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Ökologie

Strategie gegen das Artensterben gesucht

Bundesumweltminister Gabriel eröffnet UN-Biodiversitäts-Gipfel

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat gestern in Bonn die 9. Vertragsstaatenkonferenz über die biologische Vielfalt (COP 9) eröffnet. Über 5.000 Vertreter aus 190 Ländern diskutieren dort bis zum 30. Mai 2008 darüber, wie das weltweite Artensterben gestoppt werden kann. Angesichts der rapide wachsenden Weltbevölkerung geht es dabei nicht nur um Tiere und Pflanzen, sondern ebenso um die Zukunft der Menschheit, betonte Gabriel.

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Gabriel wies auf der Veranstaltung zudem auf den Zusammenhang zwischen dem Verlust biologischer Vielfalt und der weltweiten Klimaänderung hin. „Der Klimawandel und der Verlust biologischer Vielfalt sind die beiden wichtigsten Herausforderungen für die internationale Politik“, sagte Gabriel und betonte den Zusammenhang beider Themen: „Naturschutz ist Klimaschutz und Klimaschutz ist Naturschutz“.

Der Bundesumweltminister rief die rund Teilnehmer der Konferenz darüberhinaus zu einer konstruktiven Zusammenarbeit auf. „Wir müssen zeigen, dass wir das das gemeinsam vereinbarte Ziel, bis zum Jahr 2010 den Schutz der biologischen Vielfalt weltweit grundlegend voranzubringen, auch wirklich ernst nehmen“, so Gabriel. Deutschland hat mit der Eröffnung der Konferenz für die kommenden zwei Jahre den Vorsitz der UN-Konvention über die biologische Vielfalt von Brasilien übernommen.

Noch immer auf dem falschen Weg?

Die Weltgemeinschaft hatte im Jahr 2002 in Johannesburg beschlossen, den Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 entscheidend zu verringern. „Die Wahrheit im Jahr 2008 ist: Wir sind immer noch auf dem falschen Weg“, sagte Gabriel. 16 Jahre nach dem Erdgipfel von Rio de Janeiro befindet sich die Konvention über die biologische Vielfalt am Scheideweg.

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„Wir müssen uns der unbequemen Frage stellen, ob wir weiterhin nur Berge von Papier mit wenig Inhalt produzieren oder ob wir unserer Verantwortung gerecht werden wollen“, so der Bundesumweltminister. Die Zerstörung des biologischen Reichtums der Welt ist keineswegs nur ein Gegenstand naturromantischer Betrachtung. „Es geht vor allem um das Leben der Ärmsten. Wenn, wie befürchtet, der Kollaps der weltweiten Fischerei eintritt, dann wäre eine Milliarde Menschen ihrer einzigen Proteinquelle beraubt“, so Gabriel.

Kampf gegen Biopiraterie

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Der Bundesumweltminister hob hervor, dass die Konferenz nur einstimmig Beschlüsse fassen kann. „Einstimmige Beschlüsse erreichen wir nur, wenn wir einander zuhören, Flexibilität zeigen und die Erfolge der anderen würdigen anstatt nur auf die Defizite der anderen zu zeigen“, appellierte Gabriel und erinnerte an die Größe der Aufgabe: „So wie es in meinem Land eine äußerst schwierige Aufgabe ist, unsere gewachsene Chemie-, Energie- und Autoindustrie so zu organisieren, dass die ökologischen Grenzen insbesondere im Klimaschutz eingehalten werden, so fällt es anderen Ländern nicht leicht, ein Entwicklungsmodell zu verändern, das über Jahrzehnte auf der Umwandlung von Wald oder anderen Ökosystemen in Agrarflächen beruht. Um das alles zu schaffen, brauchen die Umweltminister in der ganzen Welt neben dem eigenen inneren Engagement viel Unterstützung. Von Regierungschefs, von anderen Fachministern – vor allem aber aus der Bevölkerung“.

