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Physik

Teilchen wechselt zwischen Materie und Antimaterie

Meson oszilliert Billionen Mal pro Sekunde zwischen den Materieformen

Bs0-Meson
Einige Elementarteilchen wie die Bs0-Mesoen wechseln ständig zwischen Materie und Antimaterie hin und her – und das extrem schnell. © IFJ PAN

Zwischen den Welten: Es gibt Teilchen, die sich nicht auf Materie oder Antimaterie festlegen – sie wechseln ständig ihre Natur. Eines von ihnen, das Bs0-Meson, oszilliert sogar Billionen Mal pro Sekunde, wie nun Messungen im Teilchenbeschleuniger LHC ergeben haben. Die neuen Messwerte bestätigen nicht nur das extreme Tempo dieser Materie-Antimaterie-Wechsel, sie helfen auch dabei, das Standardmodell einzugrenzen.

Beim Urknall entstand sowohl Materie als auch Antimaterie. Für jedes Teilchen der „normalen Welt“ existiert in dieser Gegenwelt demnach ein Antiteilchen – beide gleichen sich zwar wie Bild und Spiegelbild, tragen aber entgegengesetzte Ladungen und Spins. Während die Bausteine der Atome und damit der Materie nur aus normalen Elementarteilchen bestehen, gibt es jedoch auch kurzlebige Teilchen, die Quarks und Antiquarks in sich vereinen. Dazu gehören die Mesonen aus jeweils einem dieser Quarks und einige neuentdeckte Tetraquarks.

Wechsel zwischen Antimaterie und Materie

Doch es geht noch exotischer: Es gibt Meson-Teilchen, die sich nicht für eine Welt entscheiden können – ihre Natur wechselt zwischen Antimaterie und Materie hin und her. Je nachdem, welche ihrer beiden Quarkkomponenten die Oberhand gewinnt, verhält sich das gesamte Teilchen entweder wie Materie oder wie Antimaterie. Bekannt ist dies bisher nur von Mesonen, die keine Ladung tragen, den sogenannten neutralen Mesonen.

„Diese neutralen Mesonen zeige eine faszinierende Eigenheit – sie oszillieren zwischen Materie und Antimaterie-Formen“, erklärt Agnieszka Dziurda von der LHCb-Kollaboration. Das je nach Meson verschiedene Tempo dieser Oszillation kann wertvolle Informationen über die physikalischen Grundkräfte und auch das Standardmodell liefern. Eines dieser Wechselteilchen ist das Bs0-Meson, das aus einem Strange-Quark und einem Anti-Beauty-Quark besteht.

Wie misst man diese Oszillation?

Das Problem jedoch: Mesonen sind extrem kurzlebig und zerfallen in Sekundenbruchteilen. Im Falle des Bs0-Mesons dauert es nur rund eine Pikosekunde – eine Billionstel Sekunde, bis das Teilchen in ein geladenes Meson und ein Pion zerfällt. Im Teilchenbeschleuniger hat das Meson in dieser Zeit gerade einmal einen Zentimeter Wegstrecke zurückgelegt. Frühere Messungen legen aber nahe, dass das Teilchen selbst in dieser kurzen Zeitspanne zwischen Antimaterie und Materie-Zustand wechselt.

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LHCb
Teilchenspuren im LHCb-Detektor des Large Hadron Collider (LHC). ©

Um diese extrem schnellen Oszillationen des Bs0-Mesons zu erfassen, haben Dziurda und ihre Kollegen von der LHCb-Kollaboration nicht das Meson selbst gemessen, sondern seine Zerfallsprodukte. „Die Quantenmechanik sagt voraus, dass die Zerfallsprodukte des Bs0-Mesons unterschiedlich sein müssen, je nachdem, ob es bei seinem Zerfall gerade im Antimaterie- oder Materiezustand war“, erklärt die Physikerin. „indem wir dies mit der Information über die Natur des Teilchen bei seiner Produktion verknüpften, könnten wir die Oszillations-Frequenz messen.“

Für ihre Studie wertete das Forschungsteam die Daten des LHCb-Experiments am Large Hadron Collider (LHC) des Forschungszentrums CERN aus. In der Zeit von 2015 bis 2018 wurden die Mesonen in diesem Teilchenbeschleuniger bei der Kollision von Protonen mit einer Energie von 13 Teraelektronenvolt erzeugt. „Die Bs0-Mesonen sind erheblich schwerer als de meisten andern Teilchen, die direkt bei den Protonenkollisionen entstehen“, erklären die Physiker. Dies ermögliche es, sie anhand der Flugbahn ihrer Zerfallsprodukte und weiterer Merkmale zu identifizieren.

Billionen Wechsel pro Sekunde

Tatsächlich gelang es dem Team, die extrem schnelle Oszillation des Bs0-Mesons nachzuweisen und seine Frequenz zu messen. Diese liegt demnach bei 17,7683 Wechseln pro Pikosekunde – das entspricht 17 Billionen Oszillationen pro Sekunde. Selbst in ihrer enorm kurzen Lebenszeit von rund einer Pikosekunde wechseln diese Mesonen demnach mehrfach zwischen Materie und Antimaterie hin und her.

„Mit dieser Messung haben wir diese Oszillation zudem um zwei Größenordnungen genauer ermittelt als bisher“, sagt Dziurda. Der neue Wert erlaubt nun genauere Rückschlüsse auf quantenmechanische Prozesse, gleichzeitig trägt er auch dazu bei, die Suche nach Unterschieden von Materie und Antimaterie zu erleichtern, wie die Forschenden erklären. Auch der Raum für noch unerkannte Elementarteilchen oder Prozesse wird damit weiter eingegrenzt. (Nature Physics, 2022; doi: 10.1038/s41567-021-01394-x)

Quelle: LHCb Collaboration, Polish Academy of Sciences

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