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Physik

Neues Teilchen aus Gluonen entdeckt

"Odderon" besteht nur aus Vermittlerteilchen der starken Kernkraft

TOTEM-Detektor am LHC
Teil des TOTEM-Detektors am Teilchenbeschleuniger LHC des CERN. Hier sowie am Fermilab in den USA wurden die Odderons nachgewiesen. © M. Brice/CERN

Quantenchromodynamik bestätigt: Physiker haben in den Beschleunigern am CERN und am Fermilab ein neues Teilchen nachgewiesen – ein „Odderon“. Dieses kurzlebige Teilchen besteht nur aus Gluonen, den Vermittlerteilchen der Starken Kernkraft.  Die Existenz der Odderons wurde bereits 1973 vorhergesagt, jetzt ist ihr Nachweis gelungen.

Gluonen sind die Vermittlerteilchen der Starken Kernkraft. In Kernbausteinen wie dem Proton und Neutronen halten sie die Quarks zusammen und prägen das Verhalten dieser Grundbausteine der Materie. Doch anders als andere Kraftteilchen können sich die Gluonen auch untereinander zusammenballen – solche Gluonenbälle oder „Glueballs“ wurden schon Anfang der 1970er-Jahre vorhergesagt. Sie entstehen, wenn sich Protonen bei Kollisionen nur streifen und dabei Gluonen austauschen.

Während jedoch der Austausch einer geraden Zahl von Gluonen schon beobachtet wurde, fehlte bislang der Nachweis von Odderons – Quasiteilchen aus drei oder einer anderen ungeraden Zahl von Gluonen.

Spurensuche an zwei Teilchenbeschleunigern

Jetzt ist Physikern der Nachweis der Odderons gelungen – in gleich zwei Teilchenbeschleunigern. Am Large Hadron Collider (LHC) am CERN bei Genf suchen die Forscher der TOTEM-Kollaboration schon seit einigen Jahren mit einer speziellen Apparatur nach den Odderons. Ihre Detektoren sitzen seitlich vom CMS-Experiment am Protonenstrahl des Beschleunigers. Denn die Gluonenbälle machen sich in winzigen Abweichungen der bei Kollisionen abgelenkten Protonen bemerkbar.

Bereits 2018 hatte der TOTEM-Detektor erste Hinweise auf Gluonenbälle mit ungeraden Gluonenzahlen geliefert. Damals reichte die Signifikanz aber nicht für eine Entdeckung dieser Odderons aus. Seither haben die Forscher der TOTEM-Kollaboration weitere Daten von Protonenkollisionen auch mit höheren Energien von bis zu 13 Teraelektronenvolt (TeV) gesammelt.

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Parallel dazu führten Physiker der DØ-Kollaboration am Fermilab in den USA Messungen mit einem ähnlichen Detektor am Tevatron-Beschleuniger durch. Dieser schießt Strahlen von Protonen und Anti-Protonen aufeinander – und auch dabei müssten laut Theorie sowohl geradzahlige wie ungeradzahlige Gluonenbälle ausgetauscht werden.

Gemeinsam zur Entdeckung

Das Ergebnis dieser Messungen haben die beiden Physikerteams nun gemeinsam veröffentlicht. Wie sie berichten, gelang es am TOTEM-Detektor, die Existenz von Odderons unter anderem bei Protonenkollisionen mit 13 TeV nachzuweisen. Die Signifikanz dafür lag bei 4,6 Standardabweichungen (Sigma). Am Tevatron wiesen die Forscher den Austausch der ungeraden Gluonenbälle schon niedrigeren Energien von 1,96 Teraelektronenvolt nach.

Zusammen liegt die Signifikanz für die Odderons bei 5,7 Sigma – und damit über der Schwelle, ab der ein Teilchenfund offiziell als Entdeckung gilt. „Dies ist damit der erste experimentelle Nachweis eines Odderons“, sagt Christophe Royon von der University of Kansas. „Das ist eine große Entdeckung für das CERN und das Fermilab.“

Einblicke in die Basis der Quantenchromodynamik

Spannend ist die Entdeckung des Odderons vor allem deshalb, weil es grundlegende Vorhersagen der Quantenchromodynamik bestätigt. Diese Theorie beschreibt die Wirkungsweise der Starken Kernkraft mithilfe der Quantenphysik. Sie sagt unter anderem voraus, dass Gluonen anders als andere Vermittlerteilchen auch untereinander wechselwirken. Sie tragen eine sogenannte Farbladung, die sie an Quarks weitergeben können, die aber auch reine Gluonen-Kombinationen ermöglicht.

Der aktuelle Nachweis der Odderons belegt nun, dass diese Gluonen-Kombinationen auch ungerade Gluonzahlen haben können – wie 1973 vorhergesagt. „Dieses Ergebnis ergründet fundamentale Eigenschaften der Theorie der Quantenchromodynamik, vor allem, dass Gluonen mit sich selbst wechselwirken können“, erklärt TOTEM-Sprecherin Simone Giani vom CERN.

Gleichzeitig könnten die Gluonenbälle Hinweise darauf liefern, ob die Stringtheorie richtig liegt oder nicht. Denn auch sie sagt bestimmte Eigenschaften der Gluonenbälle voraus. (FERMILAB PUB-20-568-E / CERN-EP-2020-236, arXiv:2012.03981)

Quelle: CERN, Fermilab

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