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Technik

Online-Freundeskreis färbt nicht ab

Vorlieben anderer werden nur in Ausnahmefällen übernommen

Surfen im Internet © MMCD

Auch in sozialen Online-Netzwerken freunden sich vor allem die Menschen miteinander an, die von vornherein ähnliche Vorlieben haben. Das haben US-amerikanische Forscher herausgefunden, als sie die Entwicklung der Facebook-Freundeskreise von Studenten über vier Jahre hinweg verfolgten. Bisher sei nicht klar gewesen, wie stark sich Freunde in solchen Netzwerken gegenseitig beeinflussen und ob dadurch ihre Geschmäcker im Laufe der Zeit ähnlicher werden. Jetzt zeige sich, dass eine solche Weitergabe von Vorlieben eher die Ausnahme sei, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Freunde sich nicht deshalb in ihrem Geschmack ähneln, weil sie sich gegenseitig beeinflussen, sondern dass sie sich von vornherein mit Gleichgesinnten anfreunden“, schreiben Kevin Lewis von der Harvard University und seine Kollegen. Vor allem der übereinstimmende Geschmack bei Musik und Filmen sei für junge Facebook-Nutzer ausschlaggebend dafür, ob sie jemanden zum Freund wählen oder nicht. Weniger Einfluss auf die Freundeswahl habe dagegen der Buchgeschmack gehabt.

Ungewöhnliche Vorlieben verbinden

Am stärksten verbindend wirken – wenig überraschend – dabei Vorlieben, die eher ungewöhnlich oder zumindest weniger verbreitet sind: „Ein Geschmack, den jeder teilt, wird so banal, dass er sich nicht mehr als verbindendes Merkmal eignet“, sagen die Forscher. So habe man unter Studenten, die Popmusik, Bestseller oder Blockbuster-Filme als Präferenzen angaben, den geringsten Einfluss solcher Vorlieben auf die Freundeswahl festgestellt. Fans von speziellen Filmgenres wie Horror oder Satire befreundeten sich dagegen überproportional häufig mit Gleichgesinnten.

„Unsere Daten zeigen damit überraschend wenig Belege für die allgemeine Annahme, dass wir von unserem sozialen Umfeld beeinflusst werden“, konstatieren Lewis und Kollegen. Stattdessen diene die Online-Community eher dazu, die sozialen Bindungen zu denjenigen zu stärken, mit denen man ohnehin bereits viel gemeinsam habe.

Klassik und Jazz erweisen sich trotzdem als ansteckend

Doch es gab auch eine Ausnahme von der „gleich und gleich“-Regel: In einer der 15 untersuchten Geschmacks-Gruppen habe der Freundeskreis auch nachträglich den Geschmack der Nutzer beeinflusst und verändert. „Studenten, deren Freunde eine Vorliebe für Klassik und/oder Jazz hatten, übernahmen diesen Geschmack im Laufe der vier Jahre besonders häufig“, berichten die Forscher.

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Möglicherweise sei diese Musikrichtung so ansteckend, weil sie als Anzeichen für einen hohen kulturellen und gesellschaftlichen Status gelte. Für die Studenten sei es daher mit zunehmendem Alter erstrebenswert, sich diese prestigeträchtige Vorliebe zuzulegen und sie kundzutun. „Eine alternative Erklärungsmöglichkeit könnte auch sein, dass Klassik und Jazz ein schwieriges Genre sind, die man erst lernen muss zu mögen“, räumen Lewis und seine Kollegen ein.

Vorlieben von 1.640 Studenten ausgewertet

Für ihre Studie hatten die Forscher die in Facebook angegebenen Vorlieben in Musik, Film und Büchern von 1.640 Studenten ausgewertet. Diese Vorlieben fassten sie in 15 Geschmacksgruppen zusammen und analysierten, wie häufig Angehörige gleicher Geschmacksgruppen direkte Facebook-Freunde waren. Diese Zusammenhänge verfolgten die Wissenschaftler über vier Jahre hinweg, um mögliche gegenseitige Einflüsse ausfindig machen zu können. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2011; doi:10.1073/pnas.1109739109)

(Proceedings of the National Academy of Sciences / dapd, 21.12.2011 – NPO)

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