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Technik

Quantenrechner schlägt Supercomputer

Quantensystem könnte erstmals Überlegenheit von Quantencomputern demonstriert haben

Sycamore-Prozessor
So sieht der Quanten-Prozessor "Sycamore" aus, der den weltstärksten Supercomputer um Längen geschlagen haben soll. © Erik Lucero/ Google AI

Supremat der Quanten? Der von Google entwickelte „Sycamore“-Quantencomputer könnte erstmals die sogenannte Quantenüberlegenheit erreicht haben. Er bewältigte in drei Minuten eine Aufgabe, für die der weltstärkste Supercomputer 10.000 Jahre benötigen würde, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Der Quantenrechner absolvierte diese Aufgabe mit 54 Qubits und einer relativ geringen Fehlerrate.

Quantencomputer gelten als die Rechner der Zukunft. Dank der quantenphysikalischen Überlagerung können sie unzählige Operationen und Lösungen gleichzeitig kalkulieren und sind daher schneller als klassische Rechner – zumindest theoretisch. Inzwischen gibt es zwar schon erste kommerzielle Quantencomputer und sogar ein Duell haben sich verschiedene Quantenrechner schon geliefert.

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Cryostat mit dem Sycamore-Quantencomputer im Inneren. © Eric Lucero/ Google AI

Test an der Grenze des Machbaren

Doch der Beweis der Quantenüberlegenheit – im englischen Quantum Supremacy – stand bisher noch aus. „Der dafür benötigte Quantenprozessor muss einerseits ausreichend groß dimensioniert sein und gleichzeitig eine geringe Fehlerrate aufweisen. Und es muss ein Problem gefunden werden, das für einen konventionellen Superrechner schwierig, für einen Quantencomputer aber einfach zu lösen ist“, erklärt Koautorin Kristel Michielsen vom Forschungszentrum Jülich.

Jetzt könnte ein von Google entwickelter Quantencomputer diese Quantenüberlegenheit erstmals erreicht haben. Bei dem Rechner mit Namen „Sycamore“ handelt es sich um ein System mit 54 Quantenbits, die auf mittels Supraleitung erzeugten Ladungszuständen beruhen. Alle Qubits sind auf einer Ebene angeordnet und mit regelbar ihren vier nächsten Nachbarn verknüpft, wie Frank Arute von Google AI und sein Team berichten.

Zufallsschaltkreis als Testaufgabe

Als Aufgabe für den Leistungstest wählten die Forscher das Auslesen eines quantenbasierten 53-Qubit-Zufallsschaltkreises. Dieser Schaltkreis führt mithilfe seiner verschränkten Qubits wiederholt eine zufällige Abfolge logischer Operationen durch und produziert dadurch Bitfolgen wie 0000101 oder 1011100. „Man kann sich dies als eine Art ‚Hello World“-Programm für Quantencomputer vorstellen“, erklärt John Martinis von Google AI. Die Aufgabe besteht darin, die Wahrscheinlichkeit bestimmter Bitabfolgen zu kalkulieren.

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„Weil diese Zufallsschaltkreise keine Struktur haben, die klassische Algorithmen ausnutzen können, ist die Emulation solcher Quantenschaltkreise für einen klassischen Supercomputer typischerweise extrem aufwendig“, sagt Martinis. Je mehr Zyklen diese Schaltkreise durchlaufen, desto schwieriger wird dabei die auch als Cross-Entropy-Benchmarking bezeichnete Aufgabe.

Für den Benchmark-Test ließen die Forscher ihren „Sycamore“-Quantencomputer gegen den US-Supercomputer „SUMMIT“ antreten – den zurzeit leistungsstärksten Supercomputer der Welt. Er kann mit seinen rund 40.000 Prozessoren etwa 200 Trillionen Operationen pro Sekunde ausführen. Weil jedoch selbst das nicht ausreicht, um den vollen Zufallsschaltkreis-Output in vertretbar kurzer Zeit zu berechnen, führten Arute und sein Team zunächst Vergleichstest mit weniger Zyklen und nur einem Teil des Schaltkreises durch. Dann folgte der Test mit der vollen Leistung des Zufallsschaltkreises.

200 Sekunden versus 10.000 Jahre

Das Ergebnis: „Unser Sycamore-Prozessor benötigt rund 200 Sekunden, um eine Million Zyklen des Quantenschaltkreises auszuwerten, berichten die Forscher. „Unseren Benchmark-Tests zufolge würde ein klassischer Supercomputer dafür rund 10.000 Jahre brauchen.“ Analysen ergaben zudem, dass der Quantencomputer die Aufgabe mit relativ geringer Fehlerquote und wenig Degradierung der Quantenzustände absolvierte.

Nach Ansicht von Arute und seinem Team hat ihr Quantencomputer damit erstmals die Quantenüberlegenheit demonstriert – zumindest für diese spezielle Aufgabe. „Die dramatische Steigerung des Tempos verglichen mit allen bekannten klassischen Algorithmen ist eine experimentelle Umsetzung des Quanten-Supremats“, konstatieren sie.

Was bedeutet Quantenüberlegenheit und warum bezweifelt IBM das Erreichen dieses Meilensteins?© nature

„Wie der Erstflug der Gebrüder Wright“

Sollte sich dies bestätigen, wäre damit ein Meilenstein der Computertechnik erreicht. Noch allerdings bleiben einige Computerforscher skeptisch – darunter auch Googles Konkurrenten von IBM, die selbst einen Quantencomputer entwickelt haben. Andere dagegen fühlen sich von den Ergebnissen des Experiments an die Pioniertat der Gebrüder Wright erinnert, wie William Oliver vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in einem begleitenden Kommentar schreibt:

„Die Demonstration von Arute und Co erinnert in vieler Hinsicht an den ersten Flug der Gebrüder Wright“, erklärt Oliver. „Denn ihr Flugzeug war nicht das erste Flugobjekt, löste kein Transportproblem und zog auch noch nicht den Siegeszug der Flugzeuge nach sich. Dafür aber demonstrierte es ein ganz neues Prinzip – den motorgetriebenen Flug eines Vehikels, das schwerer war als Luft.“ Auf ähnliche Weise demonstriere auch dieser erste Bericht einer Quantenüberlegenheit einen Meilenstein. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1666-5)

Quelle: Google AI, Forschungszentrum Jülich

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