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Energie

Neues Science Center nutzt Geothermie

experimenta in Heilbronn zapft Energie aus der Tiefe

Markante Architektur mit viel Glas – so soll die experimenta nach dem Ausbau aussehen. © Sauerbruch Hutton, Berlin

Die experimenta in Heilbronn wird gerade zum größten Science Center Deutschlands ausgebaut. Ab 2019 soll sie in neuem Glanz erstrahlen. Die Besonderheit: Das Gebäude setzt für seine Energieversorgung auf Geothermie. Wasser aus etwa 80 Metern Tiefe soll die Lern- und Erlebniswelt je nach Bedarf wärmen oder kühlen. Über das Konzept und die Herausforderungen bei der Nutzung von Geothermie haben wir mit den beiden für das Projekt zuständigen Experten gesprochen.

Wissenschaft und Technik buchstäblich begreifbar machen – dieses Motto wurde in Heilbronn zum großen Erfolg: Seit der Eröffnung der experimenta 2009 strömten Hunderttausende kleiner und großer Besucher in das Science Center am Neckar – der Erfolg übertraf die Erwartungen bei weitem. Deshalb ist nun Wachsen angesagt: Für einen gewaltigen Um- und Ausbau sind die Tore der experimenta seit Juli 2017 geschlossen. Ab Frühjahr 2019 sollen Besucher dann die neue Pracht bestaunen können.

Auf dem neusten Stand – nicht nur bei Exponaten

Die experimenta wird durch die Erweiterung in Deutschland neue Maßstäbe setzen und in die erste Liga der Science Center Europas aufrücken, verkündet das Team um Geschäftsführer Wolfgang Hansch. In vier Ausstellungswelten werden Besucher aller Altersgruppen über 275 Exponate sehen und erleben können. Darüber hinaus wird die neue experimenta mit einer besonderen Attraktion glänzen: mit dem Science Dome.

Der Kuppelbau soll mit seinem 700 Quadratmeter großen 3D-Screen, einem drehbaren Zuschauerraum und einer effektsprühenden Hightech-Bühne die Besucher in Staunen versetzen. Das moderne Konzept der experimenta wird allerdings über ihre inhaltlichen Attraktionen hinaus gehen – auch die Gebäudetechnik soll auf dem neusten Stand sein. Zur Klimatisierung der Räume setzen die Planer dabei auf eine nachhaltige und symbolträchtige Energiequelle: Geothermie.

„Wir werden die Wärme beziehungsweise Kälte für die Gebäudetemperierung dem Grundwasser entnehmen, das aus einem Bohrloch von etwa 80 Metern Tiefe stammt“, sagt Michael Bauer vom Beratungsunternehmen Drees & Sommer in Stuttgart. „Dieses Wasser besitzt das ganze Jahr über zehn bis fünfzehn Grad. Im Winter entnehmen wir ihm Wärme und erzeugen damit Heizwasser mit einer Temperatur von 35 Grad“, erklärt Bauer.

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Die Wärme wird „hochtransformiert“

Möglich wird diese „Hochtransformation“ der Temperatur durch eine Wärmepumpe: Die niedrige Temperatur des Grundwassers bringt bei diesem Kreislaufsystem ein Medium zum Verdampfen, das bereits bei geringen Temperaturen siedet. Anschließend wird das Gas in einem Kompressor verdichtet und schließlich wieder verflüssigt. Dabei gibt es dann die aus dem Quellwasser aufgenommene Wärme zusammen mit der Verdichtungsenergie als Wärme mit einer höheren Temperatur an das Heizsystem ab. Danach fließt das Medium wieder zur Energiequelle zurück und der Kreislauf beginnt von vorne.

Mit solchen Rollenmeißeln werden die Bohrungen durchgeführt © experimenta

„Um das Gebäude mit dem nur 35 Grad warmen Heizwasser erwärmen zu können, fließt es durch Flächenheizsysteme“, erklärt Bauer. Die entsprechend großen Oberflächen dienen dann im Sommer wiederum auch der Kühlung: „Das System kann vereinfacht ausgedrückt auch umgekehrt laufen und Wärme aus dem Gebäude aufnehmen und über einen Wärmetauscher an das kühle Quellwasser übertragen“, sagt Bauer.

Es gibt ihm zufolge zwar für den Spitzenbedarf noch zusätzliche Heiz- und Kühlsysteme, aber in der Hauptsache erfolgt die Temperierung der experimenta durch die Geothermie-Anlage. Ein Konzept, das sich auch rechnet: Durch die jährlichen Einsparungen bei den Energiekosten holt das System über die Nutzungsdauer hinweg seinen hohen Investitionsbedarf im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen wieder rein. „Und umweltfreundlich ist es natürlich auch“, betont Bauer.

Bohrungsziel: der Muschelkalk

„Zunächst beginnen solche Projekte immer mit einer Machbarkeitsstudie“, sagt Martin Brodbeck vom Ingenieurbüro Smoltczyk & Partner in Stuttgart, das für die Planung des Projekts zuständig war. Im Fall der experimenta bot sich eine Brunnenlösung zur Bereitstellung von Geothermie an. Das Ziel der Bohrung ist dabei der sogenannte Obere Muschelkalk in einer Tiefe von etwa 80 Metern. „Diese Schicht bietet besonders ergiebige Grundwasservorkommen mit einer Temperatur, die sich gut nutzen lässt“, erklärt Brodbeck. Den Prognosen zufolge ist eine Fördermenge von etwa zehn Litern pro Sekunde möglich.

„Bei dieser Tiefe handelt es sich noch nicht um Energie aus dem Erdinneren“, betont Brodbeck. Die Werte des Grundwassers in diesem Bereich sind noch von der Erdoberfläche geprägt – sie entsprechen den Jahresdurchschnittstemperaturen. „Letztlich nutzt man bei der oberflächennahen Geothermie diese gleichbleibenden Werte technisch, um die Extremtemperaturen im Sommer und im Winter auszugleichen“, so Brodbeck.

Sicherheit und verglaste Technik

Auch für die Einschätzung von Risiken im Zusammenhang mit der Bohrung waren Brodbeck und seine Kollegen zuständig. Ein wichtiger Punkt, denn Geothermieprojekte machen gelegentlich Negativschlagzeilen, da sie durch geologische Effekte zu Spannungen und Brüchen im Untergrund führen können. „Das kommt aber äußerst selten vor und wenn, dann war meist die Planung oder die Ausführung mangelhaft“, sagt Brodbeck. Im Fall der experimenta betont er: „Am Standort gibt es eindeutig keinen problematischen Untergrund und das Grundwasser wird bei der Bohrung durch Vorkehrungen sorgfältig vor Schadstoffeinträgen geschützt“.

Die Umsetzung des Projekts hat nun bereits begonnen – von der Bohrung bis zur Installation soll bis Anfang 2019 alles fertig sein. Mit dem interessanten System der Gebäudetemperierung will sich die experimeta dann auch buchstäblich sehen lassen: „Wir werden verglaste Technik präsentieren“, sagt Bauer: „Die Wärmepumpe und weitere Teile werden für die Besucher bestmöglich sichtbar gemacht. Außerdem werden beispielsweise die Medienströme in dem System durch LED-Lampen verdeutlicht“, sagt Bauer.

(, 25.10.2017 – MVI)

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