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Physik

So klingt ein perfektes Fluid

Forscher fangen erstmals den Sound eines reibungslosen Materials ein

Schallwellen
Forscher haben erstmals untersucht, wie Schall von einem perfekten Fluid – einem Quantengas ohne Reibung - übertragen wird. © Christine Daniloff/ MIT

Subtile Schwingungen: Physiker haben erstmals aufgezeichnet, wie sich Schall in einem perfekten Fluid ausbreitet – einem Gas oder einer Flüssigkeit ohne jede Reibung. Die Messungen enthüllen subtile akustische Resonanzen, die Auskunft über Grundeigenschaften des Fluids geben, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Dies könnte auch Rückschlüsse über das Verhalten der Materie im Kern von Neutronensternen oder kurz nach dem Urknall geben.

Unter bestimmten Bedingungen verlieren Fluide – Gase und Flüssigkeiten – jede innere Reibung. Dadurch können sie aufwärts fließen, extrem schnelle Wirbel bilden und durch kleinste Lücken dringen. Allerdings kommen perfekte Superfluide nur unter extremen Bedingungen vor: Im Quark-Gluon-Plasma direkt nach dem Urknall, in den extrem komprimierten Kernen von Neutronensternen oder auch in extrem heruntergekühlten Quantengasen.

Unklar war jedoch bisher, wie sich Schall in solchen perfekten Fluiden ausbreitet. „Die Art, wie sich der Schall je nach Temperatur in einem Material ausbreitet, enthüllt viele charakteristische Merkmale der Substanz“, erklären Parth Patel vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). „Es wäre allerdings ziemlich schwierig, in einen Neutronenstern hineinzuhorchen.“

Klopftest mit einer ultrakalten Atomwolke

Doch im Labor lässt sich ein perfektes Fluid nachstellen. Für ihr Experiment haben die Forscher Atome des Isotops Lithium-6 bis auf knapp über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt. In diesem Zustand wird die Atomwolke zu einem sogenannten Fermi-Gas, einem Gas, in dem die Atome kaum noch miteinander interagieren. Dieses Gas schlossen sie in einen zylindrischen Käfig aus Laserstrahlen ein.

Um die Schallausbreitung zu untersuchen, erzeugten die Physiker an einer Endkappe des Zylinders Erschütterungen bestimmter Frequenzen und maßen, welche Dichteschwankungen am anderen Ende des Zylinders ankamen. „Im Prinzip haben wir an einer Seite angeklopft und auf der anderen Seite hingehört“, erklärt Seniorautor Martin Zwierlein vom MIT. Diese Tests wiederholten er und sein Team tausende Male mit langsam ansteigender Frequenz.

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Resonanzen verraten Viskosität

„Zusammen ergibt sich daraus ein Sonogramm“, sagt Zwierlein. Übersetzt man die nach der Fluidpassage aufgefangenen Schallwellen in hörbare Klänge, ergibt sich so eine Art hörbarer Fingerabdruck des Fermi-Gases. Die Schwankungen in der Lautstärke des Schalls verraten dabei, bei welchen Frequenzen Resonanzen in der Atomwolke auftreten – und das wiederum gibt Auskunft auf die Viskosität des Fluids.

„Wenn ein Fluid eine geringe Viskosität besitzt, können diese Resonanzen bei der richtigen Frequenz eine starke Schallwelle aufbauen und sehr laut werden“, erklärt Zwierlein. Solche Resonanzen sind daher ein Indiz für ein superfluides, reibungsarmes Medium. Hat ein Fluid dagegen eine starke innere Reibung und größere Zähflüssigkeit, gibt es kaum starke Resonanzeffekte.

An der Untergrenze des Möglichen

Im Falle des ultrakalten Lithium-Gases zeigte sich: Das Fluid zeigte starke, im transponierten Sound deutlich hörbare Resonanzeffekte. Deren Stärke und der Ausbreitungsgeschwindigkeit bestätige, dass sich dieses Fermi-Gas wie ein perfektes Fluid verhalte, so die Forscher. Die Schallausbreitung in diesem Medium sei nur von der Planck-Konstante und der Masse der Atome abhängig. Damit liegt sie an der Untergrenze des nach der Quantenmechanik Möglichen.

In diesem Experiment haben die Forscher damit erstmals die Schallausbreitung in einem perfekten Fluid gemessen. „Dieses Ergebnis liefert wichtige Informationen für die Theorie des Fermionen-Transports und hat Bedeutung für den Fluss von Elektronen, Neutronen und Quarks“, konstatieren die Wissenschaftler. Sogar der Klang, den die exotische Materie im Inneren eines Neutronensterns erzeugt, lässt sich damit vorhersagen. Er wäre demnach dem des Fermi-Gases durchaus ähnlich. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.aaz5756)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology

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