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Physik

Quantenphysik: Aus drei mach’ eins

Erste Beobachtung von neuem Materiezustand gelungen

Apparatur zur Erzeugung des Efimov-Zustands © Universität Wien

Wieder einmal haben Wissenschaftler der Quantenwelt eines ihrer Geheimnisse abgerungen: Experimentalphysikern gelang es erstmals, so genannte Efimov-Zustände zu beobachten. Dabei verbinden sich, wie vor über 35 Jahren vom Russen Vitali Efimov theoretisch vorhergesagt, drei eigentlich „bindungsscheue“ Teilchen zu einem neuen Materiezustand. Jetzt ist es gelungen, wie die Zeitschrift Nature in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet.

Das drei Teilchen-Problem

Das Zusammenspiel von drei Objekten mathematisch zu beschreiben, gilt in der Physik als schwere Aufgabe. So erwies sich schon die Berechnung der Umlaufbahnen von drei sich gegenseitig anziehenden Himmelskörpern seit den Entdeckungen von Johannes Kepler und Nikolaus Kopernikus als eines der schwierigeren mathematischen Probleme. Die Physiker sprechen deshalb auch vom Dreikörperproblem.

Umso überraschender war es denn auch, als der Russe Vitali Efimov Anfang der 1970er-Jahre Dreikörpersysteme in der Quantenwelt beschrieb, deren theoretische Lösung verblüffend einfach war. Er prophezeite, dass sich drei Teilchen unter Ausnutzung der quantenmechanischen Eigenschaften zu einem Objekt vereinen können, obwohl sie paarweise zu keiner Verbindung imstande sind.

Seine scheinbar widersprüchlichen Vorhersagen wurden in den ersten Jahren von den Koryphäen der Physik zunächst stark angezweifelt. In den folgenden Jahrzehnten versuchten sich weltweit zahllose Forschungsgruppen an dem Nachweis dieser mysteriösen Quantenzustände. Das Interesse der Wissenschaft an diesem physikalischen Phänomen ist deshalb so groß, weil es laut Efimov universellen Charakter hat.

Nachweis mit Cäsiumatomen

Am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck ist es Forschern um Rudolf Grimm und Hanns-Christoph Nägerl gemeinsam mit Kollegen der Universität von Chicago nun erstmals gelungen, diese Efimov-Zustände experimentell nachzuweisen und damit ein Stück Physikgeschichte zu schreiben. Sie beobachteten dazu ein ultrakaltes Gas aus freien Cäsiumatomen, das bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt ein Bose-Einstein-Kondensat bildet.

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Mit Hilfe so genannter Feshbach-Resonanzen lassen sich die Abstände zwischen den Teilchen im Kondensat enau einstellen und so auch die Bedingungen für die Dreiteilchenbindung nach Efimov schaffen. Die entstehenden Efimov-Objekte werden dabei nicht direkt beobachtet, sondern indirekt durch einen starken Verlust von Teilchen nachgewiesen.

Ausnahmezustand im Dreier-Ring

„Wir können diese drei schwach aneinander gebundenen Teilchen nicht einfangen“, erläutert Professor Rudolf Grimm. „Wir sehen sie aber indirekt als sehr drastischen Verlust von Teilchen in unserem ultrakalten Gas, wenn wir ganz bestimmte Magnetfelder anlegen. Ihr charakteristisches Verhalten zeigt sich dann in Efimov-Resonanzen. Eine solche Resonanz haben wir jetzt beobachtet.“

Die Efimov-Objekte ähneln dabei einem ineinander verwobenen Ring aus drei Teilchen, in dem sich die Objekte anziehen, anstatt sich wie sonst für sie üblich abzustoßen. „Dieser Ring bedeutet, dass die drei Objekte verbunden sind“, erklärt Cheng Chin, Physiker der Universität Chicago. „Wenn man einen von ihnen bewegt, folgen die anderen beiden. Wenn man aber einen von ihnen entfernt, fallen auch die beiden anderen auseinander.“

Auf der Suche nach weiteren Efimov-Resonanzen

„Der Efimov-Zustand ist ein schwer zu veranschaulichendes Phänomen, er gilt aber seit Jahrzehnten als eines der größten Geheimnisse der Quantenmechanik“, erzählt Hanns-Christoph Nägerl. „Das Interesse an unseren Daten ist deshalb in der wissenschaftlichen Gemeinschaft auch enorm groß. Nun liegt es an den Theoretikern, mit unseren neuen Daten das Verständnis des Dreikörperproblems zu vertiefen.“

Die Innsbrucker Experimentalphysiker wollen unterdessen weiter mit ihren ultrakalten Cäsiumatomen experimentieren und noch andere Efimov-Resonanzen nachweisen. Sie werden dabei vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Europäischen Union unterstützt.

(Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, 16.03.2006 – NPO)

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