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Geowissen

Ozeangleiter enträtselt Meereswirbel

Premiere für neues Messsystem im tropischen Atlantik

Gruppenbild mit dem "Turbulenzgleiter": von links: Marcus Dengler - Turbulenzforscher, Gerd Krahmann - Gleiterexperte, Professor Peter Brandt - Fahrtleiter M80-1, alle IFM-GEOMAR. © H. v. Neuhoff

Kieler Meeresforscher haben ein neuartiges Instrument zur Messung kleinräumiger Wirbel im Ozean erstmals erfolgreich getestet. Die Wissenschaftler können mit dem segelflugzeugartigen Roboter, einem so genannten Gleiter, ab jetzt direkt die Turbulenz im Meer untersuchen. Die kleinen Wirbel mit einem Durchmesser von wenigen Zentimetern haben einen wesentlichen Einfluss auf die Vermischung und Wassermassenbewegung im Ozean.

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Die Experimente des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) wurden während der aktuellen Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff METEOR im tropischen Atlantik durchgeführt.

Globales Förderband

Ein Hauptantrieb der weltumspannenden Ozeanzirkulation, die als eine Art globales Förderband die Weltmeere durchzieht, sind sehr kleine, wirbelförmige Bewegungen. Diese Wirbel, unter dem Begriff Turbulenz zusammengefasst, sind in der Regel kaum größer als wenige Zentimeter bis Meter. Ihr alleiniges Bestreben besteht darin, Wassermassen mit unterschiedlicher Dichte zu vermischen. Dabei bringen sie Wärme aus den oberen Schichten der Meere in die Tiefe, kaltes Wasser steigt im Austausch auf.

Turbulenz gibt es in sehr unterschiedlicher Stärke in fast allen Regionen der Weltmeere. In sehr seltenen auftretenden Ereignissen kann die Energie der kleinen Wirbel gegenüber dem Normalwert einhundert millionenfach erhöht sein. Zum Leid der Turbulenzforscher sind es gerade diese Ereignisse, die für die Vermischung und dem damit verbundenen Wärmetransport in die Tiefe verantwortlich sind. Das stellt die Beobachtung und Erforschung von ozeanischen Vermischungsprozessen, mit der sich weltweit etwa 300 Wissenschaftler beschäftigen, vor große Herausforderungen.

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Schnelle Sensoren und hohe Datenraten

Wegen der raschen, aber kleinen Schwankungen werden für Turbulenzmessungen sehr schnelle Sensoren und hohen Datenraten benötigt. Wichtig dabei ist auch, dass das Messsystem selbst frei von hochfrequenten Bewegungen ist, da diese von den Sensoren als Wasserwirbel wahrgenommen werden würden. Bisher wurden am häufigsten frei fallende Sonden, so genannte Turbulenzprofiler eingesetzt.

Diese werden von Forschungsschiffen ausgesetzt und sinken während der Messung langsam ab. Viele Messungen an einem Ort sind notwendig, um auch die sehr seltenen energetischen Vermischungsereignisse zu erfassen. Das macht solche Untersuchungen zeitlich wie finanziell sehr aufwändig.

Autonomes Turbulenzmesssystem im Einsatz

„Auf dem ersten Fahrtabschnitt der 80. Reise des deutschen Forschungsschiffes METEOR haben wir erfolgreich ein neu entwickeltes autonomes Turbulenzmesssystem eingesetzt“, erzählt Marcus Dengler vom IFM-GEOMAR. „Das System besteht aus einer selbstregistrierenden Turbulenzsonde, die auf einem Gleiter angebracht wurde“, so Dengler weiter.

Der Gleiter, ein Segelflugzeug für die Meere, ist in der Lage sich durch Änderung seines Volumens im Wasser selbstständig fortzubewegen, um vorgegebene Positionen im Ozean anzusteuern. Diese ebenfalls noch sehr neuartige Messplattform wird von den Kieler Ozeanographen erst seit wenigen Jahren eingesetzt. Während des Gleitens durch das Wasser zeichnet die aufgesetzte selbstregistrierende Turbulenzsonde 500 Strömungs-, Temperatur- und Salzgehaltswerte pro Sekunde auf, anhand derer die Energie der kleinen turbulenten Wirbel bestimmt werden kann. Zusätzlich werden die hochfrequenten Eigenbewegungen des Gleiters durch Beschleunigungssensoren erfasst.

Energie der Turbulenz wird untersucht

„Auf unserer Forschungsfahrt konnten wir dieses Turbulenzmesssystem weltweit zum ersten Mal einsetzen“, so Fahrtleiter Professor Peter Brandt. „Es kann über einen Zeitraum von bis zu einem Monat kontinuierlich die Energie der Turbulenz in der Wassersäule beproben, ohne dass dabei zusätzliche Schiffzeit beansprucht wird. Anhand dieser Langzeitdatensätzen werden wir eine sehr detaillierte Vorstellung von turbulenten Vermischungsprozessen erhalten“, so Brandt weiter. „Wir hoffen damit deren Einfluss auf die Ozeanzirkulation und damit auf unser Klima besser verstehen zu können“.

(idw – Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 17.11.2009 – DLO)

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