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Bionik

Roboter: Kleiner Winkel – große Wirkung

Greifroboter können sich durch angepasste Querstreben effizienter an Objekten festhalten

Roboter auf Röhren
Die Wissenschaftler haben sich wohl nicht nur bei der Funktionsart der Füße, sondern auch beim Design ihres Roboters etwas bei Insekten abgeschaut. © Poramate Manoonpong

Natur als Vorbild: Wissenschaftler haben das Design von Greifrobotern so optimiert, dass diese Objekte besser fassen und sich sogar auf dünnen Rohren festhalten können. Möglich wurde dies durch eine Veränderung der Verstrebungswinkel in den dreieckigen, weichen Greifern der Roboter. Dadurch konnten die Roboter Gegenstände mit etwa 20 Prozent geringerem Kraftaufwand greifen. Als Vorbild dienten den Forscher Insektenfüße.

Viele Roboter können mit ihren Greifarmen andere Objekte fest umschließen, ohne dabei großen Druck auszuüben. Das gelingt ihnen meist durch ein spezielles bionisches Design, mit dem sie sich besonders gut an die Kontur ihrer Zielobjekte anpassen. Sie nutzen dabei den sogenannten Fin-Ray-Effekt, der vor rund 25 Jahren erstmals bei Fischflossen beobachtet wurde. Dank spezieller Querverstrebungen im Inneren passen sich die Flossen optimal an verschiedene Strömungsverhältnisse an.

„Es ist faszinierend: Drückt man auf eine Seite eines spitzen Dreiecks, biegt es sich nicht von einem weg – was zu erwarten wäre – sondern einem entgegen“, erklärt Seniorautor Stanislav Gorb von der Universität Kiel. In der Natur nutzen aber nicht nur Fische diesen Effekt aus, auch in den Füßen von Insekten finden sich entsprechende Verstrebungen. Sie sorgen dafür, dass sie sich besser an Oberflächen anpassen und dort sicher anhaften. Während die Querstreben von Fin-Ray-Greifern meist im rechten Winkel zur Höhe der spitzen Dreiecke angebracht sind, kommen sie bei Insekten in verschiedenen Winkeln vor.

Zwischen zehn und 170 Grad

Obwohl es schon robotische Anwendungen gibt, die den Fin-Ray-Effekt ausnutzen, gab es allerdings noch keine Untersuchung dazu, wie sich verschiedene Winkel der Verstrebungen auf das Verhalten der Greifarme auswirken. Ein internationales Team unter der Leitung von Gorb hat sich dieser Aufgabe nun angenommen und untersucht, welche Kräfte bei unterschiedlichen Winkeln auf die Greifer und ihre Zielobjekte wirken.

Dafür simulierten sie Roboterfüße, die Querstreben von zehn bis 170 Grad besitzen. In der Simulation sollten sie Rohre mit unterschiedlichem Durchmesser verschieden stark greifen. Die vielversprechendsten Kandidaten wurden dann im 3D-Drucker realisiert und an echten Gegenständen getestet.

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Höhere Verformbarkeit der ganzen Struktur

„Wir sahen, dass Greifarme mit kleineren Winkeln ihre Zielobjekte noch leichter umschließen und dafür auch noch weniger Kraft benötigen“, berichtet Gorb. Die besten Ergebnisse lieferten demnach die Greifarme, bei denen die Querstreben einen Winkel von zehn, 30 und 120 Grad zur Höhe des Dreiecks hatten. „Das liegt daran, dass diese eine höhere Verformbarkeit der Fin-Ray-Struktur ermöglichen als die anderen Winkel, einschließlich des typischerweise verwendeten 90-Grad-Winkels“, so die Wissenschaftler.

Roboterfuß
Durch den optimierten Winkel haben die Füße eine deutlich größere Auflagefläche. © Poramate Manoonpong

Die größte Anpassungsfähigkeit war dem Bericht nach bei den Querstreben im Zehn-Grad-Winkel zu beobachten. „Darüber hinaus zeigt unsere Untersuchung, dass bei einer deutlich höheren Kraftbelastung die Kontaktflächen von zehn und 120 Grad deutlich zunehmen, was zu einem guten Grip führt. Sie sind daher die besten Kandidaten, wenn eine große Last der Schlüsselfaktor ist“, schreiben die Wissenschaftler.

„Könnte Greifroboter-Branche verändern“

In ihrem Praxistest statteten sie einen sechsfüßigen Roboter mit den neuen spitzwinkligen Fin-Ray-Greifern aus und ließen ihn über zwei Rohre und über steiniges Terrain laufen. Es bestätigte sich, dass der Roboter mit neu ausgerichteten Querverstrebungen schneller und einfacher bewegten und weniger Energie verbrauchten als mit Verstrebungen in einem klassischen 90-Grad-Winkel. „Das könnte zum Beispiel für die Öl- oder Gasindustrie interessant sein“, erklärt Erstautor Poramate Manoonpong vom thailändischen Vidyasirimedhi Institute of Science and Technology.

Die Wissenschaftler sehen Anwendungen für ihre weiterentwickelten Greifarme aber auch noch in anderen Anwendungen. „Damit wären Roboter zum Beispiel in der Lage, Lebensmittel und andere empfindliche Gegenstände mit etwa 20 Prozent weniger Energie zu greifen – das könnte jahrealte Design-Paradigmen einer ganzen Greifroboter-Branche verändern“, meint Manoonpong.

Im nächsten Schritt wollen die Forscher verschiedene Materialien für die Anwendung in Roboterfüßen untersuchen. Aktuell kommen noch relativ weiche Materialien zum Einsatz, in konkreten Anwendungen sind die Anforderungen aber höher: Die Füße müssen einerseits flexibel sein, um sich an Objekte oder unwegsame Untergründe anzupassen. Andererseits sollten sie auch robust und widerstandsfähig sein, damit man sie langfristig unter realen Umweltbedingungen einsetzten kann. (Advanced Intelligent Systems, 2021; doi: 10.1002/aisy.202100133)

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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