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Informatik

Quantencomputer starten schneller

Durch neue Kalibrierungsmethode ist der Rechner in Minuten statt Stunden betriebsbereit

Das Bild zeigt einen integrierten Schaltkreis für einen Quantencomputer mit 5 Quantenbits (Kreuze). An solchen Chips wurde die neue Kalibrierungsmethode experimentell demonstriert. © Erik Lucero / University of California, Santa Barbara

Schnell rechnen, aber langsam starten: Bislang benötigten Quantencomputer einen stundenlangen Einstellungsprozess, bevor sich ihre enormen Rechengeschwindigkeiten nutzen ließen. Deutsche Physiker haben diese Kalibrierung nun mit einem neuen Algorithmus enorm beschleunigt und automatisiert, wie sie im Fachjournal „Physical Review Letters“ berichten. Dadurch ist der Quantenrechner nun schon nach fünf Minuten einsatzbereit. Forscher gewinnen so viel wertvolle Zeit für die Weiterentwicklung dieser Zukunftstechnologie.

Noch schnell einen Kaffee holen, während der Computer in wenigen Augenblicken hochfährt: So sieht der Arbeitsalltag bei vielen Benutzern aus. Die experimentellen Quantencomputer, die bislang existieren, benötigen allerdings viel länger als einen Gang zur Kaffeemaschine, bis sie einsatzbereit sind. Diese Rechenmaschinen können die über vier Milliarden möglichen Zustände eines herkömmlichen 32-Bit-Rechners zugleich berechnen – nur leider reagieren sie so empfindlich wie ein Musikinstrument auf kleinste Unterschiede in der Umgebung. Ist es beispielsweise nur ein wenig wärmer oder kälter, ist der Luftdruck höher oder niedriger als am Vortag, funktioniert das komplexe Geflecht der Quantenbits nicht mehr, der Quantencomputer ist sozusagen „verstimmt“ und muss neu eingestellt werden.

Entscheidend, dass die Einstellung funktioniert

„Bisher haben sich Quantenphysiker also jeden Tag aufs Neue hingesetzt und geschaut, was anders ist als am Vortag“, erklärt Frank Wilhelm-Mauch von der Universität des Saarlandes. „Sie haben jeden Parameter gemessen und den Chip immer wieder mühsam neu kalibriert.“ Rund 50 verschiedene Parameter fließen in diese Kalibrierung ein, und nur allerhöchstens eine einzige von tausend Messungen darf dabei fehlerhaft sein. Dieser aufwändige Prozess dauerte bislang etwa sechs Stunden – Zeit, die der Forschung am Quantencomputer verloren geht.

Wilhelm-Mauch und sein Kollege Daniel Egger wollten darum den Startprozess beschleunigen. „Wir haben uns gefragt, warum man jeden Tag aufs Neue verstehen muss, was anders ist als am Vortag?“, so der Quantenphysiker. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass es gar nicht so wichtig ist, die Feinheiten der Kalibrierung tatsächlich zu verstehen: „Entscheidend ist, dass die Einstellung am Ende funktioniert. Warum sie funktioniert, ist nicht so wichtig.“ Diesen pragmatischen Ansatz verwirklichten die Physiker schließlich mit einem Algorithmus aus dem Bauingenieurwesen. „Denn auch dort sind Versuche teuer“, sagt Wilhelm-Mauch. Es kommt also darauf an, ohne großen Aufwand von Zeit und damit Geld ein funktionierendes Ergebnis zu erhalten.

Fünf Minuten statt sechs Stunden

Experimentalphysiker der University of California in Santa Barbara testeten den neuen Algorithmus im Experiment. Mithilfe dieses Kniffs gelang es den Forschern, die benötigte Zeit zum Kalibrieren eines Quantencomputers von sechs Stunden auf nur fünf Minuten zu senken, und gleichzeitig die Fehlerquote unter dem kritischen Grenzwert zu halten.

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Für weitere Experimente bei der Erforschung von Quantencomputern ist dieser Fortschritt ungemein wichtig. Nun müssen in den Laboren der Physiker nicht mehr jeden Tag stundenlange Vorarbeiten gemacht werden, um eine kurze Zeit lang zu experimentieren. „Denn während der langen Kalibrierungsphase haben sich viele Parameter wie Temperatur, Licht und Luftdruck ja bereits wieder leicht verändert, so dass die Zeitspanne, in der der Chip fehlerfrei läuft und man damit experimentieren kann, immer kürzer wird“, sagt Wilhelm-Mauch.

Ad-HOC: Zeit zum Kaffee holen

Ein weiterer Vorteil: Die schnelle Kalibrierungsmethode, von den Physikern auf den Namen „Ad-HOC“ (für „Adaptive Hybrid Optimal Control“) getauft, lässt sich auch problemlos auf größere Quantensyteme als die bisher üblichen anwenden. Bisher sind aus technischen Gründen lediglich Chips mit fünf Quantenbits möglich. Mit der neuen Methode sind der Größe des Chips in Zukunft kaum Grenzen gesetzt, er lässt sich beliebig vergrößern.

Und noch ein weiterer Clou dürfte für den Arbeitsalltag der Quanten-Wissenschaftler bedeutend sein: „Unsere Methode ist im Gegensatz zu der bisherigen Kalibrierung von Hand vollautomatisch“, sagt Wilhelm-Mauch, und fügt mit einer Portion Humor hinzu: „Der Wissenschaftler drückt also tatsächlich nur einen Knopf wie bei einem herkömmlichen Computer und geht Kaffee holen, bis der Quantencomputer einsatzbereit ist.“

(Physical Review Letters, 2014; doi: 10.1103/PhysRevLett.112.240503)

(Universität des Saarlandes, 23.06.2014 – AKR)

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