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Physik

Supraleiter bei Zimmertemperatur

Einem neuen Aggregatzustand auf der Spur

Vakuum-Apparatur © Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck

Fest, flüssig, gasförmig – im Alltag kommt man nur mit diesen drei Aggregatzuständen in Kontakt. Wissenschaftler aus Innsbruck beschäftigten sich aber seit längerem mit einem neuen Materiezustand bei tiefen Temperaturen, dem Fermi-Kondensat. Erstmals wurden nun überzeugende Indizien für die reibungsfreie Strömung der Teilchen (Suprafluidität) in solchen Fermi-Kondensaten finden. Damit sind die Forscher einem derzeit heiß umkämpften Meilenstein in der Physik näher gekommen, dem Supraleiter bei Zimmertemperaturen.

Die vor wenigen Monaten erstmals realisierten Fermi-Kondensate ähneln dem Bose-Einstein-Kondensat (BEC), einer Materieform von abgekühlten Teilchen sehr nahe am absoluten Nullpunkt von -273 Grad Celsius. Die Teilchen im BEC haben ganzzahligen Drehimpuls und gehören daher der Klasse der Bosonen an, die sich gesellig zu einem Kondensat zusammenschließen und dann kollektiv wie ein einziges Objekt verhalten. Das Fermi-Kondensat besteht jedoch nicht aus Bosonen sondern aus Fermionen mit einem halbzahligen Drehimpuls. Fermionen sind normalerweise Einzelgänger und werden nur dann wie Bosonen gesellig und können kondensieren, wenn man sie zu Paaren zusammenschließt. Durch einen Trick gelang es der Arbeitsgruppe Grimm Ende letzten Jahres weltweit erstmals jeweils zwei fermionische Lithium-6-Atome in einem ultrakalten Gas zu Molekülen (Bosonen) zu verbinden und zu einem BEC abzukühlen. Dieses Molekülkondensat ist der Ausgangspunkt für die neuen Experimente an Fermi-Kondensaten.

Starkes Indiz für die Suprafluidität

Die Innsbrucker Wissenschaftler sind in der Lage, die Bindungskräfte zwischen den Atomen zu variieren, wodurch das Molekülkondensat in ein Fermi-Kondensat umgewandelt wird. Mit Radiowellen wird dieses ultrakalte Gas spektroskopisch untersucht. „Wir erhielten aus unseren Messungen eindeutige Indizien für die Suprafluidität des Fermi-Kondensats, die damit erstmals als bewiesen angesehen werden kann“, zeigte sich Grimm überzeugt. Der Nachweis der Suprafluidität in Fermi-Gasen ist derzeit ein heiß umkämpfter Meilenstein in der Physik. Die Messdaten zeigen eine Energielücke als Kennzeichen der Paarbildung und erlauben erstmals, Eigenschaften der Fermionenpaare zu untersuchen. Die gemessenen Abhängigkeiten von Dichte, Bindungsstärke und Temperatur ermöglichen den Rückschluss auf die Suprafluidität. Die Suprafluidität ist ein Phänomen, bei dem Teilchen ohne Reibungsverluste auch durch engste Kapillare strömen können. „Der nächste große Schritt, den hoffentlich auch wir als Erste machen werden, wird die direkte Beobachtung von suprafluiden Strömungen sein“, setzt sich Grimm schon wieder neue Ziele.

Neue Erkenntnisse für Supraleiter

Neben dieser grundsätzlichen Erkenntnis, die ein neues quantenmechanisches Verständnis offenbart, hofft Grimm auch neue Wege für die Entwicklung von Supraleitern bei Zimmertemperatur zu finden. Metallische Supraleiter verlieren bei tiefen Temperaturen schlagartig ihren elektrischen Widerstand und können Strom reibungsfrei leiten. Die neuen Erkenntnisse über das Fermi-Kondensat könnten helfen, alltagstaugliche Supraleiter zu entwickeln. Die höchste derzeit bekannte Temperatur, bei der Supraleitung auftritt, liegt bei -135 Grad Celsius.

Erfolgreiche Kooperation

Grimms Team forscht seit knapp vier Jahren an der Universität Innsbruck, seit letztem Jahr auch im neu gegründeten Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die konkrete Arbeit wurde durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) im Rahmen des Spezialforschungsbereichs „Control and Measurement of Coherent Quantum Systems“ sowie durch ein Lise-Meitner-Stipendium an den taiwanesischen Gastwissenschaftler Dr. Cheng Chin (Erstautor des Science-Artikels) unterstützt.

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(Universität Innsbruck / Österreichische Akademie der Wissenschaften, 26.07.2004 – AHE)

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