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Astronomie

Sternschleudern im All enträtselt

Zusammenhang zwischen schwarzen Löchern und Bildung von Galaxien entdeckt

Die beiden elliptischen Galaxien NGC 4621 und NGC 4472 im Virgo-Galaxienhaufen sehen auf grossen Skalen sehr aehnlich aus (Bilder des Sloan Digitial Sky Survey auf der rechten Seite). Vergroessert man aber die Kerngebiete so zeigt sich, dass die Sterndichte im Zentrum von NGC 4472 sehr viel geringer ist als im Zentrum von NGC 4621. In NGC 4472 wurden die Sterne durch die Wechselwirkung mit einem sich umkreisenden Paar schwarzer Loecher herausgeschleudert. © NASA / AURA / STScI und WikiSky / SDSS

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat neue Indizien dafür gefunden, dass sich Galaxien und die massereichen schwarzen Löcher in ihrem „Herzen“ in engem Wechselspiel miteinander entwickeln. Die Beobachtungen stützen die These, dass sich bei der Verschmelzung von Galaxien Paare schwarzer Löcher bilden, die sehr effektiv Sterne aus den Zentren von Galaxien hinauskatapultieren.

Die schwarzen Löcher nähern sich dabei immer näher an und verschmelzen am Ende zu einem größeren schwarzen Loch. Durch diesen Prozess verringert sich die zentrale Sterndichte proportional zu der Masse des schwarzen Loches, berichten die Wissenschaftler um John Kormendy von der University of Texas in Austin und Ralf Bender vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik sowie von der Universitäts-Sternwarte München in den „Astrophysical Journal Letters“.

Unbewiesene Theorie

Die Theorie, dass Paare schwarzer Löcher Sterne aus den Zentren der Galaxien hinausschleudern, war die favorisierte, aber bisher unbewiesene Erklärung einer überraschenden Beobachtung, die mit dem Hubble Space Telescope in den 1990er Jahren gemacht wurde. Mehrere Gruppen von Astronomen, darunter auch Kormendy und Bender konnten zunächst zeigen, dass praktisch alle leuchtkräftigen Galaxien massereiche schwarze Löcher in ihren Zentren beherbergen.

Die größten Löcher, mit Massen bis über eine Milliarde Sonnenmassen, findet man dabei in den so genannten elliptischen Galaxien. Da diese supermassereichen schwarzen Löcher Sterne besonders stark anziehen, könnte man erwarten, dass in ihrer Umgebung die Sterndichte ausgesprochen hoch sein sollte. Tatsächlich wird aber das Gegenteil beobachtet. Die massereichsten elliptischen Galaxien, die wahrscheinlich aus einer Serie von Verschmelzungsprozessen entstanden sind, zeigen überraschenderweise die geringsten Sterndichten.

Schwarze Löcher als Rührmixer

Wie ist es möglich, dass aus kleineren Galaxien mit höheren zentralen Sterndichten nach einem Verschmelzungsprozess eine elliptische Galaxie mit geringerer Sterndichte entsteht, und das trotz des Vorhandenseins eines supermassereichen schwarzen Loches im Zentrum? Wohin sind die Sterne verschwunden?

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Ein Erklärungsansatz zur Lösung dieses Rätsels bestand darin, anzunehmen dass sich im Laufe des Verschmelzungsprozesses zweier Galaxien ein Paar schwarzer Löcher bildet. Dies ist in der Tat praktisch zwangsläufig der Fall, wenn beide Vorgängergalaxien schwarze Löcher enthalten. Ein Paar sich umkreisender schwarzer Löcher wirkt aber wie eine Art Rührmixer. Kommt ein Stern diesem Paar zu nahe, so kann er aus der Galaxie hinaus gekickt werden.

Je massereicher die schwarzen Löcher sind, desto größer ist die Wucht dieses Effektes und desto mehr Sterne sollten aus der Umgebung der schwarzen Löcher hinweg katapultiert werden. Der Prozess ist physikalisch der gleiche wie bei der „fly-by“ Methode, die man benutzt um Satelliten durch einen Vorbeiflug an einem Planeten zu beschleunigen. Aber ist diese Theorie zutreffend? Bisher hatte keine Beobachtung dies zwingend bewiesen.

Gesamtmasse der Sterne berechnet

Dies ändert sich nun durch die neue Entdeckung von Kormendy und Bender. Zusammen mit David Fisher und Mark Cornell publizierten sie vor kurzem beispiellos genaue Messungen der Dichteprofile elliptischer Galaxien. Dies erlaubte Kormendy und Bender viel genauer die Gesamtmasse der Sterne zu berechnen, die in den Zentren der größten elliptischen Galaxien quasi fehlen. Dabei erwies sich, dass die fehlende Masse streng proportional zur gemessenen Masse des zentralen schwarzen Loches ansteigt.

Es war bekannt, dass beide Größen im Zusammenhang stehen, aber es war nicht klar, dass die Korrelation so eng ist, wie es durch die Messungen von Kormendy und Bender nun deutlich wurde. Die Streuung der Messwerte kann nach Angaben der Wissenschaftler allein durch die Messfehler erklärt werden. Die fehlende Masse erhöht sich auch proportional mit einer anderen Galaxieneigenschaft, von der bekannt ist, dass sie direkt mit der Masse der schwarzen Löcher zusammenhängt. Dabei handelt es sich um die mittlere Geschwindigkeit, mit der sich Sterne weit draußen in der Galaxie bewegen, wo sie die Anziehungskraft des schwarzen Loches nicht spüren.

Galaxienzentren durch schwarze Löcher beeinflusst

„Unsere neuen Beobachtungen zeigen einen starken und direkten Zusammenhang zwischen schwarzen Löchern und Galaxieneigenschaften“, sagt Kormendy. „Sie stellen einen eindeutigen Beweis dar, dass schwarze Löcher und die Bildung der erstaunlich ‚luftigen‘ Zentren der massereichsten elliptischer Galaxien miteinander verknüpft sind.“ Sein Kollege Bender erklärt: „Die verblüffend enge Korrelation zwischen der Masse der fehlenden Sterne und der Masse der schwarzen Löcher zeigt uns, wie maßgeblich die Bildung und Struktur von Galaxienzentren durch schwarze Löcher beeinflusst wird.“

„Messungen der fehlenden Masse und Messungen der Geschwindigkeiten, mit denen sich Sterne in elliptischen Galaxien bewegen, stellen für uns jetzt zwei unabhängige Verfahren dar, mit denen wir die Massen schwarzer Löcher schätzen können“, so Kormendy. „Wenn wir sie miteinander und mit direkten Messungen der Masse vergleichen, gelangen wir zu einem besseren Verständnis, wie sich Galaxien und ihre schwarzen Löcher gemeinsam entwickelt haben.“ Für ihre Arbeit kombinierten die Forscher die Messungen einer Vielzahl von Teleskopen.

(Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, 05.02.2009 – DLO)

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