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Technik

Photonischer Computer rechnet gedankenschnell

PHOCUS-Konsortium entwickelt Höchstleistungsrechner nach Vorbild der schnellen Informationsverarbeitung im Gehirn

Einen Supercomputer nach dem Vorbild der schnellen Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn entwickelt ab jetzt ein internationales Forscherteam im neuen Projekt „PHOCUS“. Die Wissenschaftler wollen darin photonische, mit Licht kommunizierende Systeme konzipieren, die komplexe Berechnungen durchführen und große Datenmengen schnell verarbeiten können – bei deutlich geringerem Stromverbrauch als heutige Hochleistungsrechner.

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Das Gesicht einer bekannten Person unter vielen zu erkennen ist eine komplexe Aufgabe für das menschliche Gehirn. Es kann sie jedoch schon in Sekundenbruchteilen lösen. „Wie die elektrischen Signale der Milliarden von Nervenzellen des Gehirns organisiert werden, sodass das Organ so schnell richtige Antworten liefern kann, ist eine der großen offenen Fragen der Hirnforschung“, sagt Claudio Mirasso, der PHOCUS-Projektkoordinator von der spanischen Universitat de les Illes Balears. In den vergangenen Jahren sei jedoch ein Paradigma entwickelt worden, das zu einer Antwort führen könnte.

Reaktion neuronaler Netzwerke im Visier

Hirnforscher vergleichen die Reaktion des menschlichen Gehirns auf äußere Reize mit der Reaktion einer Flüssigkeit auf eine Störung, etwa einen Stein, der ins Wasser geworfen wird. Anhand der Wellen, die der Aufprall schlägt, kann erschlossen werden, wann und wo der Stein die Oberfläche getroffen hat. Auf vergleichbare Weise könnte es möglich sein, anhand der Reaktion neuronaler Netzwerke Informationen über die auslösenden Reize zu erschließen. Netzwerke, die solche Reize verarbeiten, werden als „Reservoirs“ bezeichnet.

Bislang können Computermodelle neuronaler Netzwerke jedoch nur wenige Reize erkennen, da das Zusammenspiel ihrer Bestandteile für jeden neuen Input erst eingestellt werden muss. Nach dem Konzept der so genannten Reservoir-Rechnung kann dieses Problem jedoch umgangen werden, da nur der Auslese-Mechanismus für berechnete Daten eingestellt werden muss. „Erste Experimente haben gezeigt, dass das Auslesen der Daten deutlich einfacher zu trainieren ist als die Reservoirs selbst“, sagt Jürgen Kurths vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

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Reservoir-Rechnung bietet Vorteile

Wie funktioniert nun die Reservoir-Rechnung? Äußere Reize oder Inputs können für eine gewisse Zeit im Reservoir nachgewiesen werden – ähnlich wie der Aufschlag eines Steins auf der Wasseroberfläche anhand der geschlagenen Wellen. Diese Form der Speicherung und die einsetzende Reaktion des Reservoirs wandeln den Input in eine große Zahl dynamischer Zustände des Reservoirs um – sie erzeugen einen hochdimensionalen Raum der Zustände.

Der Vorteil der Reservoir-Berechnung liegt darin, dass die Reaktion des Reservoirs im hochdimensionalen Raum der Zustände leichter zu erkennen ist, als im ursprünglichen Input-Raum mit weniger Dimensionen. Die Anzahl der Dimensionen im Input-Raum entspricht beispielsweise der Anzahl von Merkmalen, die dazu notwendig ist, ein bekanntes Gesicht zu erkennen. In früheren Arbeiten wurde gezeigt, dass die Identifizierung im hochdimensionalen Raum genutzt werden kann, um verschiedene Inputs zu klassifizieren.

Zusammenspiel von zwei nicht-linearen dynamischen Systemen

Kern der Reservoir-Berechnung ist das komplexe Zusammenspiel zweier gekoppelter, nicht-linearer dynamischer Systeme: der Speicherung des Inputs im Reservoir und dessen einsetzender Reaktion. In den letzten Jahren ist die Erforschung der Dynamik gekoppelter komplexer Systeme und insbesondere des Auftretens von Synchronisation weit vorangeschritten. Photonische Systeme haben dabei eine Schlüsselrolle gespielt und sie dienen auch als Beispiel für die Nutzbarkeit komplexen Verhaltens.

Der Austausch zwischen Physikern, die Laser und nichtlineare Dynamiken erforschen, sowie Neurophysiologen und Hirnforschern führte zur Idee, dass photonische Systeme genutzt werden könnten, um Hirnfunktionen zu verstehen und eventuell nachbilden zu können.

Noch viele ungelöste Probleme

Die Reservoir-Berechnung mit photonischen Systemen könnte vielfältig angewendet werden, es gibt jedoch noch eine Reihe ungelöster Probleme. Die Systeme können für extrem schnelle Datenverarbeitung eingesetzt werden und sind dabei kompatibel mit bestehender Telekommunikations-Technologie. Große photonische Systeme in bestehende Technologie einzubinden ist jedoch eine technologische Herausforderung und kostenaufwändig.

Projekts „PHOCUS“

Das PHOCUS-Konsortium verfolgt nach Angaben der Wissenschaftler einen neuen Ansatz, die Funktionalität eines komplexen Netzwerks mit nur wenigen photonischen Komponenten herzustellen. Man macht sich dabei die auftretenden zeitlichen Verzögerungen bei Rückkopplungen oder Kopplungen eines oder mehrerer Laser zunutze, um einen sehr hochdimensionalen Zustands-Raum zu erzeugen.

Ziel des Projekts PHOCUS ist die Reservoir-Berechnung mithilfe photonischer Systeme für die Hochgeschwindigkeits- Datenverarbeitung einzusetzen. Damit könnten Alternativen zu Supercomputern oder Computerclustern für Anwendungen geschaffen werden, die geringe Größe und geringen Energiebedarf erfordern.

(idw – Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, 25.02.2010 – DLO)

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