausgangspunkt für das Experiment ist ein Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidium-Atomen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius. Über dieses Kondensat wird mit Lasern ein dreidimensionales, optisches Gitter gelegt, sodass an jedem Gitterplatz zwei Atome zu liegen kommen. Mit Hilfe eines kontrollierten, resonanten Stoßes werden diese Atome dann in ein sehr schwach gebundenes Molekül überführt. Dieses wird wiederum durch einen Laserpuls in den tiefgebundenen Triplett-Grundzustand gebracht, in dem es für weitere Experimente zur Verfügung steht.

„Wir können jetzt mit Molekülen ähnlich arbeiten, wie Chemiker das gemeinhin tun“, erzählt Hecker Denschlag. „Der Vorteil unseres Experiments ist, dass wir alle Parameter sehr genau kontrollieren, was bei der großen Komplexität von Molekülen ein enormer Fortschritt ist.“

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Ähnliche Ergebnisse aus Freiburg

In den Physical Review Letters haben Wissenschaftler der Innsbrucker Partneruniversität Freiburg in Deutschland gleichzeitig ein ähnliches Experiment vorgestellt. Dem Team um Matthias Weidemüller vom Physikalischen Institut ist es mit einer anderen Methode ebenfalls gelungen, ultrakalte Moleküle in den Grundzustand zu versetzen.

Die Innsbrucker Experimentalphysiker um Grimm ließen schon vor fünf Jahren aufhorchen, als sie erstmals ein Bose-Einstein-Kondensat aus sehr schwach gebundenen Molekülen erzeugten. Seither versuchten Forschergruppen in der ganzen Welt, Quantengase auch mit Molekülen im Grundzustand experimentell herzustellen.

Die Innsbrucker Physiker waren von Anfang an erfolgreich bei diesem Wettlauf dabei. Neben den nun präsentierten Resultaten gelang es zum Beispiel erst unlängst einer Gruppe um START-Preisträger Hanns-Christoph Nägerl ein erstes Quantengas aus stark gebundenen Molekülen zu realisieren. Sie berichteten darüber in der Zeitschrift Science.

(Universität Innsbruck, 01.10.2008 – DLO)

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