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Genetik

Steht Gendoping vor der Tür?

Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag stellt Ergebnisse eines Projektes vor

Wissenschaftler sehen die Gefahr, dass eine Reihe neuer medizinisch-pharmazeutischer Methoden und Verfahren zur illegalen Leistungssteigerung im Sport missbraucht werden könnten. Vor allem die immer besseren molekularbiologischen Techniken und Kenntnisse über die Funktion von Genen und Zellen werden aller Voraussicht nach zur Entwicklung neuer Substanzen und Methoden wie Gendoping führen. Damit wäre der Weg frei zu einer neuen „Qualität“ des Dopings. Dies ist das Fazit einer neuen Studie, die jetzt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) vorgestellt hat.

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Gendoping ist der Missbrauch von gen- und zelltherapeutischen Verfahren einerseits und der Missbrauch von Methoden zur gezielten Manipulation der Genaktivität durch hochspezifische Medikamente andererseits. Über hundert „Fitness-Gene“ kennen die Wissenschaftler und Trainer bereits. Ein zukünftiger Missbrauch wird nach Ansicht der Forscher des TAB vor allem darauf abzielen, Muskulatur aufzubauen, den Körper besser mit Sauerstoff zu versorgen und die Energiebereitstellung zu verbessern.

Keine Indizien für Menschenzüchtung

Ausgangspunkt für das Projekt war nun die Frage, ob sich unsere Sportler bald im Genlabor auf die olympischen Spiele vorbereiten. Das TAB hat keine Hinweise dafür, dass Szenarien von Menschenselektion oder -züchtung für sportliche Leistungssteigerungen in absehbarer Zukunft technisch machbar wären.

Medizinische Forschungsansätze zielen auf die Behandlung kranker Menschen. Nebenwirkungen und potenzielle Risiken wegen der missbräuchlichen Verwendung durch gesunde, zum Teil physisch extrem belastete Sportler sind hingegen kein Gegenstand medizinischer Forschung, so das TAB auf einer öffentlichen Sitzung des Sportausschusses und des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 12. März 2008 in Berlin.

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Die derzeitige Dopingsituation lasse jedoch vermuten, dass sich einzelne Sportler auch durch unbekannte gesundheitliche Risiken und mögliche Nebenwirkungen bis hin zum Tod nicht abschrecken lassen. Darüber hinaus werden einzelne Athleten nicht warten, bis eine wissenschaftlich fundierte Arzneimittel- oder Therapiezulassung vorliegt.

„Ein entscheidender Faktor, der die Anwendung von Gendoping begrenzen kann, ist die Nachweisbarkeit“, stellt Dr. Katrin Gerlinger, die Leiterin des Projektes Gendoping beim TAB, fest. „Durch die steigende Vielfalt der Dopingmöglichkeiten wird ein Nachweis mindestens so aufwändig wie bisher, wahrscheinlich sogar noch viel aufwändiger.“

Kein erfolgversprechender Test in Sicht

Nachweisverfahren sind aber die Voraussetzung für eine gerichtsfeste Sanktionierung. Auch wenn die Welt-Anti-Doping-Agentur einige Projekte zum Nachweis von Gendoping fördert, ist der Weg bis zu einem anwendbaren Test, der vor einem Gericht als Beweismittel standhält, voraussichtlich noch lang, so das TAB. Ohne einen gerichtsfesten Beweis greifen aber die bestehenden Dopingkontroll- und – sanktionssysteme des organisierten Sports nicht (wie heute schon beim Doping mit Wachstumshormonen und Formen des Blutdopings). Durch Gendoping wird sich diese Situation verschärfen.

„Es gibt viele Einfallstore für Gendoping“, befürchtet Professor Dr. Armin Grunwald, Leiter des TAB und des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse im Karlsruher Institut für Technologie. „Wir sehen sie, analog zu den konventionellen Dopingmethoden, vorrangig im Spitzensport, aber auch im ehrgeizigen Bodybuilding zum Muskelaufbau und – zeitlich versetzt – beim Muskelerhalt im Graubereich zwischen Therapie, Life-Style und Missbrauch.“

Auf dem Weg zur Anti-Gendopingstrategie

Das bestehende System von Dopingkontrolle und Sanktion innerhalb des Spitzensports kann Doping nur begrenzt verhindern. Deshalb sollten weitere Maßnahmen ergriffen werden, um zu vermeiden, dass durch Gendoping die Dopingspirale eine weitere Drehung erhält und Erfolge im Anti-Doping-Kampf entwertet werden. Das TAB sieht vier Elemente einer spezifischen Anti-Gendopingstrategie:

  • Die Kontinuierliche Beobachtung gendoping-relevanter wissenschaftlicher Trends und pharmazeutischer Entwicklungsvorhaben im Sinne eines Frühwarnsystems,
  • die Forschung und Entwicklung im Bereich Nachweis, Test, Kontrollverfahren,
  • eine Konkretisierung der Doping-Verbotsliste, um die Bestimmtheit

    der bestehenden Straftatbestände zu gewährleisten,

  • Aufklärung und Information (Gendoping-Prävention sollte als eigenständige Aktivität zusätzlich zum Dopingkontroll- und -sanktionssystem etabliert werden und alle Risikogruppen in den Blick nehmen).

„Der Bericht bildet eine fundierte wissenschaftliche Grundlage. Sport, Wissenschaft und Politik müssen sich nun gemeinsam an die Spitze einer kontinuierlichen vorausschauenden Bekämpfung des Gendopings stellen“, so der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus Riegert und der zuständige Berichterstatter für Technikfolgenabschätzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Axel Fischer.

(idw – Karlsruher Institut für Technologie/CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 13.03.2008 – DLO)

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