Zu den wichtigsten Zielen der Konferenz gehören nach Gabriels Worten Fortschritte beim Zugang zu genetischen Ressourcen und dem gerechten Vorteilsausgleich, dem sogenannten ABS-Regime. „Die Entwicklungsländer bezeichnen es zu Recht als Biopiraterie, wenn Industrienationen sich im Regenwald genetischer Ressourcen unerlaubt bedienen, daraus Medikamente machen, aber keinen Cent zurückzahlen“, sagte der Bundesumweltminister.

Der finanzielle Umfang steht dabei noch nicht einmal im Vordergrund. „Es geht um eine Frage des Prinzips. Die industrialisierte Welt muss anerkennen, dass sie Gewinne aus biologischen Ressourcen mit denen zu teilen hat, die sie bis zum heutigen Tag für die Menschheit bewahrt haben“, so Gabriel.

Mobilisierung neuer Finanzierungsquellen nötig

Als weiteres herausragendes Ziel der Konferenz nannte Gabriel die Verbesserung der Finanzierung des globalen Schutzes der biologischen Vielfalt. „Man macht es sich zu einfach, wenn man die Menschen in Entwicklungsländern dazu auffordert, beispielsweise die Abholzung des Regenwaldes einfach zu stoppen“, so Gabriel. Denn oft haben die Menschen vor Ort keine andere Möglichkeit zu überleben.

„Wir wissen, was getan werden müsste, um die Vielfalt der Natur zu erhalten. Und wir wissen, was getan werden müsste, um regional die Wirtschaft zu entwickeln. Aber die Schwierigkeit ist, diese beiden Ziele miteinander in Einklang zu bringen“, sagte Gabriel und rief die Delegierten dazu auf, eine Strategie zur Mobilisierung neuer Finanzierungsquellen zu verabschieden.

„Deutschland hat hier bereits die Initiative ergriffen. Wir werden im Jahr 2008 erstmals die Erlöse aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten im Rahmen der Klimaschutzinitiative auch für die Erhaltung von Ökosystemen wie Wälder, Moore und Savannen sowie zur Anpassung von Lebensräumen an den Klimawandel einsetzen. Dafür stehen uns zunächst 40 Millionen Euro jährlich zur Verfügung“, sagte der Bundesumweltminister.

Lob und Tadel vom DNR

Neben Regierungsdelegationen werden UN-Naturschutzkonferenzen auch beispielsweise von Naturschutz-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sowie von wissenschaftlichen Institutionen begleitet.

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) unterstützt dabei die Absicht Bundesminister Gabriel, bei der COP 9 einen konkreten Fahrplan für ein gerechtes internationales Regelungswerk beim Zugang zu genetischen Ressourcen und beim gezielten Vorteilsausgleich, dem sogenannten ABS-Regime, zu vereinbaren.

Interessant sei auch der neue Vorschlag bei den Schutzgebieten. „Die so genannte Lifeweb-Initiative von Bundesminister Gabriel zur schnelleren Umsetzung eines weltweiten Netzes von Schutzgebieten an Land und auf dem Wasser unterstützen wir. Allerdings muss sie mit klaren Kriterien für die Schutzwürdigkeit von Gebieten verknüpft werden und die Rechte indigener Völker und regionaler Gemeinschaften gewährleisten“, sagte DNR-Präsident Hubert Weinzierl.

40 Millionen Euro sind zu wenig

Die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel von 40 Millionen Euro jährlich sind aber nach Auffassung des DNR zu kümmerlich. Immerhin stellt Norwegen für die nächsten fünf Jahre einen Betrag von jeweils 500 Millionen Euro zum Erhalt der Biodiversität zur Verfügung.

Überfällig ist laut DNR zudem eine Strategie wie Finanzmittel in Höhe von 30 Milliarden Euro pro Jahr zur Sicherung der biologischen Vielfalt weltweit aufgebracht werden können. „Eine Abgabe auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr könnte eine erfolgsversprechende Alternative werden“, sagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen. Ein anderer Weg bestehe in der Umwidmung umweltschädlicher Subventionen. Alleine die Agrarsubventionen der OECD-Staaten betragen jährlich 240 Milliarden Euro.

(BMU/Bundesregierung online/DNR, 20.05.2008 – DLO)

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