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Geowissen

Neue Vergleichsskala für Radiokarbon-Datierungen entdeckt

Japanische Seesedimente helfen Messungen zukünftig zu präzisieren

Das aus dem Suigetsu-See erbohrte Sediment zeigt deutlich die einzelnen Jahresschichten. © Gordon Schlolaut

Der Grund eines japanischen Sees kann helfen, archäologische Fundstücke genauer zu datieren als bisher: Er enthält feingeschichtete Ablagerungen, die wie die Jahresringe eines Baumes strukturiert sind und damit äußerst genaue Radiokarbonmessungen ermöglichen. Das hat jetzt ein internationales Forscherteam nachgewiesen, indem es vier Bohrkerne aus dem Suigetsu-See an der japanischen Küste untersuchte. Kombiniert mit bereits bekannten Werten sollen die Daten laut den Wissenschaftlern zu neuen Standard- und Bezugswerten für Datierungen mit der Radiokarbonmethode werden. Sie umfassen den Zeitraum von vor 11.200 bis vor 52.800 Jahren und erweitern damit die bisher vorhandene Skala an Referenzwerten um fast 40.000 Jahre, schreiben Christopher Bronk Ramsey von der Universität Oxford und seine Kollegen im Fachmagazin „Science“.

C-14-Uhr beginnt nach dem Tod zu ticken

Mit der Radiokarbonmethode, auch C-14-Methode genannt, lässt sich das Alter einer aus organischem Material bestehenden Probe oder eines Fossils bestimmen. Gemessen wird dabei das Verhältnis der seltenen, radioaktiven Kohlenstoffform C-14 zu normalem Kohlenstoff (C-12). C-14 entsteht in den oberen Atmosphärenschichten, wobei ungefähr ein C-14-Atom auf eine Billion normaler C-12-Kohlenstoffatome kommt. In diesem Verhältnis wird es auch von Pflanzen und schließlich von Tieren aufgenommen und verstoffwechselt. Stirbt ein Lebewesen, findet kein Austausch von Kohlenstoff mehr statt und das C-14 beginnt zu zerfallen. Da die Zerfallsgeschwindigkeit bekannt ist, können Wissenschaftler vom noch vorhandenen C-14 in einer Probe auf den ungefähren Todeszeitpunkt zurückrechnen.

Allerdings gibt es verschiedene Einflussfaktoren, die die Menge an C-14 in der Atmosphäre verändern können. Daher benötigen Wissenschaftler für eine möglichst genaue Datierung Referenzwerte, bei denen sie das exakte Alter kennen. Häufig werden dafür Baumringe herangezogen, denn dort lassen sich C-14-Werte Jahreszahlen zuordnen. Dieses natürliche Archiv reicht jedoch nur knapp 12.600 Jahre zurück. Für ältere Proben wurden bisher unter anderem Proben aus dem Meeresgrund verwendet. Diese Werte sind allerdings nicht so genau, da das Meerwasser eine Pufferfunktion hat und den Einbau von C-14 verzögert und auf andere Weisen beeinflusst.

Bohrung im Suigetsu-See in Japan. © Christopher Bronk Ramsey

Seeboden mit Baumringcharakter

Die Bohrproben aus dem Suigetsu-See bieten nun eine attraktive Alternative, berichten die Forscher. Dort sinkt jedes Jahr im Frühjahr und Sommer eine Schicht aus hellen Kieselalgen auf den Grund, die dann im Herbst von einer dunkleren Lage aus organischem Material wie Blättern und kleinen Zweigen bedeckt wird. Das Wasser dort sei sehr ruhig und enthalte wenig Sauerstoff, so dass die Sedimente viele zehntausend Jahre ungestört dort liegenbleiben, berichtet das Team. Auf diese Weise entsteht mit der Zeit eine sehr feine Schichtstruktur, an der sich wie im Fall der Baumringe der Verlauf jedes Jahres ablesen lässt. Das geht allerdings nicht immer mit bloßem Auge, wie die Forscher berichten: Zum Teil mussten sie Mikroskope einsetzen und zum Teil auch chemische Methoden, um die Schichten identifizieren zu können.

Die Forscher nahmen an insgesamt 800 Stellen Proben, bei denen sie den C-14-Gehalt bestimmten. Da es sich vor allem um Pflanzenüberreste gehandelt habe, die zu Lebzeiten den Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid direkt aus der Luft aufnahmen, habe man sehr zuverlässige Werte erhalten, berichten sie. Die bei Proben aus dem Meeresgrund üblichen Korrekturen konnten entfallen. Zudem deckten die Bohrkerne einen Zeitraum ab, der über 50.000 Jahre zurückreicht und damit den gesamten Bereich abdeckt, der sich überhaupt per Radiokarbonmethode datieren lässt.

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Als nächstes sollen die neuen Daten in die bisher verwendeten Standards integriert werden. Große Veränderungen bereits existierender Datierungen seien dadurch zwar nicht zu erwarten, kommentiert das Team. Ein paar hundert Jahre könnten sich die Daten jedoch schon verschieben. Das könne durchaus eine Rolle spielen für Fragen wie: Wann starb der Neandertaler wirklich aus? (doi: 10.1126/science.1226660)

(Science, 19.10.2012 – NPO)

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