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Physik

Quecksilberatom als Zeitmesser

Experimentelle Atomuhr ist fünf Mal genauer als Cäsiumuhren

NIST-Physiker Jim Bergquist an der Quecksilberuhr © NIST / Geoffrey Wheeler

Weltweit wird die Zeit heute mit Atomuhren gemessen. Die meisten von ihnen nutzen dabei das Element Cäsium als Referenz. Jetzt aber haben amerikanische Physiker eine experimentelle Atomuhr entwickelt, die auf nur einem einzigen Quecksilberatom basiert. Wie sie in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichten, ist die neue Uhr fünf Mal genauer als die Cäsiumuhren.

Eine der zurzeit genauesten Uhren der Welt tickt im Nationalen Institut für Standards und Technologie (NIST) im amerikanischen Boulder, Colorado. NIST-F1, so die offizielle Bezeichnung der Atomuhr, nutzt Cäsiumatome, genauer gesagt eine winzige Wolke von Cäsiumatomen, um die Zeit zu messen. Die Atome werden zunächst durch Laserstrahlen angeregt und als „Cäsiumfontäne“ senkrecht in die Höhe geschleudert. Dann werden alle Laser abgeschaltet und die Cäsiumatome fallen durch die Einwirkung der Schwerkraft wieder nach unten.

Sowohl bei der Auf- als auch bei der Abwärtsbewegung passieren die Atome eine Mikrowellenschleuse, die die Atome zum Leuchten anregt. Der Punkt maximalen Leuchtens ist erreicht, wenn die Mikrowellen so eingestellt werden, dass ihre Frequenz genau der natürlichen Resonanzschwingung der Cäsiumatome entspricht. Aus dieser Frequenz ergibt sich die Dauer einer Sekunde.

Oszillationen im optischen Frequenzbereich

Die experimentelle Uhr, die jetzt in Boulder entwickelt wurde, nutzt nicht Mikrowellen zur Messung der Oszillationen, sondern die weitaus höheren optischen Frequenzen. Ein geladenes Quecksilberatom wird dafür in einer ultrakalten magnetischen „Falle“ gehalten und „tickt“ dabei im optischen Frequenzbereich. Dadurch kann die gemessene Zeit in noch feinere Einheiten unterteilt werden und die Messung somit genauer werden. Zum Vergleich: Die aktuelle Version der Cäsiumuhr NIST-F1 ist so genau, dass sie auch im Laufe von 70 Millionen Jahren keine Sekunde nach oder vorgehen würde. Die Quecksilberuhr dagegen könnte sogar 400 Millionen Jahre ohne Sekundenabweichung laufen.

„Indem wir die Frequenz in Bezug auf den primären Standard, die NIST-F1, gemessen haben, konnten wir die genaueste absolute Messung einer optischen Frequenz durchführen“, erklärt der Physiker Jim Bergquist. „In der letzten Messung haben wir festgestellt, dass die Genauigkeit des Quecksilber-Ionen-Systems der der besten Cäsiumuhren überlegen ist.“

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Umstellung des Standards wird noch dauern

Eine höhere Genauigkeit der Zeitmessung wirkt sich auf zahlreiche Anwendungen aus: So können die Daten der Navigations- und Positionierungssysteme, wie GPS oder Galileo, verbessert werden. Messungen von Magnet- und Schwerkraftfeldern beinhalten ebenfalls den Faktor Zeit und könnten optimiert werden. Und letztlich könnten Physiker feststellen, ob die „fundamentalen Konstanten“, die sie in der Wissenschaft verwenden, möglicherweise doch im Laufe der Zeit schwanken.

Noch allerdings ist die neue Quecksilberuhr erst im experimentellen Stadium und noch weit von einem Einsatz als Standarduhr entfernt. Erst wenn Wissenschaftlergruppen weltweit sich auf optische Uhren als neuen technischen Standard einigen und weitere Quecksilberuhren gebaut werden, könnte das Netz der Zeitmesser komplett von Cäsium auf Quecksilber umgestellt werden.

(NIST, 17.07.2006 – NPO)

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