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Physik

Schall macht Licht

Weltpremiere: Forscher übertragen Frequenz über 480 Kilometer lange Glasfaserstrecke

Über Glasfasern können Frequenzen jetzt mit bisher unerreichter Genauigkeit weitergegeben werden. © GasLINE

Soll Licht als Übermittler von Nachrichten dienen, dann kann man auf die bewährten Instrumente der Nachrichtentechnik zurückgreifen. Schwieriger wird es, wenn das Licht selbst – genauer: seine Frequenz – die Nachricht ist und wenn diese Nachricht mit einer extremen Genauigkeit übertragen werden soll. Dabei geraten konventionelle Verstärker an ihre Grenzen. Forscher haben hier nun die Lösung gefunden: Sie nutzen so genannte stimulierte Brillouin-Streuung. Das heißt, sie schicken dem Signal-Licht so genanntes Pump-Licht mit genau definierter Frequenz entgegen, das in der Glasfaser akustische Wellen anregt.

An diesen akustischen Phononen wird wiederum das Pump-Licht gestreut, wobei die wenigen schon vorhandenen Signal-Photonen die Emission weiterer Signal-Photonen stimulieren. So entsteht eine mittels Schallwellen in Gang gehaltene Photonen-Lawine, die die Frequenz-Information mit extrem geringen Verlusten bis ans andere Ende der Glasfaser bringt. Auf einer Glasfaserstrecke von 480 Kilometer Länge haben die Forscher der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) dies bereits nachgewiesen. Die relative Messunsicherheit, die sie erreichten, entspricht einer Sekunde in 16 Milliarden Jahren.

Jetzt sollen noch längere Glasfaserstrecken folgen. Die neue Technik vereinfacht den Vergleich von neu entwickelten optischen Uhren, deren hohe Frequenzstabilität mit den üblichen Verfahren der Zeit- und Frequenzübertragung über Satelliten schwer zu fassen ist. Aber auch aus der Geodäsie sind schon Interessenten an die PTB-Forscher herangetreten. Und selbst Anwendungen in der Radioastronomie erscheinen sinnvoll.

Übertragung von Frequenzen per Glasfaser

Die PTB-Physiker Harald Schnatz und Gesine Grosche sind seit Jahren international führend bei der präzisen Messung und Übertragung von Frequenzen per Glasfaser. Dabei ist die Frequenz des Lichtes selber die Information: konkret etwa 195 x 1.012 Schwingungen pro Sekunde. Eine erste Anwendung der noch jungen Technik war letztes Jahr die Fern-Messung des so genannten optischen Uhrenübergangs in einer Magnesium-Uhr der Leibniz Universität Hannover.

Die Wissenschaftler ermittelten jene charakteristische Frequenz, mit der die Atome im Magnesium angeregt werden können und die daher im Prinzip zur „Erzeugung“ von Sekunden genutzt werden kann – alles via 73 Kilometer Glasfaser von der PTB aus. „Bei diesen Messungen stehen an beiden Enden Femtosekunden-Frequenzkammgeneratoren, die eine feste Phasenbeziehung zwischen dem übertragenen Licht und den Frequenzstandards vor Ort herstellen“, erklärt Schnatz.

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Die Frequenzstandards vor Ort sind die neue Magnesium-Uhr in Hannover und eine optische Uhr in der PTB. Die unterschiedlichen Frequenzen der beiden werden mit Hilfe der Femtosekunden-Frequenzkammgeneratoren synchronisiert, was man mit einem Getriebe vergleichen könnte. Schnatz fügt hinzu: „Wir waren anfangs selbst überrascht, wie gut dieses Gesamtsystem funktioniert.“

Größere Distanzen überbrücken

Nun wollten die Forscher größere Distanzen überbrücken und für gemeinsame Experimente eine Verbindung bis zum Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching herstellen – eine Strecke von 900 Kilometer Glasfaser, die das Licht, falls man es nicht verstärkt, um den unvorstellbaren Faktor von 1.020 abschwächt. Die Glasfaser muss dabei sogar zweimal durchlaufen werden, weil sie Teil eines riesigen Interferometers ist; damit wird die gesamte Glasfaserstrecke in ihrer optischen Länge stabilisiert. Konventionelle Verstärkertechniken stoßen dabei an ihre Grenzen.

„Unser Doktorand Osama Terra hatte die zündende Idee, Brillouin-Verstärkung in der Glasfaser selbst zu nutzen“, sagt Grosche: „Das bringt uns gleich mehrere Vorteile: Erstens werden damit auch sehr schwache Signale noch verstärkt; die Signalleistung wird um einen Faktor bis zu einer Million vervielfacht. So benötigen wir wesentlich weniger Verstärkerstationen. Außerdem lassen sich gezielt sehr schmalbandige Lichtsignale verstärken.“ Das ist sehr günstig für die Untersuchung der schmalbandigen Uhrenübergänge von optischen Uhren.

Neues Konzept im Test

Das Konzept hat das Team sofort auf einer verlegten Glasfaserstrecke getestet: in Kooperation mit dem Deutschen Forschungsnetz und der Firma GasLINE, die ein deutschlandweites Glasfasernetz betreiben. Mit nur einer Verstärker-Zwischenstation kam die hochstabile Frequenz auf einen

Streckenrekord von 480 Kilometer Glasfaser – und das mit einer relativen Genauigkeit von zwei Teilen in 1.018, was etwa einer Abweichung von einer Sekunde in 16 Milliarden Jahren entspricht. Damit erscheint nun selbst eine Verbindung zum französischen Partnerinstitut der PTB in Paris realistisch, um vielleicht in Zukunft gemeinsam an den besten Uhren zu arbeiten.

(idw – Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), 02.06.2010 – DLO)

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