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Neurobiologie

Schon Säuglinge begreifen Physik

Babys erkennen bereits den Unterschied von Flüssigkeiten und Feststoffen

Dass sich Wasser anders verhält als Feststoffe wissen sogar wenige Monate alte Säuglinge schon. © Micha Kerwath/ freeimages

Wasser fließt und ein Ball fällt nach unten: Diese simplen Grundprinzipien der Alltagsphysik erkennen und verstehen schon Säuglinge. Wenige Monate nach der Geburt stutzen sie bereits, wenn ein Objekt gegen diese Regeln zu verstoßen scheint, wie Experimente belegen. Dabei verstehen die Kleinkinder sogar schon, dass Wasser durch ein Sieb fließen kann, ein Feststoff aber nicht, wie Forscher im Fachmagazin „Psychological Science“ berichten.

Säuglinge sind wie kleine Lernmaschinen: Ihr ganzes Wesen ist darauf ausgerichtet, neue Eindrücke einzuordnen und so die Welt und ihre Regeln verstehen zu lernen. Schon lange bevor sie selbst sprechen können, erkennen sie daher beispielsweise, wenn jemand völlig falsche Silbenkombinationen äußert und sie besitzen schon einen Sinn für Mengen.

Wasser versus Kunststoff

Sogar grundlegende physikalische Regeln begreifen Babys schon mit wenigen Monaten: Sehen sie ein Video, in dem ein Objekt nach oben fällt statt wie erwartet zu Boden, schauen sie unwillkürlich länger hin – ein Zeichen dafür, dass sie überrascht sind. Unklar war allerdings, ob die Säuglinge auch komplexere Zusammenhänge verstehen, wie beispielsweise den Unterschied zwischen Flüssigkeiten und Feststoffen.

Susan Hespos von der Northwestern University in Evanston und ihre Kollegen haben dies nun in mehreren Experimenten getestet. In einer Gewöhnungsphase zeigten sie den Babys zunächst Gläser, in denen sich entweder Wasser oder ein klarer, aber fester Kunststoff befanden. Wurde das Wasserglas bewegt, schwappte die Flüssigkeit, der feste Kunststoff blieb dagegen unverändert.

Babys verstehen: Wasser strömt, spritzt und fließt durch ein Gitter, ein Feststoff dagegen nicht. © Jan Mocnak/ freeimages

Was passt durchs Gitter?

Nun folgte der eigentliche Test: Die Forscher zeigten den Kindern ein, in denen das Wasser aus dem Glas durch ein Gittersieb gegossen wurde, aber auch eines, in dem das Wasser scheinbar von dem Gitter aufgehalten wurde. „Wenn die Babys die Eigenschaften einer Flüssigkeit verstanden haben, dann müssten sie überrascht reagieren, wenn das Wasser von groben Gitter aufgehalten wird“, erklärt Koautorin Alissa Ferry von der International School for Advanced Studies (SISSA) in Triest.

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Und tatsächlich: Blieb das Wasser auf dem Gitter stehen, blickten die Säuglinge länger hin. Ähnlich reagierten sie, wenn ihnen ein Kunststoffblock gezeigt wurde, der mühelos das Gitter zu passieren schien. Das physikalische Grundwissen der Babys ging sogar so weit, dass sie instinktiv begriffen, dass ein massiver Block zwar nicht durch das Gitter passt, Sandkörner oder Glaskügelchen aber schon, wenn sie klein genug sind.

Prinzip von nichtfesten Materialien verstanden

„Selbst in diesen Fällen bewiesen die Babys, dass sie das Verhalten dieser Substanzen verstanden“, sagt Ferry. „Das ist besonders interessant, weil Säuglinge dieses Alters zwar schon Wasser beim Baden und Trinken erlebt haben, aber wohl kaum Glaskugeln oder Sand.“ Dennoch scheinen Kinder schon mit wenigen Monaten zu verstehen, dass Flüssigkeiten durch Löcher fließen können, Feststoffe aber nur dann, wenn die Kügelchen klein genug sind.

„Diese Experimente deuten darauf hin, dass die Konzepte von kohäsiven und nichtkohäsiven Materialien sehr früh in der Entwicklung vorhanden sind“, so die Forscher. Säuglinge begreifen demnach sehr früh den Unterschied zwischen massiven Feststoffen und flüssigen oder sich flüssigkeitsähnlich verhaltenden Stoffen. (Psychological Science, 2016; doi: 10.1177/0956797615617897)

(Sissa Medialab, 11.02.2016 – NPO)

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