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Technik

Teilchenbeschleuniger in Chipgröße

Physiker schrumpfen Laser-Beschleuniger auf Mikrometer-Format

Kanal des MIniatur-Beschleunigers
Diese 25.000-fach vergrößerte Aufnahme zeigt Mikrostrukturen im winzigen Kanal des neuen Laser-Beschleunigers. In diesem Kanal von nur 250 Nanometer Dicke und 30 Mikometer Länge werden die Elektronen bescheunigt. © Neil Sabra

Teilchenbeschleuniger müssen nicht immer riesengroß sein oder ganze Räume füllen: Forschern ist es nun gelungen, einen Laser-Beschleuniger für Elektronen so stark zu verkleinern, dass er auf einen Mikrochip passt. Der Mini-Teilchenbeschleuniger bringt Elektronen mithilfe von schnellen Laserpulsen auf Tempo. Solche Mini-Anlagen könnten zukünftig vor allem in der Medizin zum Einsatz kommen.

Klassische Teilchenbeschleuniger wie der Large Hadron Collider (LHC) am CERN benötigen Strecken von Dutzenden bis hunderten Metern, um Teilchen mit Elektromagneten bis auf nahezu Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Es gibt inzwischen allerdings auch schon Technologie, bei denen statt Elektromagneten Terahertzstrahlung oder Laserstrahlen zur Beschleunigung eingesetzt werden. Diese Geräte sind dann nur noch tischgroß, die von ihnen auf Tempo gebrachten Teilchen aber trotzdem schnell genug für viele Anwendungen.

Wie schrumpft man einen Laser-Beschleuniger?

Doch nun sind Neil Sapra von der Stanford University und sein Team noch einen Schritt weitergegangen: Sie haben den bisher kleinsten Teilchenbeschleuniger seiner Art konstruiert. „Wir wollen die Beschleuniger-Technologie so verkleinern, dass sie zu einem zugänglicheren Forschungswerkzeug wird“, erklärt Sabras Kollegin Jelena Vuckovic. Denn bisher sind die Anlagen so teuer und dünn gesät, dass sie nicht für alle verfügbar sind.

Für ihren Mini-Beschleuniger rollten die Forscher den Design-Prozess quasi von hinten auf: Ausgangspunkt war die Überlegung, Infrarot-Laserstrahlen als Tempomacher einzusetzen. 100.000 Mal pro Sekunde treffen dabei Laserpulse in einem Vakuumkanal auf Elektronen und geben ihnen jedesmal einen kleinen „Schubs“. Dadurch werden die Teilchen nach und nach bis auf hohe Energien beschleunigt. Sabra und sein Team nutzten eine spezielle Software, um ausgehend von den Merkmalen des Lasers und den Anforderungen an die Beschleunigerleistung die kleinstmögliche Hardware für diese Anlage zu designen und zu konstruieren.

Auf eine Million Elektronenvolt in einem Zentimeter

Das Ergebnis ist ein Silizium-Chip, in den ein nur 250 Nanometer dicker und 30 Mikrometer langer Kanal eingelassen ist – er ist damit weit dünner als ein menschliches Haar. Durch diesen Vakuumkanal schicken die Forscher den gepulsten Infrarot-Laserstrahl, der die eingespeisten Elektronen beschleunigt.

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In ersten Tests konnte der miniaturisierte Chip-Beschleuniger Elektronen auf einer Strecke von nur 30 Mikrometern einen zusätzlichen Schub von 0,915 Kiloelektronenvolt verleihen, wie die Forscher berichten. Umgerechnet auf einen Meter Beschleunigerstrecke entspricht dies jedoch bereits rund 30,5 Megaelektronenvolt – dies entspricht einem Teilchentempo von mehr als 94 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

Um dies zu erreichen, müssten allerdings entweder mehr als tausend der Chip-Beschleuniger hintereinander gekoppelt werden oder die Elektronen müssten tausendmal durch den Mini-Teilchenbeschleuniger laufen. Doch die Forscher halten diese Skalierung für durchaus machbar. Bis Ende 2020 wollen sie 1.000 Beschleunigungsstufen auf etwa einem Zentimeter Chipfläche umsetzen, um das Ziel von einer Million Elektronenvolt zu erreichen.

Gezieltere Krebsbehandlung durch Beschleuniger-Chips

Eine mögliche Anwendung des neuen Mini-Beschleunigers wäre die Medizin. Denn bisher füllen Beschleuniger für die Strahlentherapie gegen Krebstumore ganze Räume. Um die Patienten gegen die schädliche Strahlenwirkung abzuschirmen, müssen diese schwere Bleischürzen tragen, trotzdem wird immer auch gesundes Gewebe geschädigt.

Doch der Mini-Teilchenbeschleuniger könnte zu einem ganz neuen Ansatz bei solchen Therapien führen, sagt Koautor Robert Byer: „In unserer Studie haben wir angefangen, zu zeigen, dass es möglich sein könnte, Elektronenstrahlung direkt auf den Tumor zu lenken und gesundes Gewebe unberührt zu lassen.“ Denn wenn der Beschleuniger selbst nur wenige Zentimeter groß ist und der Teilchenstrahl nur wenige Mikrometer dick, dann wird eine sehr viele treffgenauere, selektive Bestrahlung möglich.

Byers Kollege Olav Solgaard hat bereits damit begonnen, eine auf die Krebsbekämpfung zugeschnittenen Beschleunigerversion zu entwickeln. Er will die neuen Beschleuniger-Chips künftig in der Nähe von Tumoren implantieren, um den Teilchenstrahl direkt auf das erkrankte Gewebe zu lenken. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aay5734)

Quelle: Stanford University

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