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Medizintechnik

Sensorkapsel deckt Verdauungsstörungen auf

Hilfe bei der Diagnose von Störungen der Magen- und Darmbewegung

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Eine verschluckbare Sensorkapsel könnte künftig bei der Diagnose von Blockaden und andere Bewegungsstörungen von Magen und Darm helfen. © peterschreiber.media/ Getty images

Signale aus Darm und Co: Eine neuartige Sensorkapsel könnte dabei helfen, Reizmagen, Darmblockaden, Verstopfungen und andere Bewegungsstörungen des Verdauungstrakts zu diagnostizieren. Die mit einem Magnetsensor ausgestattete Pille funkt Messdaten ans Smartphone oder einen anderen Computer und verrät damit, wo sich der Nahrungsbrei zu schnell oder zu langsam durch den Körper bewegt. Die Pille könnte zuhause eingesetzt werden und ersetzt so aufwändige stationäre Röntgentests.

Rund ein Drittel aller Menschen weltweit leidet vorübergehend oder dauerhaft unter Bewegungsstörungen des Verdauungstrakts. Bei ihnen ist die normale Peristaltik des Magens oder Darms gestört oder die Passage verengt und blockiert. Als Folge leiden sie unter Reflux, Reizmagen, Koliken, chronischer Verstopfung oder Stuhlinkontinenz. Diese Leiden zu diagnostizieren, ist allerdings manchmal langwierig und aufwendig. Meist müssen die Patienten dafür Kontrastmittel schlucken und sich Röntgen lassen oder Kernspintomografien unterziehen. In einigen Fällen werden Katheter mit Drucksensoren eingesetzt, um die Peristaltik zu überprüfen.

Sensorkapsel
Diese Kapsel enthält Sensoren, die ihre genaue Position während der Passage durch den Verdauungstrakt regelmäßig ermitteln und melden. © MIT

Messung von innen

„Besser wäre es, wenn die Überwachung der Verdauungstätigkeit unter Alltagsbedingungen stattfinden kann, durch nichtinvasive, mobile Methoden, die für den Patienten weniger beschwerlich sind“, erklären Saransh Sharma vom California Institute of Technology und seine Kollegen. Zwar gibt es bisher schon Sensor- und Videokapseln zum Schlucken, diese verraten aber nicht, wo im Magen oder Darm sie genau sind. Außerdem übertragen sie maximal zwölf Stunden lang – zu kurz für eine komplette Passage. Bewegungsstörungen lassen sich daher mit ihnen kaum erkennen.

Abhilfe könnte nun eine Sensorpille schaffen, die ihre genaue Position im Magen und Darm auf fünf bis zehn Millimeter genau orten kann. Möglich wird dies durch die Messung eines externen Magnetfelds. Dieses wird von einer Magnetspule erzeugt, die der Patient in einem Rucksack mit sich herumtragen kann, die aber auch an einem Stuhl aufgehängt oder unter das Bettlaken gelegt werden kann. Dieses Feld wird von einem winzigen Sensor gemessen, der in die verschuckbare Kapsel integriert ist.

Magnetdaten zur Positionsbestimmung

Wenn sich nun diese Sensorkapsel durch den Verdauungstrakt bewegt, misst sie fortwährend die Magnetfeldstärke um sich herum. Durch Abgleich mit einem außen auf die Haut geklebten zweiten Sensor kann das System daraus die Position der Kapsel ermitteln. „Der externe Referenzsensor ist wichtig, weil der Mensch ja nicht immer exakt den gleichen Abstand zur tragbaren Magnetspule hat“, erklärt Koautor Khalil Ramadi von der New York University. „Ohne die Referenz ist es daher schwer, die genaue Position der Kapsel zu ermitteln.“

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Die vom kleinen Sensor gemessenen Magnetdaten werden über ein ebenfalls in die Kapsel integriertes Funkmodul an ein Smartphone oder andere Empfänger gesendet und dort gemeinsam mit den Daten des Referenzsensors verarbeitet. Die verschluckte Kapsel misst ihre Position dabei entweder in zuvor definierten Zeitabständen oder immer dann, wenn sie von außen den Befehl dazu erhält.

Echtzeit-Daten aus dem Schweinedarm

Wie gut dieses System funktioniert, haben Sharma und sein Team zunächst bei lebenden Schweinen ausprobiert, deren Verdauungssystem unserem in vielem ähnelt. Während die verschluckte Sensorkapsel über mehrere Tage hinweg durch den Magen und Darm des Tieres wanderte, konnte das Forschungsteam ihre Position auf fünf bis zehn Millimeter genau mitverfolgen. Die Tests erlaubten es auch bereits, Anomalien wie eine Kot-Inkontinenz anhand der Kapselbewegungen zu diagnostizieren.

Die Sensorkapsel eignete sich zudem dafür, die gewundenen Schlingen des Darms zu kartieren: „Die erfolgreiche Rekonstruktion der Darmanatomie zeigt, dass die Kapsel auch komplexe und kurvenreiche Wege durch den Verdauungstrakt nachzeichnen kann“, berichten Sharma und sein Team. „Diese sind durch andere bildgebende Verfahren wie Röntgen oder Computertomografie oft schwer darstellbar.“ Sensoren auf Basis von Radiofrequenz-Transmittern haben wiederum das Problem, dass die Radiowellen durch die Körpergewebe teilweise absorbiert werden und ihre Auflösung gering ist.

Hilfe bei Diagnose und Therapie

Nach Ansicht der Wissenschaftler eröffnet die von ihnen iMAG getaufte Sensorkapsel damit neue Möglichkeiten, Bewegungs- und Passagestörungen des Verdauungstrakts zu diagnostizieren. „Eine quantitative Messung der Transitzeiten im Magen und Darm ist essenziell, um Krankheitsbilder wie Magenlähmung, Reizmagen, Morbus Crohn, Reflux, chronische Verstopfung oder Stuhlinkontinenz zu diagnostizieren und zu behandeln“, erklären Sharma und seine Kollegen. „Die millimetergenauen Echtzeit-Messwerte der iMAG-Kapsel könnten daher von erheblicher klinischer Bedeutung sein.“

Positiv auch: Die in der Kapsel und dem Zubehör verbaute Technik ist marktüblich und kostengünstig. Die Sensorkapseln sind nach Angaben des Teams gut für die Massenproduktion geeignet. Als nächste Schritte sind nun noch weitere Tests an Schweinen und anderen großen Säugetieren geplant, bevor dann eine erste klinische Studie beim Menschen stattfinden kann. (Nature Electronics, 2023; doi: 10.1038/s41928-023-00916-0)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology

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