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Evolution

Spontane Strategiewechsel machen Kooperation erfolgreich

Evolutionstheoretikern gelingt exakte Beschreibung immer komplexerer Spielverläufe

Kooperation zahlt sich aus © IMSI MasterClips

Warum hat sich die Kooperation als Verhaltenstrategie in der Evolution erhalten können? Anhand von Spielexperimenten und mathematischen Modellen haben Wissenschaftler nun herausgefunden, das ein häufiger Strategiewechsel – in der Natur auch einer hohen Mutationsrate entsprechend – hier einen Schlüsselfaktor darstellt. Wie sie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Academy of Sciences“ (PNAS) berichten, spielen jedoch auch „Betrafer“ eine wichtige Rolle.

Einige Strategien in der Evolution lassen sich mit Spielen vergleichen: Erfolgreiche Individuen mit besserem Anpassungsvermögen an die Natur werden durch mehr Nachkommen belohnt. Spieler können sich dabei zusammenschließen, um kooperativ ihre Ziele zu erreichen, oder aber sie verfolgen egoistisch das Ziel, am Ende als alleiniger Sieger dazustehen. Da die Egoisten, auch Defektoren genannt, kooperatives Verhalten ausnutzen, mit niemandem teilen und nur in die eigene Tasche wirtschaften, stehen sie immer besser da.

Wie ist aber zu erklären, dass in der Entwicklungsgeschichte und im Verhaltensrepertoire von Tieren und Mensch immer wieder auch kooperative Strategien sich durchgesetzt und erhalten haben?

„Man kann die Spielregeln erweitern und den Kooperatoren das Bestrafen der Defektoren ermöglichen“, erklärt Arne Traulsen vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön. Das ist aber mit Zeit und Kosten verbunden. Zudem sieht man die Bestraften nie wieder. Warum sollte man sich dann die Mühe des Bestrafens machen? Die Defektoren bleiben die erfolgreicheren Spieler. Sie werden imitiert und ihre Strategie setzt sich durch.

Strategiewechsel als Schlüssel?

Was nun aber, wenn es die Möglichkeit gibt, während des Spiels von einer Strategie spontan zu einer anderen zu wechseln? In der Evolutionsbiologie beruhen solche Strategiewechsel auf Mutationen, die in der Regel mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit stattfinden. Allerdings, beim menschlichen Verhalten können spontane Strategiewechsel sehr häufig erfolgen. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Und ist die Häufigkeitsrate von Strategiewechseln entscheidend für den Spielverlauf?

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Genau das wollten die Evolutionstheoretiker um Arne Traulsen in Zusammenarbeit mit Mathematikern aus Vancouver, Wien und Harvard herausfinden. Es gelang ihnen mit einem neuen mathematischen Ansatz erstmals die Spieldynamik zu berechnen, die bei einem häufigen Strategiewechsel der Spieler – entsprechend einer hohen Mutationsrate – entsteht, und ihre Auswirkungen auf den Spielausgang zu bestimmen.

“Bestrafer“ als dritte Spielerrolle

Spielen nur Defektoren und Kooperatoren gegeneinander, so gewinnen immer die Defektoren – auch wenn Strategiewechsel erlaubt sind. Lässt man eine dritte Spielerrolle zu, nämlich die des Bestrafers der Defektoren, siegen bei einer geringen Mutationsrate immer noch die Defektoren. Bei einer hohen Mutationsrate hingegen, einem häufigen Strategiewechsel also, gewinnen jedoch die Kooperatoren.

„Dieser Effekt beruht darauf, dass einige Spieler die Bestrafungsoptionen wählen, obwohl sie mit einer geringen Gewinnausschüttung verbunden ist. Damit verhindern sie, dass die Defektoren sich durchsetzen“, sagt Traulsen. Die Defektoren verlieren das Spiel. Ihr egoistisches Verhalten wird von den Bestrafern geahndet. Die glücklichen Sieger sind nun die Kooperatoren, die sich die Kosten des Bestrafens sparen.

Bereits vor zwei Jahren hatten die Forscher mit ihrem mathematischen Ansatz Spiele untersucht, in denen es den Teilnehmern frei gestellt war, überhaupt am Spiel teilzunehmen. „Es zeigte sich, dass sich Kooperation und Bestrafen für niedrige Mutationsraten nur in freiwilligen Spielen entwickeln. Ohne die Option der Freiwilligkeit setzen sich für niedrige Mutationsraten die Defektoren durch. In der neuen Arbeit konnten wir aber zeigen, dass sich bei hohen Mutationsraten die Kooperatoren auch ohne Freiwilligkeit durchsetzen“, so Traulsen.

(MPG, 14.01.2009 – NPO)

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