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Technik

Organisiertes Chaos macht Robotern Beine

Autonomer Laufroboter kann durch "Chaos-Kontrolle" flexibel verschiedene Gangarten nutzen

Autonomer Laufroboter in Aktion: Nach dem Prinzip der Chaos-Kontrolle produziert der Roboter reguläre Beinbewegungen, wenn er normal geht. Er kann aber ein chaotisches Bewegungsmuster nutzen, um sich zu befreien, wenn er in ein Loch getreten ist. © Network Dynamics Group, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation

Wissenschaftler haben einen Roboter entwickelt, der ähnlich einem Lebewesen je nach Situation flexibel zwischen mehreren verschiedenen Gangarten hin- und herschalten kann. Die Basis dieses jetzt in „Nature Physics“ vorgestellten Laufroboters bildet ein kleines Verschaltungsnetzwerk mit nur wenigen Verknüpfungen und einem Mechanismus zur „Chaos-Kontrolle“.

Schon einfache Insekten können mit ihren sechs Beinen ganz unterschiedliche Bewegungsmuster ausführen. Je nachdem, ob das Tier langsam oder schnell krabbelt oder Hindernisse überwindet, nutzt es verschiedene Gangarten. Solche sich periodisch wiederholende Bewegungen wie Laufen oder Atmen werden in Mensch und Tier von kleinen neuronalen Einheiten gesteuert, so genannten „central pattern generators“ (CPG, zentrale Mustererzeuger). Dieses Prinzip haben sich Forscher nun auch bei der Entwicklung von Laufrobotern zu Nutze gemacht.

Bisher war meist für jede Gangart ein eigener CPG im Roboter zuständig. Über verschiedene Sensoren erhält der Roboter Informationen über seine Umwelt – ob er vor einem Hindernis steht oder eine Steigung hinaufgeht. Anhand dieser Informationen wählt er dann den CPG aus, der die für die jeweilige Situation passende Gangart steuert. Wissenschaftler am Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience, an der Georg-August Universität Göttingen und am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation haben nun einen Roboter entwickelt, der je nach Situation flexibel zwischen mehreren verschiedenen Gangarten hin- und herschalten kann.

Ein einziger Mustererzeuger für alle Gangarten

Das Besondere an dem Roboter der Göttinger Wissenschaftler ist, dass er mit nur einem einzigen CPG auskommt, der ganz unterschiedliche Gangarten erzeugen und flexibel zwischen ihnen hin- und herschalten kann. Dieser CPG ist ein winziges Netzwerk aus einfachen Verschaltungselementen, vergleichbar mit zwei neuronalen Einheiten. Das Geheimnis seiner Funktionsweise liegt in der so genannten „Chaos-Kontrolle“.

Ohne Kontrolle produziert das Netzwerk ein chaotisches Aktivitätsmuster. Dieses lässt sich aber sehr leicht in ein periodisches Muster überführen, das den Gang bestimmt. Je nach sensorischem Eingangssignal können dabei unterschiedliche Muster – und damit unterschiedliche Gangarten – erzeugt werden. Diese Verbindung zwischen Sensorik und CPG kann entweder beliebig vorprogrammiert oder vom Roboter durch Erfahrung gelernt werden.

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Lernen durch Erfahrung

Wie dies funktioniert, zeigen die Wissenschaftler an einem Beispiel: Der Roboter kann eigenständig lernen, mit möglichst geringem Energieaufwand eine Steigung hinaufzulaufen. Sobald der Roboter eine Steigung erreicht, zeigt ein Stromsensor einen zu hohen Verbrauch an. Daraufhin wird die Verschaltung zwischen dem Stromsensor und dem Kontrolleingang des CPG so lange variiert, bis eine Gangart gefunden wurde, mit der der Roboter weniger Energie verbraucht. Wenn die richtigen Verschaltungen gefestigt sind, hat der Roboter den Zusammenhang zwischen Steigung und Gangart gelernt. Beim zweiten Versuch, den Berg zu erklimmen, wird er sofort die passende Gangart einlegen.

Demnächst auch mit Gedächtnis

In Zukunft soll der Roboter auch mit einer Speicherkapazität ausgestattet werden, damit er eine Bewegung auch dann zu Ende führt, wenn er keinen sensorischen Input mehr bekommt. Soll der Roboter beispielsweise über ein Hindernis steigen, müsste er mit allen sechs Beinen nacheinander einen großen Schritt machen.

„Damit ist er derzeit noch überfordert: Kaum ist das Hindernis aus seinem Blickfeld verschwunden, hat er vergessen, welches Gangmuster er gerade anwenden soll“, sagt Marc Timme vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. „Wenn der Roboter mit einem motorischen Gedächtnis ausgestattet ist, wird er seine Bewegungen vorausschauend planen können.“

(Max-Planck-Gesellschaft, 18.01.2010 – NPO)

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