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Umwelt

Rote Flut erreicht Donau

WWF: Niedrige Sicherheitsstandards und lasche Kontrollen machten Chemie-Katastrophe möglich

Überschwemmte Dörfer © Csaba Vaszko / WWF

Nachdem am Montag in Westungarn der Speicher einer Aluminiumhütte der Ajka Aluminia Company geborsten und roter Schlamm ausgeflossen ist, hat das unter anderem mit giftigen Schwermetallen kontaminierte Wasser mittlerweile über verschiedene Flüsse die Donau erreicht.

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„Zwar ist durch den Verdünnungseffekt der großen Wassermassen der Donau die Konzentration an Schadstoffen und Giften dann niedriger, doch das ändert nichts daran, dass das Ökosystem der Donau damit noch mehr belastet wird“, sagt Martin Geiger, Leiter Bereich Süßwasser beim WWF Deutschland. Gefährdet seien auch weite Teile eines Natura 2000-Reservats.

WWF befürchtet Langzeitfolgen

Nach dem Unfall könnten die landwirtschaftlichen Böden, Fauna und Flora über Jahre hinweg kontaminiert und damit auch für die Nutzung durch den Menschen unbrauchbar sein, so der WWF weiter. Dementsprechend erklärten bereits viele Betroffene vor Ort, aus der Region flüchten und nicht mehr zurückkehren zu wollen. Der Schlamm aus dem Aluminiumwerk hatte am 4. Oktober unter anderem mehrere Ortschaften überschwemmt – mit verheerenden Folgen. Bei dem Chemieunfall wurden bisherigen Berichten zufolge vier Menschen getötet und mehr als hundert verletzt.

Der WWF befürchtet aber auch Langzeitfolgen für Natur und Mensch in einem bisher noch nicht abzuschätzenden Ausmaß. „Was die langfristigen Folgen betrifft, können wir derzeit noch keine konkreten Angaben machen. Es kommt darauf an, welche und wie viele Schadstoffe in den Boden und die Gewässer gelangt sind. Wahrscheinlich müssen die kontaminierten Erdmassen abgetragen werden. Für die betroffene Region nimmt das apokalyptische Ausmaße an“, sagt Geiger.

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Gips als Rettung?

Da es in den vergangenen Tagen in der Region viel geregnet hat, könnte es sein, dass kontaminierter Schlamm auch das Grundwasser erreicht hat. Damit wäre sogar die Versorgung der Menschen mit sauberem Trinkwasser gefährdet.

„Für die Gewässer wäre ein Staudamm in der Nähe des Unfallortes die sicherste Lösung gewesen, um den Schlamm aufzuhalten, aber dafür ist es jetzt zu spät“, sagt Geiger. Natürlich besteht weiterhin die Möglichkeit, den ins Wasser gelangten stark alkalischen Schlamm durch die Zugabe von Gips zu neutralisieren, was auch bereits getan wird. Allerdings ist das nicht ohne Risiko, da so möglicherweise im Schlamm enthaltene giftige Schwermetalle freigesetzt werden könnten. Der Natur und damit auch den Menschen vor Ort droht also unweigerlich weiterer Schaden.

Niedrige Sicherheitsstandards, lasche Kontrollen

Schuld an der Katastrophe ist nach WWF-Einschätzung zunächst einmal der Betreiber, da der Damm für das Rückhaltebecken nicht sicher war und möglicherweise wesentlich mehr, als die erlaubte Menge an Rotschlamm dort gelagert wurde. Nach Behördenangaben sind zudem die – nach WWF Ansicht ohnehin viel zu laschen – Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten worden.

„Auch die EU trägt eine Mitschuld, denn die Sicherheitsstandards für die Abfallentsorgung in der Bergbau-Industrie sind viel zu niedrig. Mit Erfolg hatte sich damals die Industrie hohen Sicherheitsstandards widersetzt“, sagt Geiger. So dürften als Absicherung der Becken einfache Erdbaudämme eingesetzt werden. Bei kritischem Hochwasser, verursacht durch Stark- oder Dauerregen, würden diese durchweicht und hielten nicht immer stand.

WWF: Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen

Der WWF forderte deshalb die ungarische Regierung aber auch andere osteuropäische Länder mit ähnlichen Absetzbecken für Industrie-Schlämme auf, umgehend die stillgelegten und im Betrieb befindlichen Becken und Dämme zu prüfen und notwendige Maßnahmen für die Verbesserung der Sicherheit zu ergreifen. Die Unternehmen sollten stärker in die Pflicht genommen werden und in Entsorgung und sichere Dämme investieren.

„Es ist ein Hohn, dass nach EU-Vorgaben der Rotschlamm als nicht hochgradig gefährlich eingestuft wird, wenn nicht gleichzeitig alle möglichen Risiken abgesichert sind“, warnt Geiger. „Welche Katastrophen können wir noch erwarten, bei den vielen Haltebecken, in denen mitunter noch gefährlichere Giftcocktails schlummern?“

Greenpeace fordert volle Haftung seitens der Werksbesitzer

Unterdessen hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace von den Eigentümern des Aluminiumwerkes die volle Übernahme aller Kosten für die Schadensbeseitigung und Schadenersatzzahlungen für die betroffene Bevölkerung der Giftschlamm-Katastrophe in Ungarn gefordert. Die beiden Hauptaktionäre der Firma zählen laut Greenpeace zu den dreißig reichsten Ungarn und besitzen gemeinsam ein Vermögen von 39,5 Milliarden Forint, umgerechnet ergibt das 145 Millionen Euro.

„Die Ankündigung der Firma MAL, den Menschen eine Entschädigung von lediglich 110.000 Euro zu zahlen, ist nicht nur inakzeptabel, sondern angesichts der Todesfälle, der Verletzten und der Schäden vor Ort hochgradig zynisch“, sagte Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster. Greenpeace fordert zudem sowohl von der Aluminium-Firma als auch von den ungarischen Behörden volle Transparenz sowie die lückenlose Aufklärung der Giftschlamm-Katastrophe.

(WWF Deutschland/Greenpeace, 08.10.2010 – DLO)

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